AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W122.2207887.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.12.2020 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge „BF“), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 05.06.2016 nach illegaler Ausreise aus seinem Heimatland und illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Anlässlich der am 05.06.2016 stattgefundenen Erstbefragung gab der BF an, dass er vor etwa vier Monaten schlepperunterstützt sein Heimatland verlassen habe. Er sei in Griechenland und Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden, jedoch wolle man in diesen Ländern keine Flüchtlinge aufnehmen. Das Verhalten der dortigen Polizei gegenüber den Flüchtlingen sei sehr schlecht gewesen. Zu seinem Fluchtgrund gefragt, führte der BF aus, dass er vom Islam austreten wolle und er deshalb im Iran verfolgt werde. Im Falle seiner Rückkehr in den Iran habe er Angst, dass er dort getötet werde.
3. Am 10.08.2018 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). In dieser vermeinte der BF, dass seine Muttersprache Farsi sei und es im Asylakt falsch protokolliert worden sei, dass seine Muttersprache Nordkurdisch (Kurmandschi) sei. Der BF legte zugleich auch ein Konvolut an iranischen und österreichischen Urkunden vor.
4. Am 21.08.2018 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA. In dieser vermeinte der BF, gesund zu sein sowie, dass er iranischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, verheiratet und mittlerweile protestantischer Christ sei. Zu seiner im Iran aufhältigen Familie, bestehend aus seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern, habe er regelmäßig Kontakt. Abgesehen von einem in Deutschland lebenden Bruder würden auch alle sonstigen Verwandten noch im Iran aufhältig sein. Er habe eine zwölf jährige Schulbildung abgeschlossen, den Militärdienst absolviert und bis zu seiner Ausreise im Februar 2016 selbstständig als Elektriker gearbeitet. Sein Heimatland habe er legal mit seinem Reisepass verlassen. Diesen habe er auf der Flucht in der Türkei im Meer verloren. Österreich sei sein Zielland gewesen, weil sein in Deutschland lebender Bruder ihm dazu geraten habe.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF aus, dass er bereits aus dem Islam ausgetreten sei. Er habe als Elektriker bei den Basij gearbeitet und hätte Moscheen und religiöse Häuser reparieren sollen. Er habe dies abgelehnt, jedoch hätte man ihm gesagt, dass er dies tun müsse, weil diese Orte heilig wären. Er habe daraufhin gesagt, dass er nicht daran glaube, woraufhin man ihm seinen Lohn nicht ausbezahlt habe. Danach habe er große Angst bekommen.
Weitere Fluchtgründe habe der BF nicht. Er sei nicht vorbestraft und habe keine Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates gehabt. Er sei weder verhaftet noch festgenommen worden noch sei er in seinem Heimatland politisch in irgendeiner Form aktiv gewesen. Wegen seiner politischen Gesinnung oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit sei er ebenfalls nicht verfolgt worden. Wegen seiner Religion werde er von staatlicher Seite verfolgt, weil er vom Islam abgefallen sei. Übergriffe auf ihn habe es weder von staatlicher noch von privater Seite gegeben. Er habe im Falle einer Rückkehr in den Iran Angst vor der Todesstrafe.
Der von ihm geschilderte Vorfall habe sich drei Monate vor seiner Ausreise zugetragen. Es habe nur eine Diskussion und keinen Angriff gegeben. Im Iran würde man aber leicht mitbekommen, wenn man vom Islam austrete. Dann gehe die Gefahr aber sogar von der eigenen Familie aus. Er selbst sei nie gläubig gewesen oder in die Moschee gegangen. Als Kind werde einem der Islam eingeredet. Als er dann erwachsen geworden sei, habe er sich Informationen über den Islam eingeholt. Er habe sich sonst nicht mit anderen Religionen beschäftigt, jedoch sei er mit dem Christentum in Griechenland in Berührung gekommen. Dort habe er eine Bibel gelesen und dies habe ihm sehr gefallen. Den Beweggrund, wie er zum Christentum gekommen sei, könne er nicht erklären. In Österreich sei er mit einem Freund in die Kirche gegangen und der Pfarrer sei ein netter Mensch gewesen. Dies sei ein wichtiger Grund gewesen, dass er Christ geworden sei. Der Freund habe ihn etwa vor einem halben Jahr in diese Kirche mitgenommen. Er könne das Gefühl der Religionsausübung zwar nicht beschreiben, jedoch habe ihm die Religion geholfen, Kontakt mit Gott unterhalten zu können. Er besuche regelmäßig den Glaubenskurs, wo gelehrt werde, dass jemand Christ sei, wenn er das machen würde, was Jesus gesagt habe. Aufgrund der persischen Übersetzung könne er dem Gottesdienst folgen. Er sei in der Kirchengemeinde auch außerhalb der Gottesdienste aktiv, wenn er bei Arbeiten mithelfe oder zum Kaffee mitkomme.
Von seiner Konversion hätten alle erfahren. Seine Familie habe kein Problem damit gehabt. Zu seinen Freunden habe er keinen direkten Kontakt, daher wisse er nicht, wie diese reagieren würden. Erst vor zwei Tagen habe er versucht muslimische Freunde vom Christentum zu überzeugen und Unterschiede zwischen den Religionen darzulegen. Der Islam spreche nur von Gewalt und dies würde es in der Bibel nicht geben.
Er sei bei einigen christlichen Festen dabei gewesen, jedoch wisse er nicht, was zu Ostern oder Weihnachten gefeiert werde. Über Religionen würde er nicht nachdenken. Er sei noch nicht getauft, habe aber viele Freunde, die ebenfalls zum Christentum konvertiert seien. Er könne einige der zehn Gebote aufzählen und wisse, dass die Bibel aus einem alten und einem neuen Testament bestehen würde. Aus dem Alten Testament kenne er das Buch Moses aus dem Neuen Testament kenne er, dass Jesus Wasser zu Wein gemacht habe und er 5000 Leute mit fünf Fischen ernährt habe. Als Gebet kenne er das Vater Unser. Im Christentum seien Kerzen und Kreuze wichtige Symbole, wobei er das Kreuz nur bei den Katholiken sehe und er dazu auch keine Informationen habe.
Er halte sich seit Mai 2016 durchgehend in Österreich auf. Er lebe hier von der Grundversorgung und sei lediglich gemeinnützigen Tätigkeiten nachgegangen. Einen Deutschkurs habe er auf dem Niveau A1 besucht, aber hierüber keine Prüfung gemacht. Sonst habe er keine Kurse oder Ausbildungen absolviert und keine sonstigen familiären oder privaten Bezugspunkte.
5. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass der BF nicht zum Christentum konvertiert sei. Es würde hierbei an einer ernsthaften Zuwendung zu dieser Religion mangeln, weil der BF keine Motivation für seinen Glaubenswechsel habe darlegen können. Ebenso seien die Kenntnisse über die christliche Religion spärlich gewesen, obgleich der BF regelmäßig einen Glaubenskurs besuche. Der BF habe weder Ostern noch Weihnachten einordnen können noch Inhalte des Alten Testaments wiedergeben können. Ebenfalls habe sich der BF abstrakten und kurzen Formulierungen über das Christentum bedient und nicht die Kirchenmitglieder vollständig personalisieren können. Es auch auffällig gewesen, dass der BF zwar angab, einerseits seit seiner Einreise im Jahr 2016 Interesse für das Christentum gehabt haben, andererseits er erst nach zwei Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet erstmalig einen Glaubenskurs besucht habe. Ebenfalls habe der BF nicht glaubhaft darstellen können, dass ihm in seinem Herkunftsstaat eine asylrechtlich relevante Verfolgung vorliegen würde. Einen Übergriff der Gruppe Basij habe der BF im Laufe des Verfahrens ausdrücklich verneint. Etwaige aus dem Vorbringen des BF resultierenden Verfolgungshandlungen durch diese Gruppierung würden ausschließlich auf subjektiven Befürchtungen beruhen und hätten nicht glaubwürdig geschildert werden können.
Des Weiteren habe der BF sein Heimatland legal verlassen und er auf seiner Fluchtroute zahlreiche sichere Staaten durchquert. Dies würde zusätzlich den Eindruck vermitteln, dass der BF mit der Anführung dieser Ausreisegründe die wahren Beweggründe des Verlassens seines Heimatstaates verschleiern würde. Es sei daher festzustellen gewesen, dass der BF diesen Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich zu Zwecken der Aufenthaltserlangung gestellt habe und nicht aufgrund einer tatsächlichen Schutzbedürftigkeit. Ebenso sei nicht davon auszugehen, dass der BF nach einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Lebenssituation geraten würde. Für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung war ein Überwiegen der öffentlichen Interessen ausschlaggebend.
5. Mit Verfahrensanordnung vom 27.09.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 27.09.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.
6. Gegen den o.a. Bescheid der belangten Behörde erhob der BF mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 17.10.2018 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Hierbei wurde angeführt, dass der BF sein Vorbringen glaubwürdig und im Kern gleichbleibend dargelegt hätte. Der BF habe sein Heimatland verlassen, weil er den Islam abgelehnt habe und habe in weiterer Folge mit seiner Konversion zum Christentum einen Nachfluchtgrund gesetzt. Aufgrund dessen habe der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland wegen seiner Abkehr vom Islam zu befürchten, mit staatlichen Sanktionen belegt zu werden, die ein erhebliches Verfolgungsrisiko von staatlicher Seite darstellen würden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde dem BF nicht zur Verfügung stehen. Die Behörde habe auch die Ermittlungspflicht verletzt und in weiterer Folge eine mangelnde Beweiswürdigung durchgeführt, zumal sie es unterlassen habe den BF hinreichend detailliert zu befragen. Der BF habe nachvollziehbar dargelegt, dass er aus dem Islam ausgetreten sei, weshalb es auch glaubhaft sei, dass der BF seine Ablehnung gegen die islamische Glaubensgemeinschaft manifestiert habe. Daher habe die belangte Behörde den vorliegenden Sachverhalt rechtlich nicht richtig beurteilt, zumal dieser zur Gewährung des Status des Asylberechtigten, jedenfalls aber zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, hätte führen müssen. Zur erneuten Darstellung seiner Fluchtgründe werde eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG beantragt.
8. Am 17.10.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
9. Mit Schriftsatz vom 02.09.2020 wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen dem erkennenden Gericht vorgelegt.
10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 07.12.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine rechtfreundliche Vertretung persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm, mit Schreiben vom 21.10.2020 entschuldigt, nicht an der Verhandlung teil.
Der BF gab an, gesund zu sein. Er habe zwar Nierensteine, aber Angst vor einem Arztbesuch, weshalb er sich ständig bewege. Bezüglich seines Geburtsdatums wurde festgehalten, dass seine vorgelegten iranischen Ausweise den XXXX ausweisen würden. Dem Rechtsvertreter wurde zugleich auch eine Kopie der aktuellen Fassung der Länderfeststellungen ausgehändigt. Der BF führte aus 80 Stunden im Monat gemeinnützig tätig zu sein und im Juni 2016 ins Bundesgebiet eingereist zu sein. Er sei iranischer Staatsangehöriger, verheiratet und habe zwei Kinder. Er spreche Kurdisch, Persisch, ein wenig Deutsch und ein wenig Arabisch. Den Koran habe er auf Arabisch und Farsi gelesen, insgesamt dreimal. Der BF vermeinte, dass die Informationen des bisherigen Länderinformationsblattes über Konvertiten nicht vollständig wären, weil Menschenrechtsvereine keinen Zugang zu diesen Informationen hätten. Er selbst sei nie Moslem gewesen, sondern habe diese Religion nur vererbt bekommen. Er sei bereits im Iran vom Islam ausgetreten und habe dies auch seiner Familie mitgeteilt. Ein Freund, der bei den Basij gewesen sei, habe ihm vertraulich mitgeteilt, dass er unter strenger Beobachtung stehe und verhaftet werden sollte. Daraufhin habe er das Land verlassen. Nach seiner Ausreise habe er noch Kontakt zu diesem Freund gehabt. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass man nach ihm gesucht und dabei sogar die Haustüre eingebrochen habe. Daraufhin vermeinte der BF erneut, dass laut den Berichten des UNO-Beauftragten zwar niemand wegen Konversion hingerichtet worden sei, er jedoch wisse, dass aus seiner Heimatstadt zehn oder elf Personen deswegen verhaftet worden wären. Sie seien verschwunden und wohl ohne Gerichtsverhandlung getötet worden. Ihm würde daher bei einer Rückkehr in den Iran dasselbe Schicksal drohen.
Abgesehen von einem in Deutschland lebenden Bruder würden alle Verwandten im Iran aufhältig sein. Sein Vater sei bereits verstorben und seine Geschwister würden sich um seine Mutter kümmern. Seine Ehefrau arbeite und seine Kinder würden in die Schule gehen. Er selbst sei 13 Jahre in die Schule gegangen und habe als Elektriker gearbeitet. Er habe auch Berufserfahrung in der Landwirtschaft gemacht. Aufmerksam gemacht, dass er im Verfahren vor dem BFA angeführt habe, dass er zwölf Jahre in die Schule gegangen sei, vermeinte der BF, dass er damals wohl gestresst gewesen sei und er deswegen nicht die richtige Antwort gegeben habe. Seine wirtschaftliche Situation sei im Iran normal gewesen.
In Österreich lebe er alleine und spreche Deutsch auf dem Niveau A2, wobei er coronabedingt noch nicht die Prüfung habe ablegen können. Er sei gemeinnützig tätig und gehe in ein Fitnesscenter. Er habe hier einen Freundeskreis und möchte sein weiteres Leben, auch aufgrund der Sicherheitslage im Iran, hier verbringen.
