BVwG W220 2110115-1

BVwGW220 2110115-122.1.2016

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W220.2110115.1.00

 

Spruch:

W220 2110115-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2015, Zahl: 831232405-1709997, zu

Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der vormals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger schiitisch-muslimischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei seiner Erstbefragung am 24.08.2013 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, in der Provinz XXXX geboren worden, jedoch im Alter von zwölf Jahren mit seiner Familie nach Pakistan ausgereist zu sein, wo er bis zuletzt gelebt habe. Seine Familie habe Afghanistan verlassen, weil sein Vater mit dessen Bruder Grundstücksstreitigkeiten gehabt hätte. In Pakistan habe sein Vater sodann ein Geschäft gemietet und Obst verkauft. Vor circa zwei bis drei Monaten sei der Vater des Beschwerdeführers jedoch durch einen Selbstmordsanschlag in Quetta auf dem Obstmarkt ums Leben gekommen. Nach dem Tod seines Vaters habe dessen Bruder die Mutter des Beschwerdeführers heiraten wollen, um an die Grundstücke der Familie in Afghanistan heranzukommen. Der Onkel habe sie zwei Mal nach Afghanistan gebracht und sie geschlagen. Mit Hilfe des Onkels mütterlicherseits wären sie aber wieder zurück nach Pakistan gelangt. Der Onkel väterlicherseits habe den Beschwerdeführer umbringen wollen, weshalb dieser vom Onkel mütterlicherseits nach Europa geschickt worden sei. Der Beschwerdeführer wolle nicht nach Afghanistan zurück, da er Angst vor besagtem Onkel habe.

Zur Feststellung der Volljährigkeitsbeurteilung des Beschwerdeführers veranlasste das Bundesamt in weiterer Folge die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches am 21.10.2013 erstellt und aufgrund dessen von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen wurde.

Am 04.04.2014 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, wobei ihm zunächst das angeführte Sachverständigengutachten zur Kenntnis gebracht wurde. Sodann verwies der Beschwerdeführer darauf, dass seine Mutter und seine Geschwister nach wie vor in Pakistan lebten. Zum Ableben seines Vaters ergänzte er, es sei nun acht, neun oder zehn Monate her, dass sein Vater bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen sei. Ein Auto wäre damals in der Nähe eines Einkaufzentrums explodiert und habe sich unweit davon auch das Geschäft seines Vaters befunden, welches dabei zerstört worden sei. Es habe 80 bis 90 Tote gegeben und der Vater des Beschwerdeführers sei zufällig Opfer dieses Anschlages geworden. Sodann führte der Beschwerdeführer über Befragung aus, seine Familie sei im Jahr 2009 aus Afghanistan weggezogen, um Ruhe vor besagtem Onkel väterlicherseits zu haben, mit welchem es die Grundstücksstreitigkeiten gegeben habe. Etwa eineinhalb Monate nach dem Tod des Vaters habe dieser Onkel die Familie nach Afghanistan mitgenommen. Er habe die Mutter des Beschwerdeführers heiraten wollen, um an die Grundstücke heranzukommen. Seine Mutter habe eine solche Heirat aber abgelehnt. Der Onkel habe die Mutter täglich geschlagen, die übrige Familie beschimpft und belästigt sowie den Beschwerdeführer mit dem Tode bedroht. Mit Hilfe des Onkels mütterlicherseits sei die Familie schließlich wieder nach Pakistan zurückgelangt.

Hinsichtlich des angeführten Bombenanschlages in Pakistan richtete das Bundesamt in weiterer Folge eine Anfrage an die Staatendokumentation.

Am 22.10.2014 übermittelte die Staatendokumentation eine Anfragebeantwortung an die belangte Behörde und wies gleichzeitig darauf hin, dass bezüglich einer gesicherten Liste der Opfer der zuständige Verbindungsbeamte angefragt worden sei, der allerdings nicht mit weiteren Informationen dienen habe können.

Am 05.05.2015 wurden dem Beschwerdeführer seitens des Bundesamtes Länderfeststellungen zu Afghanistan auf schriftlichem Wege übermittelt und ihm bis zum 20.05.2015 die Möglichkeit eingeräumt, eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

Eine derartige Stellungnahme langte am 20.05.2015 bei der belangten Behörde ein und wurde darin im Wesentlichen das bereits erstattete Vorbringen wiederholt, nämlich, dass der Beschwerdeführer nach dem Ableben seines Vater mit der Familie nach Pakistan übersiedelt sei, weil es Grundstücksstreitigkeiten mit seinem Onkel gegeben hätte. In der Stellungnahme wurde sodann Bezug genommen auf die Situation der Witwen in Afghanistan sowie auf die Lage der Afghanen in Pakistan sowie auf die Sicherheitssituation in Afghanistan.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2015, Zl.: 831232405-1709997, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.08.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG. abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. bis zum 17.06.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

Zur allgemeinen Lage stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl u. a. nachstehend fest:

"Zur Lage in Ihrem Herkunftsland:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.); diese basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Bei der Präsidentenwahl am 5. April 2014, trotzten viele BürgerInnen den Anschlagsdrohungen der Taliban und wählten einen Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Hamid Karzai, welcher gemäß Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren durfte (Die Zeit 5.4.2014). Es war dies die dritte Präsidentschaftswahl seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001, gleichzeitig fanden auch Provinzwahlen statt (RFE 4.4.2014). Schätzungen der Wahlkommission zufolge, beteiligten sich rund sieben Millionen der mehr als zwölf Millionen Wahlberechtigten an der Abstimmung (Die Zeit 6.4.2014). Die erste Wahlrunde am 5. April hatte Abdullah Abdullah mit 45% der Stimmen gewonnen, verfehlte aber die erforderliche absolute Mehrheit. Ashraf Ghani kam mit 31,6% auf den zweiten Platz. Am 14.6.2014 kam es zur Stichwahl (NZZ 13.6.2014). Laut Wahlkommission gaben auch diesmal rund sieben Millionen Afghanen ihre Stimme ab (FAZ 15.6.2014). Im Juli 2014 gab die Wahlkommission ein vorläufiges Ergebnis bekannt, laut dem Ashraf Ghani der neue afghanische Präsident gewesen wäre (NZZ 9.7.2014; vgl. Die Zeit 7.7.2014). Auf den ehemaligen Weltbank-Ökonomen Ashraf Ghani entfielen laut der Wahlkommission bei der Stichwahl 56,44% der Stimmen. Der ehemalige Außenminister Abdullah Abdullah, erhielt demnach 43,56%. Abdullah, der beim ersten Wahlgang im April noch klar in Führung gelegen hatte, sprach von Wahlbetrug (NZZ 7.7.2014). Sein Lager lehnte daraufhin das vorläufige Ergebnis ab (Reuters 7.7.2014) und drohte sogar mit einer Parallelregierung (FAZ 8.7.2014).

Nach acht Monaten Feindseligkeiten, einer internationalen Prüfung und Verhandlungen über Machtteilung, einigten sich Ghani und Abdullah am 21.9.2014 auf eine gemeinsame Einheitsregierung (NYT 21.9.2014; vgl. NZZ 21.9.2014a). Die Wahlkommission erklärte Aschraf Ghani Ahmadzai zum künftigen Präsidenten (FAZ 21.9.2014). Gemäß einem von den USA vermittelten Abkommen über eine Teilung der Macht, soll Abdullah Abdullah offenbar einen neu geschaffenen Posten erhalten, der dem Amt eines Premierministers ähnelnt und mit weitreichenden Befugnissen versehen werden soll. Die Ministerposten sollen Vertreter beider Lager übernehmen (NZZ 21.9.2014b; vgl. BBC 21.9.2014). Auch Ämter in Verwaltung und Justiz werden zwischen den Lagern der beiden Kandidaten aufgeteilt (FAZ 21.9.2014).

