OGH 15Os113/15d

OGH15Os113/15d7.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas G***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster und dritter Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 25. Februar 2015, GZ 50 Hv 68/14b‑122, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Entlassung und bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00113.15D.1007.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas G***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen:) erster und dritter Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (A), des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (B/1) und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (B/2) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** und D*****

A/ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von (auch) schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet oder zu verleiten versucht, die diese an ihrem Vermögen schädigten oder schädigen sollten, wobei der Schaden insgesamt 3.000 Euro, nicht jedoch 50.000 Euro überstieg, und zwar

1. am 22. und am 26. November 2012 durch die wahrheitswidrige Behauptung, Johannes B***** zu sein, und Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit (US 7) und ist diese Täuschung für den Verkäufer kausal für die irrtumsbedingte Vemögensverfügung Verfügungsberechtigte der F***** GmbH zur Übergabe alkoholischer Getränke im Wert von 282,10 Euro, und zwar unter Benutzung einer falschen Urkunde, indem er die Aufträge mit dem Namen „Johannes B*****“ unterfertigte;

2. am 20. Oktober 2011 Verfügungsberechtigte der H***** GmbH durch die wahrheitswidrige Behauptung, der zahlungswillige und zahlungsfähige Kunde Siegfried G***** zu sein, zum Abschluss eines TV‑Vertrags sowie zur Übergabe eines TV‑Geräts, eines Web‑Cubes und zur Erbringung von Dienstleistungen, wodurch der genannten GmbH ein Schaden von insgesamt 1.009,73 Euro entstand;

3. am 7. Oktober 2013 Gerhard V***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Kunde zu sein, zur Übergabe eines Jahrespakets „Verbrauchsmaterial“ des Unternehmens V***** im Wert von 58 Euro;

4. Verfügungsberechtigte der T***** GmbH durch die wahrheitswidrige Vorgabe, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Kunde zu sein, unter Eingabe falscher Daten bei den „Online-Abschlüssen“ (US 8) durch Verwendung des Namens und des (teilweise unrichtigen) Geburtsdatums seines Vaters, Siegfried G*****, wodurch der genannten GmbH ein Schaden von insgesamt 3.304,95 Euro entstand, und zwar

a) am 13. März 2013 zur Überlassung eines Apple iPhone 5;

b) am 16. März 2013 zur Überlassung eines Apple iPhone 5;

c) am 16. März 2013 zur Überlassung eines unbekannten Geräts, wobei die Tat beim Versuch blieb;

d) am 20. März 2013 zur Überlassung eines unbekannten Geräts, wobei die Tat beim Versuch blieb;

e) am 21. März 2013 zur Überlassung eines Apple iPhone 5;

f) am 22. März 2013 zur Überlassung eines Apple iPad mini.

B/1. Anfang Februar 2013 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ein ihm anvertrautes Gut sich oder einem Dritten zugeeignet, indem er einen von der H***** GmbH gemieteten Kaffeeautomaten 3.000 Euro nicht übersteigenden Wertes an M***** verkaufte;

B/2. vor oder im Oktober 2012 gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, und zwar diverse Werkzeuge in einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert, Gewahrsamsträgern der A***** GmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die auf Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung die Vernehmung seiner Ehefrau Rebecca G***** als Zeugin (zu B/2) zum Beweis dafür, dass er die von ihm im eigenen Namen zum Verkauf angebotenen Werkzeuge von der A***** GmbH vereinbarungsgemäß als Sachbezug erhalten habe, sie habe „entsprechende Kenntnisse erlangt …, dies über die monatlichen Einkünfte des Angeklagten“, sowie (zu A/1) zum Beweis dafür, dass Johannes B***** am 22. und am 26. November 2012 über den Angeklagten als Vermittler zwölf Flaschen Wein und zwei Flaschen Whiskey bei der Weinkellerei F***** GmbH bestellt habe. Die Zeugin „könnte insbesondere darüber Auskunft geben, dass es im Geschäft zum Konsum von Alkohol gekommen und demnach nicht ausgeschlossen ist, dass Herr B***** die Bestellung auch tatsächlich getätigt hat“ (ON 121 S 9).