Den Iran habe er im Jahre 2015 legal per Flugzeug verlassen. Auch wenn er zu diesem Zeitpunkt schon gesucht worden sei, sei das System im Iran noch nicht so fortgeschritten, dass eine Person sofort gefunden werde. Sein Fluchtgrund sei es gewesen, dass er viele Jahre in der Öffentlichkeit gesagt habe, dass er vom Islam ausgetreten sei. Deswegen werde er von Basij und Sepa gesucht. Er habe sich vor seiner Ausreise bereits vier Monate in einem Dorf versteckt und sich einen Reisepass besorgt. Vor seiner Ausreise habe er auch bemerkt, dass er in Teheran von einem Auto verfolgt werde. Während seiner Ausreise habe bei ihm zu Hause auch eine Hausdurchsuchung stattgefunden. Daher wissen Basij und Sepa genau, wo er sich aufhalte und was er mache. Nach mehrmaliger Aufforderung, seine Fluchtgründe detailliert zu schildern unterbrach der erkennende Richter den BF und stellte fest, dass der BF die Frage nach seinen Fluchtgründen mit dem Fluchtweg beantwortet habe.
Der BF gab an, dass er in der Schule 13 Jahre lang Religionsunterricht gehabt habe. Befragt über den Islam, führte der BF aus, dass er den Unterschied zwischen den Sunniten und den Schiiten kenne, er aber nicht wisse, welcher Islam in Österreich gelehrt werde. Einen Unterschied zwischen dem Islam, wie er im Iran und in Europa gelehrt werde, sehe der BF nicht. Im Islam gebe es auch eine Art Erlösung nach dem Tod und Barmherzigkeit. Am Islam störe ihn die Polygamie und das erlaubte Töten von Nichtmuslimen. Der BF vermeinte, dass er bereits im Iran ausgetreten sei und er den Islam nicht akzeptieren würde, weil er diese Religion nicht frei wählen habe dürfen. Er habe den Koran dreimal gelesen und 70 Widersprüche festgestellt, sodass er seine Gründe habe, warum er den Islam nicht mehr wollen würde.
Mit dem Christentum sei er erstmals in Griechenland in Kontakt gekommen. Überzeugt von diesen Lehren sei er aber erst nach einem Jahr Aufenthalt in Österreich gewesen, denn da habe er die Bibel erneut gelesen und ein Freund habe ihn in die Kirche mitgenommen. Durch das Lesen der Bibel habe er das Christentum näher kennengelernt und sich dazu entschieden, diese Religion anzunehmen. Er habe sich für die evangelische Richtung entschieden. Die Orthodoxen würde die Mutter von Jesus für eine Heilige halten, die Katholiken würden an die sieben Sakramente und das Abendmahl glauben und die Protestanten würden an die Taufe und das Abendmahl glauben. Die Taufe bedeute sterben, begraben zu werden und wieder aufzuerstehen. Advent bedeute, dass sich die Christen auf die Geburt von Jesus Christus vorbereiten würden. Das Alte Testament handle von der Geschichte der Israeliten und das Neue Testament erzähle die Geschichte einer Person. Für seine Taufe habe er an einem Taufkurs teilgenommen und ein Gespräch mit dem Pfarrer gehabt. Das Evangelium sei für den BF die Bibel, die aus Altem und Neuem Testament bestehen würde. Nach Aufklärung über den Begriff „Evangelium“ vermeinte der BF, dass Johannes für ihn das wichtigste Evangelium sei, weil dieses Jesus als Persönlichkeit darstelle und Lukas nur das Leben von Jesus erzähle.
Er habe Freunde missioniert. Dies gestaltete sich dahingehend, dass er diese ermutigt hätte, in die Kirche zu gehen. Informationen über das Christentum hätten diese schon davor gehabt. Den Taufkurs habe er mit Hilfe eines Dolmetschers absolvieren können.
Er sei in den Fokus der Sittenwächter im Iran gekommen, weil er mit diesen wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Elektriker um Geld gestritten habe. Er habe ihnen mitgeteilt, dass er aus ihrem Glauben ausgetreten sei. Im Iran habe er danach noch unbehelligt leben können, weil zuerst nur Berichte über ihn verfasst worden seien. Sein Freund, der bei den Basij gewesen sei, habe nicht nur diese Berichte, sondern auch Haftbefehle für den BF erhalten.
Er gehe jede Woche in die Kirche. Das letzte Abendmahl habe aber bereits vor zehn Monaten stattgefunden. Die Frage nach einem Unterschied zwischen dem Abendmahl und den Gottesdiensten beantwortete der BF mit drei Gegenfragen, ehe er anführte, die Frage nicht verstanden zu haben. Religion sei eine Sache des Herzens, sodass er auch ohne Gottesdienst leben könnte. Jesus sei dagewesen, um die Leute zu erziehen, damit sie Regeln einhalten.
Brot und Wein seien die Zeichen für den Leib und das Blut von Jesus Christus. Dies habe er so beim letzten Abendmahl verkündet. Er könne das Glaubensbekenntnis auf Deutsch und auf Farsi aufsagen. Er sei nie von Herzen Moslem gewesen. Einen christlichen Namen führe er nicht. Darüber habe er aber auch noch nie nachgedacht.
Dass er im Iran verfolgt werde, glaube er, weil sein Freund, der bei den Basij sei, ihm das gesagt habe. Gemeinsamkeiten hätten der Islam und das Christentum nur bezüglich des Glaubens an das Jenseits, die Wiederauferstehung und die zehn Gebote von Mose. Er würde bei einer Rückkehr in den Iran sicher sterben, weil dort viele Leute auf ihn warten würden. Sepa wisse alles über ihn, auch weil er einen Instagramaccount und Follower habe. Seinen Accountnamen wisse er nicht auswendig, aber von seinen 900 Followern wären sicher 100 Personen bei Sepa unter anderem die Follower Said und Majid. Nach längerer Suche fand der BF weder Said noch Majid unter seinen Followern, vermeinte aber, dass Follower Abdullah bei Sepa sei. In seinem Heimatland würde er ohne die geschilderten Probleme leben können. So habe er aber nicht einmal eine innerstaatliche Fluchtalternative. Er wolle nur hier in Österreich bleiben und habe sich verändert, seitdem er Christ geworden sei. Die innere Überzeugung und die inneren Werte könne er zwar nicht beschreiben, jedoch halte er sich an alle Gesetze und Regeln. Der Glaube bedeute für ihn Respekt und eine Missionierung sei ihm ebenfalls wichtig. Im Falle einer Rückkehr in den Iran würde er seinen Glauben nicht verleugnen, weil dann von seinem Glauben nichts mehr übrigbleiben würde.
Danach folgten der Schluss des Ermittlungsverfahrens und der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.