Laut staatlicher Wahlkommission soll Ghani gegenüber Abdullah mit einem Vorsprung von 13 Prozentpunkten geführt haben. Aber offenbar bestand Sorge, dass es trotz des Abkommens zu Unruhen kommen könnte, denn das Endergebnis wurde nie veröffentlicht (NZZ 21.9.2014b).

Ghani wurde 1949 in der Provinz Logar als Sohn eines hochrangigen Beamten geboren. Er ist ein Mitglied des einflussreichen paschtunischen Ahmadzai-Stammes. Während seines Studiums an der American University in Beirut hat er seine spätere Frau Rula kennengelernt, eine libanesische Christin. Eine Zeitlang lehrte er Anthropologie an der Universität Kabul. Danach studierte er in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er dann schlussendlich auch für die Weltbank arbeitetete. Ende 2001 kehrte Ghani nach Afghanistan zurück und wurde kurz darauf Finanzminister in Hamid Karzais erster Regierung. 2004 übernahm er den Posten des Rektors an der Universität Kabul. Die afghanischen Präsidenten hat er weiterhin beraten. Bei den Verhandlungen mit den USA und der NATO über Details dazu, wie Afghanistan nach dem Abzug der westlichen Truppen regiert werden solle, hat Ghani eine wichtige Rolle gespielt (NZZ 8.7.2014).

Die afghanische Nationalversammlung, Shuraye Melli, basiert auf einem Zweikammersystem, das sich in ein Unterhaus, Wolesi Jirga, und ein Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt, gliedert. Das Unterhaus, setzt sich aus 249 Sitzen zusammen, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kuchi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 27.2.2014; vgl. CRS 17.9.2014 und CRS 11.7.2014).

Das Oberhaus setzt sich aus 102 Sitzen zusammen. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Ein Drittel der Sitze, wovon wiederum 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst, (CRS 17.9.2014). Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßig vorgegebenen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für die Ernennung eines Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 27.2.2014). Die Parlamentswahlen im Jahr 2010 waren, wie auch jene des Jahres 2005, von Betrugsvorwürfen und Gewaltausbrüchen überschattet (AF 2012).

Eine der wesentlichen Neuerungen, welche die Parlamentswahlen 2005 und 2010 betrafen, war die "single non-transferable vote (SNTV)"-Regelung. Jedem Wahlkreis ist, proportional zur Bevölkerungszahl, mehr als ein Sitz im Parlament zugeteilt. Die Wähler des Wahlkreises können jeweils eine Stimme abgeben. Die Sitze des Wahlkreises gehen an die Kandidaten des Kreises in der Reihenfolge der Anzahl der von ihnen gewonnenen Stimmen. Dieses System ist weltweit sehr selten (UNAMA o.D.; vgl. NDI 2011). Durch das System treten die Kandidaten individuell gegeneinander an und erlangen die Sitze nicht über Parteilisten (CRS 11.7.2014).

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen oftmals eine untergeordnete Rolle bei der Verteilung politischer bzw. administrativer Ämter. Die Entscheidungen über viele Personalien, auch in entlegenen Provinzen, werden von der Zentralregierung in Kabul, häufig sogar vom Präsidenten getroffen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan spielen informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. Dadurch kommt es, für Außenstehende immer wieder überraschend, zu Koalitionswechseln und dem Herauslösen von Einzelpersonen aus bestehenden politischen Verbindungen, unabhängig von Parteistrukturen (AA 31.3.2014).

Anfang 2012 zeichnete Staatspräsident Karzai eine Regulierung für politische Parteien ab, welche besagt, dass diese in mindestens 20 Provinzen ein Büro haben und die Adresse an das Justizministerium melden müssen. Dazu wurde eine viertstufige Kontrolle eingerichtet, um die tatsächliche Existenz der Parteien zu überprüfen. So sollen z. B. Unterschriftenlisten die Abhaltung von Versammlungen bestätigten. Einige sahen das als Entschärfung der älteren Regelung, wonach Parteien Mitglieder in 22 Provinzen haben mussten. Die neue Regulierung zielte darauf ab, die ethnischen und regionalen Trennlinien zwischen den Parteien aufzuweichen, indem sich mehrere der - meist auf ethnischer oder regionaler Zugehörigkeit basierenden - Parteien zusammenschließen sollten. Weniger als ein Jahr nach der Verabschiedung der Regelung versandte das Justizministerium Warnbriefe, dass eine einjährige Gnadenfrist für die Übermittlung der Liste der Provinzbüros am 4.4.2013 ablaufen würde. Nur acht der 55 registrierten Parteien reichten ihre Antworten fristgerecht ein, die meisten dieser acht waren relativ kleine Parteien (ICG 26.6.2013).

Quellen:

Die allgemeine Sicherheitslage hat sich seit der Verkündung der Wahlergebnisse ein wenig stabilisiert. Für afghanische Verhältnisse kann man sogar von einer Verbesserung sprechen. Solange sich die neue Regierung aber noch nicht formiert hat und die Ministerien noch nicht neu besetzt sind, kann davon ausgegangen werden, dass radikale Gruppierungen nach wie vor durch Anschläge, speziell gegen Regierung und ISAF (International Security Assistance Force), die Lage destabilisieren wollen, um die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis zu stellen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).

Die Motive der Gruppierungen in Afghanistan sind einerseits politisch/religiös, andererseits rein wirtschaftlich bedingt. Die Maßnahmen der neuen Regierung wurden von der Zivilbevölkerung positiv aufgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass Gruppierungen, die die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis stellen wollen, diesen Winter vermehrt Aktionen setzen werden. Mit nächstem Jahr wird auch ISAF in RSM (Resolut Support Mission) umfunktioniert und auf internationaler Seite eine massive Truppenreduktion eingeleitet. Auch das kann noch einmal zu einer Verschärfung der Lage führen. Sollte die Masse der Bevölkerung nicht ausreichend informiert werden, wird von radikalen Gruppen versucht werden, die planmäßige Reduktion der Truppen als Rückzug auf Grund des massiven Drucks gegen die IC (International Coalition) zu verkaufen. Trotzdem ist die Anzahl der Anschläge im Gesamten leicht rückgängig, ihre "Qualität" hat aber zugenommen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).

Im Zeitraum 1.6.-15.8.2014 registrierte die UNO landesweit 5.456 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Steigerung von 10,7% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres und von 18,7% zu 2012. Jedoch bedeuten diese Zahlen auch einen Rückgang von 12,6% im Vergleich zu 2011. Die erhöhte Zahl der Vorfälle ist auf Operationen unter Führung der ANSF zurückzuführen, die sich auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen konzentrierten, und auf die andauernde "Khaibar"-Offensive der Taliban, aber auch auf Versuche der Rebellen, den Wahlprozess zu stören. Während des Berichtszeitraumes machten bewaffnete Zusammenstöße 47,3% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle aus, während 29,1% auf IEDs zurückzuführen sind. Im gleichen Zeitraum wurden 36 Selbstmordattentate registriert, was, verglichen mit 32 Selbstmordattentaten im vorigen Berichtzeitraum, einen geringen Anstieg bedeutet. 2013 wurden im gleichen Zeitraum 33 Selbstmordattentate registriert. Insgesamt wurden von 1.6.-15.8.2014 211 Attentate und 30 Attentatsversuche registriert, was einen Anstieg von 7,1% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 bedeutet (UN GASC 9.9.2014).