Einem Beweisantrag muss neben Beweismittel und Beweisthema stets zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuldfrage und Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0118444). Der gegenständliche Beweisantrag zielte jedoch bei beiden genannten Beweisthemen auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab, enthielt er doch kein Vorbringen, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse, und es war die Tauglichkeit der Beweisführung für das Schöffengericht auch nicht ohne weiteres erkennbar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 328). Die Abweisung des Beweisantrags durch das Erstgericht erfolgte somit entgegen dem Vorbringen des Nichtigkeitswerbers (Z 4) zu Recht.

Weiters bezieht sich die Verfahrensrüge (Z 4) auf den Beweisantrag (zu B/2) auf Vernehmung des Zeugen Klaus M***** zum Beweis dafür, dass während des Tatzeitraums sämtliche Mitarbeiter der A***** GmbH sowie der K***** AG zu den Geschäftsräumlichkeiten der GmbH, insbesondere zum Lager und zum Verkaufs‑ und Schauraum Zugang gehabt hätten, sodass mangels Betretung des Angeklagten auf frischer Tat nicht ausgeschlossen werden könne, dass die gegenständlichen Maschinen und Werkzeuge von einem unbekannten Täter weggenommen wurden, sowie zum Beweis dafür, dass die Lagerhaltung der GmbH „völlig chaotisch und unüberschaubar“ gewesen sei und wiederholt Maschinen und Werkzeuge ohne Rechnung gegen Barzahlung verkauft worden seien (ON 121 S 10).

Da die zu beweisenden Tatsachen vom Erstgericht ohnedies zugunsten des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen wurden, liegt in der Nichtdurchführung des beantragten Beweises nicht der Nichtigkeitsgrund der Z 4 (ON 121 S 11; RIS‑Justiz RS0099135). Im Übrigen lässt der Angeklagte außer Acht, dass er selbst zugestand, die gegenständlichen Werkzeuge über Ebay verkauft zu haben (US 18).

Soweit der Angeklagte in der Nichtigkeitsbeschwerde ergänzend ausführt, der Zeuge hätte auch darüber Auskunft geben können, dass er berechtigt war, Werkzeuge der GmbH über Ebay zu verkaufen und den Erlös zu behalten, verstößt er gegen das Neuerungsverbot, ist doch bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS‑Justiz RS0099618).

Inwiefern die ‑ für den Schuldspruch nach § 133 Abs 1 StGB jedoch bedeutungslose ‑ Feststellung zu B/1, wonach der H***** GmbH insgesamt ein Schaden von zumindest 246,12 Euro entstanden ist, mit der Konstatierung, wonach der genaue Schaden nicht feststellbar ist, in Widerspruch stehen sollte, ist entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) nicht nachvollziehbar. Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, die genaue Feststellung der Höhe des Schadens wäre auch erforderlich, um die Privatbeteiligtenansprüche der H***** GmbH beurteilen zu können, verkennt er, dass Tatsachenfeststellungen nur insoweit mit Mängelrüge anfechtbar sind, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 entscheidend sind (RIS‑Justiz RS0117499; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399).

Soweit sich die Mängelrüge (Z 5) betreffend B/2 auf den Wert der Werkzeuge bezieht, wird erneut verkannt, dass der konkrete Wert der weggenommenen Sachen bis zur Wertgrenze nicht subsumtionsrelevant ist (vgl RIS‑Justiz RS0099497 [T16]).

Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a; zu A/4) vermissten Feststellungen betreffend den Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz befinden sich auf US 10.

