OGH 14Os63/22d

OGH14Os63/22d27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 30. März 2022, GZ 17 Hv 75/21b‑668b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00063.22D.0927.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A), mehrerer Vergehen der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (B) und eines Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, § 224 StGB (C) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

A/ * K* vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt 1.250 Gramm Kokain (Reinsubstanz 625 Gramm Cocain), durch gewinnbringenden Verkauf um 40 Euro pro Gramm überlassen, und zwar

I/ in der ersten Jahreshälfte 2017 in S* 250 Gramm,

II/ Mitte des Jahres 2018 in der Nähe von H* 500 Gramm,

III/ im Herbst oder Winter 2018 in St* 500 Gramm;

B/ in den ersten Monaten des Jahres 2019 in W* jeweils auf den Namen * V* lautende, falsche ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, von einer nicht ausgeforschten Person übernommen und bis zur Übergabe in einem Koffer an * Ko* einige Wochen mit dem Vorsatz besessen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich einer von der zuständigen Behörde ausgestellten Lenkerberechtigung und eines gültigen Identitätsnachweises, gebraucht würden, und zwar

I/ einen gefälschten slowenischen Führerschein (§ 1 Abs 4 FSG) und

II/ einen gefälschten slowenischen Personalausweis (§ 2 Abs 4 Z 4 FPG);

C/ am 7. Mai 2019 in W* eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist (§ 1 Abs 4 FSG), nämlich einen gefälschten, auf ihn lautenden slowenischen Führerschein, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich einer aufrechten, von der zuständigen Behörde ausgestellten Lenkerberechtigung, gebraucht, indem er diesen bei einer Verkehrskontrolle gegenüber dem einschreitenden Polizeibeamten vorwies.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a sowie 9 lit a und b StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin * He* in Anwesenheit des Beschwerdeführers (ON 583 S 6 ff) Verteidigungsrechte nicht verletzt. Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung ersichtlich von der Annahme aus, die genannte Zeugin werde, weil sie sich vom Beschwerdeführer eingeschüchtert fühle, in dessen Gegenwart nicht wahrheitsgemäß aussagen (vgl ON 583 S 10 f). Auf Basis dieser – vom Beschwerdeführer nicht nach den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO infrage gestellten (RIS‑Justiz RS0118016) – Sachverhaltsgrundlage erweist sich die kritisierte Abweisung als rechtsrichtig (RIS‑Justiz RS0116769, vgl RS0098245; Kirchbacher, WK‑StPO § 250 Rz 4 und 7 f).

[5] Vor einem Eingehen auf das weitere Vorbringen der Verfahrensrüge ist festzuhalten, dass eine Beweisführung zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Zeugen zwar nicht von vornherein unzulässig ist. Beweis ist dazu jedoch nur aufzunehmen, wenn sich aus dem Antragsvorbringen konkret ergibt, ein Zeuge habe in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]).

[6] Aus diesem Grund scheitert die Kritik an der Abweisung jener (nachstehend angeführter) Beweisanträge, die der Sache nach auf Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugen He* und K* gerichtet waren, ohne konkrete Hinweise auf Falschaussagen zu entscheidenden Tatsachen erkennen zu lassen. Das trifft auf die begehrte „Auswertung von Handy und den Inhalt der Handys“, die im Zuge einer Hausdurchsuchung bei der Zeugin He* sichergestellt wurden, zum Beweis dafür, dass „diese Handys nicht dem Angeklagten gehören“ (ON 566a S 107), ebenso zu wie auf die Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung von * B* und W* zum Beweis dafür, dass der Zeuge Prof. * S* „wiederholt an Zeugen und Personen herangetreten ist und diese gegen das Anbot bzw. die Leistung von Geldbeträgen zu falschen, jedoch seinen bzw. der N* dienenden Aussagen zu bewegen und dies auch hinsichtlich der Zeugen K* und He* der Fall war“ (ON 566a S 107). Abgesehen von fehlender Erheblichkeit unter dem Aspekt der auch von letzterem Antrag angesprochenen Glaubwürdigkeit der Zeugen He* und K* ließ das dazu erstattete Vorbringen nicht erkennen, weshalb die genannten Personen Wahrnehmungen zu einer Bestimmung dieser Zeugen zu einer Falschaussage gehabt hätten. Das Begehren war somit auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS‑Justiz RS0118444 [T6]). Im Übrigen ging das Erstgericht ohnehin im Sinn des Vorbringens der Verteidigung nach ausführlicher Erörterung der von dieser vorgelegten Urkunden davon aus, dass sich aus der Vernehmung der genannten Personen Hinweise für ein rechtswidriges Vorgehen des Prof. S* in anderem (hier nicht gegenständlichen) Zusammenhang ergeben könnten (vgl US 62 ff und 69 f; RIS‑Justiz RS0099135).

