Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Klägerin war von 1958 bis 2000 mit dem bei der beklagten Partei versicherten R***** L***** verheiratet. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurde am 27. 3. 2000 ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen, in welchem sich dieser verpflichtete, an die Klägerin bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens monatlich 5.500 S an Unterhalt zu leisten. Auch nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils (aus dem Alleinverschulden des Mannes) ‑ bezahlte dieser jedenfalls ab November 2010 ‑ monatlich 432 EUR an Unterhalt. Die letzte Zahlung erfolgte am 1. Juli 2011 (Blg ./D). Im September 2011 brachte die Klägerin die Unterhaltsklage ein. Am 30. November 2011 (noch während des Unterhaltsverfahrens) verstarb der ehemalige Ehemann der Klägerin. Mit Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 16. Jänner 2013 wurde dessen Verlassenschaft zur Zahlung von 432 EUR an monatlichem Unterhalt rückwirkend ab 1. August 2011 verurteilt.
Die Vorinstanzen wiesen das auf Gewährung der Witwenpension gerichtete Klagebegehren übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zurückzuweisen:
1. Die Witwenpension gebührt gemäß § 258 Abs 4 Z 1 lit a bis c ASVG nach Maßgabe der dieser Bestimmung vorangehenden Absätze auch der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Der Anspruch auf Witwenpension nach dieser Gesetzesstelle hängt also nur davon ab, ob dem hinterbliebenen geschiedenen Ehegatten aufgrund eines der drei im Gesetz angeführten rechtsbegründenden Tatbestände im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Anspruch auf Unterhalt zustand. Es ist nicht von Bedeutung, ob der Unterhalt im Zeitpunkt des Todes auch tatsächlich gewährt wurde oder ob dessen Leistung ‑ aus welchen Gründen immer ‑ unterblieb (stRsp seit 10 ObS 120/87, SSV‑NF 1/63).
2.1 Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist aber nicht das Bestehen des Anspruchs auf Witwenpension nach § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG, sondern ausschließlich die Frage des Bestehens des Anspruchs auf Witwenpension nach § 258 Abs 4 lit d ASVG:
2.2 Nach der seit 1. 7. 1993 in Kraft stehenden Fassung des § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG, 51. ASVG‑Nov, BGBl 1993/335, gebührt die Witwenpension einer geschiedenen Frau zur Vermeidung der sich bei Anwendung des § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG entstehenden Härtefälle auch dann, wenn ihr der Versicherte regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod, Unterhalt geleistet hat, wenn die Ehe ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ mindestens 10 Jahre gedauert hat (RIS‑Justiz RS0085355).
2.3 Die Revisionswerberin steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, die im Gesetz festgelegte Mindestdauer der tatsächlichen Unterhaltsleistung von einem Jahr bis zum Tod des Versicherten solle zwecks Verhinderung zufälliger Ergebnisse bzw unsachlicher Differenzierungen dann nicht gelten, wenn der Versicherte ‑ so wie ihr ehemaliger Ehegatte ‑ ab der Rechtskraft der Scheidung Unterhalt im Sinn eines „letzten wirtschaftlichen Dauerzustands“ geleistet habe.
Diese ausdehnende Auslegung muss aber daran scheitern, dass es sich bei § 258 Abs 4 lit d ASVG um eine Ausnahmeregelung handelt. Der Gesetzgeber wollte nur unter den dort genannten Voraussetzungen von den Erfordernissen eines gerichtlichen Unterhaltstitels bzw einer Unterhaltsvereinbarung absehen und die tatsächliche Unterhaltsleistung den sonst für den Anspruch auf Witwen‑(Witwer‑)pension erforderlichen Unterhaltstiteln gleichsetzen. Dazu wird aber eine regelmäßige Unterhaltsleistung während einer bestimmten Mindestzeit verlangt. Diese darf erst nach der Rechtskraft der Scheidung beginnen und muss mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor dem Tod des Versicherten erbracht werden. Es kommt nach dem Gesetzeswortlaut also nur auf die tatsächliche Leistung von Unterhalt bei gegebenem Unterhaltsbedarf durch den in § 258 Abs 4 lit d ASVG angeführten Zeitraum an (RIS‑Justiz RS0085355 [T2]). Wird der Unterhalt nicht regelmäßig während dieser Mindestdauer geleistet, gebührt die Witwen‑(Witwer‑)pension auch nach § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG nicht.
2.4 Zu dem Erfordernis der „Regelmäßigkeit“ wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass Unterhaltszahlungen nach § 1418 ABGB regelmäßig monatlich im Vorhinein zu bezahlen seien. Praktisch würden aber Unterhaltszahlungen nicht immer mit der gebotenen Regelmäßigkeit erfolgen, sondern könnten ‑ ohne Beeinträchtigung ihres Unterhaltscharakters ‑ auch schwankende Höhen haben. Gelegentlich werde eine für einen Monat fällige Zahlung mit dem nächsten Monat ausgeglichen. Die vorgeschlagene Fassung nehme auf diese Umstände Rücksicht ... (932 BlgNR 18. GP 49).
