European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00148.22D.0914.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 576,82 EUR (darin 96,14 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Auf der Liegenschaft der Kläger werden seit Jahrzehnten Parzellen an Dritte vermietet, die darauf Häuser als Superädifikate errichteten. 1991/1992 ließ der zweitbeklagte Wasser- und Abwasserverband für die entstandene Siedlung eine Trinkwasser- und Abwasserbeseitigungsanlage („Anlage“) herstellen. Diese wurde deshalb nicht von den damaligen Grundstückseigentümern (den Voreigentümern der Kläger) errichtet, weil der Zweitbeklagte höhere Förderungen erhielt. Die Liegenschaftseigentümer wussten, dass die Anlage (hauptsächlich) auf ihrem Grundstück errichtet wird. In wessen Eigentum sie stehen soll, wurde bei Baubeginn aber ebensowenig besprochen wie die Frage, ob sie auf Dauer bestehen bleiben oder wieder entfernt werden soll. Erst nach Fertigstellung der Anlage vereinbarten die damaligen Liegenschaftseigentümer mit dem Zweitbeklagten sowie dem erstbeklagten Verein (dessen Mitglieder sind Mieter der einzelnen Parzellen) die Eigenschaft der Anlage als Superädifikat des Zweitbeklagten. Der Erstbeklagte ist nach dieser Vereinbarung berechtigt, die Anlage unter gewissen Voraussetzungen vom Zweitbeklagten zu erwerben. Das Superädifikat ist durch Urkundenhinterlegung im Grundbuch ersichtlich gemacht.
[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren der Kläger auf Feststellung, dass sie Eigentümer der – von ihnen näher beschriebenen – Anlage sind.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die dem Feststellungsbegehren stattgebende Entscheidung des Erstgerichts. Bei Errichtung der Anlage sei weder vereinbart worden, wer ihr Eigentümer werden, noch dass sie nicht auf Dauer auf dem (nunmehrigen) Grund der Kläger verbleiben solle. Die fehlende Belassungsabsicht ergebe sich auch nicht aus einem befristeten Nutzungsrecht an diesem. Die Kläger seien daher als Grundeigentümer auch Eigentümer der damit fest verbundenen Anlage geworden. Ein Superädifikat sei weder durch nachträgliche Vereinbarung noch aufgrund eines Anerkenntnisses der Kläger wirksam begründet worden. Diese hätten ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die Passivlegitimation des Erstbeklagten ergebe sich daraus, dass auch er die Eigentümerstellung der Kläger bestreite und behaupte, zum Erwerb der Anlage vom Zweitbeklagten berechtigt zu sein. Dass die Kläger in der Vergangenheit selbst davon ausgegangen seien, dass es sich bei der Anlage um ein Superädifikat handle, lasse ihr nunmehriges Feststellungsbegehren nicht rechtsmissbräuchlich erscheinen.
[4] Der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz übersteige 30.000 EUR. Die ordentliche Revision sei zulässig, „weil der Frage der rechtlichen Qualifikation der Anlage und der Zulässigkeit der erhobenen Begehren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme“.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die im Wesentlichen inhaltsgleichen – und daher gemeinsam behandelten – Revisionen beider Beklagten sind entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig.
[6] 1. Die Kläger leiten ihr Feststellungsbegehren aus ihrer Stellung als Liegenschaftseigentümer ab. Bereits daraus ergibt sich ihre Aktivlegitimiation. Soweit die Revisionswerber dies in Zweifel ziehen, sind ihre Rechtsmittelausführungen nicht nachvollziehbar.
[7] 2. Ein rechtliches Interesse ist (materielle) Voraussetzung jedes Feststellungsbegehrens (RS0039177). Es besteht unter anderem bei objektiver Ungewissheit über den Bestand eines Rechts, etwa wenn dieses vom Beklagten ernsthaft bestritten wird (RS0039202 [T7]; RS0038968 [insb T4]). Ob im Einzelfall ein rechtliches Interesse an einer bestimmten Feststellung besteht, begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0039177 [T1] ua).
