OGH 16Ok5/24g

OGH16Ok5/24g28.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Kartellobergericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Parzmayr und Dr. Annerl und die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Herzele und KR Dr. Handig als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen die Antragsgegnerin R*, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Verhängung einer Geldbuße nach § 29 KartG, über die Rekurse der Antragstellerin und des Bundeskartellanwalts, 1011 Wien, Schmerlingplatz 11, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 16. April 2024, GZ 25 Kt 10/21i‑48, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0160OK00005.24G.0128.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Kartellrecht

 

Spruch:

1. Der in der Rekursbeantwortung gestellte Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zur Verhängung einer Geldbuße in angemessener (niedrigerer) Höhe an das Erstgericht zurückzuverweisen, wird zurückgewiesen.

2. Den Rekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat:

„Über die Antragsgegnerin wird wegen verbotener Durchführung eines Zusammenschlusses durch Inkraftsetzen eines langjährigen Pachtvertrages über die Geschäftsfläche im *, zum Betrieb einer Lebensmitteleinzelhandels-Filiale, ohne vorherige zusammenschlusskontrollrechtliche Freigabe im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 20. September 2022 gemäß § 29 Z 1 lit a KartG iVm § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von 70 Mio EUR verhängt.“

 

Begründung:

[1] Die M* AG war im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Anmietung von Geschäftsflächen von der N* ein mittelbares 100 %-Tochterunternehmen der Antragsgegnerin. Im ersten Rechtsgang (16 Ok 4/23h) wurde abschließend geklärt, dass diese Anmietung einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss gemäß § 7 Abs 1 Z 1, § 9 Abs 1 KartG verwirklichte (16 Ok 4/23h Rz 109) und die Antragsgegnerin, die in einer wirtschaftlichen Einheit mit der am Zusammenschluss beteiligten Tochtergesellschaft stand und an der Zuwiderhandlung konkret mitwirkte, für den im Zeitraum von 1. Juli 2018 bis 20. September 2022 verwirklichten Verstoß gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG kartellrechtlich verantwortlich ist (16 Ok 4/23h Rz 135 ff). Gegenständlich ist somit nur noch die Bemessung der Geldbuße.

[2] Im Februar 2018 erlangte die Antragstellerin Kenntnis vom Abschluss des Kaufvertrags durch die N* über das Einkaufszentrum, worauf sie Ermittlungen zur Prüfung, ob ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vorliege, einleitete. In Beantwortung eines Auskunftsverlangens wurden der Antragstellerin der Pachtvertrag über die Lebensmitteleinzelhandels-Flächen zwischen der N* und der M* AG übermittelt.

[3] Mit Schreiben vom 29. Juni 2021 übermittelte die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß § 13 Abs l WettbG.

[4] Am 23. August 2022 – sohin während des vorliegenden Verfahrens – meldete die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin die „langfristige Anmietung einer Lebensmitteleinzelhandels-Geschäftsfläche von der [N*] durch die [Antragsgegnerin], konkret durch die [M* AG], deren Betrieb mittlerweile […] abgespalten wurde“ am Standort des Einkaufszentrums an.

[5] Der Konzernumsatz der R* im der Entscheidung des Kartellgerichts vom 16. April 2024 vorausgegangenen Jahr 2023 betrug 92,3 Mrd EUR.

[6] Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2021, der Antragsgegnerin gemäß § 26 KartG die Abstellung der Zuwiderhandlung gegen § 17 KartG anzuordnen, in dem ihr aufgetragen werde, den anmeldebedürftigen Zusammenschluss anzumelden oder ihn rückgängig zu machen, sowie die Verhängung einer Geldbuße über die Antragsgegnerin in angemessener Höhe gemäß § 29 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Soweit für das vorliegende Rekursverfahren relevant brachte die Antragstellerin vor, dass kein geringes Verschulden vorliege. Der von der Antragsgegnerin behauptete Milderungsgrund des Auseinanderklaffens zwischen Auskunftsverlangen und Mitteilung der Beschwerdepunkte liege nicht vor, weil es sich bei diesen drei Jahren um eine angemessene Zeit handle, weil auch die Rechtsposition der Antragstellerin erst geklärt habe werden müssen. Als Erschwerungsgrund sei zu berücksichtigen, dass über die Antragsgegnerin bereits einmal (im Verfahren 24 Kt 8/18h) wegen einer verbotenen Durchführung eine Geldbuße verhängt worden sei.

