European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00012.21B.0421.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften am Ufer eines Sees. Das zum Seegrundstück hin schmäler werdende Grundstück der Klägerin liegt zwischen der Liegenschaft des Erstbeklagten und der im Miteigentum des Zweit‑ und der Drittbeklagten stehenden Liegenschaft.
[2] Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass sie Eigentümerin einer bestimmten in einem beigelegten Plan dargestellten Fläche ist (mit der auch ihr Grundstück einen, wenn auch sehr schmalen, Zugang zum See hat) und die Feststellung eines bestimmten Grenzverlaufs zwischen ihrem Grundstück und den Grundstücken der Beklagten.
[3] Die Vorinstanzen gaben der Klage übereinstimmend statt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist – soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung richtet – absolut unzulässig; in der Hauptsache kann sie keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen:
[5] 1. Die Beklagten erklären, die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts anzufechten. Sie begehren (unter inhaltlichen Bemängelungen), den Zweit- und die Drittbeklagte (nur) zum Ersatz von 80 % der bezeichneten Verfahrenskosten zu verpflichten.
[6] Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gegen Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt sind aber ausnahmslos unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; RIS‑Justiz RS0044233 [T36]; RS0044228; RS0053407 [T16]). Dies gilt auch für eine in einer Revision enthaltene Anfechtung der Kostenentscheidung (RS0053407 [T7]).
[7] 2. Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft. Sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In Erwägungen dazu, aus welchen Gründen dem Berufungsgericht die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht fehlerhaft erscheint, liegen keine „ergänzenden Feststellungen“. Der von den Beklagten zur vom Berufungsgericht angenommenen Naturgrenze zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem des Erstbeklagten behauptete Verstoß betrifft keine für die Entscheidung erhebliche Tatsache (dazu näher Pkt 4.).
[8] 3. Das Berufungsgericht legte – insoweit von den Beklagten unbekämpft – auf der Sachverhaltsebene zur Naturgrenze zwischen den Ufergrundstücken und dem See(‑grundstück) zugrunde, dass sich auch das Grundstück der Klägerin schon ursprünglich (wie die Grundstücke der Beklagten in den jüngeren Plandarstellungen) „bis zum See“ (bis zur unverändert gebliebenen Wasseranschlagslinie) erstreckte. Kein anderer Grenzverlauf steche in der Natur so hervor, wie die Wasseranschlaglinie eines stehenden Gewässers. Auf den älteren bildlichen Darstellungen sei (auch) ihr Grundstück bis zum Gewässer und nicht (nur) bis zu einem allenfalls auch das Ufer mitumfassenden Seegrundstück reichend dargestellt. Dies stelle den entscheidenden Hinweis dafür dar, dass man davon ausgegangen sei, dass dies den Verhältnissen in der Natur tatsächlich entspreche. Auch wenn allenfalls in der „Urmappe“ die Grenzlinie falsch eingezeichnet gewesen sei (damit aufgrund der geringeren Größe der Ufergrundstücke weniger Grundsteuer anfällt), habe sich dies allenfalls auf die Größe der Grundstücke, nicht aber darauf ausgewirkt, dass diese Grundstücke an den (damit in seiner Ausdehnung größer dargestellten) See grenzten. Auch die Beklagten hätten nicht bezweifelt, dass die Uferlinie des Sees im relevanten Bereich bereits bei Anlegung der Urmappe der heutigen entsprach.
[9] Die Klägerin nimmt mit ihrem Begehren nur eine bis zur Wasseranschlagslinie reichende Fläche in Anspruch. Dabei handelt es sich um eine Landfläche, die schon zur Zeit der Anlegung des Grundbuchs kein vom Wasser (von der Wasserwelle) bedeckter Grund (und später kein öffentliches Wassergut iSd § 4 WRG) war und den Eigentümern der an den See grenzenden Ufergrundstücke gehörte. Der von den Beklagten erhobene (und mit dem Fehlen der Passivlegitimation verbundene) Einwand, es sei auch das Ersitzungsverbot öffentlichen Wasserguts (oder eine Ersitzung gegenüber der Österreichische Bundesforste AG bzw deren Rechtsvorgänger) zu prüfen, scheitert schon daran. Alle Beklagten haben im Verfahren behauptet, die von der Klägerin in Anspruch genommene Fläche gehöre (jeweils) ihnen, zumindest hätten sie sie ersessen.
[10] 4. Hat die Klägerin bzw haben ihre Rechtsvorgänger innerhalb der im (integrierten) Plan ausgewiesenen Fläche Handlungen gesetzt, die nach außen hin die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden (während einer dreißigjährigen Dauer) sichtbar zum Ausdruck brachten (und damit die Voraussetzungen einer Eigentumsersitzung erfüllt), kommt der „wahren“ Grenze (Naturgrenze) zwischen ihren jeweiligen Grundstücken (und damit der Frage, ob die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger „schon immer“ Eigentümer genau dieser Fläche waren) keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
[11] 5. Die für die Ersitzung erforderliche Besitzausübung muss so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten individuellen Rechts erkennen kann (RS0010135 [T1]) und ihn bei der Eigentumsersitzung von seiner (eigenen) Besitzausübung ausschließen (vgl RS0010101).