Im Zeitraum 1.3.-31.5.2014 verzeichnete die UNO landesweit 5.864 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf die Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan, speziell jene Vorfälle, die eine Rolle in festgelegten Aktivitäten und Programmen spielen. Dies deutete eine Steigerung von 22% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2011 an. Bewaffnete Zusammenstöße machten 45% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die hohe Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ist hauptsächlich der Wahlzeit zuzuschreiben, was auf die Räumungsoperationen der afghanischen Sicherheitskräfte und Versuche der Taliban den Wahlprozess zu stören, zurückzuführen ist. Vorfälle im Süden, Südosten und Osten des Landes machten 3.917 aller Vorfälle während des Berichtszeitraumes aus. Nennenswert ist speziell der Anstieg im Osten, wo mehrere al-Qaida Zweige, wie z.B. Tehrik-e-Taliban Pakistan, Lashkar-e-Tayyiba, Lashkar-i-Jhangvi und Islamic Movement of Uzbekistan regelmäßig Angriffe auf die afghanischen Sicherheitskräfte durchgeführt haben, parallel zu den Bemühungen der Taliban und dem bewaffneten Flügel Hezb-e Islami (UN GASC 18.6.2014).

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiterhin volatil. Die Vereinten Nationen (UNO) registrierten 20.093 sicherheitsrelevante Vorfälle im Jahr 2013, es ist damit nach 2011 das gewaltreichste Jahr seit dem Fall der Taliban. 70% dieser Angriffe wurden im Osten, Südosten und speziell im Süden registriert. Bewaffnete Zusammenstöße und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung (IED) machten 75% aller Vorfälle aus. Bewaffnete Zusammenstöße sind im Vergleich zu 2012 um 51% gestiegen. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben bewiesen, dass sie fähig sind Gebiete gegen Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente zu verteidigen und Territorien zurückzuerobern, wenn auch unter signifikanten Opferzahlen (UN GASC 7.3.2014).

Zwischen 1.1. und 30.6.2014 registrierte die UNAMA 4.853 zivile Opfer (1.564 Tote und 3.289 Verletzte) - dies deutet einen Anstieg um 17% bei getöteten bzw. um 28% bei verletzten Zivilisten. Es wurde damit ein Anstieg von 24% im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2013 verzeichnet. Zum ersten Mal seit 2009 wurden mehr Zivilisten in Bodenkämpfen und Kreuzfeuer zwischen regierungsfeindlichen Elementen und den ANSF getötet oder verletzt, als durch andere Taktiken. In den vergangenen Jahren wurde die Mehrzahl der Zivilisten durch IEDs getötet oder verletzt (UNAMA 7.2014).

Konflikt-bedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2014 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. Die UNAMA verzeichnete 1.071 minderjährige Opfer (295 Kinder starben und 776 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 34% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2013. Es gab 440 weibliche Zivilopfer, davon wurden 148 Frauen getötet und 292 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 24% gegenüber 2013 (UNAMA 7.2014).

Laut UNAMA waren 74% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 9% regierungsfreundlichen Kräften (8% den ANSF, und 1% internationalen militärischen Kräften), 12% aufgrund von Bodenkämpfen zwischen regierungsfeindlichen Kräften und den ANSF. UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer explosiven Munitionsrückständen des Krieges zu und die übrigen 1% grenzübergreifenden Bombardements von Pakistan nach Afghanistan (UNAMA 7.2014).

Im Gegensatz zu den ersten sechs Monaten des Jahres 2009 (599), verdoppelte sich die Zahl der von regierungsfeindlichen Elementen getöteten Zivilisten auf 1.208 im Jahr 2014. Während sich die Zahl der von regierungsfreundlichen Kräften getöteten Zivilisten halbierte - von 302 auf 158. Dies ist auf die Luftoperationen der internationalen militärischen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 7.2014).

Die Intensivierung von Bodenkämpfen in bevölkerungsreichen Gegenden führte zu hohen Opfern bei Frauen und Kindern. Die Zahl der minderjährigen Opfer aufgrund von Bodenkämpfen verdoppelte sich auf 520 (112 Kinder starben und 408 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 110%. Bodenkämpfe führten zu 256 weiblichen Zivilopfer (64 Frauen starben und 192 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 61% (UNAMA 7.2014).

Die Talibanbewegung ist nach vor der Kern der Rebellenaktivitäten in Afghanistan. Berichten zufolge operieren sie noch immer von Pakistan aus, wahrscheinlich aus Gegenden in der Nähe der Grenze oder der Stadt Quetta. In den letzten Jahren verloren die Taliban hochrangigen Vertraute und Kommandanten aufgrund von Kämpfen oder Verhaftungen. Der Führungskreis Mullah Muhammad Umar (Talibanführer zwischen 1996 - 2001) ist weiterhin intakt, jedoch scheint es, dass er zunehmend bereitwillig gegenüber einer politischen Einigung ist (CRS 9.10.2014).

Talibankämpfer sind eine erhebliche Kraft - deren Zahl der auf etwa 30.000 geschätzt wird. Es wird aber berichtet, dass die Unterstützung für die Taliban auch in Gegenden in welchen sie auf die Hilfe von Dorfbewohnern zählen konnten, schwindet und dass ihnen die Mittel fehlen um größere Städte zu erobern oder sich in frontale Kämpfe verwickeln zu lassen (Reuters 7.4.2014). Zum Beispiel war den Rebellen in Distrikten wie Marjah, Nawa, Garmser und Nad Ali - alle in der Provinz Helmand -ein Wiedererstarken nicht möglich. NATO und afghanische Kräfte hatten diese in intensiven Kämpfen 2010 und 2011 erobert und sie werden nun meist von den ANSF kontrolliert. Ein spezielleres Beispiel ist eine Gegend in XXXX, in welcher einst der Aufstand begann. Anders als früher, ist es dort seit 2009 immer schwieriger neue Rekruten für den Aufstand zu finden (AAN 25.3.2014).

Die von den Taliban ausgehende Gewalt in Afghanistan hält an. Auf den Druck afghanischer Sicherheitskräfte in unruhigen Provinzen antworteten die Taliban mit Bomben und bewaffneten Angriffen (Xinhua 21.9.2014). Die Taliban sind zwar nicht besiegt, aber die afghanischen Kräfte übernehmen nun die volle Verantwortung (BBC 26.10.2014).

Am 8. Mai verkündeten die Taliban in einem Statement, dass ihre Frühlingsoffensive "Khaibar", hochrangige Regierungsvertreter, Parlamentsmitglieder, Sicherheitsoffiziere, Anwälte und Richter aber auch ausländische Kräfte, sowie deren diplomatische Zentren und Konvoys, zum Ziel hatte (UN GASC 18.6.2014). Am angekündigten Startdatum, dem 12.5.2014, wurde ein komplexer Angriff auf ein Justizgebäude in Jalalabad verübt, bei dem acht Menschen getötet wurden (UN GASC 9.9.2014; vgl. NYT 12.5.2014). Am 20.5. nahmen etwa 300 Rebellen das administrative Bezirkszentrum Yamgan der nordöstlichen Provinz Badakhshan ein. Der Regierung gelang es die Kontrolle am 23.5 wieder zurück zu erlangen (UN GASC 18.6.2014).

Die Zahl der al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan wird von amerikanischen Behörden mit 50 bis 100 beziffert. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Quaida angegliedert und in den Provinzen Faryab und Kunduz aktiv sind, wie zum Beispiel zum Islamic Movement of Uzbekistan (CRS 9.10.2014).

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Die Gruppe ist mit der al-Qaida und den afghanischen Taliban verbündet, sowie anderen terroristischen Organisationen in der Gegend (Khaama Press 16.10.2014a). Es wird angenommen, dass das Netzwerk der al-Qaida näher ist als den Taliban (CRS 9.10.2014).