[7] Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

[8] Die Antragsgegnerin bestritt. Soweit für das gegenständliche Rekursverfahren von Relevanz brachte sie vor, dass sie zu lange über die gegen sie gerichteten Ermittlungen im Unklaren gelassen worden sei. Die Antragsgegnerin habe nie ein Auskunftsverlangen erhalten und sämtliche Ermittlungen der Antragstellerin hätten sich ausschließlich gegen die Vermieterin gerichtet, nicht jedoch gegen die Antragsgegnerin. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte sei die erste Information von Seiten der Antragstellerin darüber gewesen, dass gegen die Antragsgegnerin ermittelt werde. Sie habe sich durch den vorzeitigen Vollzug nicht bereichert und die Umsatzschwelle des § 9 Abs 1 Z 3 KartG sei lediglich geringfügig überschritten worden. Dazu komme, dass die eröffnete Filiale zu keinem Zeitpunkt positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet habe. Ein Zuwiderhandeln gegen eine bloße Formvorschrift sei milder zu behandeln als ein Verstoß gegen das Kartell- oder das Missbrauchsverbot. Die Unterlassung der Anmeldung habe keine negative Auswirkungen auf den Wettbewerb in Österreich gehabt. Der Grad des Verschuldens sei wegen mangelnder Rechtsprechung zum gegenständlichen Zusammenschluss gering gewesen. Darüber hinaus hätten sich die handelnden Personen aufgrund eines Aufsatzes des mit dem Zielpunkt-Fusionskontrollverfahren betrauten Mitarbeiters der BWB (Mertel, Zielpunkt: Übernahme von LEH-Standorten als Zusammenschluss, WuW 2017, 68) in einem Rechtsirrtum befunden.

[9] Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2021 im Verfahren 25 Kt 12/21h beantragte (unter anderem) die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin die Feststellung, dass der Abschluss des gegenständlichen Bestandvertrags und die darauf beruhende Übernahme von Geschäftsflächen für den Lebensmitteleinzelhandel im Einkaufszentrum keinen anmeldepflichtigen Zusammenschluss im Sinn der §§ 7, 9 KartG begründe. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Kartellgerichts vom 15. Mai 2023 abgewiesen; dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin wurde mit Beschluss vom 30. November 2023 zu 16 Ok 4/23h nicht Folge gegeben.

[10] Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht (unter anderem) den gegenständlichen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße ab. Von der Verhängung einer Geldbuße sei wegen geringen Verschuldens in analoger Anwendung des § 191 StPO abzusehen.

[11] Mit Beschluss vom 30. November 2023 hob das Kartellobergericht diese Entscheidung auf und verwies die Kartellrechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (16 Ok 4/23h). Es könne nicht von einem bloß geringen Verschulden der Antragsgegnerin ausgegangen werden, das analog § 191 StPO zu einem Absehen von der Strafe (nunmehr: Einstellung wegen Geringfügigkeit) Anlass gäbe. Dies mache die Verhängung einer Geldbuße gegen die Antragsgegnerin erforderlich. Es könne nicht mit der Verhängung einer „quasi symbolischen“ Geldbuße das Auslangen gefunden werden. Es bedürfe daher Feststellungen zu dem von der Antragsgegnerin im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatz (§ 29 Abs 1 KartG).