[8] Dass das Berufungsgericht ein rechtliches Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung ihres Eigentums an der Anlage gegenüber beiden beklagten Parteien bejahte, ist schon deshalb vertretbar, weil sie den Klägern ihr Recht beharrlich absprachen. Der Zweitbeklagte behauptet(e), selbst Eigentümer der Anlage, der Erstbeklagte, zu deren Erwerb vom Zweitbeklagten als rechtmäßiger Eigentümer berechtigt zu sein. Entgegen dem Standpunkt der Revisionswerber entfällt das Feststellungsinteresse nicht deshalb, weil den Klägern gegen die Urkundenhinterlegung eine Löschungsklage analog zu § 61 GBG (vgl RS0037897) zustünde. Im grundbücherlichen Löschungsverfahren wäre die Frage, ob die Urkundenhinterlegung der materiellen Rechtslage widerspricht, nur als Vorfrage zu beurteilen. Dies böte den Klägern weniger, als sie mit ihrem Feststellungsbegehren anstreben. Warum es gegen ihr rechtliches Interesse sprechen soll, dass sich aus der begehrten Feststellung bestimmte (etwa bereicherungsrechtliche) Rechtsfolgen ergäben, die allenfalls in einem weiteren Gerichtsverfahren zu klären wären, ist nicht ersichtlich.
[9] 3. Das Berufungsgericht legte das Klagebegehren im Zusammenhang mit dem Klagevorbringen (RS0037440) dahin aus, dass die Kläger die Feststellung ihres Eigentums an der Anlage nur insoweit anstreben, als sich diese auf ihrem Grundstück befindet. Dies begegnet im Einzelfall (RS0037440 [T6]) keinen Bedenken, weil die Kläger ihr Klagebegehren aus ihrem Eigentum am Grundstück ableiten, auf dem diese Anlage (großteils) errichtet wurde. In diesem Sinn ist das Begehren auch hinreichend bestimmt.
4. Zum Eigentum an der Anlage:
[10] 4.1. Das Eigentum an einem auf fremden Grund errichteten Bauwerk fällt gemäß § 297 ABGB dem Grundeigentümer zu, außer es wurde in der Absicht aufgeführt, dass es nicht auf Dauer dort bleiben soll (RS0009939; RS0011252 [T4]). Die fehlende Belassungsabsicht muss objektiv in Erscheinung treten, und zwar entweder durch die Bauweise oder durch ein von vornherein zeitlich begrenztes Grundbenutzungsrecht (RS0009865 [T3]). Sie muss im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks bestehen (RS0009939 [T3]; RS0009865 [T8]; RS0011252 [T10]). Ist dieses bereits Bestandteil des Grundstücks geworden, kann daran später auch einvernehmlich kein Superädifikat mehr begründet werden (RS0012258).
[11] Hier wurde zwischen den Liegenschaftseigentümern und dem Zweitbeklagten „vor und bei“ Baubeginn nicht besprochen, wer Eigentümer der Anlage werden und ob diese auf Dauer auf dem Grundstück bleiben soll. Da sich die fehlende Belassungsabsicht auch nicht aus der Bauweise der Anlage ergibt, gingen die Vorinstanzen ohne Fehlbeurteilung davon aus, dass an dieser kein Superädifikat begründet wurde.
[12] Die Argumentation der Revisionswerber, ein solches wäre bei Baubeginn vereinbart worden, beruht ebensowenig auf dem festgestellten Sachverhalt wie ihre Behauptung eines zeitlich beschränkten Nutzungsrechts am Grund der Kläger. Die Vereinbarung eines Superädifikats ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Zweitbeklagten für die Anlage ein Wasserbenutzungsrecht gemäß § 22 WRG erteilt wurde (vgl Bachler in Oberleitner/Berger, WRG-ON4.01 § 22 WRG Rz 12). Warum sich aus der Befristung des Wasserbenutzungsrechts ein zeitlich beschränktes Nutzungsrecht des Zweitbeklagten am Grund der Kläger ergeben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Auf die befristeten Nutzungsverhältnisse zwischen den Klägern und den Mietern der einzelnen Parzellen kommt es für die Belassungsabsicht des Zweitbeklagten hinsichtlich der von ihm errichteten Anlage nicht an. Soweit die Revision mehrfach auf Ergebnisse des Beweisverfahrens hinweist, wird damit der unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung zu bekämpfen.