[7] Ein erhebliches Beweisthema ließ (selbst unter dem Gesichtspunkt einer Glaubwürdigkeitsüberprüfung) auch der – keinen Bezug zum Anklagesachverhalt aufweisende – Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung Dris. * M* zum Beweis dafür, „dass dem Angeklagten von einem Beamten bereits vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos angedroht wurde, dass für den Fall der Veröffentlichung des Videos ihm Suchtmittel in den Kofferraum gelegt werden würden und auf dieser Basis die Ermittlungen der Soko Tape durchgeführt“ würden sowie dass der Zeuge * R* „für seine Aussage eine finanzielle Absicherung verlangte und aus diesem Grund das Video erstellt wurde, sohin beim Angeklagten keine finanziellen Interessen für die Erstellung des Videos vorhanden waren“ (ON 668a S 21 f), vermissen (RIS‑Justiz RS0118319).

[8] Warum die als Zeugen beantragten * V* und * A* verlässlich Auskunft darüber hätten geben können, dass der Beschwerdeführer „nicht mit Suchtmittel gehandelt hat, sondern nur Konsument war“ (ON 583 S 128), legte das Antragsvorbringen nicht dar, weshalb es ebenfalls auf unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (RIS-Justiz RS0118444 [T6]).

[9] Erfolglos bleibt die Verfahrensrüge auch insoweit, als sie den Antrag des Beschwerdeführers, „die gesetz- und verfassungswidrige Anordnung der Staatsanwaltschaft“, den „Briefverkehr des Angeklagten auch mit seinen Verteidigern der Zensur zu unterziehen, unverzüglich aufzuheben“ (ON 664 iVm ON 668a S 21), thematisiert. Anlässlich der Antragstellung berief sich der Beschwerdeführer auf eine Auskunft der Justizanstalt, derzufolge die Staatsanwaltschaft eine solche Überwachung (auch) für das Stadium des Hauptverfahrens angeordnet habe (vgl aber § 189 Abs 1 StPO), was das Erstgericht im Übrigen verneinte.

[10] Denn der (am letzten Termin der Hauptverhandlung gestellte) Antrag, der zudem von einer dem Gericht im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft nicht zustehenden Kompetenz ausgeht, spricht weder den Fortgang des Verfahrens (vgl zu nicht die Leitung des Verfahrens betreffenden Anträgen im Übrigen auch RIS‑Justiz RS0133887; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 305; Danek/Mann, ebd § 238 Rz 7), noch eine konkrete Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten an. Er behauptet vielmehr (bloß) eine Verletzung von Art 8 MRK und bezieht sich der Sache nach alleine auf die Bedingungen des Vollzugs der Untersuchungshaft (§ 189 Abs 1 StPO), womit er keinen (auch nur indirekt) für die Lösung der Schuld‑ oder der Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft und solcherart aus Z 4 unbeachtlich ist (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 319, 321).