[12] Das Erstgericht verhängte über die Antragsgegnerin im nunmehrigen zweiten Rechtsgang eine Geldbuße von 1,5 Mio EUR. Für den Strafrahmen zog es den Konzernumsatz im letzten Jahr der Zuwiderhandlung von 76 Mrd EUR heran. Bei der Bemessung berücksichtigte es, dass die Zuwiderhandlung einen schweren Verstoß gegen das KartG darstelle, was jedoch im Anlassfall abgemildert werde, weil nicht gegen das Kartell- oder Missbrauchsverbot verstoßen und auch kein Zusammenschlussuntersagungstatbestand erfüllt worden sei. Die Schwere des Verstoßes werde überdies dadurch gemildert, dass es sich um keinen klassischen Fall der Übernahme eines durchgehend betriebenen wesentlichen Unternehmensteils gehandelt habe, sondern eine elfmonatige Umbauphase und eine damit einhergehende Schließung stattgefunden habe und nach der Neueröffnung der Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr – wie zuvor – von einem Unternehmen betrieben worden sei, sondern sich auf zwei unabhängige Unternehmer aufgeteilt habe; außerdem werde das Zielobjekt mit einem anderen Konzept geführt. Schließlich sei zu beachten, dass die für die Anmeldepflicht erforderlichen Umsatzschwellen bei der Zielgesellschaft im unteren Bereich gelegen seien, was verdeutliche, dass die Auswirkungen auf den österreichischen Lebensmitteleinzelhandel nur sehr gering seien. Die Dauer der Zuwiderhandlung sei mit vier Jahren und drei Monaten erheblich gewesen. Die Leistungsfähigkeit sei angesichts der zweistelligen Milliardenumsatzerlöse im Jahr 2021 und die noch weiterhin gestiegenen Umsatzerlöse 2023 sehr hoch, sodass dieser Umstand eine Geldbuße in einer signifikanten Höhe erfordere. Der in § 30 KartG genannte Bemessungsfaktor der erzielten Bereicherung liege nicht vor. Das Erstgericht ging überdies unter Hinweis auf die Entscheidung des Kartellobergerichts von einem nicht bloß geringen Verschulden der Antragsgegnerin aus. Als geldbußenerhöhende Tatsache sei die starke Marktposition der Antragsgegnerin in einem Markt mit sehr hoher Marktkonzentration zu berücksichtigen, wobei auf der anderen Seite zu beachten sei, dass die räumliche Marktauswirkung des Verstoßes gering gewesen sei. Als Erschwerungsgrund zog das Erstgericht überdies die Tatwiederholung heran, Milderungsgründe lägen keine vor.

[13] Dagegen richten sich die Rekurse der Antragstellerin und des Bundeskartellanwalts, mit dem sie die Abänderung im Sinn der Verhängung einer angemessenen (höheren) Geldbuße beantragen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[14] In der Rekursbeantwortung beantragt die Antragsgegnerin, die Entscheidung des Erstgerichts aufzuheben und die Rechtssache an dieses zur Verhängung einer Geldbuße in angemessener (niedrigerer) Höhe zurückzuverweisen und hilfsweise den Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Der in der Rekursbeantwortung gestellte Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Kartellrechtssache an das Erstgericht zur Verhängung einer angemessenen (gemeint: niedrigeren) Geldbuße hätte von der Antragsgegnerin innerhalb der ihr dafür offen stehenden Frist mittels Rekurs geltend gemacht werden müssen. In der Rekursbeantwortung ist ihr die Stellung eines eigenen, gegen die vom Gegner angefochtene Entscheidung gerichteten Rechtsmittelantrags verwehrt. Dieser Antrag ist daher zurückzuweisen (vgl RS0123081).

[16] Die Rekurse sind berechtigt.

1. Grundsätzliches

[17] 1.1. Gegen einen Unternehmer, der vorsätzlich oder fahrlässig dem Durchführungsverbot (§ 17 KartG) zuwiderhandelt, hat das Kartellgericht eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen (§ 29 Z 1 lit a KartG bzw seit dem KaWeRÄG 2021 – inhaltlich unverändert – § 29 Abs 1 Z 1 lit a KartG). Gemäß § 30 Abs 1 KartG ist bei deren Bemessung insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. § 30 Abs 2 KartG nennt verschiedene Erschwerungsgründe, § 30 Abs 3 KartG Milderungsgründe. Geldbußen nach dem KartG verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird (RS0124666; RS0130389).

[18] 1.2. Die Festsetzung der Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den – nicht taxativ aufgezählten – gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es ist eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände vorzunehmen (RS0122743). Die Kontrolle der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren richtet sich (nur) darauf, inwieweit das Kartellgericht alle gesetzlichen Faktoren korrekt berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind (RS0122748).

