Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung (wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche) werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter B***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./), jeweils des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (II./), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (III./) sowie jeweils mehrerer Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (IV./), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (V./) und der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (VI./) schuldig erkannt.
Danach hat er „in Z***** und T*****
I./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1. März 1994 an seiner am 2. März 1980 geborenen, mithin im Tatzeitraum unmündigen Tochter Christine B***** in einer Vielzahl von Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von ihr vornehmen lassen, indem er sich auf Christine B***** legte, seinen nackten Penis an ihrem nackten Körper rieb und auf ihren Körper ejakulierte, sie an ihrer nackten Scheide anfasste sowie von Christine B***** den Handverkehr an sich durchführen ließ;
II./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1. März 1994 mit seiner am 2. März 1980 geborenen, somit im Tatzeitraum unmündigen Tochter Christine B***** den Beischlaf unternommen, indem er in zwei Fällen mit ihr den Vaginalverkehr bis zum Samenerguss durchführte, wobei er sein Ejakulat außerhalb ihres Körpers abgab sowie mehrfach seinen nackten Penis an ihrer nackten Scheide rieb, wobei eine der Taten eine an sich schwere Körperverletzung der Christine B*****, nämlich Depressivität, Ängstlichkeit, Störung des Ess-Verhaltens und Störung des sexuellen Erlebens, zur Folge hatte;
III./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1. März 1994 seine am 2. März 1980 geborene, somit im Tatzeitraum unmündige Tochter Christine B***** in einer Vielzahl von Angriffen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er von Christine B***** den Oralverkehr an sich durchführen ließ sowie mit einem Finger in ihre Scheide eindrang;
IV./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1. März 1994 seine Tochter Christine B*****, somit eine Person, die mit ihm in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt, indem er wie zu II./ geschildert, in zwei Fällen den Vaginalverkehr mit ihr durchführte;
V./ mit seiner am 2. März 1980 geborenen Tochter Christine B*****, somit mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten, im Tatzeitraum minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw von ihr an sich vornehmen lassen, und zwar
a./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1996, indem er den Beischlaf mit ihr unternahm, den Oralverkehr und den Handverkehr an sich durchführen ließ, mit einem Finger in ihre Scheide eindrang, sich auf Christine B***** legte, seinen nackten Penis an ihrem nackten Körper, unter anderem an der nackten Scheide rieb und auf ihren Körper ejakulierte;
b./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1. März 1998, indem er ihre nackte und bekleidete Scheide anfasste;
c./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1996 bis 1. März 1998, indem er ihre nackten und bekleideten Brüste anfasste;
VI./ zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 2. März 1992 bis 1. März 1996 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor seiner am 2. März 1980 geborenen Tochter Christine B*****, somit einer im Tatzeitraum seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Person unter 16 Jahren vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, indem er in einer Vielzahl von Fällen in ihrer Gegenwart masturbierte.“
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 46 S 13) des in der Hauptverhandlung am 24. Mai 2012 gestellten Antrags auf „Ladung und Einvernahme der Therapeutin W*****, welche Christine B***** seit April 2007 betreut hat“ und (was sich angeblich aus dem aussagepsychologischen Gutachten ergäbe) „von ihrer Schweigepflicht durch Christine B***** entbunden“ worden sein soll, „zum Beweis dafür, dass gesundheitsrelevante Probleme, welche im Landeskrankenhaus R***** diagnostiziert und behandelt worden sind, in keinem Zusammenhang mit dem Verhalten des Angeklagten Peter B***** stehen“ (ON 46 S 10 f), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert.
Denn dem Beweisantrag fehlte die gebotene Begründung, inwiefern durch die - nur bei Verzicht auf das gemäß § 157 Abs 1 Z 3 StPO (unabhängig von einer Entbindung) höchstpersönlich zustehende Zeugnisverweigerungsrecht (Kirchbacher, WK-StPO § 157 Rz 27) mögliche - Vernehmung der Therapeutin W***** mit Blick auf deren Depositionen gegenüber der Sachverständigen Diplom-Psychologin Monika A***** (ON 34 S 31 ff) und die Expertise des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. H***** (insbesondere ON 15 S 45 ff) dennoch die betreffend Schuldspruch II./ angestrebte Verneinung des tatkausalen Verletzungserfolgs gelingen könnte.