11. Der BF legte im Laufe des Verfahrens folgende Dokumente vor:
Iranischer Personalausweis
Iranischer Militärausweis
Iranische Geburtsurkunde
Bestätigung über einen Erste-Hilfe-Kurs
Teilnahmebestätigung an einem Glaubenskurs
Teilnahmebestätigung an einem Integrationskurs
Teilnahmebestätigung an einem Alphabetisierungs- und an einem Deutschkurs
Bestätigungen über die Durchführung von Hilfstätigkeiten und gemeinnützigen Tätigkeiten
Anmelde- sowie Teilnahmebestätigung an einem Taufkurs
Schreiben einer Kirchengemeinschaft
Taufschein
Empfehlungsschreiben
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die oben unter Verfahrensgang angeführten Verfahrensschritte werden zu den gegenständlichen Feststellungen erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des BF wird festgestellt:
1.1.1. Der BF, dessen Identität aufgrund der Vorlage unbedenklicher Personaldokumente geklärt werden konnte, ist Staatsangehöriger des Iran. Der BF ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er hat sein Heimatland legal verlassen und ist illegal nach Österreich gekommen, wo er am 05.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF ist gesund und leidet an keiner schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankung. Er verfügt über soziale Anknüpfungspunkte im Iran und steht mit seinen Familienangehörigen regelmäßig in Kontakt.
Der BF hat im Iran 13 Jahre lang die Schule besucht und abgeschlossen. Er hat durch Arbeiten als selbstständiger Elektriker seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Der BF verfügt auch über Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft und hat den Militärdienst bereits absolviert.
1.1.2. Der BF verließ den Iran legal per Flugzeug und reiste über die Türkei nach Europa ein, wo er nachweislich in Griechenland und Ungarn erkennungsdienstlich behandelt wurde. Er stellte am 05.06.2016 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Es kann festgestellt werden, dass der BF im Iran keinen Kontakt zum Christentum gehabt hat. Es kann auch festgestellt werden, dass der BF nicht von den iranischen Behörden verfolgt wird, weil der BF dort nicht nach den Regeln des Islams leben wolle und er sich wegen seiner geäußerten Kritik über den Islam von Basij und Sepa verfolgt wird.
Der BF wurde in Österreich getauft und ist in einer evangelischen Kirchengemeinde aktiv. Es kann festgestellt werden, dass sich der BF mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt hat. Jedoch hat sich der BF nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt und daher ist dieser Glaube für den BF auch nicht identitätsstiftend. Bei der behaupteten Konversion des BF handelt es sich um eine Scheinkonversion.
Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder gar der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Es wird festgestellt, dass der BF im Falle ihrer Rückkehr in den Iran weder in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde noch als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.
Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.
1.1.3. In Österreich hat der BF keine weiteren Familienangehörigen. Auch besteht zu sonstigen Personen im Bundesgebiet weder ein engerer Kontakt, der einer familienähnlichen Bindung nahekommt, noch ein Abhängigkeitsverhältnis.
Der BF ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht seit seiner Asylantragstellung in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Der BF verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.
Der BF spricht Deutsch auf dem Niveau A2. Er hat neben Sprachkursen auch an integrativen Maßnahmen teilgenommen.
Der BF ist in einer christlichen Gemeinde aktiv. Über diese hat er im Bundesgebiet im Zuge seines Aufenthaltes einige Freundschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Insgesamt ist – insbesondere unter der Betrachtung der Aufenthaltsdauer des BF – davon auszugehen, dass die privaten Interessen des BF, die öffentlichen Interessen nicht überwiegen.
Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und es ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten.
1.2.Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt (Länderinformationsblatt vom 20.11.2020):
1. Politische Lage
Letzte Änderung: 29.06.2020
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahekommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und
137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 29.06.2020
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
2.1. Verbotene Organisationen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).
Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).
2.2. Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga- nisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI)
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, „iranische Volksmudschahedin“) gilt in Iran als Terrororganisation, und wird für die Ermordung von17.000 Iranern verantwortlich gemacht (ÖB Teheran 9.2017; vgl. Global Security o.D., SFH 20.7.2018). Verbindungen zur MEK gelten in Iran als „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 10.2019). Im Exil in Frankreich hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Telepolis 18.1.2019). Die linksgerichtete MEK wurde in den 1960er Jahren mit der Intention gegründet, den Schah von Persien zu stürzen. Die MEK unterstützte während der iranischen Revolution Ayatollah Khomeini. Die Organisation wurde Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran ins Exil in den Irak vertrieben, nachdem sie gegen Khomeini opponiert hatte. Die MEK wird für verschiedene Anschläge verantwortlich gemacht und hatte als Verbündete der irakischen Seite am ersten Golfkrieg zwischen 1980 bis 1988 teilgenommen. Im Jahr 1987 gründete die Organisation einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army (NLA) und führte ab 1988 von der 60 Kilometer von Bagdad entfernten Basis Ashraf ausgehend bewaffnete Operationen durch. In diesem Zeitraum exekutierten die iranischen Behörden hunderte bis tausende MEK-Mitglieder, welche als Feinde der Nation und Verräter bezeichnet wurden. Die Organisation wurde von einer Reihe von Staaten offiziell als terroristische Organisation eingestuft, darunter von den USA, der EU und Großbritannien. Im Jahr 2003 hat sich die MEK entwaffnet und den Verzicht auf Gewalt verkündet. In den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurde die MEK in Großbritannien, in der EU und in den USA von der Liste der terroristischen Organisationen entfernt (SFH 20.7.2018). Die MEK-Mitglieder in Irak ließen sich ab 2011 im Rahmen einer von UNHCR unterstützten Umsiedlung mehrheitlich in Albanien nieder. Im September 2016 sollen die letzten Volksmudschahedin ihr Lager in Irak verlassen haben (SFH 20.7.2018; vgl. Guardian 9.11.2018). Mittlerweile sind viele von ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018).
Experten sind sich einig, dass die Volksmudschahedin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016; vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018; vgl. Arab News 22.1.2018).
Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird, ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 10.2019).
Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch misshandeln würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).
2.3. PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdis- tan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität (BMI 2015; vgl. ACCORD 7.2015, DIS 7.2.2020), und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen zwischen 1.000 (JF 15.1.2018) und 3.000 Kämpfern (BMI 2015). Ein großer Teil der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.; vgl. CRS 6.2.2020).
Die PJAK ist zwischen einem Militärflügel, den ostkurdischen Verteidigungskräften (YRK), und dem politischen Flügel, der Demokratischen und Freien Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR), aufgeteilt. Wie bei anderen PKK-Zweigen versucht die Gruppe angeblich, mit allen Iranern zusammenzuarbeiten, aber in der Praxis ist ihre Mitgliedschaft fast ausschließlich kurdisch. Während der militärische Flügel in den Kandil-Bergen stationiert ist, ist der politische Zweig in Europa und Irak ansässig (JF 15.1.2018) und operiert in Iran im Untergrund (DIS 7.2.2020). Der militärische Arm der PJAK führte von Anfang der 2000er Jahre bis 2011 eine sporadische Aufstandskampagne auf niedriger Ebene im Iran durch. Dabei wurden Dutzende iranische Sicherheitskräfte getötet, hauptsächlich bei Operationen in und um Städte mit kurdischer Mehrheit wie Urmia und Mariwan. 2011 erklärte die PJAK einen [brüchigen] Waffenstillstand. Der Zusammenbruch des syrischen Staates eröffnete der PKK und ihren Mitgliedsgruppen neue Möglichkeiten und es wurden Kämpfer nach Syrien geschickt. Dies wurde ab 2014 verstärkt, da die von der YPG [syrischer Ableger der PKK] gehaltenen Gebiete zunehmend von den von der Türkei unterstützten Streitkräften der Freien Syrischen Armee (FSA) und von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS), insbesondere bei der Belagerung von Kobane, unter Druck gesetzt wurden. Trotz des zunehmenden Engagements der PJAK in Syrien gab die Gruppe ihren Waffenstillstand mit dem Iran im Jahr 2015 auf, vor allem, um von der weit verbreiteten Empörung und den Protesten gegen die Tötung einer kurdischen Frau durch die iranischen Sicherheitskräfte in Mahabad zu profitieren. Dies führte dazu, dass die Gruppe die Angriffe auf iranische Truppen wieder aufnahm, was zu verstärkter Gewalt zwischen PJAK und der iranischen Regierung führte und im August 2015 ihren Höhepunkt mit einem PJAK-Angriff in Mariwan erreichte, bei dem Berichten zufolge 20 Mitglieder des iranischen Revolutionsgarde-Korps (IRGC) getötet wurden. Die Regierung reagierte mit der Hinrichtung inhaftierter kurdischer Aktivisten (JF 15.1.2018).