2. Maßgebliche Umsatzgrenze

[19] 2.1. Die in § 29 KartG vorgesehene Obergrenze ist nicht bloß „Kappungsgrenze“ im Sinn der unionsrechtlichen Obergrenze in Art 23 VO 1/2003 , sondern bildet den Strafrahmen, innerhalb dessen sich das Kartellgericht bei der Bemessung der Geldbuße zu orientieren hat (RS0130389).

[20] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst ausführlich zur Frage Stellung genommen, welches Geschäftsjahr unter dem in § 29 KartG genannten „vorausgegangenen Geschäftsjahr“ – das letzte Jahr der Zuwiderhandlung oder das der erstinstanzlichen Entscheidung vorangehende Geschäftsjahr – zu verstehen ist, und ging davon aus, dass – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung (vgl RS0130389) – unter dem fürdie Ermittlung des Geldbußenrahmens relevanten „vorausgegangenen Geschäftsjahr“ gemäß § 29 Abs 1 KartG das dem Erlass der Entscheidung vorangegangene Geschäftsjahr zu verstehen ist (16 Ok 6/23b Rz 120 und 124; vgl bereits 16 Ok 7/23z [Rz 34]).

[21] 2.3. Der Antragstellerin und dem Bundes-kartellanwalt ist daher darin zu folgen, dass für die Ermittlung des Strafrahmens der Konzernumsatz des dem Erlass der Entscheidung vorangegangenen Geschäftsjahres von festgestelltermaßen 92,3 Mrd EUR auszugehen ist.

[22] 2.4. Die Antragsgegnerin hält dem in der Rekursbeantwortung entgegen, dass die Heranziehung des Konzernumsatzes gegen das Prinzip nulla poena sine culpa verstoße, weil damit Personen (die deutsche Konzernmutter der Antragsgegnerin) in die Bestrafung einbezogen werden würden, die das geahndete Delikt nicht zu verantworten hätten. Die Umsätze der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin sowie Umsätze aus getrennt geführten Geschäftsfeldern hätten daher außer Betracht zu bleiben.

[23] 2.4.1. Bei Bemessung der Geldbuße ist vom erzielten Gesamtumsatz auszugehen, wobei die Zusammenrechnungsregel des § 22 KartG anzuwenden ist (RS0124135 [T3]). Unternehmen, die in der im § 7 KartG beschriebenen Form miteinander verbunden sind, gelten somit als ein einziges Unternehmen (§ 22 Z 1 KartG).

[24] 2.4.2. Dass der vom Erstgericht festgestellte Konzernumsatz diesen Voraussetzungen nicht entspräche, behauptet die Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung nicht. Die Heranziehung des weltweiten Gesamtumsatzes des Gesamtkonzerns durch das Erstgericht entspricht daher der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (16 Ok 2/13 ErwGr 7.).

[25] Den von der Antragsgegnerin vorgetragenen Einwänden hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 16 Ok 5/08 (zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des KartG 1988) entgegengehalten, dass es aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung, die in § 41 KartG 1988 (nunmehr: § 7 KartG 2005) in typisierter Form erfasst wird, sachlich gerechtfertigt sei, auch bei Ausmittlung einer Geldbuße die Leistungsfähigkeit (Finanzkraft) nicht allein am Umsatz des zuwiderhandelnden Unternehmens, sondern am Umsatz der gesamten Unternehmensgruppe zu messen. Damit werde auch das strafrechtliche Schuldprinzip nicht verletzt, bleibe doch das zuwiderhandelnde Unternehmen alleiniger Adressat der Bußgeldentscheidung. Ob diese Grundsätze auch für den Ausnahmefall gölten, dass trotz Bestehens einer Verbindung gemäß § 41 KartG 1988 (nunmehr: § 7 KartG 2005) die Konzernleitung infolge besonderer Umstände nicht in der Lage gewesen wäre, geschäftliche Entscheidungen des zuwiderhandelnden Konzernunternehmens zu beeinflussen, könne dahingestellt bleiben, weil ein solcher Sachverhalt nicht festgestellt worden sei.