Das Haqqani-Netzwerk ist für unzählige Attacken gegen die afghanische Regierung und ihre westlichen Verbündeten verantwortlich. Zwei ihrer hochrangigen Führer wurden im Oktober 2014 festgenommen (NYT 17.10.2014). Das Netzwerk operiert von Pakistan aus, wo sich in manchen Gegenden dessen ursprüngliche Unterstützung durch die Bevölkerung in Feindseligkeit umgewandelt hat (NYT 5.11.2013). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

Der Aufstand des Haqqan-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden(DW 17.10.2014).

Die radikale islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt, ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. Berichten zufolge rief Hikmatyar im Jänner 2014 dazu auf, am 5. April wählen zu gehen. Dies wird als Versuch interpretiert die HIG für eine politische Rolle zu positionieren (CRS 9.10.2014).

Ghazni ist eine der wichtigsten zentralen Provinzen in Afghanistan und laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) die mit der zweithöchsten Bevölkerung. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktyka und Logar im Osten niegen. Zabul liegt zwar südlich, grenzt aber gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Die Provinz ist in achtzehn Distrikte unterteilt: der Hauptstadt Ghazni, Andar, Muqur, Qara Bagh, Gilan, Waghiz, Giro, Deh Yak, Nawar, Jaghori, Malistan, Rashidan, Ab Band, Khugiani, Nawa, Jaghato, Zankhan, Ajeristan and Khwaja Omari (Pajhwok o.D.a).

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 14.9.2014; vgl. Khaama Press 3.9.2014). Die regierungsfeindlichen Aufständischen zielen normalerweise auf Regierungsbeamte und -mitarbeiterInnen ab, die auf der Kabul-Kandahar Hauptautobahn unterwegs sind (Khaama Press 3.9.2014). In der Provinz werden Antiterror-Operationen durchgeführt, um gewisse Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 28.10.2014; vgl. Khaama Press 20.10.2014; Peninsula 16.10.2014; Paninsula 30.9.2014).

Um die Sicherheit am Wahltag zu gewährleisten, lag in der südöstlichen Provinz Ghazni die Zahl der eingesetzten Sicherheitsleute bei rund 9.000. Es wurde mitgeteilt, dass die Wahlbeteiligung hoch war und dass bei manchen Wahllokalen 80% der Wähler Frauen waren (Tolo News 6.4.2014).

Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die relativ hohe Zahl der regierungsfeindlichen Angriffe um 1% gestiegen. Im Jahr 2013 wurden

1.701 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014)

Rechtsschutz/Justizwesen

Afghanistan ist eine Gesellschaft mit einer Vielzahl rechtlicher Traditionen, die historisch gesehen aus drei Komponenten bestehen:

dem staatlichen Gesetzbuch, dem islamisch-religiösen Gesetz (Scharia) und dem lokalen Gewohnheitsrecht. Die lokalen Gepflogenheiten beinhalten kulturelle und ethische Standards zur Beseitigung eines Disputs durch Mediation und Schlichtung in den Gemeinschaften (BU 23.9.2010).

Wegen des allgemeinen Islamvorbehalts darf laut Verfassung kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben. Welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt, ist nicht festgelegt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen zur willkürlichen Anwendung jeweils eines Rechts (AA 31.3.2014).

Das Gesetz beinhaltet eine unabhängige Justiz, aber in der der Praxis ist die Justiz oft unterfinanziert, unterbesetzt, nicht adäquat ausgebildet, uneffektiv, Drohungen ausgesetzt, befangen, politisch beeinflusst und durchdringender Korruption ausgesetzt (USDOS 27.2.2014; vgl. CLAMO 2011).

Die meisten Gerichte sprechen uneinheitlich Recht, basierend auf dem kodifiziertem Gesetz, der Scharia (islamisches Gesetz) und lokalen Gepflogenheiten. Traditionelle Justizmechanismen bleiben auch weiterhin die Hauptgrundlage für viele Menschen, besonders in den ländlichen Gebieten. Die Einhaltung des kodifizierten Rechts variiert, wobei die Gerichte gesetzliche Vorschriften zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 27.2.2014). Laut Freedom House Report 2012 besteht der Oberste Gerichtshof in erster Linie aus Religionsgelehrten, die nur eine beschränkte Kenntnis der zivilen Rechtsprechung haben (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 22.3.2012).

Das formale Justizsystem ist relativ stark verankert in den städtischen Zentren, wo die Zentralregierung am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten, wo ungefähr 80% der Bevölkerung leben, schwächer ausgeprägt ist. Gerichte, Polizei und Gefängnisse können nicht die volle Kapazität erbringen. Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an Kapazität um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu handhaben. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Verglichen mit 2012 gab es eine Steigerung in der Zahl der Richter, welche ein Rechtsstudium absolviert hatten (USDOS 27.2.2014). Es gibt etwa 1300 Richter im Land (SZ 29.9.2014).

Der Zugang zu Gesetzblättern und Regelwerken steigt an, die geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter und Staatsanwälte aber weiterhin eine Behinderung dar. In den großen Städten entscheiden die Gerichte nach dem Gesetz. In den ländlichen Gegenden hingegen ist der primäre Weg zur Beilegung krimineller oder ziviler Streitigkeiten, jener über lokale Älteste und Shuras (Ratsversammlungen), wobei allerdings auch rechtlich nicht sanktionierte Strafen ausgesprochen werden (USDOS 27.2.2014). Schätzungen lassen vermuten, dass 80% aller Streitigkeiten durch Shuras entschieden werden. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (USDOS 27.2.2014; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD), das Büro des Präsidenten und das Parlament sind direkt in die zivile Aufsicht des Sicherheitssektors involviert (CGS 2.2014; vgl. USDOS 27.2.2014).

Afghan National Security Forces (ANSF)

Am 18. Juni 2013 übernahmen die afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces - ANSF) die Hauptverantwortung für die landesweite Sicherheit (World Report 15.4.2014; vgl. AA 31.3.2014). Diese Kräfte unterteilen sich in drei Hauptkomponenten:

afghanische Nationalarmee (ANA) und Luftwaffe (AAF) unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums, sowie der afghanische Nationalpolizei (ANP) unter der Kontrolle des Innenministeriums. Aufgrund von finanziellen Beschränkungen und schlechtem Management, stellte die Regierung die vierte Komponente - Afghan Public Protection Force (APPF) - ein (World Report 15.4.2014).

Die Stärke der afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces - ANSF) beträgt ungefähr 376.264 (USDOD 4.2014). Dieses Personal wird zwischen den zwei Hauptkomponenten der ANSF - der ANP und ANA - aufgeteilt. Die Zahl repräsentiert 95 Prozent des für Ende 2014 anvisierten Personalzieles von 352.000 Personen (CSG 2.2014; vgl. World Report 15.4.2014). Die Finanzierung hängt völlig von Fremdhilfen ab, die derzeit bei USD 7 Milliarden liegt. Es wird erwartet, dass diese nach dem Jahr 2014 auf USD 2 - 4 Milliarden sinken werden (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. NATO 9.2014). Gleichzeitig ist auch geplant die Größe der ANSF auf 228.500 im Jahr 2015 zu reduzieren (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. NATO 9.2014). Die ANSF besitzen mittlerweile die Fähigkeit, ohne schwere US und NATO-Unterstützung für Sicherheit sorgen zu können (CSG 2.2014).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP besteht ihrerseits aus vier Polizeistreitkräften und zwei Hilfstruppen, unter der Leitung des Innenministeriums: Afghan Uniform Police (AUP), Afghan National Civil Order Police (ANCOP), Afghan Border Police (ABP), und Afghan Anti-Crime Police (ACCP). Die Afghan Local Police (ALP) wurde durch ein Dekret des Präsidenten und mit Unterstützung der USA errichtet. Die 19.000 Mitglieder, wurden von Dorfältesten und lokalen Machthabern ausgewählt, um die Gemeinden gegen Angriffe der Taliban zu schützen. Diese werden von Teams der U.S. Spezialkräfte ausgebildet, finanziert und mit Waffen, Kommunikationsausrüstung und Verstärkung versorgt.