[13] Da ein Superädifikat nach Baubeginn bei – wie hier – fester Verbindung des Bauwerks mit dem Grundstück nachträglich nicht mehr entstehen kann, war dessen Begründung im vorliegenden Fall weder durch die nach Errichtung der Anlage getroffene Vereinbarung der Parteien noch durch ein behauptetes „Anerkenntnis“ der Kläger möglich.
[14] 4.2. Auch die Revisionsausführungen zu § 418 dritter Satz ABGB lassen keine erhebliche Rechtsfrage erkennen. Nach dieser Bestimmung erwirbt ein redlicher Bauführer Eigentum an der Baufläche, wenn der Grundeigentümer von der Bauführung weiß und sie nicht untersagt. Diese Rechtsfolge wird jedoch durch eine Vereinbarung über die Bauführung ausgeschlossen (RS0011052; RS0009923 [T9]; RS0011074 [T4]). Die bloße Zustimmung des Grundeigentümers zur Bauführung ohne Vereinbarung über die Eigentumsverhältnisse führt zu keinem Eigentumserwerb am betroffenen Grundstücksteil (10 Ob 17/09m = RS0009923 [T8]). Entscheidend für die Anwendung des § 418 dritter Satz ABGB ist die Unredlichkeit des Grundeigentümers, der den Bauführer bauen lässt, obwohl er weiß, dass dieser aus Unkenntnis (RS0011074 [T3]) auf fremdem Grund baut (RS0011074). Ob die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen, ist jeweils aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (RS0011074 [T7]; RS0011088 [T5]).
[15] Der Errichtung der Anlage auf dem Grund der Kläger lag hier eine Vereinbarung zugrunde, die aber – soweit sie bei Baubeginn getroffen wurde – keine Regelung über das Eigentum an dieser enthielt. Der Zweitbeklagte wusste, dass er auf fremden Grund baut. Damit begegnet die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach kein Eigentumserwerb nach § 418 dritter Satz ABGB erfolgte, keinen Bedenken. Dafür, dass die Parteien davon ausgegangen wären, der Zweitbeklagte hätte „als Bauführer zu irgendeinem späteren Zeitpunkt Eigentum am Grund erwerben sollen“ (RS0009923 [T10]), besteht keine hinreichende Grundlage im Sachverhalt.
[16] 5. Zum Einwand einer missbräuchlichen „Rechtsausübung“ ging das Berufungsgericht von den dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen aus (vgl etwa RS0026265). Im Allgemeinen geben selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch den Ausschlag zugunsten des Rechtsausübenden, weil diesem grundsätzlich zuzugestehen ist, dass er innerhalb der Schranken seines Rechts handelt (RS0026205 [T4, T9]). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage (RS0013207, RS0026265 [T12]).
[17] Das Berufungsgericht verneinte eine rechtsmissbräuchliche Berufung der Kläger auf ihr Eigentum an der Anlage mit der Begründung, sie seien (ebenso wie die Voreigentümer ihrer Liegenschaft) zunächst selbst von der wirksamen Begründung eines Superädifikats ausgegangen. Die Revisionswerber gehen darauf nicht ein. Sie zeigen daher schon aus diesem Grund keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf (vgl RS0043603 [T9]). Eine solche vermögen sie auch mit ihrer unklaren Behauptung, es komme für die Beurteilung eines Rechtsmissbrauchs nur darauf an, „was sich [der Erstkläger] zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigungen gedacht hat“, nicht darzulegen. Warum daraus, dass die Kläger nichts zur Finanzierung der Errichtung der Anlage beigetragen hätten, ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen im vorliegenden Verfahren abzuleiten wäre, ist nicht ersichtlich. Allfällige ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen wären gegebenenfalls – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – bereicherungsrechtlich auszugleichen. Ob aus der nachträglich geschlossenen Vereinbarung zur Begründung eines Superädifikats, die insofern auf rechtlich Unmögliches gerichtet war, auch andere Rechtsfolgen abgeleitet werden können, ist hier nicht zu beurteilen. Insgesamt erschöpfen sich die Revisionsausführungen zum behaupteten Rechtsmissbrauch in unsubstanziierten Behauptungen ohne Bezug zum konkreten Sachverhalt.
[18] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die Bemessungsgrundlage für die Kosten der Revisionsbeantwortung beträgt aufgrund des in dritter Instanz allein strittigen Feststellungsbegehrens 5.000 EUR.
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