[26] An dieser Beurteilung ist für die geltende Rechtslage weiterhin festzuhalten: Die verbundenen Unternehmen müssen gerade nicht für etwas einstehen, was sie nicht zu verantworten hätten, weil im vorliegenden Verfahren nur die Antragsgegnerin belangt wird. Die Einbeziehung des Konzernumsatzes ist deswegen gerechtfertigt, weil aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung auch eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angenommen werden kann. Dass und warum dies nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin entspreche, führt diese in der Rekursbeantwortung nicht aus. Ob verbundene Unternehmen in dem Fall (doch) nicht einzubeziehen wären, wenn diese aufgrund besonderer Umstände nicht in der Lage wären, geschäftliche Entscheidungen der Antragsgegnerin zu beeinflussen, also keine Kontrolle über das betreffende Unternehmen ausüben könnten (Traugott in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG 20052 § 29 KartG Rz 15 f), muss hier nicht abschließend geklärt werden, weil die Antragsgegnerin einen solchen Sachverhalt nicht einmal behauptet.

[27] 2.4.3. Da nach dem Gesagten der festgestellte Konzernumsatz maßgeblich ist, bedarf es keiner näheren Feststellungen zum Umsatz einzelner Einheiten, sodass auch der geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel nicht vorliegt. Der erkennende Senat sieht sich auch nicht veranlasst, der Anregung der Antragstellerin zu folgen und § 22 Z 1 KartG als verfassungswidrig beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

[28] 2.5. Ausgehend vom festgestellten Konzernumsatz von 92,3 Mrd EUR beträgt die Strafrahmenobergrenze – abweichend von der Rechtsansicht des Erstgerichts – somit 9,23 Mrd EUR.

3. Bemessungsfaktoren

[29] 3.1. In einem weiteren Schritt ist – wie ausgeführt (oben ErwGr 1.2.) – zu prüfen, ob das Erstgericht alle für die Beurteilung der Schwere des Verhaltens maßgeblichen Faktoren berücksichtigt hat (RS0122748). Dabei ist zunächst festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof das Verschulden der Antragsgegnerin in der Entscheidung 16 Ok 4/23h bereits als nicht geringfügig beurteilte (Rz 158), wovon mangels geänderter Sachverhaltsgrundlage weiterhin auszugehen ist. Die in der Rekursbeantwortung wiederholte Behauptung der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin „durch ihre öffentlich geäußerten Standpunkte“ selbst zu dem Rechtsirrtum der Antragsgegnerin beigetragen habe, ist schon deswegen verfehlt, weil in der zitierten Publikation ausdrücklich klargestellt ist, dass die darin geäußerte Meinung des als Referent der Antragstellerin für die Prüfung der Zusammenschlüsse im Rahmen der Zielpunkt-Insolvenz zuständigen Autors nur seine persönliche Ansicht wiedergibt (16 Ok 4/23h Rz 157).

[30] 3.1.1. Die Antragstellerin und der Bundeskartellanwalt wenden sich in ihren Rekursen zunächst gegen die Beurteilung des Zusammenschlusses als „ex ante untersagungsfern“. Die Antragsgegnerin habe nicht mit einer sofortigen Freigabe des angemeldeten Vorhabens rechnen dürfen.

[31] Der (kein „Kavaliersdelikt“ darstellende, also grundsätzlich schwere) Verstoß gegen das Durchführungsverbot ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Ergebnis milder zu beurteilen, wenn – mangels Untersagungstatbestands – ein „untersagungsfernes“ Zuwiderhandeln gegen eine bloße Formvorschrift vorliegt (16 Ok 2/13 ErwGr 7.). Eine (unrichtige) Einschätzung des zuwiderhandelnden Unternehmens (zu welchem Zeitpunkt auch immer), ob oder mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Untersagung im Fall der Anmeldung erfolgen könnte, spielt mangels tatsächlicher Verwirklichung eines Untersagungs-tatbestands keine entscheidende Rolle.

[32] Dass (die Amtsparteien beim Kartellgericht die Prüfung des Zusammenschlusses nicht beantragt hätten, obwohl) ein Untersagungstatbestand erfüllt gewesen wäre, wird in den Rekursen nicht behauptet, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen der Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung nicht eingegangen werden muss. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht den Umstand berücksichtigte, dass im vorliegenden Fall kein Untersagungstatbestand erfüllt war und die Antragsgegnerin somit im Ergebnis bloß gegen eine Formvorschrift verstieß.