Ortsverteidigungseinheiten ("village defense units") bewachen Gebäude und führen lokale Operationen gegen die Rebellen durch (USIP 2.2013).

ANP und ALP tragen unter der Leitung des Innenministeriums die Hauptverantwortung für die innere Ordnung, sind aber auch an der Bekämpfung der Aufständischen beteiligt (USDOS 27.2.2014).

Mit Stand Ende März betrug die Personalstärke der ANP 152.678 Mann bzw. 96% der autorisierten 157.000 Mann. Die durchschnittliche Schwundquote während des ersten Quartals des Jahres 2014 betrug 1,6%, höher als das Ziel von 1,4% (USDOD 4.2014). Laut amerikanischem Verteidigungsministerium betrug die Personalzahl der ALP 26.632 Mann (USDOD 4.2014). Ziel ist es, bis Ende 2014 30.000 Mann zu erreichen (CGS 2.2014).

Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit, bekämpft aber auch den internen Aufstand (USDOS 27.2.2014). Mit Stand März 2014 betrug der Personalstand der ANA

187.984 Mann, inklusive 6.780 Mann Luftstreitkräfte (Afghan Air Force - AAF), 9.321 Zivilisten und 10.312 Trainees, Studenten und Andere (USDOD 4.2014).

National Directorate of Security (NDS)

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen der nationalen Sicherheit und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes (USDOS 27.2.2014).

Als Reaktion auf eine steigende Präsenz regierungsfeindlicher Elemente in manchen Bezirken, initiierten die afghanischen Kräfte ihre eigenen Operationen zum Schutz des Territoriums - speziell verstärkt durch Checkpoints und Patrouillen. Dies führte zu einer Zunahme der Kämpfe in bewohnten Gebieten, was mit zivilen Opfern einherging (UNAMA 7.2014).

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation in Afghanistan verbessert sich weiter, allerdings langsam. Die universellen Menschenrechte sind in der afghanischen Verfassung verankert, aber bei weitem noch nicht vollständig verwirklicht. Insbesondere die Lage der Frauen bleibt in der konservativ-islamischen Gesellschaft schwierig (AA 31.3.2014).

Menschenrechtsprobleme halten an, von Beobachtern wurden die inadäquate Ausbildung und fehlendes Einfühlvermögen der Sicherheitskräfte kritisiert. Menschrechtsorganisationen kritisierten die begrenzte Rechenschaft, die für Sicherheitsbehörden gilt, im Speziellen für die Afghan Local Police (ALP), obwohl das Innenministerium Ende 2012 Maßnahmen umsetzte, um die Rechenschaft der ALP zu steigern. Zum Beispiel arbeitet das Innenministerium mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) zusammen, um die Menschenrechtsausbildung für ALP Rekruten zu auszuweiten (USDOS 27.2.2014).

Von der Öffentlichkeit als eine effektive Menschenrechtskörperschaft gepriesen, befand sich die AIHRC von Dezember 2011 bis Juni 2013 im Schwebezustand, weil Präsident Karzai viele ihrer vakanten Posten nicht besetzte (HRW 21.1.2014).

Quellen:

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Eine Vielzahl an nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungbeamte (USDOS 27.2.2014).

Die Arbeit von 287 internationalen und 1.911 afghanischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch 4.000 Vereinen im Jahr 2013 wird üblicherweise nicht von den Behörden in einem formalen Sinn eingeschränkt. Die Möglichkeiten dieser Gruppen frei und effektiv zu arbeiten werden durch die Sicherheitslage behindert. Es gab im Jahr 2013 dreimal so viele Angriffe gegen MitarbeiterInnen von NGOs wie im Jahr 2012, mit mindestens 36 Toten. 2012 waren es 11 Tote. Auch stieg die Zahl der Entführungen und Verschleppungen stark an. AktivistInnen der Zivilgesellschaft, speziell, jene, die sich mit Menschenrechten bzw. Rechenschaftsangelegenheiten befassen, sind weiterhin Bedrohung und Belästigungen ausgesetzt (FH 19.5.2014). Interviews zufolge, treten Hilfsorganisationen, die in unsicheren Gebieten tätig sind, mit ranghohen Taliban in Kontakt um sich zu registrieren. Bei der Registrierung müssen die Organisationen mehrere Bedingungen erfüllen, inklusive Neutralität, Respekt gegenüber der "afghanischen Kultur" und in manchen Fällen die Zahlung von Steuern (HPN 7.2013). Unter anderem wurden während des Untersuchungsjahres 2013 fünf afghanische Entwicklungshelfer des "International Rescue Committe" entführt und getötet, gemeinsam mit einem lokalen Beamten in der Provinz Herat. Sechs afghanische MitarbeiterInnen einer französischen Wohlfahrtseinrichtung wurden in der Provinz Faryab getötet, einen Tag nachdem drei lokale Entwicklungshelfer durch eine Bombe in der Provinz Uruzgan getötet worden waren (FH 19.5.2014).

Systematische Angriffe auf NGOs und afghanische NGO-MitarbeiterInnen sind im Abklingen. Jedoch können sie unter bestimmten Umständen Ziel von Attacken werden (z.B. wenn sie für eine US-finanzierte Organisation arbeiten, wenn sie Aktivitäten durchführen, die von den Rebellen als parteiisch angesehen werden; oder wenn sie mit dem Internationalen Währungsfonds kooperieren. Gleichzeitig bestätigte eine Quelle, dass die Taliban eine Regelung für diese Organisationen eingeführt haben, die einigen erlaubt zu arbeiten. Ein Indiz dafür ist, dass sie eine Steuer auf NGO-Projekte einheben (EASO 12.2012). UN-Organisationen, die in Afghanistan arbeiten, versetzen ihre MitarbeiterInnen, die einem Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind, nach Kabul. Einige internationale Organisationen sehen es als unwahrscheinlich an, dass die Taliban die Suche nach einer "low-profile" Person in Kabul zur Priorität machen, da sie auch nicht die Kapazitäten haben (DIS 5.2012). Einheimische warnen für NGOs arbeitende Verwandte, nicht in die Gegend zu kommen und UN-MitarbeiterInnen brachten ihre Familienmitglieder in sicherere Gegenden. In Kabul, Mazar und Herat ist das Risiko geringer, eingeschüchtert oder angegriffen zu werden, außer es gibt spezielle Umstände, die das Risiko erhöhen würden. Dies betrifft auch MitarbeiterInnen ausländischer Firmen, im Speziellen wenn die Firma amerikanisch, britisch oder indisch ist (EASO 12.2012).

Von der Öffentlichkeit als eine effektive Menschenrechtskörperschaft gepriesen, befand sich die AIHRC von Dezember 2011 bis Juni 2013 im Schwebezustand, weil Präsident Karzai viele ihrer vakanten Posten nicht besetzte (HRW 21.1.2014).

Quellen:

Ombudsmann

Im Rahmen der Menschenrechtsarbeit von EUPOL (European Union Police Mission in Afghanistan), konzentriert sich diese auf die Unterstützung des Innenministeriums und der unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC), indem sie Mechanismen der internen und externen Aufsicht stärkt und entwickelt. Im Jahr 2010 initiierte EUPOL einen Dialog über die Errichtung eines unabhängigen afghanischen Polizei-Ombudsmanns als externen Aufsichtsmechanismus für Menschrechtsverletzungen der Polizei (EUPOL 8.12.2010).

Quellen:

Todesstrafe

Afghanistan zählt zu den Staaten, die eine verpflichtende Todesstrafe für gewisse Vergehen vorsehen, manche davon sind nicht einmal als "schwerste Verbrechen" einstufbar (ICOMPD 1.2013).

