European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00148.23F.0920.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.569,50 EUR bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,40 EUR (darin 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist Polizeibeamter. Er war über 17 Jahre als Diensthundeführer tätig und führte Hunde mit der Spezialausbildung zum Sprengstoffspürhund. Seine Dienstführung wurde zu keinem Zeitpunkt beanstandet. Im April 2017 wurde ihm ein neuer Diensthund zugewiesen. Es war vorgesehen, dass der Kläger mit diesem 2019 an einem Ausbildungslehrgang für Sprengstoffspürhunde teilnimmt. Der neue Hund war dafür geeignet. 2018 schied der alte Diensthund des Klägers aus dem Diensthundebestand aus. Es war üblich, einen ausgeschiedenen Diensthund dem Hundeführer unentgeltlich zu überlassen und darüber einen Schenkungsvertrag zu errichten. Der Kläger strebte die Ergänzung des von der Beklagten formulierten Schenkungsvertrags dahin an, dass dieser angepasst werden sollte, wenn sich zur „Versorgung von ausgeschiedenen Polizeidiensthunden eine Besserstellung ergebe“. Die Dienstbehörde des Klägers lehnte dies ab und stellte ihm in Aussicht, seinen alten Hund in die zentrale Zwingeranlage zu überstellen, sollte er den Schenkungsvertrag nicht ohne Zusatz unterschreiben. Daraufhin unterfertigte der Kläger den Vertrag wie er von seinen Vorgesetzten formuliert worden war.
[2] Trotz dringenden Bedarfs an Sprengstoffspürhunden und Hundeführern sowie der langjährigen Erfahrung und anstandslosen Dienstausübung des Klägers wurde dieser 2019 sowie danach – entgegen der ursprünglichen Planung – nicht zur Spezialausbildung zugelassen. Alleiniger Grund dafür war, dass er es sich bei der Übernahme seines alten Diensthundes durch seinen Wunsch nach einer „Vertragsanpassung“ mit seinen Vorgesetzten „verscherzt“ habe.
[3] Der Klägerwirft der Beklagten mit seiner Amtshaftungsklage Mobbing bzw Bossing vor.
[4] Die Verweigerung der Ausbildung mit seinem neuen Diensthund sei sachlich nicht gerechtfertigt und geeignet gewesen, den Kläger aus dem Dienstverhältnis zu verdrängen. Dies habe bei ihm zu erhöhten seelischen Belastungen und emotionalem Stress –auch zu Schlafstörungen –geführt. Dafür stehe ihm ein Schmerzengeld von 15.000 EUR zu. Außerdem habe ihm die Beklagte Heilungskosten von 560 EUR, die (bis dato) entgangene Zulage für Sprengstoffspürhundeführer in Höhe von 4.107,27 EUR sowie (jeweils wegen seiner Gesundheitsbeeinträchtigung) entgangenes Entgelt für Überstunden und krankenstandbedingte Bezugskürzungen von 8.910 EUR zu ersetzen. Hinzu kämen weitere 100 EUR für Generalunkosten. Der Kläger begehrte auch die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, die er in Zukunft aufgrund der von August 2019 bis dato erfolgten „Mobbinghandlungen“, insbesondere aufgrund der Nichtentsendung gemeinsam mit seinem Diensthund zur Spezialausbildung zum Sprengstoffspürhund, erleide.
[5] Die Beklagte entgegnete, dass sich die Entscheidung, den Kläger mit seinem neuen Hund nicht zur Zusatzausbildung für Sprengstoffspürhunde zuzulassen, am Bedarf nach solchen ausgebildeten Hunden und Hundeführern sowie am Verhalten des Klägers bei Übernahme seines alten Hundes orientiert habe. Die von ihren Organen getroffene (Ermessens‑)Entscheidung sei sachlich gerechtfertigt gewesen. Ein Mobbing bzw Bossing sei dadurch nicht erfolgt.