Dem „Antrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigengutachters“, weil „das vorliegende aussagepsychologische Gutachten in der theoretischen Grundlegung und der Planung und Durchführung der psychologischen Untersuchung an Mängeln leidet und nicht dem Stand der Wissenschaft entspricht, insbesondere weil ohne nachprüfbare und nachvollziehbare Begründung und Tests eine Transferanalyse unterlassen wurden und auch die Frage nach der Motivation der Aussage der Christine B***** im Widerspruch zu den vorliegenden Beweisergebnissen negiert worden sind“ (ON 46 S 11), war gleichfalls nicht zu entsprechen, zumal der - ersichtlich auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Opfers gerichtete - Beweisantrag nicht erkennen lässt, dass sich die Zeugin dazu bereit erklären würde, an einer weiteren Befundaufnahme mitzuwirken (RIS-Justiz RS0097584, RS0118956, RS0108614; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350; ebenso Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 8 und 10).
Im Übrigen ist die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gemäß § 127 Abs 3 StPO nur dann vorgesehen, wenn sich die dort beschriebenen Mängel von Befund und Gutachten durch Befragung des bereits bestellten Sachverständigen nicht beseitigen lassen. Da aber der Angeklagte und sein Verteidiger die Möglichkeit hatten, die Expertin in der Hauptverhandlung zur angewandten wissenschaftlichen Methode - insbesondere auch zur Thematik einer „Transferanalyse“ (bzw einer „Transferhypothese“) - zu befragen und diese Fragen auch beantwortet werden konnten (ON 46 S 2 bis 9), hätte es einer fundierten Darlegung bedurft, weshalb die behaupteten Bedenken gegen das Gutachten nicht aufgeklärt wurden (vgl RIS-Justiz RS0102833 [T2]). Demgegenüber erschöpft sich das Antragsvorbringen in der bloßen Behauptung eines (weiterhin) vorliegenden Mangels im Sinn des § 127 Abs 3 StPO, ohne dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ergänzungen und Erläuterungen der Sachverständigen erfolgte. Der Antrag, der sich vielmehr als Versuch der Überprüfung der Beurteilung der Expertin in der Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses und somit als unzulässige Erkundungsbeweisführung darstellt (vgl RIS-Justiz RS0117263 [T17]), wurde daher zu Recht abgewiesen.
Das weitere, von den Beweisanträgen abweichende und diese ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel ist unzulässig und insoweit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Gegenstand der Tatsachenrüge (Z 5a) sind Feststellungen, angesichts derer - gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen - eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert naheliegt, die somit geradezu unerträglich sind (RIS-Justiz RS0119583; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391 und 490). Derartige erhebliche Bedenken werden durch - ohne Angabe von Aktenfundstellen erfolgte (RIS-Justiz RS0117446 [insbesondere T2]) - Spekulationen über die Glaubwürdigkeit des Opfers aufgrund angeblicher finanzieller Forderungen und eines „familienrechtlichen Vertrags“ nicht aufgezeigt. Dass der Angeklagte bereits „eine beträchtliche Summe an Schadenswiedergutmachung geleistet hat“, blieb hingegen nicht unberücksichtigt (US 16).
Die Feststellungen zum objektiven Tathergang wurden der Rüge (formal Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider mit den - im Gegensatz zu jenen des Angeklagten (US 9 ff) als glaubwürdig erachteten - Angaben des Tatopfers mängelfrei begründet (US 11 ff).
Neben den entscheidungswesentlichen Feststellungen über die zwischen 2. März 1992 und 1. März 1994 erfolgten Missbrauchshandlungen, begangen durch zweifachen Geschlechtsverkehr, Oralverkehr und mehrfache digitale Penetration der Scheide des Mädchens, und weitere (ua auch wiederholten Oralverkehr umfassende) geschlechtliche Handlungen bis 1. März 1998 ist in der zusammenfassenden (und im chronologischen Aufbau des Urteils nur den Tatzeitraum bis 1. März 1994 betreffenden) Konstatierung, dass die sexuellen Handlungen „sohin immer intensiver geworden“ sind (US 5 f), weder ein erheblicher Umstand noch ein - nur unter der Voraussetzung der Erheblichkeit relevanter (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409) - innerer Widerspruch (formal abermals Z 5a, inhaltlich Z 5 dritter Fall) zu erblicken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (angemeldete; ON 46 S 18) Berufung wegen Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)