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte (Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit) vorgesehen. Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei zusätzlichen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie) (AA 31.3.2014).

Allgemein sind keine Bestrebungen seitens der Regierung zu erkennen, ein Moratorium zu erlassen oder die Todesstrafe gar abzuschaffen. Zuletzt wurde die Todesstrafe im November 2012 vollstreckt. Landesweit sind momentan über 100 Personen zum Tode verurteilt (AA 31.3.2014).

Quellen:

Religionsfreiheit

80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (CIA 24.4.2014).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 31.3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die der ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt. Moscheen werden immer wieder Ziel von Angriffen Militanter. Im September 2013 töteten Beamte des afghanischen National Directorate of Security (NDS) zwei Schützen, die mindestens drei Gläubige vor einer schiitischen Moschee in Kabul verletzt haben (FH 19.5.2014).

Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach "unislamische" Aktivitäten setzen. Zusätzlich war die afghanische Regierung nicht in der Lage, die Bürger vor Gewalt und Einschüchterung durch die Taliban und andere bewaffnete Gruppen zu schützen (USCIRF 30.4.2014).

Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig ihrer Religion. Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014).

Quellen:

Schiiten

Etwa 19% der Bevölkerung sind schiitische Muslime und damit die größte religiöse Minderheit des Landes. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an (USCIRF 30.4.2014).

Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2014). Trotzdem ist die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert (USDOS 28.7.2014). Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013; vgl. USCIRF 30.4.2014). Zwar gab es im Juli 2014 einen Angriff auf einen Konvoi schiitischer Muslime, jedoch war dies einer der wenigen Fälle konfessioneller Tötungen gegen Schiiten in Afghanistan (LAT 25.7.2014). Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf (AA 31.3.2014).

Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 28.7.2014; vgl. AA 31.1.2014). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (FH 1.2013; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014 und USDOS 27.2.2014).

Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5% der Bevölkerung aus (USDOS 28.7.2014). Es gibt wenige Berichte in Bezug auf gezielte Diskriminierung gegen Ismailiten (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

Ethnische Minderheiten

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 31.3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2014 mehr als 31,8 Millionen Menschen. Davon sind 42% Pashtunen, 27% Tadschiken, 9% Hazara, 9% Usbeken, 4% Aimaken, 3% Turkmenen, 2% Balutschen und 4% gehören zu kleineren ethnischen Gruppen (CIA 24.6.2014).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 31.3.2014). Ethnische Identität war auch weiterhin ein sensibles Thema in Afghanistan (MRG 3.7.2014). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 27.2.2014).

In der neuen Verfassung Afghanistans von 2004 werden Pashtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Pahsai, Nuristanis, Aimaken, Araber, Kirgisen, Qilbash, Gujuren, Brahuin und andere ethnische Gruppen erwähnt, die ein Recht auf die afghanische Staatsbürgerschaft haben. Aber auch die Sprache der ethnischen Gruppen wurde in die neue Verfassung aufgenommen (MRGI 7.2012).

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 28.7.2014). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 27.2.2014). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2014).

Interethnische Ehen, im Speziellen zwischen Paschtunen und anderen Gruppen, haben die ethnischen Unterschiede zwischen den Gemeinschaften verwischt. Es gibt auch interethnische Beziehungen zwischen Tadschiken und mongolischen und turkmenischen MigrantInnen und zwischen Hazara und Usbeken (MRGI 7.2012).

Quellen:

Hazara

Die Hazara machen etwa 9% der Bevölkerung aus (CIA 24.6.2014). Die schiitische Minderheit der Hazara verbessert sich ökonomisch und politisch durch Bildung. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 28.7.2014).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 31.3.2014). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung. Zusammenstöße zwischen den ethnischen Hazara und den nomadischen Stämmen der Kutschis halten ebenso an, wobei die Hazara behaupteten, die Kutschi versuchten auf illegale Weise sich Land anzueignen (USDOS 27.2.2014).

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten. Einer der zwei Vizepräsidenten von Präsident Hamid Karzai war Karim Khalil. Er entstammt der Minderheit der Hazara (CSR 11.7.2014).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2014).

Quellen:

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz erlaubt interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, aber die Regierung schränkte die Bewegung der BürgerInnen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 27.2.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht (USDOS 27.2.2014).

Bewegungsfreiheit in Bezug auf Frauen siehe Kapitel 18.

Quellen:

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012).

Quellen:

Interne Bevölkerungsbewegungen steigen an, hauptsächlich wegen militärischer Operationen, aber auch wegen Naturkatastrophen und irregulärer Arbeitsbedingungen (USDOS 27.7.2014).

Ende Juni 2014 waren, laut UNHCR, 683.301 Personen internvertrieben. Zum Zeitpunkt des Berichtes im Juli kamen zustzlich noch 18.608 dazu. Womit zum Zeitpunkt des Berichtes im Juli die Zahl der IDPs auf 701.909 stieg (UNHCR 7.2014). Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen für 2013 wird mit 124.000 angegeben. Zunehmende Kämpfe werden als Ursache für den Anstieg der IDP-Zahlen gesehen. Fast die Hälfte der Neuvertriebenen floh aufgrund von militärischen Operationen und Unsicherheit in der südlichen Provinz Helmand (IDMC 5.2014)

Vertreibung ist in vielen Provinzen ein Problem. Die höchste Zahl an IDPs wurde im Westen gemessen und führte den anhaltenden Trend der vergangenen Monate weiter. Grund dafür ist im Allgemeinen der bewaffnete Konflikt, aber auch die sich verschlechternde Sicherheitslage und Einschüchterung durch regierungsfeindliche Gruppen. In fast allen Fällen, gaben IDPs an, dass ihre größte Sorge der Zugang zu einer Lebensgrundlage und Arbeit war. Auch Zugang zu Trinkwasser und Nahrung wurde angegeben (UNHCR 4.2014).

In Afghanistan haben IDPs aus urbanen Gebieten und zurückgekehrte Flüchtlinge in Städten wie Kabul, Herat und Jalalabad, ungenehmigte Siedlungen auf öffentlichem Grund errichtet. Ohne Kündigungsschutz, Rechtshilfe, Kompensation und alternativen Wohnmöglichkeiten, sind viele dem Risiko der Zwangsräumung, Obdachlosigkeit und steigender Vulnerabiltät ausgesetzt (IDMC 5.2014).

Im November 2013 hat das afghanische Kabinett eine nationale Grundsatzspolitik bezüglich Binnenvertreibung (National Policy on Internal Displacement - IDP Policy) angenommen, die den Begriff IDP definiert und dessen Recht auf eine dauerhafte Lösung des Problems anerkennt (IDMC 5.2014; vgl. IDMC 2.2014). Dies beinhaltet: das Recht der IDPs und rückkehrender Flüchtlinge auf adequate Unterbringung in städtischen Gegenden (darunter Maßnahmen bezüglich Zwangsräumung und Kündigungsschutz); das Problem informeller Siedlungen wird ebenso benannt, wie das Recht der IDPs gemäß afghanischer Verfassung, sich in jedem Teil des Landes niederzulassen und die Verantwortung der nationalen, Provinz-, Bezirks- und Kommunalenbehörden (IDMC 2.2014).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Die afghanische Regierung bemüht sich um eine wirtschaftliche Erholung des Landes und hat Erfolge vorzuweisen: Die Inflationsrate betrug im Jahr 2013 laut Weltbank 7,7%. Im Jahr zuvor waren es 4.4% gewesen (AA 8.2014; vgl. WB 8.4.2014). Die landwirtschaftliche Produktion erreichte 2013 aufgrund von günstigen Wetterbedingungen zum zweiten Mal infolge ein Rekordniveau mit 2.7-prozentigem Anstieg in der Getreideproduktion gegenüber der Rekordernte des Jahres 2012 (WB 8.4.2014). Dies beinhaltete auch die Opiumproduktion, die bereits 2012 - 2013 aufgrund guten Wetters ein historisches Hoch erreicht hatte. Die Drogenproduktion und der Schmuggel sind in Afghanistan makro-relevant. Die Produktion beinhaltet, Opium, Heroin, Morphine und Cannabis. Im Jahr 2013 wurde geschätzt, dass der marktfähige Wert der potentiellen Opiumproduktion, bei 4% des BIPs lag (IMF 5.2014).

