OGH 17Ob21/23x

OGH17Ob21/23x4.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der der klagenden Partei Dr. G*, vertreten durch Freimüller Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Beer & Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert 1.000.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 1.000.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. August 2023, GZ 3 R 35/23y‑68, womit über Rekurse beider Streitteile der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 17. Februar 2023, GZ 33 Cg 47/21t‑59, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0170OB00021.23X.1204.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

1. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Entscheidung über die Zulassung der Klageänderung beim Anfechtungsbegehren richtet, wird er zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass insgesamt der Beschluss des Erstgerichts (einschließlich der Kostenentscheidung) wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 549,39 EUR an Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom 2. März 2020 über das Vermögen der A* (in der Folge: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

[2] Die Beklagte ist die Großmuttergesellschaft der Schuldnerin. Sie hält 100 % der Anteile an der B*, die wiederum 11.999 (von 12.000) Stückaktien der Schuldnerin hält.

[3] Der Kläger brachte am 26. Februar 2021 eine Anfechtungsklage ein, wobei er die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf § 43 Abs 5 IO (iVm § 27a JN) stützte. Er erhob folgendes Klagebegehren:

„Die Abtretung sämtlicher Rückgriffsansprüche der [Schuldnerin] gegenüber * J* und * P* aus/oder im Zusammenhang mit der Regelung und/oder Abwehr von Schadenersatzansprüchen geschädigter M* Anleger an die beklagte Partei ist, soweit sie über einen Betrag von 8.400.000 EUR hinausgeht, gegenüber den Gläubigern der [Schuldnerin] unwirksam.“

 

[4] Die Beklagte habe sich im Zuge von Vergleichsgesprächen über die außergerichtliche Bereinigung von Ansprüchen zahlreicher geschädigter „M*-Anleger“ zur Zahlung von 8.400.000 EUR verpflichtet. Als Gegenleistung habe die Schuldnerin der Beklagten sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen namentlich genannte (frühere) Organe der Schuldnerin abgetreten. Dieser Vertrag sei als Forderungskaufvertrag einzuordnen. Tatsächlich übersteige der der Schuldnerin gegen ihre früheren Organe zustehende (Regress‑)Anspruch die von der Beklagten geleistete Zahlung um ein Vielfaches. Die Abtretung werde daher nach § 28 (Z 2 und 4) IO wegen Benachteiligungsabsicht und Vermögensverschleuderung angefochten, soweit sie im Umfang die von der Beklagten geleistete Zahlung übersteige.

[5] Mit (in der Tagsatzung vom 15. Februar 2023 vorgetragenem) Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 nahm der Kläger eine Klageänderung vor. Er erhob zusätzlich zum (vom Wortlaut her unverändert aufrecht erhaltenen) Anfechtungsbegehren folgendes Feststellungsbegehren:

„Es wird festgestellt, dass die zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vereinbarung vom 24. August 2019, womit die Abtretung aller tatsächlich bestehenden und potentiellen Forderungen gegenüber Herrn J* und Herrn P* im Zusammenhang mit den M*-Verfahren, vereinbart wurde, unwirksam ist.“

 

[6] Dazu brachte er vor, dass sich nunmehr entgegen seinem bisherigen Verständnis vom Inhalt der Vergleichsgespräche herausgestellt habe, dass die Forderung nach einer zusätzlichen Zahlung von dritter Seite von den Vertretern der geschädigten Anleger gekommen sei und diese Zahlung ausschließlich Ansprüche der Anleger gegenüber ehemaligen Organen und Mitarbeitern der Schuldnerin abdecken habe sollen. Es handle sich bei der Zahlung jedoch entgegen dem Wortlaut der schriftlichen Vereinbarung nicht um einen Beitrag der Beklagten zur Regelung von Verbindlichkeiten der Schuldnerin selbst. Die Abtretung der Ansprüche sei im Ergebnis ohne jede der Schuldnerin zukommende Gegenleistung und damit unentgeltlich erfolgt.

[7] Der Abschluss der Vereinbarung sei daher nicht nur insolvenzrechtlich anfechtbar, sondern auch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nichtig. Die Beklagte sei als von diesem Verbot erfasste Gesellschafterin anzusehen. Außerdem sei die erfolgte Abtretung wegen Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Es liege kollusiv schädigendes Vorgehen der Organe der Schuldnerin im Zusammenwirken mit der Beklagten und Untreue aufgrund einer Anstiftung und eines Tatbeitrags der Beklagten zum Nachteil der Schuldnerin vor. Das Klagebegehren werde daher ausdrücklich auch auf Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr und Sittenwidrigkeit gestützt.