Indem der Angeklagte mit umfangreichem Vorbringen darauf verweist, dass sowohl der Tatbildvorsatz als auch der erweiterte Vorsatz beim Betrug im Zeitpunkt der Täuschung vorliegen müssen, legt er nicht dar, warum die insofern vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen unzureichend seien, wonach er bei Abschluss der gegenständlichen Verträge wusste, dass er Bedienstete der T***** GmbH über die Identität des Vertragspartners und seine wahren Vermögensverhältnisse täuschte und es dabei ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, die Angestellten durch diese Vortäuschung seiner Zahlungswilligkeit und ‑fähigkeit zur Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen und zur Übergabe von Mobiltelefonen und eines Tablet‑PC in insgesamt 3.000 Euro übersteigendem Wert zu verleiten, wodurch der Gesellschaft ein Schaden in dieser Höhe entstehen und er oder ein Dritter in diesem Ausmaß unrechtmäßig bereichert würde (US 10).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Indem die Nichtigkeitsbeschwerde die Feststellungen zum Vorsatz im Zeitpunkt der Täuschungshandlung schlicht bestreitet und darauf hinweist, dass der Angeklagte das vereinbarte Entgelt in den ersten Monaten jeweils bezahlt und den Namen seines Vaters nur deshalb benützt hätte, weil er unter seinem eigenen Namen aus Bonitätsgründen keine Verträge mehr abschließen konnte, verfehlt er die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit und bekämpft nach Art einer ‑ im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen ‑ Schuld-berufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Zu B/1 führt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) aus, es fehle am für das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB notwendigen Tatbestandsmerkmal des Anvertrauens eines fremden Gutes. Der Rechtsmittelwerber legt jedoch nicht dar, weshalb der von der H***** GmbH gemietete Kaffeeautomat ihm nicht anvertraut gewesen sein sollte. Indem er auf die erstgerichtliche Konstatierung verweist, wonach sich die Maschine bereits in dem von ihm mietweise übernommenen Geschäftslokal befunden hatte, wobei der vormalige Mieter des Geschäftslokals ebenfalls die Kaffeemaschine gemietet hatte, leitet er die von ihm gewünschte Konsequenz nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), macht er doch nicht klar, warum die Gewahrsamsüberlassung durch den Vormieter als Vertreter der Berechtigten an den Angeklagten am Tatbestandsmerkmal des Anvertrauens etwas ändern sollte (vgl Bertel in WK² StGB § 133 Rz 3; RIS‑Justiz RS0093893).

Ebensowenig legt die Subsumtionsrüge (Z 10) dar, warum die Konstatierungen zu A/4, wonach der Angeklagte bei den Onlineabschlüssen mit der T***** GmbH vom März 2013 jeweils den Namen und das (teilweise unrichtige) Geburtsdatum seines Vaters eingab, nicht die Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB tragen sollten (vgl RIS‑Justiz RS0122091 [T2]).

Soweit sich die Subsumtionsrüge (Z 10) zu A/1 und A/2 gegen die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB wendet, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb sich der damit angestrebte Wegfall der Qualifikation hinsichtlich einzelner Taten auf den rechtlichen Bestand der nach § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheit auswirken sollte (RIS‑Justiz RS0120980), und bringt solcherart den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung. Überdies vernachlässigt der Rechtsmittelwerber zu A/1 die Feststellungen zur Verwendung einer falschen Urkunde auf US 6 und verkennt, dass das Erstgericht nicht kumulativ zwei ‑ selbständig anfechtbare ‑ Qualifikationen des ersten und des dritten Falles des § 147 Abs 1 Z 1 StGB, sondern bloß eine einzige (nicht nach Fällen differenzierte) Qualifikation angenommen hat.

Zu A/ führt der Rechtsmittelwerber aus, das Erstgericht hätte die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit lediglich durch Wiedergabe der verba legalia getroffen und insbesondere nicht konstatiert, über welchen konkreten Zeitraum der Angeklagte weitere Betrugshandlungen begehen wollte. Dabei lässt er die ‑ wenn auch disloziert getroffene ‑ Feststellung außer Acht, wonach es dem Angeklagten bei Abschluss der Verträge unter Verwendung falscher Daten bzw einer falschen Urkunde darauf ankam, sich für zumindest mehrere Monate bzw Jahre ein fortlaufendes Zusatzeinkommen zu schaffen (US 11, 17).

Entsprechendes gilt für das Vorbringen zur Subsumtionsrüge (Z 10), soweit sie zu B/2 den Entfall der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB anstrebt. Sie legt nicht dar, weshalb die Feststellung, wonach es dem Angeklagten bei der Wegnahme der Werkzeuge darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen zumindest über mehrere Monate ein fortlaufendes Zusatzeinkommen zu verschaffen (US 12), nicht ausreichen sollten (vgl RIS‑Justiz RS0107402).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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