Die Landwirtschaft macht 27.7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, welches laut IWF 2013 USD 20,7 Mrd. (2012: USD 20.3 Mrd) betrug. Den größten Anteil am BIP hat der Dienstleistungssektor mit 53,5% - er hat sich in den letzten Jahren zum Motor für das Wirtschaftswachstum entwickelt. Die Kommunikationsbranche wuchs um 65%, Transport und Logistik um 23%, das Banken- und Versicherungswesen um 14.3%. Diese Wachstumsdynamik im Dienstleistungsbereich war allerdings stark abhängig von der externen Nachfrage der Geber (AA 8.2014).

Das Wirtschaftswachstum - welches im letzten Jahrzehnt, durchschnittlich bei über 9% jährlich lag - war eines der höchsten weltweit. Jedoch war es im Jahresvergleich großen Fluktationen, die vom landwirtschaftichen Sektor und in geringerem Ausmaß den wechselnden Beihilfenniveaus ausgingen, ausgesetzt (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. AA 8.2014). Industrieproduktion ist kaum vorhanden, 80% der Bevölkerung sind im landwirtschaftlichen Bereich tätig (AA 8.2014).

Die verzerrte Wirtschaftsstruktur Afghanistans soll nicht von den in den letzten zwölf Jahren erreichten realen Entwicklungsfortschritten ablenken. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen stieg von schätzungsweise USD 186 im Jahr 2002 auf USD 688 im Jahr 2012 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Die afghanische Wirtschaft ist beträchtlichen Herausforderung während der andauernden Transition ausgesetzt (BFA Staatendokumentation 3.2014). Aufgrund der politischen Unsicherheit werden Investitionen derzeit weitgehend zurückgehalten, afghanische Unternehmer bringen ihr Kapital im Ausland in Sicherheit. Daher ist auch im Transitions- und Wahljahr 2014 nicht mit größeren Impulsen für die Wirtschaft zu rechnen (AA 31.3.2014).

Auch bei einer stabilen Entwicklung der afghanischen Wirtschaft bleibt die Schaffung von Arbeitsplätzen eine zentrale Herausforderung für das Land (AA 31.3.2014). 2011 - 2012 lag die Arbeitslosenrate bei 8.2% (Männer: 6,4%, Frauen: 16,5%). Die Arbeitslosenrate bei den Jugendlichen wurde mit 10.4% beziffert (Männer: 8.1%, Frauen: 18.8%). Die Jugendarbeitslosenrate betrug 39.1% der Gesamtarbeitslosigkeit (CSO 2.2.2014). Es wird erwartet, dass bei einem stabil hohen Bevölkerungswachstum und einer sehr jungen Gesamtbevölkerung, in den nächsten Jahren jährlich 400.000 Afghanen auf den Arbeitsmarkt strömen werden (WB 5.2014; vgl. AA 31.3.2014). Hoffnung liegt in den Sektoren Landwirtschaft und Bergbau. Für größere Impulse mangelt es bisher in beiden Bereichen an Infrastruktur und förderlichen wirtschafspolitischen Rahmenbedingungen. Es fehlt ferner an einer umfassenden politischen Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen (AA 31.3.2014). Laut Weltbank sind 47% der afghanischen Bevölkerung unter 14 Jahre alt, 51% zwischen 15 und 64 und 2% der Bevölkerung über 65 (WB 2014).

Rund 36% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (AA 31.3.2014; vgl. WB 15.3.2014). Die Landwirtschaft generiert mehr als 50% der Arbeitsplätze und 84% der Armen leben in ländlichen Gegenden (WB 5.2014).

Ein weiteres Problem ist laut ILO die hohe Anzahl derjenigen, die ohne Gehalt im Familienbetrieb aushelfen (sogenanntes "vulnerable employment"). Dies sind zu 95% Frauen, insgesamt etwa 6 Millionen Menschen und damit rund drei Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse (AA 31.3.2014).

Die inländischen Einnahmenerhebungen waren im Jahr 2012 und 2013 abgeschwächt. Der Rückgang der Einnahmenerhebung ist ein Ergebnis der Wirtschaftsabkühlung, aber auch Schwächen in der Durchsetzung, sowohl in der Steuer- als auch der Zolladministration. Das Finanzministerium hat im Jahr 2013 eine Reihe von Maßnahmen eingeführt um den Umsatz zu stabilisieren, Verluste zu reduzieren und die Administration zu verbessern (WB 1.4.2014).

Die lokale Wirtschaft basiert auf dem informellen Sektor, welcher etwa 80-90% der wirtschaftlichen Aktivität ausmacht. Der Arbeitsmarkt in Afghanistan wird dominiert von dem landwirtschaftlichen Sektor und dem Dienstleistungssektor. Der Landwirtschaftssektor kann nur schwach die Menschen mit Arbeit und Einkommen versorgen. Der Dienstleistungssektor ist Hauptträger des starken afghanischen Wachstums (ILO 31.5.2012).

Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser (AA 31.3.2014). Der Prozentsatz der Bevölkerung in Afghanistan, der Zugang zu Elektrizität hat, ist mit ca. 30% der niedrigste weltweit (WB 8.4.2014). 64% der Bevölkerung haben Zugang zu einer verbesserten Wasserversorgung (WB 15.3.2014). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Aktuell wächst die Bevölkerung mit rund 2.8% pro Jahr, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkommt. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich, zur Verfügung zu stellen, geraten dadurch zusätzlich unter Druck (AA 31.3.2014).

Seit 2002 sind laut UNHCR 4.7 Millionen afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt. Somit hat fast 1/6 der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund. Während Unterstützungsleistungen für die erste Zeit nach Rückkehr durch UNHCR geleistet werden, entsteht im Anschluss das Problem der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 31.3.2014).

Afghanistan ist ein Land, in welchem Menschen landesweit in die Hauptstadt Kabul migrieren um nach Jobs, Möglichkeiten und einem besseren Leben zu suchen. Kabul hatte 800.000 Menschen, jedoch, geben manche Schätzungen an, dass es mehr als 4 Millionen Einwohner hat, die landesweit aufgrund von Wirtschaft, Sicherheit und Politik migriert sind (Gutachterin Afghanistan 7.11.2014).

Eines der größten Entwicklungsprojekte ist Kabul New City (KNC), wo in den nächsten 30 Jahren Wohnungen für etwa drei Millionen Menschen entstehen sollen. Das in direkter Nachbarschaft zu Kabul und zwischen zwei großen Flughäfen (Kabul International Airport und Bagram Air Base) gelegene Gebiet gehört zu den sichersten Gegenden des Landes. Das Megaprojekt Kabul New City wurde als Reaktion auf den ständig wachsenden Bedarf an Wohnraum in Kabul initiiert. Wegen des Zuzugs aus anderen Städten, der Rückkehr von Exil-Afghanen und dem beispiellosen Bevölkerungswachstum kann der Wohnraumbedarf in Kabul derzeit nicht gedeckt werden. Das Projekt soll außerdem in großem Maßstab Arbeitsplätze schaffen und schließlich sicherstellen, dass ein umweltverträglicher, ökologisch orientierter städtischer Lebensraum entsteht und gleichzeitig die bestehenden Dörfer erhalten bleiben. Das Entwicklungsprojekt Kabul New City wird bis 2025 insgesamt 500.000 neue Arbeitsplätze schaffen, davon je 100.000 in der Landwirtschaft und Industrie und 300.000 in Dienstleistungs- und anderen Branchen. Bis 2025 werden 250.000 Wohneinheiten entstehen (EBN 26.8.2014; vgl. Khaama Press 1.4.2011 und Wezaret-e Umur-e Dakhela 24.8.2013).