[8] Die Zuständigkeit des Erstgerichts für die ergänzend geltend gemachte Anspruchsgrundlage des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr sei gemäß § 92c JN (iVm § 51 Abs 1 Z 6 JN) jedenfalls gegeben, weil es sich um einen gesellschaftsrechtlichen Anspruch handle.

[9] Die Beklagte sprach sich gegen die Klageänderung aus. Hinsichtlich des zusätzlich erhobenen Feststellungsbegehrens mangle es an inländischer Gerichtsbarkeit.

[10] Das Erstgericht ging davon aus, dass der Kläger das bereits in der Klage enthalten gewesene Anfechtungsbegehren nunmehr zusätzlich auf den Anfechtungsgrund der unentgeltlichen Verfügung (§ 29 IO) stütze und ließ die darin liegende Klageänderung zu (Spruchpunkt 2.).

[11] Die in der Erhebung eines Feststellungsbegehrens liegende Klageänderung ließ das Erstgericht hingegen nicht zu (Spruchpunkt 1.), weil es für dieses Begehren nicht zuständig sei und eine Zulassung der Klageänderung nach § 235 Abs 3 ZPO gegen den Willen der Beklagten somit nicht in Betracht komme. Die Beklagte als „Großmuttergesellschaft“ sei nicht deren (direkte) Gesellschafterin und daher nicht von § 92c JN erfasst.

[12] Das Rekursgericht gab einem gegen Spruchpunkt 2. gerichteten Rekurs der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs insoweit jedenfalls unzulässig sei.

[13] Einem Rekurs des Klägers gegen Spruchpunkt 1. gab das Rekursgericht hingegen Folge und ließ die Klageänderung zu. Da die Beklagte ihren Sitz auf den niederländischen Antillen habe, sei der Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet. Die Frage der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts für das Feststellungsbegehren sei daher nach nationalem österreichischen Recht zu beurteilen. Der Gerichtsstand nach § 92c JN iVm § 51 Abs 1 Z 6 JN sei nicht eröffnet, weil der Kreis der als Normadressaten des Verbots der Einlagenrückgewähr anzusehenden Nicht-Gesellschafter nicht klar umrissen sei, sodass eine erweiternde Auslegung des § 51 Abs 1 Z 6 JN Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Zuständigkeitsprüfung eröffnen würde.

[14] Zu beachten sei allerdings, dass der Kläger eine objektive Klagenhäufung (§ 227 Abs 1 ZPO) vornehme, in deren Rahmen Ansprüche, die im Sinn des § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen seien, auch dann geltend gemacht werden könnten, wenn das Prozessgericht für einen der Ansprüche nicht zuständig sei. Im vorliegenden Fall liege ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem auf § 29 Z 1 IO gestützten Anfechtungsbegehren und dem Feststellungsbegehren vor. Da das Erstgericht für den auf § 29 Z 1 IO gestützten Anfechtungsanspruch jedenfalls zuständig sei, sei es auch für das Feststellungsbegehren örtlich und damit nach § 27a JN auch international zuständig.

[15] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die durch Zusammenrechnung nach § 55 JN begründete Zuständigkeit für die Bejahung internationaler Zuständigkeit ausreiche, keine Rechtsprechung vorliege.

[16] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, der eine Nichtzulassung sämtlicher Klageänderungen anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] Der Kläger beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Der Revisionsrekurs ist teilweise jedenfalls unzulässig, im Übrigen aber aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Abänderungsantrags auch berechtigt.

I. Zur Bestätigung der teilweisen Zulassung der Klageänderung durch das Rekursgericht

[19] 1. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist ein Revisionsrekurs gegen einen Beschluss des Rekursgerichts jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstgerichtliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist. Ein dem letzten Halbsatz des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zu unterstellender Sonderfall liegt bei einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer Klageänderung nicht vor (RS0039426).

[20] 2. Wurde der erstinstanzliche Beschluss vom Rekursgericht teilweise bestätigt, ist der Beschluss des Rekursgerichts dann zur Gänze (also auch, soweit er den erstinstanzlichen Beschluss bestätigt) anfechtbar, wenn der bestätigende und der abändernde Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung in einem so engen und unlösbaren Sachzusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht gesondert gesehen werden können (RS0044238). Bei dieser Beurteilung ist darauf abzustellen, ob die Aussprüche ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben können (RS0044238 [insb T15]).