[6] Das Erstgericht sprach dem Kläger 4.107,27 EUR als Ersatz für die entgangene Zulage als Sprengstoffspürhundeführer zu und wies das Mehrbegehren von 24.570 EUR ab. Dem Feststellungsbegehren gab es insoweit Folge, als es aussprach, dass die Beklagte dem Kläger (nur) für künftige Schäden aus der Nichtentsendung mit seinem Diensthund zur Spezialausbildung zum Sprengstoffspürhund hafte.
[7] Die Nichtzulassung des Klägers zur angestrebten Spezialausbildung (mit seinem neuen Hund) habe auf unangemessenen persönlichen Motiven seiner Vorgesetzten beruht. Diese hätten dadurch gegen ihre gesetzliche Förderungspflicht nach § 45 Abs 1 BDG verstoßen. Dass es sich der Kläger mit seinen Vorgesetzten „verscherzt“ habe, weil sich diese über sein Verhalten bei Übernahme seines alten Diensthundes geärgert hätten, sei keine sachliche Rechtfertigung für die Entscheidung über die weitere Ausbildung des Klägers gewesen. Die Beklagte habe ihm daher die aufgrund der rechtswidrigen Nichtzulassung zur Spezialausbildung entgangenen Zulagen zu ersetzen. Ein Mobbing bzw Bossing sei dadurch aber nicht erfolgt. Die Beklagte hafte daher nicht für die aus der behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigung abgeleiteten Schäden. Das pauschale Begehren auf Ersatz des Verdienstentgangs wegen entgangener Überstunden und krankenstandsbedingter Bezugskürzungen sei mangels Aufschlüsselung auch unschlüssig geblieben.
[8] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung in der Hauptsache und ließ die ordentliche Revision zu.
[9] Die vom Erstgericht angenommene Unschlüssigkeit des Begehrens auf Ersatz entgangener Überstundenentgelte sowie krankenstandsbedingter Bezugskürzungen sei nicht zu beanstanden. Ein Verfahrensmangel wegen unterbliebener Erörterung liege insoweit nicht vor.
[10] Das Verhalten der Organe der Beklagten im Zusammenhang mit der Nichtzulassung des Klägers zur Spezialausbildung habe kein Bossing begründet. Der – wenngleich andauernde – Ausschluss von dieser Ausbildung habe weder darauf abgezielt, den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen, noch sei diese Maßnahme dazu geeignet gewesen oder habe einen solchen Effekt gehabt. Das Erstgericht habe das Begehren auf Ersatz der aus der behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigung abgeleiteten Schäden daher zu Recht abgewiesen.
[11] Den Vorgesetzten des Klägers sei aber ein Verstoß gegen die Förderungspflicht des § 45 Abs 1 Satz 3 BDG vorzuwerfen, weil seine Nichtzulassung zur Spezialausbildung mit dem neuen Diensthund willkürlich erfolgt sei. Die Organe der Beklagten hätten dabei ihr Ermessen überschritten, weil ein dringender Bedarf an Sprengstoffspürhunden und Hundeführern bestanden habe, der Kläger und sein neuer Hund für die Ausbildung geeignet gewesen wären und dessen Ausschluss von dieser nur eine „Retourkutsche“ seiner Vorgesetzten gewesen sei. Da die Förderungspflicht nach der genannten Bestimmung auch die finanziellen Interessen der Mitarbeiter schütze, stehe der Vermögensschaden des Klägers –im Unterschied zum behaupteten Gesundheitsschaden – im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung der Beklagten.
[12] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob ein Beamter aus dem Förderungsgebot des § 45 Abs 1 BDG Amtshaftungsansprüche ableiten könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[13] Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht zulässig, weil diese keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
I. Zur Revision des Klägers:
[15] 1. Diese ist als ordentliche Revision zu behandeln, weil im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts (zutreffend) nicht zwischen der Entscheidung über die Berufung des Klägers und jener über die Berufung der Beklagten unterschieden wurde.
