European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00114.16W.0830.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch auf Ersatz der durch eine Totgeburt am 5. 5. 2012 (intrauteriner Fruchttod des für den 21. 5. 2012 erwarteten Mädchens) ausgelösten „Schockschäden“ und Trauerschmerzen der Eltern.
Die damals siebzehnjährige Erstklägerin (idF nur Klägerin) erwartete zum voraussichtlichen Geburtstermin 21. 5. 2012 ein Mädchen. Sie begab sich am 26. 4. 2012 wegen einer am Vortag begonnenen regelmäßigen Wehentätigkeit nach einer bislang im Wesentlichen komplikationslosen Schwangerschaft in der 37. Schwangerschaftswoche in die Krankenanstalt S***** (idF Krankenhaus), deren Trägerin die Beklagte ist. Die Wehenaufzeichnung bestätigte eine Wehentätigkeit im Abstand von zehn bis zwölf Minuten. Die mittels Kardiotokograph (CTG) aufgezeichnete Herztonkurve wies „keine Pathologie“ auf. Die Klägerin wurde daher wieder entlassen. Am selben Tag erfolgte eine Wiederaufnahme, da die Wehen nun in Abständen von sieben bis acht Minuten aufgetreten waren. Auch bei dieser CTG-Kontrolle zeigte sich „keine Pathologie“ und sie wurde wieder entlassen. Bereits am nächsten Tag, dem 27. 4. 2012, an dem sie alle vier bis fünf Minuten Wehen hatte, suchte sie wieder das Krankenhaus auf. Bei der Ultraschalluntersuchung wurde das Baby mit 2.417 g geschätzt und auch alle weiteren Untersuchungen ergaben keinen pathologischen Befund. Die Wehen dauerten nun bereits drei Tage an und der Muttermund war einen Zentimeter geöffnet. Eine stationäre Aufnahme erfolgte noch nicht an jenem Tag, aber am Folgetag, dem 28. 4. 2012, an dem die Klägerin die Wehen nun alle drei bis vier Minuten spürte. Es wurde ein CTG geschrieben, das als normal befundet wurde. Weitere CTG-Untersuchungen wurden in regelmäßigen Abständen gemacht und immer als normal befundet. Am 29. 4. 2012 wünschte die Klägerin einen Kaiserschnitt, der aber von der diensthabenden Ärztin mit der Begründung der fehlenden Indikation abgelehnt wurde. Es wurde eine wehenhemmende Infusion (Gynipral-Infusion) verabreicht. Die Klägerin verließ an diesem Tag (einem Sonntag) das Krankenhaus mit der Begründung, dass man sich um sie zu wenig kümmere. Sie gab an, einen Spitalswechsel vorzuhaben. Ihr und dem Zweitkläger (idF nur Kläger), ihrem Lebensgefährten und Vater des Kindes, gegenüber wurde von den Ärzten immer kommuniziert, dass mit dem Baby alles in Ordnung sei und kein Grund zur Sorge bestehe. Der Klägerin wurde vor der Entlassung gegen Revers gesagt, dass es nach der Gabe einer wehenhemmenden Infusion üblich sei, noch über Nacht zu bleiben, und sie am nächsten Morgen entlassen würde. Die Klägerin, die keinen Arztbrief erhielt, verließ das Spital in der Meinung, dass es dem Kind gut gehe, weil ihr das so von den Ärzten gesagt worden war. Sämtliche der zehn in der Zeit vom 26. 4. 2012 bis zum 29. 4. 2012 durchgeführten CTG waren als normal befundet worden.
Am 30. 4. 2012 suchte die Klägerin für eine Routineuntersuchung ihre Frauenärztin auf. Bei der Ultraschalluntersuchung wurden positive Herzaktionen festgestellt. Bis 2. 5. 2012 verspürte die Klägerin Kindsbewegungen. Am Donnerstag, dem 3. 5. 2012, suchte die Klägerin nochmals ihre Frauenärztin auf, da sie keine Kindsbewegungen mehr spürte. Beim Ultraschall konnten keine Herzaktionen festgestellt werden, weshalb wegen des dringenden Verdachts auf einen intrauterinen Fruchttod eine Zuweisung ins Krankenhaus erfolgte. Dort wurde nach entsprechender Einleitung am 5. 5. 2012 ein totes Mädchen mit einem Geburtsgewicht von 2685 g und einer Größe von 51 cm geboren. Es war am 3. 5. 2012 durch eine Sauerstoffminderversorgung infolge Zottenreifungsstörung zu einem intrauterinen Fruchttod gekommen.