[33] 3.1.2. Die Antragstellerin und der Bundeskartellanwalt wenden sich in ihren Rekursen weiters gegen die mildernde Berücksichtigung von Besonderheiten des gegenständlichen Zusammenschlusses, weil es sich um „keinen klassischen Fall“ der Übernahme eines durchgehend betriebenen wesentlichen Unternehmensteils gehandelt habe (längere Umbauphase und anschließender Betrieb durch zwei unabhängige Unternehmen mit geändertem Konzept).

[34] Tatsächlich ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen diese Besonderheiten des nicht angemeldeten Zusammenschlusses einen Einfluss auf die Beurteilung der Schwere des Verstoßes haben könnten. Ein allfälliger Rechtsirrtum über den Zusammenschluss wäre im Rahmen des Verschuldens zu berücksichtigen, nicht aber als eigener Faktor in die Bemessung einfließen zu lassen. Diese Umstände haben daher – wie die Rekurse zutreffend aufzeigen und worauf die Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung gar nicht eingeht – in die Bemessung der Geldbuße nicht einzufließen.

[35] 3.1.3. Die Antragstellerin möchte überdies bei der Geldbußenbemessung berücksichtigt wissen, dass ein anderes Unternehmen im selben Einkaufszentrum den Zusammenschluss angemeldet habe und daher die Anmeldefähigkeit (trotz Übernahme einer geringeren Fläche) fristgerecht erkannt habe und seiner Anmeldeverpflichtung nachgekommen sei. Mangels dazu getroffener Feststellungen wird auch ein sekundärer Feststellungsmangel gerügt.

[36] Damit werden jedoch keine Tatsachen angesprochen, die für die Bemessung der Geldbuße gegenüber der Antragsgegnerin entscheidend wären. Für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes der Antragsgegnerin und insbesondere ihr Verschulden ist nicht von Bedeutung, ob andere Unternehmer dieses (oder vergleichbare) Zusammenschlussvorhaben als anmeldepflichtig beurteilten, sodass auch der in diesem Zusammenhang geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel nicht vorliegt.

[37] 3.1.4. Die Antragstellerin rügt überdies, dass das Erstgericht berücksichtigte, dass die für die Anmeldepflicht erforderlichen Umsatzschwellen bei der Zielgesellschaft im unteren Bereich lagen.

[38] Der Beurteilung des Erstgerichts, dass dieser Umstand „zu beachten“ sei, lässt sich nicht entnehmen, ob es diesem eigenständige Bedeutung beimisst oder – in Verbindung mit dem folgenden Satz, wonach diese Umsatzzahlen verdeutlichten, dass die Auswirkungen auf den österreichischen Lebensmitteleinzelhandels-Markt nur sehr gering seien – damit den Bemessungsfaktor des vom Wettbewerbsverstoß betroffenen Markts meint.

[39] Eine Berücksichtigung des Ausmaßes des Überschreitens der maßgeblichen Umsatzschwellen als (eigenständiger) Bemessungsfaktor kommt jedenfalls – wie die Antragstellerin zutreffend geltend macht – nicht in Betracht. Insbesondere wird die Schwere der Rechtsverletzung davon (allein) nicht tangiert, dass die Umsatzschwellen nur geringfügig überschritten wurden.

[40] 3.1.5. Die Antragstellerin macht im Rekurs überdies geltend, dass die nachträgliche Anmeldung nur „vorsorglich“ und „unpräjudiziell“ erfolgt sei, woran sich zeige, dass die Antragsgegnerin keine Schuldeinsicht gezeigt habe. Als sekundärer Feststellungsmangel wird in diesem Zusammenhang gerügt, dass zu dieser Anmeldung keine (näheren) Feststellungen getroffen worden seien.

[41] Das Festhalten an einer – wenn auch verfehlten – Rechtsansicht durch die Antragsgegnerin stellt jedoch keinen bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigenden Umstand bzw Erschwerungsgrund dar, sodass die Feststellungsgrundlage insofern auch nicht unvollständig ist.