Die PJAK liefert sich somit seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 26.2.2020). In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Zusammenstöße der PJAK mit iranischen Sicherheitskräften wurden auch 2019 berichtet (Kurdistan24 5.8.2019).
2.4. Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Orga- nization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)
Letzte Änderung: 29.06.2020
Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 26.2.2020). Die KDPI wurde 1945 in der iranischen Stadt Mahabad gegründet (DIS 7.2.2020) und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt (TRAC o.D.). Das Ziel der KDPI besteht darin, die kurdischen nationalen Rechte innerhalb eines Bundes und eines demokratischen Iran zu erlangen (DIS 7.2.2020; vgl. TRAC o.D., MERIP o.D.). Die KDPI wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die von ihrem irakischen Hauptquartier aus das Regime bekämpft (BMI 2015; vgl. MERIP o.D., ACCORD 7.2015). Die KDPI wird traditionell als die größte iranisch-kurdische Partei angesehen. Die Partei KDP-Iran hat sich 2006 von der KDPI getrennt und ist eine separate Partei (DIS 7.2.2020). Die kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015).
Die Komala-Partei wurde 1969 gegründet. Ihre Mitglieder bestanden zu dieser Zeit aus kurdischen linken Studenten und Intellektuellen, hauptsächlich aus Teheran, aber auch aus anderen kurdischen Städten. Komala basiert auf sozialistischen Werten und kämpft für kurdische Rechte und einen demokratischen, säkularen, pluralistischen und föderalen Iran. Komala besteht aus drei oder mehr getrennten Parteien (DIS 7.2.2020).
Das Ausmaß der zivilpolitischen Aktivitäten der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere der KDPI und Komala in Iran, ist aufgrund der Kontrolle, mit der sie konfrontiert sind, im Allgemeinen begrenzt. Wenn die Parteien zivilpolitische Aktivitäten durchführen, geschieht dies unter Geheimhaltung, um zu verhindern, dass die Behörden gegen sie vorgehen. Die Parteien unterstützen jedoch die Aktivitäten anderer, beispielsweise von Organisationen, die sich sowohl auf Umweltfragen als auch auf soziale Fragen konzentrieren. Die kurdischen politischen Parteien führen Propaganda-Aktivitäten durch, um ein Bewusstsein für die Politik der iranischen Regierung zu schaffen und die Menschen zu ermutigen – durch verschiedene friedliche und entschlossene Maßnahmen wie Demonstrationen, Generalstreiks und symbolische Mittel wie das Tragen kurdischer Kleidung zu besonderen Anlässen – gegen die Regierung zu protestieren. Die meisten Aktivitäten der kurdischen Parteien finden im öffentlichen Raum, einschließlich Schulen, statt. Die Parteien ermutigen ihre Mitglieder, Unterstützer und die Öffentlichkeit, Maßnahmen über soziale Medien, Fernseh- und Radiokanäle zu ergreifen. In Bezug auf die Rekrutierung von Mitgliedern ist zu sagen, dass die Regeln für die Mitgliedschaft in den iranisch-kurdischen politischen Parteien (KDPI und Komala) nicht immer geradlinig sind und die Mitgliedschaft durch verschiedene Verfahren erlangt werden kann. Menschen in der kurdischen Region des Iran können über die geheimen Netzwerke dieser Parteien Mitglieder werden oder sie können selbst Mitglieder der Partei in der Autonomen Kurdischen Region Irak kontaktieren und dadurch Mitglieder werden. Zukünftige Mitglieder durchlaufen eine Überprüfung um z.B. Spione der iranischen Regierung ausschließen zu können. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass das Geheimdienstministerium und die Revolutionsgarden Personen bedrohen oder bestechen, um sie als Kundschafter einzusetzen (DIS 7.2.2020).
Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der kommunistischen Komala-Partei und der KDP-Iran und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Ende April 2017 stationierte eine der Komala-Parteien ihre Streitkräfte im Grenzgebiet zwischen der Autonomen Kurdischen Region Irak und Iran (DIS 7.2.2020). Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS 7.2.2020), zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS 7.2.2020, BTI 2020).
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BTI 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab- Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).
4. Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 29.06.2020
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019). Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).
Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).
In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 29.06.2020
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020, DIS 7.2.2020). Dies betrifft vorrangig nicht registrierte Gefängnisse, aber auch „offizielle“ Gefängnisse, insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020; vgl. US DOS 11.3.2020). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt (AI 18.2.2020; vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.3.2020). Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. (AI 18.2.2020).
Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2019). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018; vgl. US DOS 11.3.2020).
Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vgl. DIS 7.2.2020), um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vgl. HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vgl. HRW 14.1.2020, HRC 28.1.2020). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.3.2020).
6. Korruption
Letzte Änderung: 29.06.2020
Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte „Bonyads“, leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020, BTI 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020 vgl. US DOS 11.3.2020). Auch in der Polizei, sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Menschen werden jedoch selten strafrechtlich verfolgt und wenn sie es werden, ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BTI 2020).
Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2019 mit 26 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 146 von 180 untersuchten Ländern (TI 1.2020). Zum Vergleich im Jahr davor, 2018, lag Iran mit 28 (von 100) Punkten auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern (TI 30.1.2019). Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2020b).
7. Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 26.2.2020).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
- Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)
- Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
- Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
- UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
- Konvention über die Rechte behinderter Menschen
- UN-Apartheid-Konvention
- Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020) Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
- Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention
- Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
- Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
- Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2019). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition (GIZ 2.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen und ohne einen fairen Prozess, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, Gewalt gegen ethnische Minderheiten, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Die Regierung unternahm wenige Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 11.3.2020).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte, insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2019). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (HRW 14.1.2020; vgl. BTI 2020).
8. Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht „schädlich“ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die „Rechte der Öffentlichkeit“ sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020, AI 18.2.2020, US DOS 11.3.2020) und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 11.3.2020). Der staatliche Rundfunk wird streng von Hardlinern kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 4.3.2020). Die iranischen Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 14.1.2020).