Tatsächlich war die Befundung als normal nur für die ersten fünf der in der Zeit zwischen dem 26. 4. 2012 und dem 29. 4. 2012 durchgeführten CTG-Untersuchungen zutreffend gewesen. In Wahrheit war nämlich bereits das letzte CTG am 28. 4. 2012 ab 21:49 Uhr (es dauerte bis 22:20 Uhr) normal bis suspekt, jenes vom 29. 4. 2012, 1:34 Uhr bis 4:00 Uhr, pathologisch, jenes vom 29. 4. 2012, 6:14 Uhr bis 8:05 Uhr, suspekt und jenes vom 29. 4. 2012, 10:52 Uhr bis 17:50 Uhr [richtig wohl: 17:55 Uhr], – bis auf die Zeit zwischen 17:34 Uhr bis 17:55 Uhr, wo es annähernd normal gewesen war – hochgradig suspekt bis pathologisch gewesen. Die Ergebnisse dieser CTG-Untersuchungen waren deutliche Hinweise dafür, dass es dem Baby nicht gut geht, die kontinuierliche Überwachung des Kindes unbedingt erforderlich ist und dass, wenn nichts getan wird, irgendwann Lebensgefahr für das Kind eintreten kann. Sie waren ein Ausdruck einer beginnenden bzw bestehenden Sauerstoffmangelversorgung. Die vorzeitige Wehentätigkeit war ein Anzeichen dafür, dass die Plazenta an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gekommen war. Die letzte nach Gabe eines Wehenhemmers durchgeführte CTG-Untersuchung am 29. 4. 2012, 19:25 Uhr bis 20:00 Uhr, zeigte keine Wehentätigkeit und eine Herzfrequenz zwischen 120 und 140 Schlägen pro Minute mit deutlichen Akzelerationen. Es handelte sich um ein normales CTG. Das Baby hatte sich allenfalls aufgrund der Wehenhemmung vorübergehend erholt. CTG-Befunde stimmen erfahrungsgemäß nicht immer mit dem tatsächlichen Gesundheitszustand eines Babys überein. Diese Unschärfe ist jedem erfahrenen Frauenarzt bekannt. Für das Wohlbefinden eines Kindes muss immer die Gesamtsituation berücksichtigt werden. Eine Wehenhemmung ist generell lediglich bis zur vollendeten 34. Schwangerschaftswoche oder im Zuge einer intrauterinen Reanimation knapp vor der Entbindung (Akut-Tokolyse kurz vor einer Kaiserschnittentbindung oder einer vaginal operativen Entbindung) indiziert. Die Gabe des Wehenhemmers war daher zwar nicht kontraindiziert, aber „auch nicht unbedingt indiziert“. Bei einer korrekten Interpretation der hochgradig suspekt bis pathologischen Herztonkurven wäre ein Kaiserschnitt oder die Gabe von Wehenmittel zur zügigen Beendigung der Schwangerschaft in Sectiobereitschaft lege artis gewesen. Klüger wäre es gewesen, dem Wunsch nach einem Kaiserschnitt der minderjährigen Mutter, die aufgrund des Alters als Risikopatientin gilt und bereits vier Tage Wehen hatte, aufgrund deren Einstellung zur Geburt, nachzugeben. Jedenfalls hätte man bei Gabe von Wehenhemmern die kontinuierliche Überwachung des Kindes vornehmen müssen. Wenn die Klägerin trotz eines Hinweises darauf, dass es dem Kind nicht gut gehe und deshalb jedenfalls eine kontinuierlichen Überwachung des Kindes erforderlich sei, auf Entlassung bestanden hätte, hätte man sie darauf aufmerksam machen müssen, dass Lebensgefahr für das Kind eintreten könne und sie unverzüglich ein anderes Spital aufsuchen solle. Hätten die behandelnden Ärzte im Krankenhaus die nicht abschätzbare Gefahr für das Leben des Kindes erkannt, wäre das Kind nicht an einem intrauterinen Fruchttod gestorben. Das richtige Erkennen der CTG-Werte am 28. 4. und 29. 4. 2012 hätte das Leben des Kindes dadurch gerettet, dass ein Kaiserschnitt eingeleitet worden wäre oder die Geburt rasch, jedenfalls vor dem 3. 5. 2012, zu Ende gebracht worden wäre.
Die Kläger hatten bereits einen Namen für das Mädchen ausgesucht und diverse Anschaffungen wie Kinderwagen, Wickelauflage, Windeln, Babynahrung, Babyunterwäsche, Babylöffel und Besteck getätigt. Sie hatten sich mit großer Freude und Intensität auf ihre Elternschaft vorbereitet. Beide hatten bereits eine Nahebeziehung zu dem Kind aufgebaut. Der Vater vor allem auch dadurch, dass er die Bewegungen des Kindes spüren konnte, wenn er der Klägerin auf den Bauch griff. Er war bei der Nackenfaltenuntersuchung und beim Organscreening dabei gewesen und beide hatten auf Fotos sehen können, wie das Kind aussieht.
Nach der Geburt konnte die Klägerin das tote Kind kurz sehen. Der Vater hielt das Mädchen im Arm. Die Klägerin weinte nach der Geburt sehr viel, war aber nicht in psychiatrischer Fachbehandlung und nahm keine Psychopharmaka. Einmal ging sie zu einer Selbsthilfegruppe. Nach dem Vorfall hatte die Klägerin extreme Albträume und wachte oft weinend auf, in den ersten Monaten mindestens fünf Mal pro Woche, dies wurde dann über eineinhalb Jahre langsam weniger. Die Kläger wählten eine gesunde Offensivstrategie. Die Klägerin wurde bereits im September des Jahres wieder schwanger. Viele Ängste und Befürchtungen flossen in die Zeit während der nächsten Schwangerschaften ein. Es kam zu Frühgeburten. Mittlerweile ist sie zweifache Mutter und es gibt nur noch Restsymptome in Form von immer wieder nächtlichem Erwachen und Albträumen sowie einer Gesamtverunsicherung, die Prognose ist aber günstig. Die Klägerin machte sich und macht sich nach wie vor schwere Vorwürfe, dass sie möglicherweise nicht vehement genug ihrem eigenen Wunsch nach einem Kaiserschnitt Ausdruck verliehen hatte. Immer wieder kreisen ihre Ge-danken darum, ob sie etwas anders hätte machen können, ob es einen anderen Ausweg gegeben hätte. Dieses grüblerische, innerlich vorwurfsvolle Kreisdenken bezüglich der eigenen Person erlebte sie nach der Totgeburt in einem ganz massiven Ausmaß. Sie hatte die gesamte Geburtssituation als äußerst belastend erlebt, weil sie sich als Mensch nicht wahrgenommen gefühlt hatte. Die Erinnerungen und Bilder von dem Ereignis im Zusammenhang mit dem toten Mädchen begleiten sie bis heute, wenngleich auch diese Bilder weniger werden. Unmittelbar nach der Totgeburt erlitt sie eine schwere psychische Belastung im Sinne eines psychischen Schocks und damit eine akute Belastungsreaktion. Diese klang innerhalb weniger Tage ab. Neben der natürlichen, großen Trauer bestand durch Wochen ein krankheitswertiges, zwanghaft kritisch grüblerisches Denken mit depressivem Einbruch, Immer‑Wieder‑Aufkommen von Bildern, Unfähigkeit zur Entspannung, dauernde höchste Anspannung mit schweren Schlafstörungen, gekoppelt mit Albträumen. Dieser Zustand dauerte über Monate an und ist als ängstliche depressive Anpassungsstörung, aber auch als posttraumatische Belastungsstörung einzustufen. Es bestand eine sehr komplexe über eine Trauerreaktion hinausgehende Gesamtstörungssymptomatik. Die über die psychologische Trauer hinausgehenden Folgen ergeben psychische Schmerzen, die einem Tag starken körperlichen Schmerzen und in weiterer Folge zehn Tagen mittleren körperlichen Schmerzen und zwanzig Tagen leichten körperlichen Schmerzen komprimiert auf den 24-Stunden-Tag gleichzusetzen sind. Dauerfolgen gibt es keine. Spätfolgen sind auszuschließen.