[42] 3.1.6. Nach der von der Antragstellerin im Rekurs vertretenen Rechtsansicht sei schließlich als erschwerend zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin aus der Korrespondenz mit der Behörde deren Einschätzung (im Sinn einer Anmeldepflicht) gekannt habe. Es fehlten daher Feststellungen zur entsprechenden Korrespondenz mit der Antragsgegnerin.

[43] Dabei gesteht die Antragstellerin selbst zu, dass der Zusammenschluss in (im Vergleich zum Pränotifikationsverfahren) geänderter Form verwirklicht wurde. Es ist daher schon aus diesem Grund nicht ersichtlich, inwiefern die Kenntnis der Antragstellerin für die Beurteilung des hier vorliegenden Verstoßes relevant sein soll. Die Rechtsverletzung ist im Übrigen nicht deswegen als schwerer zu beurteilen, weil sich der Unternehmer über eine ihm zur Kenntnis gebrachte, von ihm aber nicht geteilte Einschätzung der Antragstellerin hinwegsetzt. Allenfalls mag dies die Erkennbarkeit des Verstoßes (hier: der Anmeldepflicht) und damit die Beurteilung des Verschuldens beeinflussen. Davon, dass die Verwirklichung eines Zusammenschlusstatbestands für die Antragsgegnerin erkennbar war, ist im vorliegenden Fall aber ohnedies auszugehen (16 Ok 4/23h Rz 152 f).

[44] 3.1.7. Die Antragsgegnerin sieht in der Rekursbeantwortung einen Widerspruch darin, dass das Erstgericht einerseits die Betroffenheit bloß eines lokalen Markts berücksichtigt, andererseits aber auch die bundesweiten Marktanteile der Antragsgegnerin heranzieht.

[45] Ein solcher Widerspruch liegt allerdings nicht vor. Nach der Rechtsprechung es Obersten Gerichtshofs sind unter anderem der räumliche Umfang des betroffenen Markts und die kumulierten Marktanteile der beteiligten Unternehmen wichtige Bemessungsfaktoren für die Höhe der Geldbuße (RS0122743 [T1]), sodass die Beurteilung des Erstgerichts insofern nicht zu beanstanden ist.

[46] 3.1.8. Die Antragsgegnerin wendet sich in der Rekursbeantwortung überdies dagegen, dass das Erstgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Antragstellerin im Zuge ihrer Ermittlungen die Verteidigungsrechte der Antragsgegnerin verletzt habe, indem sie ihr trotz Kenntnis von der verbotenen Durchführung des Zusammenschlusses erst nach drei Jahren eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß § 13 Abs 1 WettbG übermittelte. Diese Verletzung von Verteidigungsrechten sei entweder als Milderungsgrund zu berücksichtigen oder die Dauer der Zuwiderhandlung sei entsprechend kürzer anzusetzen.

[47] Diese Argumentation ist schon grundsätzlich verfehlt. Soweit sich die Antragsgegnerin auf einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 und Art 6 Abs 3 lit a EMRK beruft, liegt ein solcher nicht vor. Nach der Rechtsprechung des EGMR beginnt die „angemessene Frist“ nach Art 6 Abs 1 EMRK in Strafverfahren, sobald eine Person „beschuldigt“ wird. Eine „strafrechtliche Beschuldigung“ liegt ab dem Zeitpunkt vor, zu dem eine Person eine amtliche Mitteilung der zuständigen Behörde erhält, dass ihr die Begehung einer Straftat angelastet wird, oder ab dem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen, die die Behörden aufgrund des Verdachts gegen sie ergriffen haben, ernsthafte Auswirkungen auf ihre Situation haben (EGMR vom 20. Juni 2019, Bsw 497/17, Chiarello gg. Deutschland, Rn 44). Die Antragsgegnerin bringt aber selbst vor, dass sie erstmals durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Verfahren gegen sie Kenntnis erlangt habe und sich sämtliche Ermittlungen (bis dahin) gegen die Vermieterin und nicht gegen sie gerichtet hätten. Eine Verletzung von Verteidigungsrechten nach Art 6 EMRK durch eine verspätete Mitteilung von Beschwerdepunkten kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht.