[21] Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass zwischen der Entscheidung über eine Änderung (Ausdehnung) des Klagehauptbegehrens und der Entscheidung über die Zulassung einer (weiteren) Klageänderung durch Erhebung eines Eventualbegehrens kein unlösbarer Zusammenhang besteht (9 Ob 176/97s). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, sodass der Revisionsrekurs als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen war, soweit er den die erstgerichtliche Entscheidung bestätigenden Teil der Rekursentscheidung bekämpft.

II. Zur abändernden Entscheidung des Rekursgerichts

[22] 1. Nach § 235 Abs 2 ZPO bedarf es zur Klageänderung nach Eintritt der Streitanhängigkeit der Einwilligung des Gegners; mit dieser Einwilligung ist eine Änderung der Klage auch dann zulässig, wenn das Prozessgericht für die geänderte Klage nicht zuständig wäre, sofern es durch Parteienvereinbarung zuständig gemacht werden könnte oder die Unzuständigkeit nach § 104 Abs 3 JN geheilt wird. Die Einwilligung des Gegners ist als vorhanden anzunehmen, wenn er, ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt.

[23] Nach § 235 Abs 3 ZPO kann das Gericht eine Klageänderung selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendungen des Gegners zulassen, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht überschritten wird und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist.

[24] Klageänderungen, die eine (wenn auch heilbare) Unzuständigkeit des Gerichts begründen, sind gegen den Widerspruch des Beklagten auch dann unzulässig, wenn die erweiterte Klageforderung aus demselben Rechtsgrund stammt und eine Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens nicht zu besorgen ist (RS0039491). Eine Zulassung der nach Streitanhängigkeit erfolgten Klageänderung durch das Gericht gegen den Willen des Beklagten ist somit jedenfalls nur dann zulässig, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht überschritten wird (vgl Klicka in Fasching/Konecny³ III/1 § 235 ZPO Rz 31).

[25] 2. Die Beklagte hat ihren Sitz auf den niederländischen Antillen. Diese sind nicht Teil der Europäischen Union und nicht vom räumlichen Anwendungsbereich der EuGVVO umfasst (Kodek in Fasching/Konecny³ V/1 Art 1 EuGVVO 2012 Rz 23; 10 Nc 19/05h). Da die Beklagte somit keinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden einzelnen Mitgliedstaats – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – nach dessen eigenem Recht (vgl Art 6 Abs 1 EuGVVO 2012). Die Frage der Zuständigkeit des Erstgerichts ist damit rein nach nationalem Recht zu beurteilen. Nach § 27a Abs 1 JN besteht die inländische Gerichtsbarkeit immer dann, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts gegeben sind.

[26] 3. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf eine (internationale: vgl Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 92b JN Rz 2) Zuständigkeit des Erstgerichts für das von ihm erhobene Feststellungsbegehren auf Grundlage des Wahlgerichtsstands nach § 92c JN.

[27] 3.1. Die Regelungen über den Wahlgerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis wurden durch die Zivilverfahrens‑Novelle 2022 (ZVN 2022) inhaltlich unverändert von § 92b JN in § 92c JN verschoben. Da die zu beurteilende Klageänderung vor dem 1. Mai 2022 erfolgte, ist gemäß § 123 Abs 2 Z 1 JN grundsätzlich noch die Paragraphenbezeichnung „§ 92b“ maßgeblich. Dennoch wird in der Folge – angepasst an die aktuelle Rechtslage – der Gerichtsstand mit „§ 92c JN“ bezeichnet.

[28] 3.2. § 92c JN lautet unter der Überschrift „Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis“:

„Die im § 51 Abs 1 Z 6 genannten Streitigkeiten, mit Ausnahme von Klagen gegen Dritte, können bei dem Gericht des Ortes angebracht werden, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.“

 

[29] § 51 Abs 1 Z 6 JN lautet:

„Vor die selbständigen Handelsgerichte gehören, falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von 15 000 Euro übersteigt: [...]

6. Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern, zwischen den Mitgliedern der Verwaltung und den Liquidatoren der Gesellschaft und der Gesellschaft oder deren Mitgliedern, zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Unternehmens, zwischen den Teilnehmern einer Vereinigung zu einzelnen unternehmensbezogenen Geschäften für gemeinschaftliche Rechnung sowie Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen aller dieser Personen zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, und zwar in allen diesen Fällen sowohl während des Bestandes als auch nach der Auflösung des gesellschaftlichen Verhältnisses, sofern es sich nicht um eine Arbeitsrechtssache handelt.“

 

[30] Zweck der Bestimmung des § 92c JN ist es, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs bei einem Gericht zu konzentrieren (6 Ob 175/19g Punkt 2. mwN). Der Gesetzgeber wollte bei Schaffung dieses Wahlgerichtsstands (durch die ZVN 1983) die Zuständigkeit vom Zusammenhang des im Prozess geltend gemachten Anspruchs mit der Funktion bei einer (inländischen) Gesellschaft abhängig machen (6 Ob 502/94 mwN).

[31] 3.3. Eine Subsumtion des im Rahmen der Klageänderung erhobenen Feststellungsbegehrens unter § 92c JN käme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte als „Mitglied“ der Schuldnerin (§ 51 Abs 1 Z 6 JN) und nicht als Dritte im Sinn des § 92c JN anzusehen wäre.

[32] Der Oberste Gerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass als „Mitglied“ einer GmbH der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft anzusehen ist, nicht aber der Unterbeteiligte an einem Geschäftsanteil einer GmbH, weil dieser nur in eine rechtliche Beziehung zum Hauptbeteiligten (also dem Gesellschafter), nicht aber zur Gesellschaft selbst tritt (6 Ob 502/94; vgl auch 6 Ob 194/21d Rz 22: Stellung als Mitglied durch Anteilserwerb). Ausgehend davon ist als Mitglied der Schuldnerin – einer AG – grundsätzlich nur deren unmittelbarer Aktionär, nicht jedoch der (Allein‑)Anteilseigner der (Mehrheits‑)Aktionärin anzusehen. Dass bei Prüfung eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt sein mag und daher auch mittelbare Gesellschafter als Normadressaten anzusehen sind (RS0105536 [T24]), kann daran nichts ändern.

[33] 3.4. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 202/11s, in der ein „faktischer Geschäftsführer“ einer GmbH nicht als „Mitglied der Verwaltung“ im Sinn des § 51 Abs 1 Z 6 JN qualifiziert wurde, betont, dass sich der gesetzlich nicht näher definierte Begriff des faktischen Geschäftsführers durch ein vielschichtiges, rechtlich keineswegs exakt umrissenes Verständnis auszeichne. Aufgrund der deutlichen Unterschiede zwischen einem „faktischen Geschäftsführer“ und einem organschaftlichen Vertreter würde eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Mitglied der Verwaltung“ zu Rechtsunsicherheit führen und die Klärung der Zuständigkeit mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten belasten (Punkt 4.4.).

[34] In der Entscheidung 6 Ob 175/19g war ein Schadenersatzbegehren gegen fünf Beklagte zu beurteilen, die laut Bescheid der Übernahmekommission als „gemeinsam vorgehende Rechtsträger“ zur Stellung eines Pflichtangebots zum Erwerb von Aktien einer SE verhalten gewesen wären. Der Oberste Gerichtshof bejahte die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichts Wien auch im Hinblick auf jene Beklagten, die nicht unmittelbare Gesellschafter der SE waren. Ein Aufsplitten der sachlichen Zuständigkeit könnte potenziell zu divergierenden Entscheidungen führen und würde dem Grundsatz der Verfahrenskonzentration widersprechen. Das Argument mangelnder Rechtssicherheit und erheblicher Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Zuständigkeitsprüfung trage im vorliegenden Fall nicht, weil der Personenkreis durch den Bescheid der Übernahmekommission klar umrissen sei.

[35] 3.5. Im vorliegenden Fall ist das Rekursgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der von § 92c JN umfasste Personenkreis nicht ausnahmsweise (wie im in der Entscheidung 6 Ob 175/19g behandelten Sonderfall) klar umrissen ist, sondern vielmehr die Zuständigkeitsprüfung mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden wäre, wollte man einem bloß mittelbar an der „Handelsgesellschaft“ Beteiligten die Eigenschaft als „Mitglied“ zuerkennen.

[36] 4. Im Revisionsrekursverfahren ist unstrittig, dass sich der Kläger auch nicht auf die Wahlgerichtsstände des Erfüllungsorts nach § 88 JN und der Schadenszufügung nach § 92a JN berufen kann.

[37] 5. Das Rekursgericht hat die (internationale) Zuständigkeit des Erstgerichts für das im Rahmen der Klageänderung erhobene Feststellungsbegehren zu Unrecht aus § 227 ZPO (iVm § 55 JN) abgeleitet.