Der Kläger erlebte die Zeit nach der Geburt wie in Trance und dachte rund ein halbes Jahr nach dem Vorfall permanent an diese Sache. Mittlerweile erlebt er ein Wiederhochkommen bei Anlässen wie Weihnachten oder Geburtstagen der Kinder. Auch die Beziehung zur Klägerin litt. Er erlebte die nächste Schwangerschaft als einen Nervenkrieg, belastet mit Ängsten, dass wieder etwas passiere. Er machte nach der Totgeburt einen psychischen Schock in Form einer akuten Belastungsreaktion durch, dies mit zwei typischen Reaktionsmustern, einerseits großer Wut, Ärger und Aggression, andererseits neben der Trauer aber auch Symptombildungen aus dem Formenkreis der depressiven Anpassungsstörung mit einigen Elementen einer posttraumatischen Reaktion mit Immer‑Wieder‑Erleben der Bilder des toten Mädchens. Für einen Zeitraum von ca sechs Monaten bestand eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit, die über eine physiologische Trauer hinausging, die in der Folge langsam abklang. Als Nachwirkungen finden sich heute noch Zeichen der Trauer am Jahrestag und immer wieder auch das Einschießen des Bildes vom toten Kind. Zusammengefasst erlitt der Kläger über die physiologische Trauer hinausgehend einen Zustand nach depressiver Anpassungsstörung sowie akuter Belastungsreaktion, der mit einem Tag schweren, fünf Tagen mittleren und zwanzig Tagen leichteren körperlichen Schmerzen gleichzusetzen ist.
In ihrer Klage warfen die Kläger den behandelnden Ärzten im Krankenhaus, für deren grob fahrlässiges Verhalten die Beklagte haftbar sei, vor, dass der intrauterine Fruchttod durch das Nichterkennen suspekter bzw pathologischer Herzfrequenzmuster des Fötus, durch die Entlassung gegen Revers ohne eine den Umständen Rechnung tragende Aufklärung sowie durch das Unterlassen der notwendigen Maßnahmen wie Dauerüberwachung oder Kaiserschnitt verursacht worden sei. Die Klägerin hätte am 29. 4. 2012 nicht aus dem Spital entlassen werden dürfen, sondern es wäre ein Kaiserschnitt durchzuführen gewesen, der eine Lebendgeburt ermöglicht hätte. Die Beklagte habe nicht nur der Klägerin die Begräbniskosten, unfallkausale Fahrt- und Telefonspesen sowie sinnlos gewordenen Aufwendungen für die Einrichtung des Kinderzimmers und andere (gesamt 11.072,51 EUR sA) zu ersetzen, sondern auch erlittene psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert und Trauerschmerzen der Kläger auszugleichen (30.000 EUR [Klägerin] bzw 15.000 EUR [Kläger]). Überdies begehrte die Klägerin wegen nicht auszuschließender gesundheitlicher Folgeschäden und nicht abschätzbarer Grabpflegekosten die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Folgen aus dem Behandlungsfehler anlässlich des intrauterinen Fruchttodes in der Schwangerschaft im Mai 2012.
Die beklagte Partei bestritt und berief sich darauf, dass die Behandlung lege artis erfolgt sei. Es habe kein pathologisches CTG vorgelegen. Zu keinem Zeitpunkt sei eine Vornahme weiterer Behandlungsschritte indiziert gewesen, insbesondere keine Kaiserschnittentbindung. Der intrauterine Fruchttod sei erst geraume Zeit nach der Entlassung eingetreten, weshalb kein Zusammenhang zur medizinischen Behandlung zu erkennen sei.
Mit dem Teilurteil vom 27. 5. 2014 sprach das Erstgericht – noch ohne Feststellungen zu den Folgen und Auswirkungen des Verlusts des ungeborenen Kindes zu treffen – vorerst nur über das Begehren der Klägerin wegen Begräbniskosten, frustrierten Aufwendungen und andere sowie über den Anspruch auf Ersatz für (bloße) Trauerschmerzen des Klägers ab. Es verpflichtete die Beklagte dazu, der Klägerin 11.072,51 EUR sA zu zahlen. Weil es aber davon ausging, dass der Sorgfaltsverstoß der behandelnden Ärzte noch nicht den Grad des groben Verschuldens erreicht habe, wies es das Begehren des Klägers auf Trauerschmerzengeld (von 15.000 EUR sA) ab.