[11] Eingangs der Antwort auf die Mängelrüge (Z 5) wird in Erinnerung gerufen, dass diese eine Bekämpfung von Feststellungen grundsätzlich nur dann ermöglicht, wenn diese (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage sowie die Sanktionsbefugnisgrenze) entscheidende Tatsachen betreffen (RIS‑Justiz RS0117499). Daneben kann die (per se nicht entscheidende) Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen durch das Erstgericht unter dem Aspekt der Unvollständigkeit angefochten werden. Dabei muss der Bezugspunkt der Kritik aber in Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen liegen (RIS‑Justiz RS0119422 [T4]). Zudem haben die Tatrichter das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zu beachten, weshalb sie nicht verhalten sind, sämtliche Details der Aussagen von Angeklagten und Zeugen einer gesonderten Würdigung im Urteil zu unterziehen (RIS-Justiz RS0106642). Dies gilt insbesondere für Angaben, die nicht entscheidende Tatsachen betreffen.

[12] Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) versucht die Mängelrüge, die vom Erstgericht– nach eingehender Erörterung von Aussagedetails sowie für und wider sprechender Argumente – soweit hier wesentlich bejahte Glaubwürdigkeit der Zeugen K* und He* zu erschüttern. Indem sie vermeintliche Falschaussagen dieser Zeugen betreffend unerhebliche Begleitumstände oder Sachverhalte, die mit dem Verfahrensgegenstand nicht im Zusammenhang stehen, ins Treffen führt, vernachlässigt sie den oben dargestellten Anfechtungsrahmen im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Tatrichter. Dies trifft auf folgendes Vorbringen zu:

‑ K* habe mehrfach falsch ausgesagt, nämlich zu Anzahl und Ort seiner Treffen mit dem Zeugen Prof. S* (vgl im Übrigen die Erörterung des Erstgerichts auf US 76 f) sowie durch die Behauptungen, der Beschwerdeführer habe eine „Hanfplantage“ betrieben (vgl US 36 und 53 ff) und falsche Ausweise herstellen lassen (vgl US 31 und 36).

‑ Das Erstgericht habe einen für die Beurteilung der Aussagemotivation des Zeugen K* bedeutsamen Amtsvermerk vom 5. Oktober 2020 (betreffend dessen Information über die „Möglichkeit eines elektronisch überwachten Hausarrests“) unerörtert gelassen (vgl aber US 46, 48 und 50 f).

‑ He* habe K* im Zusammenhang mit der Herkunft eines (nicht verfahrensgegenständlichen) Ausweises als Lügner bezeichnet und behauptet, dieser habe der Polizei (zu hier nicht inkriminierten Sachverhalten) falsche Informationen geliefert (ON 596 S 20 und 26).

‑ Die Tatrichter hätten bei der Auseinandersetzung mit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. * P* zur Aussagefähigkeit der Zeugin He* (vgl dazu US 21 f) eine Passage übergangen, derzufolge diese Zeugin zur „Bestätigung von Suggestivfragen“ neige (ON 635 S 17). Davon abgesehen, dass das Erstgericht ohnehin auf die Umstände der Vernehmung von He* durch die Kriminalpolizei einging (US 24 f), bleibt die Zielrichtung dieses Vorbringens unklar, weil es die Stellung von Suggestivfragen gar nicht behauptet.

‑ Das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Kriminalpolizei zur Zeit der Vernehmung von He* bereits über genaue Aufzeichnungen über deren Suchtgiftverkäufe verfügt habe und diese somit keineswegs ein „überschießendes Geständnis“ (vgl US 17 f, 25 und 38 [„Lebensbeichte“]) abgelegt habe.

[13] Der weitere Einwand eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zwischen den beweiswürdigenden Erwägungen, He* bringe einerseits aufgrund ihrer Persönlichkeit und traumatischer Erfahrungen „Dinge häufig durcheinander“ und würde „zeitliche Abläufe falsch einordnen“ (US 20), sowie es wäre andererseits bei einer Absprache dieser Zeugin mit K* zu erwarten gewesen, dass sie sich bei der (dann nicht erlebnisfundierten) Schilderung der – relativ einfach strukturierten – Tathandlungen des Beschwerdeführers nicht in „derart viele Widersprüche zu Details“ verstrickt hätte (US 37), trifft nicht zu. Nichtigkeit würde nämlich nur – hier nicht vorliegende – Unvereinbarkeit dieser Aussagen nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen begründen (RIS‑Justiz RS0117402).