[38] 5.1. Im vorliegenden Fall ist keine ursprüngliche objektive Klagenhäufung, die in § 227 ZPO geregelt ist, sondern eine nachträgliche objektive Klagenhäufung zu beurteilen, hat doch der Kläger im Verfahren nachträglich ein weiteres Klagebegehren erhoben. Auf die Geltendmachung eines solchen weiteren Prozessanspruchs ist § 235 ZPO, nicht aber § 227 ZPO anzuwenden (Geroldinger in Fasching/Konecny³ III/1 § 227 ZPO Rz 7; Fasching, Lehrbuch² Rz 1122 und 1225; vgl auch 4 Ob 309/85). Nach § 235 Abs 3 ZPO ist aber die Zulassung einer Klageänderung durch das Gericht gegen den Willen des Beklagten immer dann nicht möglich, wenn dadurch die Zuständigkeit des Prozessgerichts überschritten wird (vgl oben Punkt II.1.).

[39] 5.2. Die vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung trägt die von ihm daraus gezogenen Schlüsse nicht:

[40] 5.2.1. Nach RS0037769 können Ansprüche, die im Sinn des § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind, gemäß § 227 ZPO auch dann in einer Klage geltend gemacht werden, wenn das Prozessgericht für einen der Ansprüche nicht zuständig ist. Diese Annahme geht – wie sich aus der ersten indizierten Entscheidung 6 Ob 713/87 ergibt – auf Fasching (Lehrbuch² Rz 1119) zurück, der jedoch im hier zu beurteilenden Fall einer nachträglichen Klagenhäufung die Ansicht vertritt, dass eine solche bei Überschreitung der Zuständigkeit des Prozessgerichts durch die darin liegende Klageänderung nur bei Zustimmung des Beklagten zulässig sein kann (Fasching, Lehrbuch³ Rz 1122).

[41] 5.2.2. Im Übrigen zeigt eine nähere Prüfung der zu diesem Rechtssatz indizierten Entscheidungen, dass der Oberste Gerichtshof in keiner Entscheidung einen Fall fehlender internationaler Zuständigkeit zu beurteilen hatte. Vielmehr beziehen sich die indizierten Entscheidungen auf Fälle teilweiser örtlicher (6 Ob 713/87, 6 Ob 634/95, 3 Ob 1/94) oder sachlicher (6 Ob 16/20a) Unzuständigkeit. Die Entscheidung 3 Ob 2309/96x gibt den Rechtssatz überhaupt nur obiter wieder.

[42] Der Entscheidung 6 Ob 634/95 lässt sich entnehmen, dass der dort erkennende Senat eine objektive Klagenhäufung nach § 227 ZPO vor dem für einen von zwei Ansprüchen gegebenen allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten dann nicht für zulässig erachten würde, wenn für das zweite Begehren ein anderer örtlicher Zwangsgerichtsstand bestünde.

[43] Damit trägt RS0037769 insgesamt nicht die Annahme des Rekursgerichts, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs (§ 55 JN) zwischen zwei Klagebegehren ausreicht, um die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bei Erhebung mehrerer Begehren zur Gänze zu bejahen, sobald das Prozessgericht auch nur für eines der Begehren (international) zuständig ist.

[44] 5.3. Ob zwischen dem Anfechtungsbegehren und dem Feststellungsbegehren ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang im Sinn des § 55 JN besteht, kann damit dahinstehen.

[45] 6. Daher war dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben und insgesamt die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[46] 7. Im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Klageänderungen tritt in erster und dritter Instanz gemäß § 43 Abs 1 ZPO iVm § 50 ZPO Kostenaufhebung ein. Jede der beiden Klageänderungen bezog sich auf ein vom Kläger gleich bewertetes Begehren, sodass von gleichteiligem Obsiegen auszugehen ist.

[47] Im Rekursverfahren blieben letztlich beide Rekurse (bei Rekursinteresse in identer Höhe) erfolglos, die Streitteile haben also jeweils Anspruch auf Honorierung der von ihnen erstatteten Rekursbeantwortungen (§ 41 ZPO iVm § 50 ZPO). Die von der Beklagten in der Rekursbeantwortung verzeichnete Umsatzsteuer war allerdings nicht zuzusprechen, weil Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen und die Beklagte die Höhe des (für die niederländischen Antillen nicht allgemein bekannten) ausländischen Umsatzsteuersatzes nicht bescheinigt hat (RS0114955). Saldiert ergibt sich die aus dem Spruch ersichtliche Kostenersatzpflicht.

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