[16] 2. Dass die Vorinstanzen einen Teil des Zahlungsbegehrens von 8.910 EUR wegen Unschlüssigkeit abwiesen, wird vom Kläger in dritter Instanz nicht bekämpft.
[17] 3. Nach ständiger Rechtsprechung steht der Eintritt von Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen des Rechtsträgers, auch wenn sich diese später als unberechtigt erweisen sollten, es sei denn es handle sich dabei um Mobbing bzw Bossing im Sinn des § 43a BDG (RS0131739).
[18] 4. Ob letzteres zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0124076 [T4, T5, T6]). Dass die Vorinstanzen die Nichtzulassung des Klägers zur Ausbildung mit seinem neuen Diensthund nicht als Bossing qualifizierten, begründet keine Überschreitung des ihnen in dieser Wertungsfrage zukommenden Beurteilungsspielraums (1 Ob 4/23d). Da die Vorinstanzen ein Bossing des Klägers vertretbar verneinten, begegnet es auch keinen Bedenken, dass sie die Haftung der Beklagten mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs für jene Ersatzansprüche ausschlossen, die er aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der dienstrechtlichen Maßnahme ableitete. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Kläger dazu nicht auf.
[19] 5. Ob im Einzelfall auch eine einmalige Dienstrechtsverletzung als Mobbing bzw Bossing qualifiziert werden könnte, muss hier nicht (theoretisch; vgl RS0111271) beurteilt werden, weil die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach das konkrete Verhalten der Vorgesetzten des Klägers keinen solchen Vorwurf rechtfertige, keiner Korrektur bedarf.
[20] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.
II. Zur Revision der Beklagten:
[21] 1. Die Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein Verstoß gegen die Förderungspflicht des § 45 Abs 1 BDG zum Ersatz des dadurch verursachten Vermögensschadens berechtige. Sie argumentiert auch, dass die Nichtzulassung des Klägers zur angestrebten Ausbildung sachlich gerechtfertigt gewesen sei.
2. Zum Rechtswidrigkeitszusammenhang :
[22] 2.1. Auch im Amtshaftungsrecht muss die verletzte Vorschrift auch den Schutz des Geschädigten vor den konkret eingetretenen Nachteilen bezwecken (RS0050038 [T1]). Auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung müssen von deren Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Ersatzfähig sind Schäden, deren Eintritt die übertretene Vorschrift gerade verhindern wollte. Angesichts der in der Regel primär öffentliche Interessen wahrenden öffentlich‑rechtlichen Vorschriften reicht es dabei aus, dass die Verhinderung eines Schadens beim Dritten bloß mitbezweckt ist (RS0050038 [T21]; RS0031143 [T5]). Maßgeblich ist, ob die Pflicht des Rechtsträgers nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse eines einzelnen Betroffenen besteht (RS0050038 [T27]). Unzureichend wäre es, würde sich der Individualschutz nur als bloßer Reflex der Befolgung einer Norm ergeben (RS0031143 [T38]).
[23] 2.2. In Erfüllung seiner Fürsorgepflicht hat der Rechtsträger auch die wirtschaftlichen Interessen der in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Personen zu wahren und zu fördern (RS0053007; RS0021507 [T6]). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann Ersatzansprüche nach dem AHG auslösen (RS0053007 [T2]; RS0021507 [T8]).