2.5 Ebenso wie bei den Fällen des § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG (Unterhaltsanspruch aufgrund eines taxativ aufgezählten Rechtstitels) ist auch bei § 258 Abs 4 lit d ASVG (Unterhaltsanspruch aufgrund tatsächlicher Unterhaltsgewährung) unerheblich, aus welchen Gründen die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. So gebührt dem hinterbliebenen früheren Ehegatten etwa auch dann keine Witwen‑(Witwer‑)pension, wenn er zwar bereits zu Lebzeiten des (versicherten) Ehegatten eine Unterhaltsklage gegen diesen eingebracht hat, es ihm aber nicht gelungen ist, vor dessen Tod ein gerichtliches Urteil oder einen gerichtlichen Vergleich zu erreichen. Die auch in diesem Zusammenhang entstehenden Härtefälle wurden ‑ wie sich unter anderem aus der Regierungsvorlage zur 51. ASVG‑Nov ergibt ‑ vom Gesetzgeber im Interesse der besseren Vollziehbarkeit, insbesondere der Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung bewusst in Kauf genommen (10 ObS 143/08i, SSV‑NF 22/80 mwN). Auch zu § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG wurde mehrfach ausgesprochen, dass der Gesetzeswortlaut „... wenn ihr(m) der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte ...“ jedenfalls die Berücksichtigung eines Unterhaltstitels verbiete, der in einem ausschließlich gegen die Verlassenschaft oder die Erben geführten Verfahren erging und in dem die Verlassenschaft oder die Erben zu Unterhaltsrückständen verpflichtet wurden (RIS‑Justiz RS0085265; 10 ObS 202/04k, SSV‑NF 19/8; RIS‑Justiz RS0105156; RS0085166).
3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Voraussetzung der regelmäßigen Erbringung von Unterhaltszahlungen während des letzten Jahres vor dem Tod des Versicherten iSd § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG sei nicht erfüllt, weil der geschiedene Ehegatte der Klägerin seine Unterhaltszahlungen ab August 2011 bis zu seinem Tod am 30. November 2011 ‑ somit vier Monate hindurch ‑ nicht erbracht hatte, weicht von den oben dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht ab. Dass bei Nichtleistung von Unterhalt für vier Monate von keinen „regelmäßigen“ Unterhaltszahlungen iSd § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG im Sinn des oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien mehr auszugehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur bei einem groben Auslegungsfehler oder einer eklatanten Ermessensüberschreitung überprüfbar wäre (RIS‑Justiz RS0044088). Ein solcher wird in der Revision aber nicht geltend gemacht.
4. Dass die Revisionswerberin im Jänner 2013 (somit nach dem Tod ihres ehemaligen Ehegatten) ein Urteil gegen die Verlassenschaft nach diesem erwirken konnte, mit dem ihr Unterhaltszahlungen rückwirkend ab August 2011 zugesprochen wurden, kann im Sinne der dargelegten Rechtsprechung zu keinem für sie günstigeren Ergebnis führen, weil es sich dabei nicht um tatsächliche Zahlungen des verstorbenen ehemaligen Ehegatten bis zu seinem Tod handelt. Auch der Umstand, dass sie auf das plötzliche Ausbleiben der Unterhaltszahlungen mit der Einbringung der Klage reagiert hat, führt nicht zur Bejahung der Voraussetzungen des § 258 Abs 4 Z 1 lit d ASVG, stellt diese Bestimmung doch ‑ wie bereits ausgeführt wurde ‑ nicht auf den Anspruch auf Unterhalt bzw dessen (unverzügliche) klageweise Geltendmachung ab, sondern allein auf die tatsächlichen Zahlungen (siehe oben Pkt 2.5).
5. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 258 Abs 4 ASVG bestehen entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht keine Bedenken. Dies hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (RIS‑Justiz RS0085155). Schon die Tatsache der Scheidung der Ehe wurde als ausreichende Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung des geschiedenen Ehegatten und des in aufrechter Ehe ‑ wenn auch getrennt lebenden ‑ Ehegatten angenommen. Weiters wurde hervorgehoben, dass Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten nicht dieselben seien wie die des (wenn auch getrennt lebenden) Ehegatten. Schließlich wurde auch das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, durch die strittige Regelung eine spekulative Ausnützung der Einrichtung der Witwenpension auszuschließen, als sachlicher Grund für die differenzierte Behandlung der Witwenpension des in aufrechter Ehe lebenden und des geschiedenen Ehegatten angesehen (10 ObS 7/00b, SSV‑NF 14/69; 10 ObS 313/91, SSV‑NF 5/127). Der Gesetzgeber wollte bestimmte Fälle herausgreifen, in denen (ausnahmsweise) ein „früherer Ehegatte“ der Witwe bzw dem Witwer pensionsrechtlich gleichgestellt werden sollte. Die Differenzierungen sind sachlich begründbar, auch wenn Härtefälle nicht ausgeschlossen werden können. Rechtspolitische Erwägungen des Gesetzgebers unterliegen ‑ außer im Fall eines hier nicht ersichtlichen Exzesses ‑ nicht der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofs und sind insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgebot ableitbaren Maßstäben zu messen. Innerhalb dieser Grenze ist die Rechtskontrolle nicht zu einem Urteil in Angelegenheiten der Rechtspolitik berufen (VfSlg 9583 mwN; 10 ObS 313/91, SSV‑NF 5/127). Der Oberste Gerichtshof hat daher unter dem Aspekt des Gleichheitsgebots keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der zitierten Regelung.
Der Anregung der Revisionswerberin, beim Verfassungsgerichtshof wegen sachlicher Ungleichbehandlung im Sinne einer Gleichheitswidrigkeit den Antrag zu stellen, auf Verfassungswidrigkeit der angeführten Bestimmung zu erkennen, ist daher nicht nachzukommen.
Da keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht wird, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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