[14] Das unter dem Aspekt fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) erstattete Vorbringen geht großteils schon deshalb ins Leere, weil es sich gegen beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit von Zeugen richtet, die als solche einer Anfechtung aus diesem Grund entzogen sind (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431 f). Dies gilt auch für die sachverhaltsmäßige Bejahung einzelner Umstände im Rahmen dieser Erwägungen (vgl RIS‑Justiz RS0116737). Eine derartige Überprüfung der Beweiswürdigung würde nur eine im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung ermöglichen.

[15] Aus diesem Grund scheitert der Einwand, das Erstgericht habe (im Übrigen ohnehin erörterte [vgl US 23 f]) Widersprüche in den Schilderungen der Zeugin He* zu einem Vorfall, bei dem der Beschwerdeführer sie bedroht habe, nur unzureichend aufgeklärt und die Inkonsistenzen zu Unrecht (unter anderem) mit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. P* erklärt (vgl US 24 iVm ON 635 S 19).

[16] Gleiches gilt für die weitere Kritik an den tatrichterlichen Überlegungen zur fehlenden Relevanz von unterschiedlichen Aussagen dieser Zeugin zur Urheberschaft handschriftlicher Notizen über den Verkauf von Suchtgift (vgl US 28 f), zur für glaubhaft gehaltenen Einschüchterung derselben durch K* während gemeinsamer Untersuchungshaft (vgl US 18 f) sowie zur Glaubwürdigkeit dieser beiden Zeugen, die auch aus der – vom Erstgericht angenommenen – Ausschließbarkeit einer Absprache abgeleitet wurde (vgl US 19).

[17] Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur eine erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln. Erheblichkeit ist gegeben, wenn sich die Abweichung auf die Feststellung entscheidender Tatsachen auswirkt (RIS‑Justiz RS0099408). Dies ist hier in Bezug auf die von der Rüge ins Treffen geführte Aussage der Zeugin He* über einen Vorfall, bei dem der Beschwerdeführer sie bedroht habe, nicht der Fall (zur Wiedergabe im Urteil vgl US 23 f).

[18] Abgesehen von fehlender Relevanz für die Feststellung entscheidender Tatsachen behauptet die Kritik an den Überlegungen der Tatrichter zur zeitlichen Einordnung eines von K* mit seiner Mutter geführten Telefonats durch diese (US 44) keine falsche Wiedergabe deren Aussage, sondern bloß nach Ansicht des Beschwerdeführers unrichtige Schlussfolgerungen aus dieser (vgl aber RIS‑Justiz RS0099431).

[19] Der Einwand, entgegen den Ausführungen des Erstgerichts finde sich eine Aussage der Zeugin He*, bei der dritten Übergabe (vgl A/III) sei dem Kokain „Flex“ (also Glasstaub) beigemischt gewesen, „im gesamten Akt nicht“, trifft nicht zu (vgl hingegen ON 596 S 16 sowie US 26 ff iVm ON 529 S 95).

[20] Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) ermöglicht die Anfechtung von Feststellungen nur insoweit, als diese (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage sowie für die Strafbefugnisgrenze) entscheidende Tatsachen betreffen (RIS‑Justiz RS0118780). Dies trifft auf die Kritik an der Sachverhaltsannahme, über den Beschwerdeführer sei im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 7. Mai 2019 (Punkt C des Schuldspruchs) im verwaltungsbehördlichen Verfahren eine Geldstrafe von „163 Euro“ verhängt worden (US 8; vgl hingegen ON 485 S 17 [363 Euro]), nicht zu. Ebenso wenig auf die Urteilspassage zu den Gründen des Beschwerdeführers für den Verkauf von 22 Prozent seiner Anteile an der Kon* GmbH (US 14). Soweit in diesem Zusammenhang Mängel der amtswegigen Wahrheitsforschung moniert werden, unterlässt der Beschwerdeführer die gebotene Darlegung, wodurch er an darauf abzielender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS‑Justiz RS0115823).