[24] 2.3. § 45 Abs 1 BDG („Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters“) lautet wie folgt:
„Der Vorgesetzte hat darauf zu achten, daß seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Mißstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht.“
[25] 2.4. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung legt nahe, dass die dort (im letzten Satz) vorgesehene Förderungspflicht nicht nur im Allgemeininteresse an einem geordneten Dienstbetrieb besteht, sondern auch den einzelnen Beamten schützen soll. Zwar verweist der erste Satz des § 45 Abs 1 BDG auf eine gesetzmäßige und wirtschaftliche Erledigung behördlicher Aufgaben und insoweit auf ein öffentliches Interesse. Auch die Gesetzesmaterialien (ErlRV 11 BlgNR 15. GP 86) nehmen auf „für den Dienstbetrieb notwendige“ Dienstpflichten Bezug. Dass der Vorgesetzte auch im allgemeinen Interesse an einer effizienten Verwaltung zur Förderung des dienstlichen Fortkommens seiner Mitarbeiter verpflichtet ist, schließt aber nicht aus, dass damit auch ihre individuellen Dienstinteressen geschützt werden. Dass dies keine bloße Reflexwirkung der gesetzlichen Förderungspflicht ist, ergibt sich schon aus der Bezugnahme dieser Bestimmung auf die konkreten Mitarbeiter eines Vorgesetzten.
[26] 2.5. Für ein solches Verständnis des § 45 Abs 1 Satz 3 BDG spricht neben dessen Wortlaut vor allem auch, dass diese Bestimmung die allgemeine Fürsorgepflicht des öffentlichen Dienstgebers konkretisiert (vgl VwGH Ra 2015/12/0051; siehe auch Ra 2020/12/0028). Dies ergibt sich auch aus einem Größenschluss aus § 45 Abs 1a BDG, wonach der Vorgesetzte auf den rechtzeitigen Verbrauch des Erholungsurlaubs seiner Mitarbeiter hinzuwirken hat. Dies wird in den Gesetzesmaterialien (AB 9 BlgNR 27. GP 2) als Teil der allgemeinen Fürsorgepflicht angesehen. Umso mehr muss dies aber für die Pflicht zur Förderung des dienstlichen Fortkommens der Mitarbeiter gelten. Im Übrigen legt auch § 33 Abs 2 BDG, wonach Maßnahmen der dienstlichen Weiterbildung (auch) der längerfristigen beruflichen Entwicklung des Beamten dienen (vgl dazu VwGH Ra 2017/12/0007 Rz 43), einen Schutz ihres individuellen Interesses an einer solchen Ausbildung nahe.
[27] 2.6. Der Beklagten ist auch die Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach zwar kein subjektives Recht auf eine Beförderung besteht, deren Unterbleiben aber eine Amtshaftung begründen kann, wenn dies auf einen Missbrauch der eingeräumten Befugnisse zurückzuführen ist (RS0112461). Entgegen dem Standpunkt der Revisionswerberin kann der Fall einer unterbliebenen Beförderung – hinsichtlich der Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs – mit dem hier zu beurteilenden Fall der unterbliebenen Zulassung zu einer (mit finanziellen Vorteilen verbundenen) Dienstausbildung verglichen werden. In beiden Fällen besteht zwar kein Anspruch auf die dienstliche Maßnahme. Überschritten oder missbrauchten die zur Entscheidung berufenen Organe aber das ihnen zukommende Ermessen, ist kein Grund ersichtlich, warum dem davon betroffenen Beamten kein Amtshaftungsanspruch zuerkannt werden sollte. Dass dies zu einer unerwünschten Uferlosigkeit der Haftung des Rechtsträgers führe, trifft schon deshalb nicht zu, weil nur die konkreten Mitarbeiter eines Vorgesetzten durch eine Verletzung der ihm obliegenden Förderungspflicht gefährdet sein können. Dabei handelt es sich um eine mehr oder weniger große, aber letztlich eindeutig bestimmbare Gruppe. Im Übrigen setzt jeder Amtshaftungsanspruch eine unvertretbare Rechtsausübung (vgl dazu Punkt 3) voraus.