Während das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten gegen den Zuspruch von 11.072,51 EUR sA an die Klägerin nicht Folge gab, hob es über jene des Klägers das Teilurteil hinsichtlich seines Trauerschmerzengeldes auf und verwies die Rechtssache dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung insoweit zurück. Es beurteilte den Sorgfaltsverstoß objektiv wie auch subjektiv als besonders schwerwiegend, weil die Ärzte aus den Ergebnissen von vier aufeinanderfolgenden CTG‑Untersuchungen, die teils suspekt, teils sogar pathologische Werte ausgewiesen hätten, nicht die gebotenen Schlüsse gezogen hätten.
Den von der Beklagten eingebrachten Zulassungsantrag nach § 508 ZPO verbunden mit der ordentlichen Revision wies es zurück; ebenso den gegen diesen Beschluss erhobenen unzulässigen Rekurs.
Mit Endurteil vom 23. Dezember 2015 sprach das Erstgericht der Klägerin 20.000 EUR sA und dem Kläger 10.000 EUR sA an Ersatz für Schock- und Trauerschmerzen zu. Das Feststellungsbegehren wies es ab, da Spätfolgen auszuschließen seien.
Der Zuspruch von 5.000 EUR an die Klägerin und 4.000 EUR an den Kläger erwuchs in Rechtskraft. Darüber hinaus – also im Umfang von weiteren 15.000 EUR sA für die Klägerin und 6.000 EUR sA für den Kläger bekämpfte die Beklagte das Endurteil mit Berufung, der das Berufungsgericht aber nicht Folge gab. Es hielt die behauptete Aktenwidrigkeit und Tatsachenrüge für nicht stichhältig und legte seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zur Gänze zugrunde. Ausgehend von diesen Feststellungen erachtete es den zuerkannten Ersatz als gerechtfertigt. Es stellte die Grundsätze der Globalbemessung von Trauerschmerzengeld im Rahmen eines „beweglichen Systems“ dar und erläuterte, es sei im nunmehrigen Berufungsverfahren nicht mehr strittig, dass die Beklagte die Totgeburt grob fahrlässig verursacht habe. Zur Frage, ob im Fall einer grob fahrlässig verursachten Totgeburt Anspruch auf Angehörigenschmerzengeld besteht, vertrat das Berufungsgericht selbst – nach Darlegung von in der Literatur zur Thematik vertretenen Standpunkten – die Auffassung, es entwickelten typischerweise beide Elternteile zu dem im Mutterleib heranwachsenden Kind bereits ab der Zeugung eine enge emotionale Beziehung, die allerdings eine geringere Intensität als nach der Geburt aufweise und darüber hinaus bei der Mutter stärker ausgeprägt sei, als beim Vater. Die Kläger hätten sich mit großer Freude und Intensität auf ihre Elternschaft vorbereitet, indem sie bereits einen Namen für das Mädchen ausgesucht und diverse Anschaffungen getätigt hätten. Der Kläger habe vor allem dadurch eine Nahebeziehung zu dem Kind aufgebaut, dass er die Bewegungen der Nascitura spüren hätte können, wenn er den Bauch der Klägerin berührt habe, bei der Nackenfaltenuntersuchung und beim Organscreening anwesend gewesen sei und auf Fotos hätte sehen können, wie die Leibesfrucht aussah. Beide Elternteile seien durch die Totgeburt nicht nur in Trauer versetzt worden, sondern hätten auch psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert erlitten. Angesichts dieser Umstände seien die vom Erstgericht vorgenommenen Zusprüche als angemessen zu beurteilen.
Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht darüber abgesprochen habe, ob der Schädiger bei grob fahrlässiger Verursachung einer Totgeburt unter bestimmten Voraussetzungen beiden Elternteilen ein Trauerschmerzengeld zu bezahlen habe und – bejahendenfalls – wie dieses auszumitteln sei.
In ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Revision wirft die Beklagte dem Berufungsgericht eine mangelhafte Erledigung der von ihr behaupteten Aktenwidrigkeit vor. Sie bemängelt außerdem, das Berufungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen groben Verschuldens als unstrittig angesehen, ein solches qualifiziertes Verschulden liege nicht vor. Bei intrauterinem Fruchttod stehe kein Trauerschmerzengeld zu, weil – in zivilrechtlichen Kategorien gedacht – „unzweifelhaft“ die Tatbestandsvoraussetzung „Tötung eines Menschen“ nicht vorliege. Zudem vertritt sie die Auffassung, es sei zu einer unzulässigen „Doppelverwertung“ von Schmerzperioden gekommen, das Schmerzengeld sei auch unrichtig, nämlich überhöht, ausgemessen worden.
