European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00091.16F.1012.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin E***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 22. Jänner 2016 in Wien eine wehrlose Person, nämlich den im Tiefschlaf befindlichen (US 3) Christoph S*****, unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, und zwar dadurch, dass er an ihm eine geschlechtliche Handlung, nämlich einen Analverkehr, vornahm.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf „Erstellung eines psychologischen Gutachtens zu Herrn S***** zum Beweis dafür, dass er von seiner Psyche und Mentalität einerseits dazu geneigt ist, schwächere Personen zu seinem Vorteil auszunutzen und auch Schwierigkeiten damit hat, immer die Wahrheit zu sagen“ (ON 15 S 71), zu Recht ab, weil die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und der Beweiskraft von Beweismitteln dem erkennenden Gericht zukommt (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO).
Nur ausnahmsweise, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, kommt dabei die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (RIS‑Justiz RS0120634). Ein solcher Ausnahmefall wurde hier nicht dargetan. Hinzu kommt, dass die begehrte Begutachtung die Zustimmung des Zeugen voraussetzen würde (RIS‑Justiz RS0118956), zu welchem Erfordernis der Beweisantrag kein Vorbringen enthielt.
Die den Antrag ergänzenden Beschwerdeargumente haben mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.
Dem Vorbringen der Mängelrüge zuwider sind die aus der geständigen Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei abgeleiteten Feststellungen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).
Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (RIS‑Justiz RS0119089).
Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).
Im Bezug auf alle Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0119370).
Indem der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung des Erstgerichts als unlogisch, nicht nachvollziehbar und fehlerhaft bezeichnet, zeigt er keinen derartigen Begründungsfehler auf, sondern bekämpft lediglich unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet die Behauptung, der festgestellte Zustand des Tiefschlafs würde dem Tatbestandserfordernis der Wehrlosigkeit nicht genügen, nicht aus dem Gesetz ab und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erwiderung ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 588).
Hinzugefügt sei, dass der festgestellte Tiefschlaf des Opfers zum Zeitpunkt der Tatbegehung die vorgenommene Subsumtion unter das angesprochene Tatbestandsmerkmal nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre sehr wohl trägt ( Philipp in WK 2 StGB § 205 Rz 7; Hinterhofer SbgK § 205 Rz 23; Hinterhofer/Rosband , BT II 6 § 205 Rz 5; RIS‑Justiz RS0095097 [T1, T2, T3]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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