[28] 2.7. Davon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen das finanzielle Interesse des Klägers an der Zulassung zu der von ihm angestrebten Ausbildung als von § 45 Abs 1 Satz 3 BDG geschützt ansahen. Das dort angesprochene „dienstliche Fortkommen“ betrifft auch materielle Interessen an der dienstlichen Stellung. Insbesondere unter dem Blickwinkel einer Fürsorgepflichtverletzung ist daher auch die Vermögenssphäre des Klägers von dieser Bestimmung geschützt. Aus der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Entscheidung zu 1 Ob 202/20t ist für diese nichts zu gewinnen, weil dort nur ausgesprochen wurde, dass aufgrund eines (in concreto angenommenen) Bossinggeschehens auch dadurch verursachte (bloße) Vermögensschäden des Betroffenen zu ersetzen sind. Dass ein solcher Ersatz bei „einfachen“ Dienstpflichtverletzungen jedenfalls ausgeschlossen wäre, kann daraus nicht abgeleitet werden.
3. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist ihren Organen ein unvertretbares Handeln vorzuwerfen:
[29] 3.1. Im Amtshaftungsprozess ist zwar nur zu prüfen, ob ein bestimmtes behördliches Verhalten auf einer vertretbaren Gesetzesauslegung bzw Rechtsanwendung beruhte (RS0050216; RS0049955). Bei Ermessensentscheidungen fällt dem Organ aber dann ein den Amtshaftungsanspruch rechtfertigendes Verschulden zur Last, wenn es sein Ermessen entweder missbrauchte oder den bestehenden Ermessensspielraum überschritt (RS0049974). Ob dies der Fall war, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen (RS0110837).
[30] 3.2. Die vorliegenden Feststellungen lassen keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennen, dass der Kläger zur angestrebten Ausbildung nicht zugelassen wurde. Er übte seinen Dienst 17 Jahre lang als Sprengstoffspürhundeführer aus, ohne dass es dabei zu Beanstandungen kam. Auch sein neuer Hund erfüllte alle Voraussetzungen für die Ausbildung zum Sprengstoffspürhund. Bei der Dienstbehörde des Klägers bestand ein dringender Bedarf an dazu ausgebildeten Hunden und Hundeführern. Allein aufgrund des Wunsches des Klägers nach einer Anpassung des Schenkungsvertrags (bei Ausscheiden seines alten Hundes) durften die Organe der Beklagten nicht davon ausgehen, dass in Zukunft keine „reibungslose Zusammenarbeit“ mit ihm möglich sei. Der Kläger unterzeichnete den Vertrag nach Ablehnung der angestrebten Anpassung auch umgehend mit dem vorgegebenen Inhalt. Damit waren die inhaltlichen Differenzen mit seinen Vorgesetzten ausgeräumt. Dass sie den Kläger dennoch nicht zur gewünschten Ausbildung zuließen, obwohl dies auch für die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs erforderlich gewesen wäre, beruhte ausschließlich auf dem persönlichen Motiv seiner Vorgesetzten, ihn für sein – tatsächlich nicht unangemessenes – Verhalten bei Übergabe seines alten Diensthundes zu bestrafen. Dass die Vorinstanzen dies als rechtlich unvertretbar ansahen, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
[31] 4. Soweit die Beklagte auch in dritter Instanz kritisiert, dass der Feststellungsausspruch das Klagebegehren überschritten habe, könnte ein solcher Verstoß gegen § 405 ZPO nach ständiger Rechtsprechung – von der abzugehen sich der Senat nicht veranlasst sieht – nur einen Verfahrensmangel begründen (RS0041089). Das Vorliegen eines solchen wurde vom Berufungsgericht aber inhaltlich verneint, weshalb der behauptete Verfahrensfehler in der Revision nicht mehr aufgegriffen werden kann (RS0041117).
[32] 5. Der Revision der Beklagten ist somit ein Erfolg zu versagen. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Die in § 45 Abs 1 letzter Satz BDG vorgesehene Verpflichtung des Vorgesetzten, das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter (nach Maßgabe ihrer Leistungen) zu fördern, bezweckt auch den Schutz individueller Interessen des einzelnen Beamten.
[33] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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