Die Kläger treten diesen Vorwürfen in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen und unterstreichen, es könne für die Trauer grundsätzlich nicht zwischen Eltern, deren Kind bei der Geburt sterbe, und solchen, bei denen das Kind zwar lebend geboren werde, aber unmittelbar danach sterbe, unterschieden werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens durch „Nichterledigung der Aktenwidrigkeitsrüge“ wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
2. Zur Zuerkennung von Schmerzengeld bei Totgeburt:
2.1. Trauer ist die typische Reaktion, die beim Tod oder einer sehr schweren Verletzung eines nahestehenden Menschen zu erleiden und zu bewältigen ist. Wenn ein solcher Verlust oder die schwere Verletzung nicht mehr mit der normalen Trauerreaktion verarbeitet werden, also dann, wenn die Grenze zur krankheitswertigen psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung überschritten wird (dh wenn Trauer krank macht im Sinne einer pathologischen Trauerreaktion [vgl Beisteiner , Angehörigenschmerzengeld – Der Ersatz von Schock- und Trauerschäden bei Tötung oder Schwerstverletzung naher Angehöriger, 2009, 4 f]), und demnach aus ärztlicher Sicht ein Behandlungsbedarf besteht ( Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1325 ABGB Rz 1), kann – bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen – der Ausgleich der damit verbundenen Leiden vom Schädiger verlangt werden. Durch das Erleiden eines „Nervenschadens“ sind nämlich diese Personen in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen (vgl RIS‑Justiz RS0116865; vgl auch RS0031111). Solche psychischen Beeinträchtigungen eines Dritten mit Krankheitswert werden häufig „schockartig“ durch das Miterleben eines Unfalls oder die Konfrontation mit einem Unfallsgeschehen [„Todesnachricht“] (vgl Harrer in Schwimann , ABGB 3 Anh § 1325 ABGB Rz 1; Huber in Schwimann, ABGB‑TaKom³ § 1325 Rz 134 f) ausgelöst, weswegen sich dafür in der Rechtssprache die Bezeichnung „Schockschaden“ eingebürgert hat. Sie können sich aber auch durch das Miterleben des etwa durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursachten Todes (9 Ob 83/09k = SZ 2010/79; 4 Ob 71/10k = ZVR 2011/5, 13, krit Kathrein ) oder im Zuge der Betreuung nach einer schwersten Verletzung (erst) einstellen (2 Ob 163/06v = SZ 2007/96; Danzl in KBB 4 § 1325 Rz 29; Huber aaO Rz 139 je mwN). Bleibt es bei der „normalen“ Trauerreaktion, dann spricht man von „bloßen“ Trauerschmerzen. Ein solcher Seelenschmerz über den Verlust eines nahen Angehörigen, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, ist nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers auszugleichen (RIS‑Justiz RS0115189).
2.2. Wie beim sogenannten „Schockschaden“, dem Trauerschaden mit Krankheitswert, wird auch für den Anspruch auf (bloßes) Trauerschmerzengeld, um der Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung des „Erstschädigers“ für solche „Fernwirkungsschäden“ zu begegnen, das Zurechnungselement der Verletzungshandlung gegenüber einem nahen Angehörigen verlangt. Der „Schock“ (die psychische Beeinträchtigung) muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein (RIS‑Justiz RS0116865). Wesentlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des Umfangs des Angehörigenbegriffs ist, dass die Verletzungshandlung gegenüber dem „Angehörigen“ typischerweise in hohem Maß geeignet erscheint, einen „Schockschaden“ herbeizuführen (vgl RIS‑Justiz RS0116866), dh dass vom schädigenden Dritten der „Schockschaden“ als typische Folge seiner Verletzungshandlung angesehen werden kann (vgl 2 Ob 79/00g = SZ 74/24; 8 Ob 127/02p = SZ 2002/110 ua; RIS-Justiz RS0117794). Dabei wird das familiäre Naheverhältnis je nach dem Verwandtschaftsgrad als typischerweise vorhanden vorausgesetzt („Kernfamilie“); so etwa zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten (RIS‑Justiz RS0115189 [T2, T6, T9, T20]). Schon bei Geschwistern wird darauf abgestellt, ob diese im gemeinsamen Haushalt leben. Ist dies der Fall, wird die enge Gefühlsbindung als typischerweise vorhanden vorausgesetzt, Gegenteiliges hat dann der Schädiger zu beweisen (RIS‑Justiz RS0115189 [T3, T4]. Eine bloße Nahebeziehung, ohne mit dem Getöteten nah verwandt, verheiratet oder dessen Lebensgefährte gewesen zu sein reicht demnach nicht aus (2 Ob 15/07f = RIS-Justiz RS0115189 [T10]).
2.3. Die Revisionswerberin meint den Bestimmungen der §§ 16 und 22 ABGB entnehmen zu können, dass deshalb, weil das ABGB von „angeborenen“ Rechten spreche und die Rechtsfähigkeit des Nasciturus erst mit der Lebendgeburt beginne, eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch auf Trauerschmerzengeld, nämlich der Tod eines Menschen, fehle. Deswegen sei auch im Strafgesetzbuch vom Schwangerschaftsabbruch, nicht aber von der Tötung einer Leibesfrucht, geschweige denn eines Menschen die Rede.
Für den Anspruch auf Ersatz für Trauerschmerzen (mit oder ohne Krankheitswert) kommt es aber nicht darauf an, ob das geschädigte und deswegen seine Geburt nicht mehr er- oder überlebende Kind rechtsfähig in dem Sinne ist, dass es Rechte im eigenen Namen geltend machen könnte. Vielmehr ist danach zu fragen, ob sein Tod (oder seine Verletzung) von der Rechtsgemeinschaft typischerweise als der eines nahen Angehörigen iSd §§ 1293, 1325 ABGB angesehen wird, eine Verletzungs- oder Tötungshandlung also auch aus Sicht des Schädigers (wie für jedermann) in hohem Maße geeignet ist, bei den Eltern eine psychische Beeinträchtigung (auch mit Krankheitswert) auszulösen.