Die iranische Presselandschaft spiegelt eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter „roter Linien“ des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen „Propaganda gegen das System“ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). „Propaganda gegen den Staat“ ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei „Propaganda“ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden – dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa „regimefeindliche Propaganda“ verhängt (ÖB Teheran 10.2019).
Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 4.3.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber „gefiltert“ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber- Krieg“ gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA 26.2.2020).
Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (US DOS 11.3.2020).
Die 1997 unter Khatami gegründete „Association of Iranian Journalists“ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020).
Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafés (obligatorische Personenidentifikation und Überwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder „islamfeindliche“ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2019).
Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als „unislamisch“ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist „regimefeindlicher Propaganda“ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2019).
Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als „Bürgerrecht“ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide aktuell in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema „Cyberspace“ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App „Telegram“ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreichen Frauen, die „unsittliche“ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen (ÖB Teheran 10.2019). Die Messenger App Telegram hatte in Iran mehr als 40 Millionen Nutzer. Auch Facebook und Twitter bleiben blockiert, genauso wie hunderte andere Webseiten (HRW 17.1.2019).
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Plätze verschlechtert und liegt nun an Position 173 (2019: 170) von 180. Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).
Nahezu jede iranische Familie besitzt eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind. Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2019c).
9. Haftbedingungen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Geschätzt gibt es ca. eine Viertelmillion Häftlinge (US DOS 11.3.2020). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020, FH 4.3.2020, HRW 14.4.2020).
In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 10.2019).
Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse. Es kommt regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen (AA 26.2.2020). Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 10.2019). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr droht Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft. Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben (AI 18.2.2020).
10. Todesstrafe
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.4.2020, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2019) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020, HRW 14.4.2020, FH 4.3.2020, HRC 28.1.2020, AI 18.2.2020). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2018 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter/innen hingerichtet. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung. 2019 wurden erstmals auch zwei zum Zeitpunkt der Hinrichtung Minderjährige verzeichnet (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2019). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 4.3.2020).
Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2019). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 4.3.2020) und die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen sank (AI 10.4.2019; vgl. HRW 14.1.2020, FH 4.3.2020, HRC 8.2.2019). Das neue Gesetz gilt rückwirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Nichtsdestotrotz hat Iran im Laufe des Jahres 2019 fast 300 Menschen hingerichtet, darunter mindestens zwei jugendliche Straftäter (FH 4.3.2020).
Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei „politischen“ oder die „nationale Sicherheit“ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019).
11. Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 29.06.2020
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).
Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen
– werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha‘i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2019). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2019).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).
Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt (US DOS 21.6.2019).
Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen „Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini“ und 20 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 21.6.2019).
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2019).
11.1. Christen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 10.2019).
Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 21.6.2019).
Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).
11.2. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel
„mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan- Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2019).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online- Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2019). Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high- profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht- muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 21.6.2019).
11.3. Baha‘i
Letzte Änderung: 29.06.2020
Nicht zu den anerkannten Religionen gehört der Baha‘i Glaube, weshalb Baha‘i juristisch gesehen unter der iranischen Verfassung und dem Strafgesetzbuch benachteiligt werden können. Die etwa
300.000 Anhänger werden systematisch verfolgt, weil sie Propheten nach Mohammed akzeptieren und damit als abtrünnige Muslime gelten. Die Baha‘i haben als religiöse Minderheit den schwierigsten Stand in der Gesellschaft. Dazu kommt, dass die Baha‘i wegen des Bestehens ihrer Zentrale in Haifa/Israel von offizieller iranischer Seite besonders misstrauisch beobachtet und oft als israelische Spione angesehen werden. Es gibt häufig Berichte über Verhaftungen von Baha‘i. Die Begründung der Verhaftung oder der Gerichtsurteile beinhalten meist „Verbreitung von Propaganda gegen die Islamische Republik“ und Gründung von, oder Beteiligung an „Gruppen, die eine Bedrohung für die nationalen Sicherheitsinteressen darstellen“. Zudem schüren staatliche Stellen den Hass gegen Baha‘i. Gewaltakte gegen Mitglieder werden kaum geahndet (ÖB Teheran 10.2019; vgl. USCIRF 10.2019). Baha‘i sind also wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Damit stellen sie derzeit die am stärksten in ihren Rechten eingeschränkte Minderheit im Iran dar. Sie sind vom Pensions- und Sozialversicherungssystem ausgeschlossen, Kriminalitätsopfer erhalten keine staatliche Kompensation, und Gewerbescheine werden unter Hinweis auf die Baha‘i-Zugehörigkeit verweigert (AA 26.2.2020). Die Behörden können die Schließung von Unternehmen im Besitz von Baha‘i anordnen und Vermögen von Anhängern der Glaubensgemeinschaft beschlagnahmen (AI 18.2.2020). Auch bekommen sie keine Personalpapiere ausgehändigt und sind vollkommen staatlicher Willkür ausgeliefert (GIZ 12.2019c).
Ebenso ist ihnen der Zugang zu höherer Bildung nicht möglich (AA 26.2.2020; vgl. AI 18.2.2020), da Baha‘i-Studenten oft nicht zu öffentlichen und privaten Universitäten zugelassen werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020, HRW 14.1.2020). Nach Angaben eines Baha‘i -Vertreters werden auf lokaler Ebene Unterrichtseinheiten vom BIHE (Baha‘i Institute of Higher Education, 2011 als illegal erklärt) abgehalten. Damit gehen zum einen erhebliche Risiken für Studenten und Dozenten einher und zum anderen werden auf diese Weise erlangte Abschlüsse nicht anerkannt (AA 26.2.2020). Zwischen März und September 2018 wurde 50 Baha‘i Universitätsstudenten aufgrund ihres Glaubens das weitere Studium an der Universität verboten (ÖB Teheran 10.2019).
Über (auch staatliche) Medien verbreitete Falschmeldungen stacheln die Bevölkerung weiterhin gegen Baha‘i auf und setzen ihre Geschäfte unter wirtschaftlichen Druck. Im April, Juli und Oktober 2017 wurden wieder dutzende von Baha‘i geführte Unternehmen von den Behörden geschlossen, nachdem diese aufgrund von Baha‘i-Feiertagen geschlossen hatten. Auch 2018 kam es zu behördlich erzwungenen Unternehmensschließungen. Im September 2018 wurden 20 Baha‘i in Karaj, Baharestan und Shiraz verhaftet und infolge dessen auch ein Stadtrat von Shiraz, der sodann gegen Kaution freigelassen und dazu gedrängt wurde, sein Amt aufzugeben, nachdem er das Vorgehen der Behörden kritisiert hatte. Allerdings sind auch erste Anzeichen einer Verbesserung der Rechtsstellung des Bahaitums ersichtlich. Erstmals entschied ein iranisches Berufungsgericht im Jänner 2019, dass iranisches Recht das Bahaitum nicht kriminalisiert und Proselytismus nicht unter den Straftatbestand „Propaganda gegen den Staat“ subsumierbar sei. Allerdings erfolgen nach wie vor Verurteilungen auf Grundlage dieses Tatbestandes (ÖB Teheran 10.2019).