[48] Die Antragsgegnerin legt auch sonst nicht dar, inwiefern die – wenn auch durchaus spät erfolgte – Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Verteidigungsrechte konkret beeinträchtigt hätte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Antragstellerin daran gehindert gewesen wäre, eine angemessene Verteidigungsstrategie vorzubereiten. Ihrer Berufung auf den Grundsatz nemo venire contra factum proprium ist zu entgegnen, dass sich ihren Ausführungen nicht entnehmen lässt, durch welches Verhalten die Antragstellerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben soll.

[49] 3.1.9. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung berücksichtigte das Erstgericht zutreffend, dass gegen die Antragsgegnerin schon wegen einer ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt wurde (§ 30 Abs 2 Z 1 KartG). Im Verfahren 24 Kt 8/18h des Kartellgerichts wurde über die Antragsgegnerin wegen einer verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses nach § 17 Abs 2 KartG (ua durch nicht offen gelegten Betrieb einer Filiale) eine Geldbuße verhängt. Wie die Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung (an anderer Stelle) selbst erkennt, spielt es für die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts keine nennenswerte Rolle, ob ein Unternehmen eine Zusammenschlussanmeldung zur Gänze unterlässt oder darin grob unrichtige oder irreführende Angaben macht. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist dem hier zu beurteilenden somit ähnlich im Sinn des § 30 Abs 2 Z 1 KartG.

[50] 3.1.10. Zuzustimmen ist der Antragsgegnerin allerdings, dass sie an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkte und daher der Milderungsgrund des § 30 Abs 3 Z 3 KartG erfüllt ist. Die Antragsgegnerin übermittelte nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte insbesondere einen Entwurf einer Zusammenschlussanmeldung, auf deren Inhalt sich der verfahrensgegenständliche Geldbußenantrag auch maßgeblich stützte, und ermittelte für die Anmeldebedürftigkeit des Zusammenschlusses erhebliche Umsätze. Eine Schuldeinsicht ist für die Herstellung dieses Milderungsgrundes nicht erforderlich, insbesondere schadet es auch nicht, dass die Antragsgegnerin im Verfahren an ihrer verfehlten Rechtsauffassung über die Anmeldebedürftigkeit des Zusammenschlusses festhielt.

[51] 3.2. Zusammenfassend sind daher bei der Bemessung der Geldbuße folgende Faktoren zu berücksichtigen:

4. Ergebnis

[52] 4.1. Soweit die Antragstellerin im Rekurs eine unrichtige Bemessung aus in anderen Verfahren vom Erstgericht festgesetzten Geldbußen ableitet, ist dies schon grundsätzlich verfehlt, weil diese Geldbußen keiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterlagen (16 Ok 4/24k Rz 38). Die Höhe der Geldbuße kann auch keinesfalls gleichsam mechanisch aus einer anderen, im Zuge eines abgeschlossenen Settlement‑Verfahrens festgesetzten Geldbuße abgeleitet werden (vgl RS0130389).

[53] 4.2. Der Oberste Gerichtshof teilt die von der Antragsgegnerin gegen die Sanktionsregeln des KartG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht.

[54] Das in Art 18 Abs 1 B‑VG verankerte Bestimmtheitsgebot gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde oder des Gerichts vorherbestimmt ist. Dass der Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art 18 Abs 1 B‑VG und Art 7 EMRK (vgl VfGH G 48/2018 ua VfSlg 20.279/2018 mwN). Die im Gesetz festgelegten Grundsätze und Bemessungsfaktoren erlauben es dem Normunterworfenen, die Höhe der festzusetzenden Geldbuße innerhalb des vorgegebenen Rahmens hinreichend genau vorherzusehen. Dass die Geldbuße anhand der allgemein festgelegten Faktoren im Einzelfall zu bemessen ist, verstößt somit nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 Abs 1 B‑VG. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher (auch insofern) nicht veranlasst, der Anregung der Antragsgegnerin zu folgen, den Verfassungsgerichtshof in diesem Punkt anzurufen (siehe bereits oben ErwGr 2.4. ff).

[55] 4.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich ist (16 Ok 6/23b Rz 136; 16 Ok 2/22p Rz 86). Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Bemessungsfaktoren ist daher eine Geldbuße von 70 Mio EURauszumessen.

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