Das Bestehen einer intensiven affektiven Beziehung zwischen den werdenden Eltern und ihrem noch ungeborenen Kind, die den Anspruch auf Trauerschmerzengeld rechtfertigen kann, wird in der Lehre bejaht. Huber (in Schwimann , ABGB‑TaKomm 3 § 1325 ABGB Rz 142) geht davon offenbar für beide Elternteile schon ab der Zeugung aus, Pscheidl/Gerstner (Die Bedeutung der Geburt im Strafrecht, RdM 2006, 132 [138 f]) tun dies „jedenfalls für die letzten Wochen der Schwangerschaft und jedenfalls für die Schwangere selbst“. Beisteiner (aaO 343 f) vertritt die Ansicht, dass eine Frau nach allgemeiner Lebenserfahrung zu dem in ihrem Leib heranwachsenden Wesen regelmäßig eine intensive affektive Beziehung auspräge, weshalb sowohl der Schock- als auch der bloße Trauerschaden unter den allgemeinen Voraussetzungen ersatzfähig sei. Hingegen entwickle der Vater zu dem im Mutterleib heranwachsenden Kind nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine derart enge, die Abgeltung eines bloßen Trauerschadens rechtfertigende Gefühlsbeziehung.
Das OLG Graz erachtete in seinem – unangefochten in Rechtskraft erwachsenen und nicht veröffentlichten – Berufungsurteil 3 R 127/13s den Zuspruch eines Trauerschmerzengeldes von 10.000 EUR an einen Vater als angemessen, der zu der Nascitura laut den Feststellungen bereits eine enge Gefühlsbeziehung entwickelt hatte. Konrad/Nitsch (Trauerschaden des Vaters bei Tod des Kindes während des Geburtsvorgangs, ÖJZ 2014/76, 477) pflichten dieser Einschätzung in jeder Hinsicht bei und vertreten den Standpunkt, die enge Gefühlsgemeinschaft zwischen dem Vater und der Leibesfrucht sei grundsätzlich zu vermuten.
Der erkennende Senat teilt für den Fall eines erwünschten Kindes den Standpunkt des Berufungsgerichts, dass die werdenden Eltern an dieses von Anfang an typischerweise freudige Erwartungen, Sehnsüchte und intensive Gefühle knüpfen. Mit der Zeit, in der sich das „Kind“ ab seiner Zeugung entwickelt und heranwächst, gewinnt auch die ab Kenntnis von der Schwangerschaft vorhandene emotionale Bindung an affektiver Tiefe. Die vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft und das Absterben des erwünschten „Kindes“ geht typischerweise mit tiefen Verlustgefühlen einher. Für die Eltern ist gefühlsmäßig eben nicht eine „Schwangerschaft abgebrochen“ und eine „Leibesfrucht“, aber nicht ein Mensch, gestorben, sondern „ihr Kind“. Auch in der österreichischen Rechtsordnung wird dieser innigen Verbundenheit der schon nach dem Sprachgebrauch als Eltern – wenn auch als „werdende“ – bezeichneten Menschen mit ihrem noch ungeborenen Kind und der bei dessen Ableben folgenden tief empfundenen Trauer Rechnung getragen. Gemäß § 28 Abs 2 Personenstandsgesetz (PStG – BGBl 1983/60 in der zum Zeitpunkt der zu beurteilenden Totgeburt geltenden Fassung BGBl I 2009/135) war dann, wenn ein Kind tot geboren wurde, das Geschlecht, die allenfalls von den Eltern vorgesehenen und bekannt gegebenen Vornamen, der Tag und der Ort der Geburt des Kindes sowie der Familienname der Eltern oder der Familien- oder der Nachname der Elternteile, die Vornamen und der Wohnort der Eltern ins Sterbebuch einzutragen (vgl nun § 29, § 32 Abs 1 PStG 2013, BGBl I 2013/16). Die mit BGBl I 1999/91 ermöglichte Angabe auch des Vornamens beruhte auf dem Gedanken, dass es für Eltern besonders schmerzlich sei, dass nach bis dahin geltender Rechtslage ihr totgeborenes Kind keinen Vornamen erhalte und dies oft mit einer großen psychischen Belastung verbunden sei. Die beabsichtigte Änderung sollte daher aus menschlichen Erwägungen und aus Respekt vor den Gefühlen der betroffenen Eltern diesen die Möglichkeit eröffnen, die vorgesehenen Vornamen zu dokumentieren (IA 1014/A BlgNR XX. GP 2). Totgeburten (bei einem Gewicht der Leibesfrucht von 500g oder mehr [siehe auch § 8 HebammenG – BGBl 1994/310 idF BGBl I 1999/116; nun idF BGBl I 2013/197]) und Fehlgeburten gelten in Wien als Leichen, sind nicht nur einer Totenbeschau zu unterziehen, sie müssen bestattet werden (§§ 1, 19 Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz – WLBG; LGBl 2004/38). Deutlich kommt, jedenfalls im zweiten Punkt, das Bestreben des Landesgesetzgebers zum Ausdruck, für einen pietätvollen Umgang mit den Gefühlen der Eltern und deren Trauer um ein tot geborenes Kind zu sorgen.
Anlässlich der Entscheidung 2 Ob 265/66 (= SZ 39/173 = JBl 1967, 525) hatte der Oberste Gerichtshof (noch vor der Entwicklung der Rechtsprechung zur Zuerkennung von Schock- oder Trauerschmerzen) über einen Anspruch auf Schmerzengeld wegen einer von der damaligen Klägerin im Zuge eines Unfalls erlittenen [eigenen] Verletzung ua mit der Folge einer Fehlgeburt im dritten Monat zu urteilen. Zum Verhältnis einer werdenden Mutter zu ihrem „Kind“ nahm er schon damals den Standpunkt ein, es könne zwar nicht gesagt werden, dass mit einer jeden Fehlgeburt seelische Beeinträchtigungen verbunden seien, erfahrungsgemäß sei dies aber doch in den Fällen anzunehmen, in denen es sich um ein erwünschtes Kind handle.
