European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122110
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Kinder M* und A* wohnen bei der Mutter; der Vater ist geldunterhaltspflichtig. Aufgrund eines Vergleichs beim Jugendamt S* vom 8. 7. 2013 war der Vater verpflichtet, für seine Kinder monatliche Unterhaltsbeträge zu bezahlen, und zwar für M* 290 EUR und für A* 250 EUR.
Mit Beschlüssen des Erstgerichts jeweils vom 4. 7. 2012 wurden den Kindern für die Zeit vom 1. 6. 2012 bis 31. 5. 2017 Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt, und zwar M* in Höhe von 265 EUR und A* in Höhe von 235 EUR.
Aufgrund eines Erhöhungsantrags der Kinder wurde der monatliche Unterhalt mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 2. 1. 2017 ab 1. 8. 2016 für M* auf 365 EUR und für A* auf 325 EUR erhöht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 6. 6. 2017 (ON 27 + 28) passte das Erstgericht auf Antrag der Kinder vom 29. 5. 2017 (eingelangt am 31. 5. 2017, ON 26) die monatlichen Unterhaltsvorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG an die ab 1. 8. 2016 geänderte Titelhöhe an und zwar für M* auf 365 EUR und für A* auf 325 EUR. Nach dem aus der Urschrift eindeutig hervorgehenden Entscheidungswillen der zuständigen Rechtspflegerin umfasste der Vorschusserhöhungszeitraum für beide Kinder jeweils den Zeitraum vom 1. 8. 2016 bis 31. 5. 2017.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz, nicht Folge. Rechtlich ging das Rekursgericht zusammengefasst davon aus, dass der Erhöhungsbeschluss außerhalb der Bevorschussungsperiode gefasst worden sei, der Antrag auf Erhöhung aber noch innerhalb der laufenden Bevorschussungsperiode beim Erstgericht eingebracht worden sei (wenngleich er dort erst am letzten Tag dieser Bevorschussungsperiode einlangte). Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebrachten Ziele schade daher der Umstand der Beschlussfassung erst nach Ablauf der laufenden Bevorschussungsperiode nicht.
Das Rekursgericht erachtete den Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass zwei Rechtsprechungslinien des Obersten Gerichtshofs gegeben seien, die auch als im Widerspruch zueinander stehend interpretiert werden könnten. Einerseits gelte der Grundsatz, dass die Periode, für die die Vorschüsse gewährt würden, im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung weder abgelaufen noch durch einen davor gefassten Einstellungsbeschluss beendet sein dürfe; andererseits setze die Vorschusserhöhung über entsprechenden Antrag lediglich voraus, dass Unterhaltsvorschüsse zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erhöhung der Vorschüsse noch gewährt werden.
In seinem gegen diese Entscheidung gerichteten Revisionsrekurs macht der Bund, vertreten durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz, neuerlich geltend, im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die rückwirkende Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse am 6. 6. 2017 seien die Unterhaltsvorschüsse bereits mit Ablauf des Mai 2017 ausgelaufen gewesen. Es sei somit kein laufender Vorschuss erhöht worden, sondern ausschließlich eine rückwirkende Erhöhung vorgenommen worden. Eine Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse komme daher nicht mehr in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
1.1 Gemäß § 19 Abs 2 UVG hat das Gericht im Fall der Erhöhung des Unterhaltsbeitrags von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber den Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschuss und Unterhaltstitel herstellen, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (ErläutRV 276 BlgNR 15. GP 14; RIS‑Justiz RS0107561; RS0109104).
1.2 Die Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen auf Antrag setzt gemäß § 19 Abs 2 UVG voraus, dass Unterhaltsvorschüsse zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erhöhung der Vorschüsse überhaupt noch gewährt werden. Eine Erhöhung der Vorschüsse ist daher nach der Rechtsprechung nicht nur dann ausgeschlossen, wenn sie im Zeitpunkt des Erhöhungsantrags bereits eingestellt sind, sondern auch dann, wenn selbst bei unverzüglicher Entscheidung über den Erhöhungsantrag kein laufender Vorschuss erhöht werden könnte, weil nur mehr eine Erhöhung der Vorschusszahlungen für die Vergangenheit (und nicht auch eine Erhöhung künftiger Vorschusszahlungen) möglich wäre (RIS‑Justiz RS0076743 [T1]).
