Rechtssatz
Hinsichtlich der für die Sanktionsbefugnis (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) entscheidenden Tatsachen lässt die Rechtsprechung neben der Berufung auch eine Bekämpfung mit Verfahrensrüge, Mängelrüge und Tatsachenrüge zu (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall in Verbindung mit Z 2 bis 5a StPO). Soweit die Gefährlichkeitsprognose nach §§ 21 bis 23 StGB auf ganz bestimmte Erkenntnisquellen gegründet sein muss, ist sie nur dann rechtsrichtig vorgenommen, wenn sie auf sämtlichen der genannten Sachverhaltskriterien basiert. Ist dies nicht der Fall, liegt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO vor. Im Fall einer Maßnahmenanordnung muss bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO die Feststellungsgrundlage so umfassend sein, dass die daran unabdingbar rechtlich gebundene Ermessensentscheidung einer Befürchtung, also die rechtliche Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden darf, für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde eine oder mehrere bestimmte Handlungen begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren beziehungsweise nicht bloß leichten Folgen) zu beurteilen wären.
13 Os 78/04 | OGH | 14.07.2004 |
Auch; nur: Hinsichtlich der für die Sanktionsbefugnis (Z 11 erster Fall) entscheidenden Tatsachen lässt die Rechtsprechung neben der Berufung auch eine Bekämpfung mit Verfahrensrüge, Mängelrüge und Tatsachenrüge zu (Z 11 erster Fall in Verbindung mit Z 2 bis 5a). (T1); Beisatz: Da § 21 StGB die Befugnis zur Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher neben einer Mindeststrafdrohung für die Anlasstat und einem auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustand auch an dessen Einfluss auf die Anlasstat bindet, kann diese Sanktionsbefugnisgrenze aus Z 11 erster Fall in Frage gestellt werden, deren Tatsachengrundlage zugunsten des Angeklagten aus Z 11 erster Fall in Verbindung mit Z 1 bis 5a. (T2) |
11 Os 97/04 | OGH | 19.10.2004 |
Auch; Beisatz: Für die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB bedarf es eindeutiger Sachverhaltsannahmen zur prognostizierten Tat, die den Schluss ermöglichen, dass damit eine mit Strafe bedrohte, als besonders folgenschwer zu wertende Handlung zu befürchten sei. (T3) |
13 Os 20/06z | OGH | 05.04.2006 |
Auch; Beisatz: Der bloß pauschale - und damit undeutliche (vgl WK-StPO § 281 Rz 396) - Verweis auf das als „klar und deutlich beziehungsweise frei von Widersprüchen und nachvollziehbar" bezeichnete Sachverständigengutachten vermag derartige Feststellungen nicht zu ersetzen. (T4) |
12 Os 52/07z | OGH | 31.05.2007 |
Auch; Beisatz: Im geschworenengerichtlichen Verfahren nimmt die Rechtsprechung zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen insoweit Maß an den im schöffengerichtlichen Verfahren geltenden Grundsätzen und räumt demgemäß in Hinsicht auf die tatsächliche Grundlage der Sanktionsbefugnis (Z 13 erster Fall) eine Anfechtung einerseits in Verbindung mit § 345 Abs 1 Z 3 bis 5 StPO und andererseits in Verbindung mit § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ein. (T5) |
15 Os 50/07b | OGH | 22.11.2007 |
Auch; nur T1; Beisatz: Hier: Bekämpfung des strafbestimmenden Wertbetrags; vgl WK-StPO § 281 Rz 673. (T6) |
13 Os 134/07s | OGH | 05.12.2007 |
Auch; Beisatz: Als Erkenntnisquellen für die Befürchtung der sogenannten Prognosetat nennt das Gesetz (1.) die Person des Rechtsbrechers, (2.) seinen Zustand, also seine Verfassung im Urteilszeitpunkt, und (3.) die Art der Anlasstat. Durch deren konjunktive Verknüpfung („und") wird eine Gesamtwürdigung angeordnet. Die Beurteilung hat jede der drei Erkenntnisquellen zu berücksichtigen. Wird auch nur eine davon gänzlich außer Acht gelassen, liegt darin eine rechtsfehlerhafte Bewertung der Prognosekriterien und Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (WK-StGB - 2 § 21 Rz 24). (T7) |
13 Os 129/07f | OGH | 05.12.2007 |
Vgl auch; Beisatz: Indem aus Z 11 zweiter Fall weder das Übergehen einer gesetzlich angeordneten Erkenntnisquelle noch ein unvertretbarer Schluss aus herangezogenen Erkenntnisquellen behauptet, vielmehr die Befürchtung einer der Anlasstat ähnlichen Prognosetat nur spekulativ in Frage gestellt wird, gelangt der angezogene Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung. (T8) |
13 Os 5/08x | OGH | 24.04.2008 |
Auch; Beisatz: Die Prognosetat ist im Urteil ihrer Art nach näher zu umschreiben (WK-StGB - 2 § 21 Rz 26). (T9); Beisatz: Denn nur so kann eine Subsumtion unter den Rechtsbegriff einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung (also einer Kategorie des materiellen Strafrechts) mit schweren Folgen stattfinden. (T10) |
13 Os 120/08h | OGH | 01.10.2008 |
Auch; Beis ähnlich wie T7; Beis ähnlich wie T11 |
15 Os 34/11f | OGH | 04.05.2011 |
Vgl auch; nur T1; Beis ähnlich wie T2 |
11 Os 47/11p | OGH | 19.05.2011 |
Vgl; Beis ähnlich wie T3; Beis ähnlich wie T9 |
11 Os 33/12f | OGH | 19.04.2012 |
Auch; Beisatz: Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt. (T13) |
14 Os 120/12x | OGH | 29.01.2013 |
Vgl; Ähnlich Beis wie T11; Beisatz: Die Anfechtung des Urteils über die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB wegen Nichtigkeit ist aber nur in Bezug auf jene materiell‑rechtlichen Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB möglich, deren Beurteilung dem richterlichen Ermessen entzogen sind, sohin der Grundvoraussetzungen dieser Anstaltsunterbringung; die Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 21 Abs 1 StGB ist hingegen als Ermessensentscheidung ausschließlich mit Berufung bekämpfbar. (T14) |
12 Os 14/13w | OGH | 07.03.2013 |
Vgl auch; Beis wie T3; Beis wie T10 |
12 Os 134/14v | OGH | 09.04.2015 |
Auch; Beisatz: Die Prognosetat ist mit „äquivalente Taten wie bisher“ und „Gewalttaten mit nicht bloß leichten Verletzungsfolgen gegen Zufallsopfer“ hinreichend konkret beschrieben. (T16) |
14 Os 143/18p | OGH | 29.01.2019 |
Auch; Beis wie T11; Beis wie T13; Beis wie T14 |
11 Os 37/21g | OGH | 29.04.2021 |
Vgl; Beis wie T7; Beisatz: Hier: In Anzeigen beschriebenes früheres Verhalten der Betroffenen. (T18) |
12 Os 54/22s | OGH | 05.07.2022 |
Vgl; Beis wie T11; Beis wie T13; Beis wie T14 |
11 Os 80/23h | OGH | 29.08.2023 |
vgl; Beisatz wie T3; Beisatz wie T10 |
Dokumentnummer
JJR_20040218_OGH0002_0130OS00179_0300000_002