OGH 15Os61/07w

OGH15Os61/07w8.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hadmar K***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 24. Jänner 2007, GZ 39 Hv 198/06v-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Hadmar K***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (1.), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (2.) sowie der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60

(3.) schuldig erkannt.

Danach hat er in G*****

1. zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahre 1995 mit der am 29. April 1982 geborenen, mithin unmündigen Aimes K***** den Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung der Aimes K***** zur Folge hatte;

2. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen 1986 bis 1996 die am 29. April 1982 geborene Aimes K*****, mithin eine unmündige Person, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht oder zu einer unzüchtigen Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen, indem er in wiederholten Angriffen ihr einen Finger in die Scheide einführte, sie an der Scheide und an der Brust streichelte, sie veranlasste bei ihm Handonanie bis zum Orgasmus zu betreiben, sie veranlasste sein Geschlechtsteil anzugreifen, sowie durch die Anleitung, Selbstbefriedigung zu betreiben und die Brust und das Geschlechtsteil der Schwester Eosima anzugreifen, wobei „die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung der Aimes K***** zur Folge hatte";

3. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen 1991 und 1996 die am 27. Dezember 1983 geborene Eosima K*****, mithin eine unmündige Person, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht oder zu einer unzüchtigen Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine unzüchtige Handlung an sich selbst vorzunehmen, indem er „in wiederholten Angriffen Finger in ihre Scheide einführte, sie an der Brust und an der Scheide betastete, sie zur Durchführung von Handonanie bis zum Orgasmus sowie zum Angreifen (des) seines Geschlechtsteiles veranlasste und indem er sie zur Selbstbefriedigung und zum Betasten des Geschlechtsteiles und der Brust der Schwester Aimes veranlasste und indem er sie veranlasste, sein Geschlechtsteil in den Mund zu nehmen."

Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde der Angeklagte in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Er bekämpft das Urteil mit einer auf Z 5, 6, 10a, 11 lit b und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Mit der Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung dreier in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge. Der Antrag auf Beischaffung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens aus den 1970-er Jahren, in dem eine Schizophrenie beim Angeklagten diagnostiziert worden sein soll, zum Beweis dafür, dass - zusammengefasst - die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten ihm völlig wesensfremd wären und er im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Handlungen schizophren und deshalb weder diskretions- noch dispositionsfähig war (S 356 f/II), wurde zu Recht abgewiesen. Denn der Antrag macht nicht klar, weshalb ein in den 1970-er Jahren erstelltes Gutachten Auskunft über den Geisteszustand des Angeklagten im Tatzeitraum 1986 bis 1996 geben können soll. Zudem hat der Angeklagte selbst berichtet, dass die ursprünglich gestellte Diagnose (Schizophrenie) in der Folge revidiert wurde (S 311 f/II).

Auch durch Abweisung des Antrages auf Vernehmung des den Angeklagten ab 1998 behandelnden Psychiaters und Psychotherapeuten zum Beweis dafür, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten für diesen völlig wesensfremd wären und die Taten vom Angeklagten nicht als unrecht hätten erkannt werden können (S 357 f/II), wurden Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Denn auch diesem Antrag fehlt ein Hinweis darauf, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Ein aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO garantiertes Recht auf ein weiteres Sachverständigengutachten steht dem Beschwerdeführer schließlich nur dann zu, wenn er in der Lage ist, einen in §§ 125 f StPO angeführten Befund- oder Gutachtensmangel aufzuzeigen und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (RIS-Justiz RS0117263; zuletzt 15 Os 48/06g). Die Existenz weiterer Krankengeschichten allein bietet auch im Hinblick auf die vom Sachverständigen als ausreichend erachteten Erkenntnisquellen keine Grundlage für die Einholung eines weiteren Gutachtens „zu den bereits vorliegenden Themenbereichen" (S 362 f/II). Der Erkundungscharakter dieses Beweisantrages ergibt sich im Übrigen schon aus dessen Begründung, wonach es zumindest möglich sei, dass sich durch die Aufnahme des Beweises eine andere Einschätzung ergäbe.

Die Fragenrüge (Z 6) vermisst die Stellung einer Zusatzfrage in Richtung Zurechnungsunfähigkeit und führt begründend hiezu aus, der Angeklagte habe sich dahingehend verantwortet, dass er weder diskretions- noch dispositionsfähig sei; auch die Verteidigung habe entsprechendes vorgebracht.

Weder die Aussage des Angeklagten, der sich tatsächlich nicht in Richtung Zurechnungsunfähigkeit verantwortet hat (sondern im Gegenteil deponierte, für ihn sei klar gewesen, dass die anfangs attestierte Persönlichkeitsspaltung nicht vorliege; S 359/II), noch das gerichtspsychiatrische Sachverständigengutachten, das dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit attestiert, indizierten jedoch die Stellung einer derartigen Zusatzfrage. Das Vorbringen der Verteidigung in einem Beweisantrag (S 314/II) stellt ebenfalls kein Tatsachenvorbringen im Sinn des § 313 StPO dar (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42), sodass sich die Fragenrüge als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt erweist.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit dem bloßen Hinweis auf ein - vom Beschwerdeführer im Übrigen abgelehntes (S 359/II) - früheres Gutachten aus den 1970er-Jahren über den Geisteszustand des Angeklagten schon im Hinblick auf das ausführliche, in der Hauptverhandlung erörterte gerichtspsychiatrische Sachverständigengutachten Dris M***** (S 348 ff/II) keine erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Rechtsrüge (nominell Z 11 lit b) meint, das Erstgericht hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung vom Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes des § 11 StGB ausgehen müssen. Schuldausschließungsgründe können jedoch im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar mit einem materiellen Nichtigkeitsgrund releviert werden, sondern sind Gegenstand der Fragestellung (RIS-Justiz RS0101411). Die Rüge verfehlt somit die gebotene Orientierung an den Verfahrensgesetzen.

Entgegen dem Vorbringen zur Sanktionenrüge (Z 13 zweiter Fall) haben die Tatrichter sehr wohl Feststellungen zu den Prognosekriterien des § 21 Abs 2 StGB getroffen und hiebei - dem gesetzlichen Auftrag entsprechend - Person, Zustand des Rechtsbrechers sowie die Art der Tat in Rechnung gestellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 715 ff). Soweit der Beschwerdeführer eine bedingte Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme anstrebt, bringt er nur Berufungsgründe vor. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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