[21] Indem die weitere Tatsachenrüge aus vom Erstgericht angeführten und ausführlich erörterten Prämissen (den Aussagen der Zeugen K* und He*, der Verantwortung des Beschwerdeführers, dem Umstand, dass Prof. S* Ersterem Geld für die Verschaffung von Informationen im Zusammenhang mit der Erstellung des sogenannten „Ibiza‑Videos“ gezahlt habe sowie einem Bericht aus Deutschland über „Großhandelspreise“ bei Kokain) für den Verteidigungsstandpunkt günstigere Schlussfolgerungen zieht als die Tatrichter, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099674). Vielmehr bekämpft sie die tatrichterlichen Feststellungen bloß ein weiteres Mal nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

[22] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit dem zu Punkt B des Schuldspruchs erhobenen Einwand, nach dem Urteilssachverhalt sei „der erweiterte Vorsatz fraglich“, prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die genau zu diesem getroffenen Feststellungen (US 8). Im Übrigen macht das Argument, die Weitergabe der falschen Urkunden an einen Bekannten spräche gegen einen solchen Vorsatz, nicht klar, weshalb sich dieser – entgegen dem Gesetzeswortlaut – auf rechtserheblichen Gebrauch durch den Täter selbst beziehen müsse (vgl [zu § 223 StGB] RIS‑Justiz RS0095792; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 224a Rz 9 und § 223 Rz 225).

[23] Zu Punkt C des Schuldspruchs (Z 9 lit b) bringt die weitere Rüge vor, diesem stehe das Verfolgungshindernis des ne bis in idem (Art 4 des 7. ZPMRK) entgegen, weil nach den Urteilsannahmen über den Beschwerdeführer im Gefolge der Verkehrskontrolle vom 7. Mai 2019 mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 21. Mai 2019 wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs 1 iVm § 1 Abs 3 FSG eine Geldstrafe von „163 Euro“ (vgl allerdings ON 485 S 17 [363 Euro]) verhängt worden sei (US 8). Sie legt indes nicht dar, weshalb der Sachverhalt, welcher den von ihr ins Treffen geführten Entscheidungen des EGMR (23. 10. 1995, 155963/90, Gradinger/Österreich und 29. 5. 2001, 37950/97, Fischer/Österreich) jeweils zu Grunde lag, mit dem vorliegenden in Bezug auf die Frage nach der Tatidentität („idem“) vergleichbar sei und entzieht sich schon deshalb einer inhaltlichen Erwiderung. Während dort jeweils das tateinheitliche Zusammentreffen von Lenken eines Kraftfahrzeugs in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1 lit a StVO) sowie der dadurch fahrlässig verursachten Tötung oder Körperverletzung (§ 81 Abs 2 oder § 88 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB) zu beurteilen war (vgl RIS‑Justiz RS0116747), steht hier das Lenken eines Kraftfahrzeugs ohne gültige Lenkerberechtigung einerseits und das folgende Vorweisen (das Gebrauchen) eines gefälschten slowenischen Führerscheins bei einer Verkehrskontrolle andererseits in Rede.