2.4. Dass spätestens dann, wenn das noch ungeborene Kind durch seine Bewegungen im Mutterleib – auch vom Vater – gespürt werden kann, typischerweise bei beiden Elternteilen eine auf intensiver familiärer Bindung beruhende Nahebeziehung zu ihrem „Kind“ im Sinn eines „Angehörigen“ vorliegt, die zu vermuten ist, unterliegt bei einem erwünschten Kind keinem Zweifel. Das gilt umso mehr, wenn wie hier das ungeborene Kind schon so weit entwickelt war, dass es – weniger als drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin – lebensfähig gewesen war und durch einen Kaiserschnitt oder die Einleitung der Geburt gerettet werden hätte können. Ein solcher Fall ist nicht anders zu beurteilen, als ob es bei der Geburt oder unmittelbar danach gestorben wäre. Die massive Beeinträchtigung beider Elternteile durch das Absterben eines „Kindes“ wenige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ist nicht nur bei der Mutter, sondern auch beim Vater eine für den Schädiger vorhersehbare Folge. Ein totgeborenes Kind ist daher jedenfalls in den letzten Wochen vor dem errechneten Geburtstermin für beide Elternteile „Angehöriger“ und Teil der „Kernfamilie“; sowohl bei der werdenden Mutter als auch beim werdenden Vater ist eine intensive Gefühlsbindung zu vermuten; das Gegenteil hätte der Schädiger zu beweisen.
3. Zur Frage des im vorliegenden Fall zugrunde zu legenden Verschuldensgrades meint die Beklagte, weil noch nicht höchstgerichtlich beurteilt worden sei, ob grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorgelegen sei, sei dies nun zu prüfen.
Der Verschuldensgrad war für den mit dem Teilurteil erfolgten Zuspruch von Begräbniskosten, Spesen und in Erwartung des Kindes getätigten Aufwendungen der Klägerin ohne Bedeutung gewesen; lediglich beim bloßen Trauerschmerzengeld des Klägers war er entscheidungsrelevant. Nach dem nun zu beurteilenden Sachverhalt im bekämpften Endurteil, das erstmals über Schmerzengeld der Klägerin abspricht, waren – wie schon das Berufungsgericht festhielt – die Eltern durch die Totgeburt nicht nur in Trauer versetzt worden, sondern es hatten beide auch psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert erlitten. In ihrer Berufung gegen das Endurteil wandte sich die Beklagte vor allem dagegen, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts angeblich aktenwidrig die vom Gutachter genannten Schmerzperioden nur die krankheitswerten Schockschäden, nicht aber alle mit der Trauer verbundenen Beschwerden (somit auch die nicht krankheitswerten Beeinträchtigungen) umfassten. Sie strebte Ersatzfeststellungen an, wonach die festgestellten Perioden sämtliche mit der Trauer verbundenen Beschwerden in sich begriffen. Diese hielt sie für relevant, weil sich nach ihrem – nun auch in der Revision in gleicher Weise vertretenen – Standpunkt daraus ergeben hätte, dass der Klägerin ein Schadenersatzbetrag von 4.730 EUR und dem Kläger ein solcher von 3.630 EUR und zwar jeweils (und ausdrücklich) für „sämtliche Schock- und Trauerschäden“ zustehe. Auch im Rahmen der Ausführung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bemängelte sie den Zuspruch des Trauerschmerzengeldes nicht etwa deswegen, weil grobes Verschulden nicht zur Grundlage zu machen gewesen wäre und daher dieses (von ihr auch zitierte) Erfordernis für den Zuspruch von bloßen Trauerschmerzen fehle, sondern mit der Argumentation, das Höchstgericht spreche in seiner Entscheidung 2 Ob 84/01v, wonach im Falle eines qualifizierten Verschuldens des Schädigers bei Tötung naher Angehöriger auch bloßer Gefühlsschaden der trauernden Angehörigen zu ersetzen sei, ausdrücklich von der „Tötung eines geliebten Menschen“ als Voraussetzung für diesen Anspruch; weil die Rechtsfähigkeit des Nasciturus erst mit der Lebendgeburt beginne, sei eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch, nämlich der Tod eines nahen Angehörigen, nicht erfüllt, was nun neben der bemängelten zu hohen Bemessung des Schmerzengeldes auch den Schwerpunkt der Revision bildet. Damit wandte sie sich aber nicht gegen die Beurteilung, es sei von grobem Verschulden auszugehen, und zwar auch nicht, als sie unter dem Titel „Doppelverwertung“ von Schmerzperioden in Wahrheit ihre Behauptungen zu einer vermeintlich unrichtigen Lösung der Tatfrage (beruhend auf der zuvor erwähnten angeblichen „Aktenwidrigkeit“) wiederholte oder darlegte, es handle sich um alternative Anspruchsvoraussetzungen, eine Addition der Bemessungshilfen sei unzulässig. Sie war vielmehr – ohne die Beurteilung des Verhaltens der behandelnden Ärzte als grob fahrlässig zu beanstanden – der Ansicht gewesen, dass ein allfälliges Trauerschmerzengeld zu hoch bemessen worden sei und richtigerweise nur ein Schmerzengeld von 5.000 EUR bzw 4.000 EUR zustehe. Wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten die Rechtsrüge ausgeführt wird, kann ein anderer selbständig zu beurteilender Punkt in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS‑Justiz RS0043338 [T13, T27]).
Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass den Klägern der Ersatz sowohl für erlittene krankheitswerte als auch für „bloße“ Trauerschmerzen für die durch die grob fahrlässige Fehlbehandlung verursachte Totgeburt dem Grunde nach zusteht.