Quellen:

In der Begründung stellte die belangte Behörde zusammengefasst fest, dass der Beschwerdeführer zunächst glaubhaft vorgebracht hätte, in den vergangenen Jahren mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt in Pakistan gehabt zu haben. Dass die Ausreise aus der Heimat aufgrund der Drohungen seines Onkels erfolgt wäre, sei nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer angegeben hätte, trotz der vorgegebenen Gefährdung zum Begräbnis des Vaters nach Afghanistan zurückgekehrt zu sein. Im Übrigen stellten ausschließlich aus gewinnsüchtigen Motiven ausgesprochene Drohungen keine Verfolgungssituation aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund dar.

Rechtlich führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit nicht dazu geeignet gewesen sei, eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan darzutun.

Gegen Spruchpunkt I. des am 19.06.2015 ordnungsgemäß zugestellten Bescheides des Bundesamtes brachte der Beschwerdeführer am 29.06.2015 fristgerecht Beschwerde ein, wobei er im Wesentlichen seine getätigten Angaben wiederholte und anregte, seine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, namentlich zu jener der vaterlosen Minderjährigen, die mangels staatlicher Einrichtungen wie Jungendwohlfahrt in Afghanistan den Misshandlungen bzw. Bedrohungen durch Verwandte - im vorliegenden Fall durch den Onkel, der sich dem Beschwerdeführer gehörenden Grundstücke aneignen wolle - ausgesetzt seien- zu überprüfen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der mittlerweile jedenfalls volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischen Bekenntnisses. Seine Identität steht nicht fest.

Seit seinem zwölften Lebensjahr lebte der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Pakistan, wo er die Schule besuchte.

Der Beschwerdeführer hat keinerlei gesundheitliche Probleme.

Der Beschwerdeführer ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 23.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Es kann nicht festgestellt werden, daß dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird auf die oben wiedergegebenen Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen.

Die allgemeine Lage zu Afghanistan ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde, die eine Vielzahl von verschiedenen Berichten zusammenfassen und daher ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zeigen.

Nicht festgestellt werden konnte hingegen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Afghanistan in irgendeiner Form Verfolgung droht.

Gemäß seinen eigenen Angaben lebte der Beschwerdeführer mit seiner Familie seit seinem zwölften Lebensjahr in Pakistan. Dass die Familie seinerzeit Afghanistan aufgrund der massiven Bedrohung durch den Onkel verlassen hätte müssen, erscheint - wie vom Bundesamt zutreffend ausgeführt - vor dem Hintergrund der Darlegungen des Beschwerdeführers, er wäre trotz bestehender Gefährdung zum Begräbnis seines Vaters aus freien Stücken in die Heimat zurückgekehrt als nicht sehr nachvollziehbar und glaubhaft. Unbeschadet dessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren stets gleichbleibend behauptet, von besagtem Onkel ausschließlich deshalb bedroht worden zu sein, weil sich dieser die Grundstücke der Familie des Beschwerdeführers aneignen hätte wollen. Die dargelegte Verhaltensweise des Onkels resultiert daher aus reiner Bereicherungsabsicht seinerseits und stellt ein derartiges Verfolgungsmotiv aber - wie von der belangten Behörde ebenfalls zutreffend konstatiert - keinen in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Grund dar. Da der Beschwerdeführer mittlerweile jedenfalls das Alter der Volljährigkeit erreicht hat, geht auch das in der Beschwerde vorgebrachte Argument, es sie zu prüfen, ob er nicht der sozialen Gruppe der vaterlosen Minderjährigen zugehöre, ins Leere.

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass das Bundesamt ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, es wurden aktuelle und relevante Länderfeststellungen zu Afghanistan getroffen und wurde dem Beschwerdeführer wiederholt die Möglichkeit eingeräumt, persönliche Fluchtgründe in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan geltend zu machen. Es kann daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrelevante Verfolgungsgefahr in seiner Heimat glaubhaft aufzuzeigen.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher aus oben angeführten Überlegungen der diesbezüglichen Beurteilung durch das Bundesamt vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer keine persönliche Verfolgungshandlung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund glaufhabt geltend gemacht hat.

Der Beschwerdeführer gehört als Hazara zwar einer ethnischen und als Schiit auch einer religiösen Minderheit an, doch ist festzuhalten, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara - wie aus den zugrundegelegten Länderfeststellungen ersichtlich - die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenn gleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder aufleben. Es ist somit davon auszugehen, dass weder die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara noch die Zugehörigkeit einer Person zur religiösen Minderheit der Schiiten für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre (vgl. dazu auch VwGh 31.10.2002, 2000/20/0358).

Betreffend die vorgebrachte Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu der besonders schutzwürdigen sozialen Gruppe der verwaisten Minderjährigen ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig das Alter der Volljährigkeit erreicht hat.

Einer möglichen Gefährdung des vormals minderjährigen Beschwerdeführers aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan bzw. durch das Fehlen einer hinreichenden Lebensgrundlage im Falle einer Rückkehr wurde im Übrigen bereits durch die Gewährung subsidiären Schutzes Rechnung getragen.

Im Verfahren haben sich darüber hinaus keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erschienen ließen:

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.) und wurde Derartiges seitens des Beschwerdeführers auch nicht behauptet.

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034).

Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Da der Beschwerdeführer sohin keine Verfolgungshandlungen in Bezug auf Afghanistan dargetan hat, liegen die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vor. Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC nicht entgegenstehen:

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von- der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Gemäß Art. 47 Abs. 2 GRC hat zwar jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen" Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht iSd Art. 52 Abs. 1 GRC ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch zulässig, weil sie eben - wie in der GRC normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 GRC verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 11 der Präambel der RL 2005/85/EG) . Das Absehen von einer Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 GRC normierte Voraussetzung (vgl. dazu auch VfGH 14.3.2012, U 466/11 ua.}.

Gemäß der Rechtsprechung des EGMR ZU Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 12 GRC auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten, und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).

Der Verfassungsgerichtshof hat betreffend die Anwendung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005JdF BGBl. I 100/2005, - also zur wortidenten Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG - unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den

Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfSIg. 19.632/2012).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Falle ergänzender Ermittlungen von der Durchführung mündlichen Verhandlung abgesehen und mit einer schriftlichen Stellungnahmemöglichkeit zur Wahrung des Parteiengehörs das Auslangen gefunden werden, wenn die persönliche Anhörung zur Gewinnung eines unmittelbaren persönlichen Eindruckes für die Entscheidungsfindung nicht erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 17.10.2006, 2005/20/0459; 11.11.2008, 2006/19/0359; 26.2.2009, 2006/20/0177).

Der VwGH hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, ZI. Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Die Beschwerde bringt keine neuen wesentlichen Aspekte vor.

Es hat sich auch in der Beschwerde - mit welcher die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht erschüttert bzw. substantiiert bekämpft werden konnte - kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch sonst hat sich kein Hinweis ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern (vgl. dazu auch VwGH 17.10.2006, 2005/20/0329; 26.6.2007, 2007/01/0479; 22.8.2007, 2005/01/0015).

Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung nachgekommen und ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Daher ergeben sich für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und der Beschwerde konnten keine neuen Sachverhaltselemente entnommen werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidung in Frage zu stellen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

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