[24] Lediglich mit Blick auf § 290 StPO wird in diesem Zusammenhang klargestellt: Tatidentität ist hier selbst unter Zugrundelegung des vom EGMR in jüngerer Rechtsprechung (auf die sich die Rüge allerdings nicht beruft) zunächst sehr weit verstandenen (10. 2. 2009 [gK], 14939/03, Zolotukhin/Russland), in weiterer Folge präzisierten Tatbegriffs zu verneinen. Nach diesem Ansatz kommt es nämlich auf die Übereinstimmung des jeweils sachverhaltsmäßig festgestellten Subsumtionsmaterials („facts of the two offences“) an (14. 1. 2010, Nr 2376/03, Tsonyo Tsonev/Bulgarien [Z 52]), womit nichts anderes gemeint ist als die durch den jeweiligen Straftatbestand vorgegebene Auswahl aus dem gesamten, grundsätzlich im Zusammenhang stehenden Lebenssachverhalt (12 Os 95/11d; [mit treffender, wenngleich kritischer Analyse] Lewisch, WK‑StPO Vor §§ 352–363 Rz 103; vgl auch Wiederin, ebd § 4 Rz 85). Zudem verneint der EGMR in jüngerer Rechtsprechung– Tatidentität vorausgesetzt – unzulässige doppelte Strafverfolgung („bis“), wenn zwischen verwaltungsbehördlichem Verfahren und gerichtlicher Sanktionierung eine ausreichende enge Verbindung besteht, beide also gewissermaßen „komplementäre rechtliche Reaktionen“, die „ein zusammenhängendes Ganzes bilden“, darstellen und solcherart „verschiedene Aspekte des Fehlverhaltens auf vorhersehbare und verhältnismäßige Weise“ ansprechen (15. 11. 2016 [gK], 24130/11, A und B/Norwegen [Z 121 f {Zitat aus der deutschen Übersetzung in NL Menschenrechte 2016, 556}]; 4. 10. 2016, 21563/12, Rivard/Schweiz [Z 31: „Koordinationsprinzip“]; 17. 2. 2015, 41604/11, Boman/Finnland; vgl Lewisch, WK‑StPO Vor §§ 352–363 Rz 108).

[25] Zudem ist Tatidentität nach oberstgerichtlicher (RIS‑Justiz RS0124159, vgl auch RS0115915) wie verfassungsgerichtlicher (VfSlg 18.833; VfSlg 19.280 und VfSlg 20.246) Rechtsprechung auch dann zu verneinen, wenn die Tatbestände des Verwaltungs- und des Justizstrafrechts nicht dieselben Tatbestandsmerkmale aufweisen, sodass zur vollen Auswertung des Unrechtsgehalts (eines Geschehens) die Betrachtung unter dem Aspekt mehrerer einander ergänzender Tatbestände erforderlich ist (vgl [im Ergebnis wohl zustimmend] Birklbauer, WK‑StPO § 17 Rz 32 und 35; zum Ganzen Nordmeyer, ebd § 190 Rz 28 ff). Dass die verwaltungsbehördlich wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs ohne gültige Lenkerberechtigung verhängte Geldstrafe den vollen Unrechtsgehalt des von Punkt C des Schuldspruchs erfassten Verhaltens nach diesem – in den Auswirkungen mit der neueren Rechtsprechung des EGMR vereinbaren – materiellrechtlichen Ansatz (so genannte „Scheinkonkurrenzlösung“) abdecke, argumentiert der Beschwerdeführer nicht.

[26] Schließlich macht die einen Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität (§ 31 Abs 1 EU‑JZG) reklamierende Kritik nicht klar, weshalb Abweichungen bei Tatzeit und (teils auch) übergebener Suchtgiftmenge angesichts sonst gleicher Tatmodalitäten (drei Verkäufe von jeweils mehreren hundert Gramm Kokain durch den Beschwerdeführer an K*) die Identität der im Europäischen Haftbefehl genannten (ON 241 S 9 ff) und der zu Punkt A des Schuldspruchs inkriminierten Taten in Frage stellten (vgl im Übrigen [zur Irrelevanz von Suchtgiftmenge und Tatzeit für die Frage nach der Tatidentität, wenn diese sich aus anderen Umständen ergibt] RIS‑Justiz RS0088302 und RS0098697; Lewisch, WK‑StPO § 262 Rz 38 und 59; vgl auch EuGH 1. 12. 2008, C‑388/08 , Leymann und Pustovarov; Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 31 Rz 14 [„kein allzu strenger Maßstab“]). Der ins Treffen geführten Entscheidung 12 Os 73/08i lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde, weshalb aus ihr für den Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen ist.

[27] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[28] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[29] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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