4.1. Auch Schmerzengeld wegen seelischer Schmerzen ist global zu bemessen (2 Ob 141/04f = ZVR 2004/86; 2 Ob 135/07b = ZVR 2008/59 [ Ch. Huber ]; 2 Ob 99/08k ua). Der Oberste Gerichtshof unterstrich zuletzt in seiner Entscheidung zu 2 Ob 143/15s, in deren Fall so wie im vorliegenden grobes Verschulden des Schädigers und neben bloßen Trauerschmerzen auch krankheitswerte Beeinträchtigungen bei den Eltern des „erstgeschädigten“ [bei einem Unfall ums Leben gekommenen] Kindes vorlagen, unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung, dass der Begriff „seelische Schmerzen“ sowohl solche mit als auch solche ohne Krankheitswert erfassen soll und zur „bloßen“ Trauer hinzutretende Gesundheitsbeeinträchtigungen sich (nur) erhöhend auswirken. Ein „gesonderter Zuspruch“ habe folglich – trotz des Hinzutretens eines weiteren Zurechnungsgrundes – nicht zu erfolgen (siehe auch 2 Ob 141/04f ua).
Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang die zu 2 Ob 212/04x gebrauchte Formulierung, dass (damals) die „alternativen Anspruchsvoraussetzungen sowohl des 'Schockschadens' mit Krankheitswert (RIS-Justiz RS0116865; RS0116866) als auch der hier eindeutig gegebenen groben Fahrlässigkeit des Schädigers – unabhängig von einer Gesundheitsschädigung – (RIS-Justiz RS0115189) erfüllt“ gewesen seien, dahin auslegt, dass deswegen, weil es sich um alternative Anspruchsvoraussetzungen handle, neben dem Ersatz für den „Schockschaden“ kein zusätzliches Schmerzengeld für die Unbill der „physiologischen Trauer“ zustehe, missversteht sie die Rechtsprechung des Höchstgerichts.
Da das Schmerzengeld die Genugtuung für alles Ungemach ist, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat, sind in die Globalbemessung des Schmerzengeldes neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende (körperliche und seelische) Schmerzen einzubeziehen (2 Ob 175/14w mwN). Die konkrete Höhe der in einem bestimmten Einzelfall angemessenen Abgeltung für den (gesamten) Trauerschmerz ergibt sich bei einer solchen Globalbemessung folglich aus einer an die Feststellung von Schmerzperioden anknüpfenden, aber nicht darauf beschränkten Gesamtbetrachtung (2 Ob 143/15s mwN; vgl etwa 2 Ob 99/08k, in welchem Fall [nur] die psychische Erkrankung [komprimiert] zwei bis drei Wochen mittelstarke und fünf bis sechs Wochen leichtgradige seelische Schmerzen zur Folge hatte und doch insgesamt 20.000 EUR zugesprochen worden waren).
4.2. Bei der gebotenen Globalbemessung für den gesamten Trauerschmerz (mit und ohne Krankheitswert) kommt der Revision auch zur Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes keine Berechtigung zu:
Die von der Revisionswerberin als hier nicht vorliegend und daher das Schmerzengeld angeblich mindernd genannten Kriterien, wie etwa das Alter des Verstorbenen oder das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft (vgl dazu RIS‑Justiz RS0031111 [T9, T19]; RS0115189 [T11]), sind dabei bloß Hilfstatsachen, also Indizien, aus denen in der Regel auf die im Einzelfall nur schwer beweisbare Intensität der Gefühlsgemeinschaft geschlossen werden kann (2 Ob 55/08i = RIS-Justiz RS0123936). Nach den Feststellungen war im vorliegenden Fall eine innige Gefühlsgemeinschaft der sich freudig auf ein Kind vorbereitenden Eltern vorhanden und ist eben das Trauerschmerzengeld nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festzusetzen und nicht (etwa nach der Anzahl der gemeinsam verbrachten Jahre oder nach dem Alter von Opfer und Angehörigen) zu berechnen.
Im Fall der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 2 Ob 212/04x war die Zuerkennung von ungekürzt 11.000 EUR durch das Begehren begrenzt gewesen; im Fall jener zu 2 Ob 55/08i (jeweils 15.000 EUR an die Eltern der verstorbenen 19‑jährigen Tochter) hatten es die Kläger geschafft, die belastende Situation ohne wesentliche physische oder psychische Erkrankungen zu überwinden. Die Eltern eines ca 18‑jährigen Sohnes erhielten in dem der Entscheidung 2 Ob 143/15s zugrunde liegenden Fall 30.000 EUR und 25.000 EUR. 35.000 EUR als Schmerzengeld wurden im Fall einer nach dem Tod der Mutter zu Selbstmord führender Depression des Angehörigen ausgemessen (2 Ob 135/07b). Ebenso wurden 20.000 EUR Trauerschmerzengeld für die Eltern eines durch Unfall getöteten sechsjährigen Kindes nicht als überhöht angesehen (2 Ob 263/06z). Auch im vorliegenden Fall ist das zuerkannte Schmerzengeld von 20.000 EUR für die Mutter und 10.000 EUR für den Vater in einer Gesamtbetrachtung der Umstände, insbesondere unter Einbeziehung der nachfolgenden Fehlgeburten und angsterlebten Schwangerschaften nicht überhöht. Die Klägerin musste nicht nur die Ängste und nachfolgenden Fehlgeburten in den Schwangerschaften am eigenen Leib – und daher wiederum näher – als der Vater erleiden. Sie war zudem zuvor durch die eigenen körperlichen Veränderungen in der Schwangerschaft mit dem erwarteten Mädchen und dessen für sie permanent wahrnehmbaren Entwicklung noch inniger verbunden gewesen; auch hatte sie die Anstrengungen und Schmerzen der Geburt eines toten „Kindes“ auf sich nehmen müssen.
5. Der Revision ist demnach nicht Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht behielt die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vor.
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