1.3 Gleiches gilt nach der Rechtsprechung für die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses von Amts wegen (RIS‑Justiz RS0076743 [T2]), welche nur unter der Voraussetzung zu erfolgen hat, dass Unterhaltsvorschüsse (des gleichen Typs) zumindest im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz auf Erhöhung der Vorschüsse noch gewährt werden. In diesem Fall darf die Periode, für die die Vorschüsse gewährt wurden, im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung weder abgelaufen noch auch durch einen davor gefassten Einstellungsbeschluss beendet sein (RIS‑Justiz RS0076743 [T4]). Der Beschluss über die Vorschusserhöhung gemäß § 19 Abs 2 UVG muss innerhalb einer ununterbrochenen Kette von Bevorschussungsperioden gefasst werden (10 Ob 34/11i mwN). Eine ausschließlich rückwirkende Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen ist nach § 19 Abs 2 UVG ausgeschlossen. So kommt eine amtswegige Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse etwa dann nicht in Betracht, wenn die Beschlussfassung über die Unterhaltsvorschusserhöhung nach dem Zeitpunkt der Eintritt der Volljährigkeit liegt, also der Beschluss erst nach Ablauf des Zeitraums gefasst wird, für den die letzten Unterhaltsvorschüsse gewährt wurden (3 Ob 538/95).
1.4 Selbst für bereits abgelaufene Unterhaltsvorschussperioden ist die Vorschusserhöhung somit zulässig, wenn eine ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs vorliegt. Bei Erhöhung zurückliegender Vorschüsse müssen nach der Rechtsprechung aber – bei Erhöhung auf Antrag – im Zeitpunkt der Antragstellung bzw – bei amstwegiger Erhöhung – im Zeitpunkt der Erhöhungsentscheidung noch aktuelle Vorschüsse (des gleichen Typs) gewährt werden (Neumayr in Schwimann/Kodek 4, § 19 UVG Rz 15 mwN).
2.1 Die Entscheidung der Vorinstanzen steht im Einklang mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung:
Die Unterhaltsvorschüsse wurden auf Antrag der Kinder erhöht, wobei der Vorschusserhöhungsantrag noch während des letzten Monats der laufenden Vorschussperiode (am 31. 5. 2017) beim Erstgericht eingelangt ist. In einem derartigen Fall genügt es, dass im Zeitpunkt der Antragstellung noch Unterhaltsvorschüsse gewährt werden und sich der Erhöhungsantrag auf die laufende Periode bezieht (4 Ob 209/99k; Neuhauser in Deixler‑Hübner, Handbuch Familienrecht [2015] S 450). Ob der zustehende Unterhaltsvorschuss bereits ausgezahlt war, ist nicht entscheidungswesentlich (6 Ob 45/98f). Dass die Beschlussfassung über den Antrag des Kindes – etwa infolge notwendiger Erhebungen – erst später erfolgt, kann zu keinem Rechtsverlust führen (4 Ob 209/99k). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht vor der am 6. 6. 2017 erfolgten Beschlussfassung offenbar noch den Eintritt der Rechtskraft des Erhöhungsbeschlusses vom 2. 1. 2017 abgewartet (der dagegen vom Vater erhobene Rekurs war mit Beschluss vom 17. 5. 2017 zurückgewiesen und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen worden).
2.2 Mittlerweile hat das Erstgericht mit Beschlüssen jeweils vom 15. 11. 2017, GZ 43 Pu 8/17m‑42 und 43, die Unterhaltsvorschüsse ab 1. 6. 2017 (für A* bis 30. 5. 2022 in Höhe von 325 EUR und für M* bis 31. 10. 2019 in Höhe von 365 EUR) weitergewährt. Es liegt daher im vorliegenden Fall (rückblickend) auch eine ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs vor. Selbst wenn die Beschlussfassung über die Unterhaltsvorschusserhöhung erst zu einem nach dem Weitergewährungsbeschluss gelegenen Zeitpunkt erfolgt wäre, wäre ebenfalls eine Erhöhung der Vorschüsse bereits ab 1. 8. 2016 möglich gewesen (und nicht nur ab dem Ende der abgelaufenen Vorschussperiode ab 1. 6. 2017: RIS‑Justiz RS0076749; 4 Ob 209/99k mwN).
3. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
4. Darauf, dass Divergenzen zwischen der Urschrift des erstgerichtlichen Beschlusses und dessen Ausfertigungen bestehen, die allenfalls durch Berichtigung zu beseitigen sind, hat bereits das Rekursgericht bei Rückleitung der Rekursentscheidung an das Erstgericht hingewiesen (RIS‑Justiz RS0041530). Für die Überprüfung der Entscheidung im Rechtsmittelweg ist jedenfalls nur deren Urschrift maßgebend gewesen (RIS‑Justiz RS0119273).
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