[12] Zum Einwand, die Beklagten hätten nie Besitzausübungshandlungen wahrgenommen, sei angemerkt, dass diese vor mehr als 80 Jahren begonnen haben. Es kommt auch nicht darauf an, ob derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Besitzausübungshandlungen (subjektiv) tatsächlich wahrgenommen hat (vgl RS0010135 [T3]), sondern darauf, ob er – bei gehöriger Aufmerksamkeit – (objektiv) hätte erkennen können, dass die (festgestellten) Besitzausübungshandlungen in Ausübung eines (vermeintlichen) Rechts erfolgen. Diese Beurteilung hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl RS0033021) und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage.
[13] Die 1973 geborene Klägerin und ihre Rechtsvorgänger nutz(t)en „diese Fläche“ (damit ist nach den Feststellungen [zumindest] die nun im Plan schraffiert dargestellte Fläche gemeint) seit fünf Generationen. Der unmittelbar an den See angrenzende Bereich wurde „seit jeher bis nach dem zweiten Weltkrieg“ als „Brunnretz“ (zur Haltbarmachung von zu Rohren bearbeiteten Baumstämmen durch Eingraben) genutzt. Danach (weil nun Eisenrohre Verwendung fanden) wurde der sumpfige Bereich nicht mehr gemäht, aber diese Fläche „jedenfalls bis in die 1980er-Jahre“, weil Bäume und Sträucher aufkamen „– im möglichen Ausmaß – forstwirtschaftlich genützt“. Der obere, nicht so sumpfige Bereich wurde als Wiese genutzt (es wurde Gras gemäht und Heu aufgehängt). Es wurde darauf geachtet, dass das Wasser des ganzen Grundstücks gut zum See hinunter entwässern konnte, damit es sich nicht aufstaute „und die Fläche oberhalb möglichst umfassend landwirtschaftlich genutzt werden konnte“; es wurden Holler gepflückt sowie Bäume und Sträucher ausgeschnitten, um das (zur Abkühlung nach Arbeiten und zur Kühlung von Getränken genutzte) Wasser des Sees gut erreichen zu können. Wenn das Berufungsgericht – das sich zur Ersitzung von nur eingeschränkt produktiven Flächen an der zu 1 Ob 137/14z ergangenen Rechtsprechung orientierte – diese Handlungen als für die Ersitzung des Eigentumsrechts ausreichende Besitzausübung ansah, bestehen dagegen keine Bedenken. Die Auffassung, die festgestellten Handlungen ließen für diesen eingeschränkt nutzbaren Bereich objektiv die Ausübung des Vollrechts Eigentum erkennen, ist nicht korrekturbedürftig, kommt doch hier eine intensivere Nutzung kaum in Betracht. Dass diese Nutzung (durch viele Jahrzehnte hindurch) nicht nach außen hin – wie von beiden Vorinstanzen angenommen – als Ausübung des Eigentumsrechts wahrnehmbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Lässt sich – wie hier – dem festgestellten Sachverhalt eine für eine Eigentumsersitzung ausreichende Dauer dieser Besitzausübung entnehmen (zumindest von 1939 bis „in die 1980er-Jahre“, also sogar durch mehr als 40 Jahre hindurch), bedarf es keiner (von den Beklagten vermissten) Feststellungen dazu „wann exakt die Ersitzungzeit auf den Flächen im Grenzbereich begonnen und wann sie vollendet worden“ ist.
[14] 6. Die von den Beklagten in der Revision aufgezählten „vielfältigen“ (eigenen) Nutzungen (woraus sie eine „Gegenersitzung“ ableiten) haben entweder keine Grundlage im festgestellten Sachverhalt (Errichtung von „Badeplatz“ und „Badeplattform“ [hinsichtlich Zweit- und Drittbeklagter], im Übrigen ohne Angaben zur ausreichenden Ersitzungszeit), womit die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043312 [T14]), oder es wird dazu eine wesentliche Feststellung beiseite gelassen (bei den Nutzungen des Erstbeklagten, dass diesem „bewusst [war], dass er sie auf dem Grundstück der Klägerin setzte“). Die Beklagten befassen sich über weite Strecken mit der ihrer Ansicht nach verfehlten Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen kann aber mit der Revision nicht mehr bekämpft werden (RS0043414 [T11]; RS0069246 [T2] uva). Für einen Rechtsverlust (des Eigentumsrechts der Klägerin bzw ihrer Rechtsvorgänger) bieten die Feststellungen keinen Anlass.
[15] 7. Zuletzt stellt sich auch zur angeblichen Verjährung der Rechte der Klägerin durch „Nichtgebrauch“ keine erhebliche Rechtsfrage. Ganz abgesehen davon, dass Ersitzung originär Eigentum (ver‑)schafft (RS0011310; 5 Ob 30/14v; RS0034283 [T2]) und das Eigentumsrecht nicht verjährt (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1479 Rz 1 mwN; vgl RS0124364), ist schon der zu 1 Ob 181/04f ergangenen Entscheidung unmissverständlich zu entnehmen, dass die (von der Beklagten für den vorliegenden Fall als „verjährt“ angesehene) „Klagebefugnis“ solange nicht verjährt, als das zugrundeliegende Recht nicht verjährt ist und lediglich der Buchstand der bestehenden Rechtslage angepasst werden soll (vgl auch RS0011036; 5 Ob 247/02p). Auch zu diesem Gesichtspunkt setzen sich die Beklagten überdies über den festgestellten Sachverhalt hinweg, indem sie von einer „letzten Nutzung der Klägerin im September 1980“ ausgehen, obwohl tatsächlich feststeht, dass sie „diesen Bereich“ noch selbst bis ins Jahr 2006 hinein nutzte.
[16] 8. Die Revision, die insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist damit zurückzuweisen.
[17] Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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