Die Führungsriege der Baha‘i-Gemeinde im Iran sowie die Leitung der Untergrunduniversität „Baha‘i Institute for Higher Education“ (BIHE) wurden nach Gefängnisstrafen Anfang 2018 freigelassen (ÖB Teheran 10.2019). Im November 2019 waren nach Angaben der International Baha‘i Community 97 Baha‘i aus Glaubensgründen in iranischen Gefängnissen in Haft (AA 26.2.2020).
Eine weitere Quelle der Diskriminierung von Baha‘i ist das seit Januar 2020 geltende neue iranische Antragsformular für Personalausweise, in dem nur Antragstellung für in der iranischen Verfassung anerkannte Religionen, also Islam, Christentum, Judentum oder Zoroastrismus angegeben werden kann. Die Anhänger anderer Glaubensrichtungen, einschließlich der Baha‘i, sind dadurch gezwungen, entweder ihren Glauben zu verleugnen oder auf grundlegende öffentliche Dienstleistungen, wie z.B. die Beantragung eines Darlehens, die Einlösung eines Schecks oder den Kauf eines Grundstücks zu verzichten (AA 26.2.2020).
12. Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 29.06.2020
Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2019c).
Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vgl. AA 26.2.2020, FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 18.2.2020).
12.1. Kurden
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so gibt es eine kurdischstämmige Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan. In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird (AA 26.2.2020). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 14.1.2020). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018). Zahlreiche Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten (AI 18.2.2020).
Die kurdische Region des Iran ist militarisiert und die iranische Regierung überwacht die kurdische Bevölkerung durch regelmäßige Checkpoints ebenso wie durch die Nutzung von Telekommunikation und sozialen Medien. Die iranische Regierung sieht jede Art von politischem oder zivilem Aktivismus als potenzielle Bedrohung an, insofern können sowohl politische als auch zivilgesellschaftliche Aktivisten von Verfolgung bedroht sein (DIS 7.2.2020). Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020) und einige Mitglieder der lokalen Bevölkerung arbeiten als Informanten für die iranischen Behörden (DIS 7.2.2020). Die militärische und geheimdienstliche Präsenz ist nicht immer sichtbar. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).
Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 26.2.2020; vgl. DIS 7.2.2020). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Partei, oder der KDP-Iran – und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Im ersten Halbjahr 2019 wurden 651 Personen wegen Drogenschmuggel und –konsum verhaftet (ÖB Teheran 10.2019). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).
13. Relevante Bevölkerungsgruppen
13.1. Frauen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran- Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).
In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).
Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2019).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 10.2019).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).
Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine hohe Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
14. Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 29.06.2020
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 11.3.2020). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs).
Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020). Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).
15. Grundversorgung
Letzte Änderung: 29.06.2020
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2019).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 3.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BTI 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 3.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BTI 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80- 85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2020b). Die letzten Proteste diesbezüglich entfachten sich im November 2019, als der Treibstoffpreis erhöht wurde. Dies war das jüngste Zeichen einer Wirtschaftskrise, die durch eine Kombination aus von den USA geführten Handelssanktionen und Misswirtschaft durch das Regime ausgelöst wurde. Die Krise bereitet der iranischen Bevölkerung ernsthafte Schwierigkeiten und macht sie anfälliger für Ausbeutung (FH 4.3.2020).
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 3.2020b; vgl. BTI 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BTI 2020).
15.1. Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 29.06.2020
Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 10.2019). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020).
Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2019).
Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2019).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die „sadeqe“, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2020b).
16. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 29.06.2020
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2019; vgl. IOM 2019). Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2019). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2019).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung, die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2019).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2019). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2019).
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 10.2019). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2019c).
Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten, insofern gibt es zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2019).
Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter (IOM 2019).
Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig (IOM 2019).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Geb ühr (IRR 20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2019).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung.
Notwendige Dokumente: Eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2019).
Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2019).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2019; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2019).
17. Rückkehr
Letzte Änderung: 29.06.2020
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2019).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
18. Dokumente
Letzte Änderung: 29.06.2020
Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).
Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,…) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 10.2019).
Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des BF resultiert aus den diesbezüglichen Angaben; die Identität konnte durch Vorlage unbedenklicher iranischer Personaldokuments im Original festgestellt werden.
Die festgestellte legale Ausreise aus dem Iran per Flugzeug und illegale Einreise des BF in Österreich resultiert auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF. Die Feststellung über die erkennungsdienstlichen Behandlungen des BF in Griechenland und in Ungarn beruhen auf die Einsicht in die im Akt (vgl. EURODAC-Treffer, Erstbefragung, Seite 5). Dass sich der BF in Griechenland und Ungarn aufgehalten hat, war auch seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben zu entnehmen.
Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF im Herkunftsstaat sowie zu dessen Privatleben in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF. Die Feststellung zu seiner Unbescholtenheit, resultiert aus einer aktuellen Einsichtnahme in das Strafregister.
Die Feststellungen zur Auseinandersetzung mit den christlichen Glaubensinhalten, zu seiner Taufe in Österreich und seiner Aktivität in einer kirchlichen Gemeinde, ergeben sich einerseits aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF, andererseits aus dem in das Verfahren eingeflossenen und vorgelegten Urkunden und Dokumenten.
Die Aufenthaltsdauer des BF ergibt sich aus dem Zeitpunkt der Einreise (Erstbefragung, Seite 2).
Dass der BF in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte hat, folgt aus seinen Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Zu anderen in Österreich aufhältigen Personen hat der BF auch nur losen Kontakt und befindet sich zu diesen jedenfalls in keinem Abhängigkeitsverhältnis (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 10).
Die Feststellungen zu den sozialen Beziehungen (Freunde, etc.) sowie zum Verhalten des BF in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung sowie aus den vorgelegten Referenzschreiben. Aus diesen Schreiben, die ausschließlich aus der Kirchengemeinde stammen, ist – zusammenfassend – zu entnehmen, dass der BF hilfsbereit, freundlich und um seine Mitmenschen besorgt ist. Jedoch ist zu diesen anzumerken, dass diese aus dem sozialen Umfeld des BF stammen und dieses ein besonderes Interesse am Aufenthalt des BF in Österreich hat.
Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse ist der BF in der Lage, auf elementarer Ebene in einfachen, routinemäßigen Situationen des Alltags- und Berufslebens auf Deutsch zu kommunizieren. Dies konnte der BF durch Vorlage von Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen belegen. Ebenso basiert diese Feststellung auf den vom Gericht im Zuge der Verhandlung wahrgenommenen Fähigkeiten des BF, auf Deutsch zu kommunizieren.
Die Feststellungen zu seiner wirtschaftlichen Integration (Schul- und Berufsausbildungen, Berufserfahrungen, Einstellungszusagen, ehrenamtlichen und gemeinnützigen Tätigkeiten, Einkünfte, etc.) ergeben sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung sowie aus den vorgelegten Dokumenten. Dahingehende Feststellungen beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Dass der BF Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dessen Angaben und der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem.
Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.
Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG ), worin folgende Faktoren angeführt werden:
dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;
dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;
dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;
dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;
und dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.
2.3. Der BF wurde in der Verhandlung sowohl zu seinen Ausreisegründen als auch zu den Inhalten des Glaubens, von dem er behauptetet, sich diesem zugewandt zu haben und zu diesem konvertiert zu sein sowie zum Praktizieren dieses Glaubens und zu seinem Privat- und Familienleben befragt.
2.3.1. Zu den Ausreisegründen des BF
Hinsichtlich der seitens des BF geltend gemachten Ausreisegrundes, wonach der BF im Iran verfolgt werde, weil er aus dem Islam austreten wolle und er befürchte getötet zu werden, vermittelte der BF den Eindruck, dass der als Person zu Gänze unglaubwürdig ist. Es liegt in der Sphäre des BF diese Umstände des fluchtauslösenden Ereignisses einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern. Wie in der Folge dargestellt, ist das Vorbringen des BF objektiv nicht geeignet, eine asylrechtlich relevante Verfolgungsgefahr zu begründen, weil diese unschlüssig und zu wesentlichen Punkten widersprüchlich ist:
In der Erstbefragung führte der BF an, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil er aufgrund eines beabsichtigten Austritts aus dem Islam im Iran verfolgt werde (vgl. Erstbefragung, Seite 5). Zwar bediente sich der BF im Laufe des Verfahrens konsistent dieser Fluchtgeschichte, die allerdings aufgrund zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten als nicht glaubwürdig hat eingestuft werden müssen.
In seiner Einvernahme vor dem BFA führte der BF erstmals einen konkreten Vorfall an, warum er sein Heimatland verlassen habe, zumal er als Elektriker bei der Gruppe Basij ausgeholfen habe und der BF von diesen eine Anfrage erhalten habe, ob er bei einigen religiösen Plätzen helfen könne. Dies habe er BF abgelehnt und es sei zu einem Streit gekommen, wobei der BF vermeint haben soll, dass er nicht an die Religion glaube, woraufhin der BF seinen Lohn nicht bekommen habe (vgl. Niederschrift, Seite 6). Diese noch immer vagen und oberflächlichen Angaben konnte der BF auf Nachfrage auch in keiner Weise konkretisieren. Er vermeinte zwar, dass sich dieser Vorfall drei Monate vor seiner Ausreise zugetragen hätte und er keinen tätlichen Angriffen ausgesetzt gewesen sei, jedoch beantwortete der BF die ihm konkret gestellte Frage, inwiefern er im Iran wegen der Religion verfolgt werde, ausweichend und mit allgemein gültigen Stehsätzen (vgl. Niederschrift, Seite 8). Die ihm daraufgestellten Fragen, über seine bisherige Religionsausübung im Iran beantwortete der BF auch nur kurz, wobei der BF zu erkennen gab, dass er kein religiöser Mensch gewesen sei und er nicht die Moschee besucht habe. Ebenfalls sehr oberflächlich waren seine Ausführungen, warum er nicht mehr an den Islam glauben würde. Hierzu führte der BF lapidar aus, dass er sich Informationen über den Islam eingeholt habe, dies jedoch für den BF katastrophal gewesen sei.
Insgesamt waren die Aussagen des BF zu den stattgefundenen Vorfällen dürftig, ausweichend sowie farblos. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der aus Furcht um sein Leben sein Heimatland verlassen hat, versucht, von sich aus detailliert, umfangreich und lebensnah die ihm widerfahrenden Bedrohungssituationen zu erklären. Dies trifft auf den BF nicht zu, der trotz Nachfragens kaum Einzelheiten anführt oder ein Vorkommnis näher schildert. Die Ausführungen bleiben unpersönlich und lassen erkennen, dass der BF keine Detailkenntnis hat.
Der BF war bei der Einvernahme vor dem BFA nicht in der Lage, die Rahmenumstände und die Fluchtgründe konkret und detailliert zu schildern. Seine Darlegung im Rahmen der Befragung vor dem BVwG versuchte er, seine Fluchtgeschichte detaillierter dazulegen, wodurch er sein Vorbringen nicht nur steigerte, sondern sich auch in Widersprüche und weitere Unplausibilitäten verwickelte.
Der BF war nicht in der Lage, wesentlichste Teile, seiner oberflächlich gehaltenen Fluchtgeschichte, übereinstimmend wiederzugeben. Die vom BF in den Raum gestellte Gefahr ist unsubstantiiert und beruht auf rein spekulativen Szenarien.
So wurde der BF auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.
Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Wenn diesbezüglich in der Beschwerde moniert wird, dass die belangte Behörde den vorliegenden Sachverhalt nicht richtig gewürdigt hätte, zumal der BF äußert detaillierte und immer gleichlautende Angaben getätigt habe, weshalb objektiv nachvollziehbar gewesen sei, dass der BF einer asylrechtlich relevanten Verfolgung unterliegen würde, so ist dies bezüglich festzuhalten, dass diesen Ausführungen in keiner Weise gefolgt werden kann. Der vom BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gewonnene persönliche Eindruck stützt viel mehr die vom BF im bekämpften Bescheid dargelegte Würdigung der Fluchtgeschichte, die festhielt, dass der BF diese einerseits vage und oberflächlich darlegte und diese andererseits auch keine persönlichen Bedrohungen beinhaltet habe. Ebenso sei es nicht nachvollziehbar gewesen, dass der BF noch drei Monate unbehelligt im Iran hat leben und danach auch noch legal mittels Flugzeug sein Heimatland verlassen habe können.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vermittelte der BF den Eindruck, dass er sein bislang vages und oberflächliches Fluchtvorbringen detaillierter darstellen habe wollen, was aber dazu führte, dass der BF seine persönliche Unglaubwürdigkeit nochmals verstärkte, zumal er sein Vorbringen steigerte und er sich in Widersprüche verwickelte. Vorab ist diesbezüglich auch festzuhalten, dass der BF bei tatsächlicher Verfolgung wohl keine Gelegenheit ungenützt lassen würde, sein Fluchtvorbringen ehestmöglich und so detailliert wie möglich zu schildern. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass die Erstbefragung nur dazu genützt wird, die wichtigsten persönlichen Fluchtgründe ansatzweise darzulegen. Wenn der BF derartige Fakten, welche eine besondere persönliche Betroffenheit auslösen, anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA nur oberflächlich und vage schildert, und er diese Fluchtgründe erst im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG ausführlich geltend macht, so ist davon auszugehen, dass der BF sein Fluchtvorbringen ausschließlich steigerte und dieses nicht den erlebten Tatsachen entspricht.
An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass der BF aufgrund seiner Fluchtroute nicht den Anschein erwecken konnte, dass er aus Angst vor Verfolgung sein Heimatland verlassen hat. Zu bedenken ist, dass der BF bewusst durch zahlreiche sichere Länder gereist ist, bis er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl. Erstbefragung, Seite 4). Es ist daher offensichtlich, dass es dem BF bei seiner Migration nach Österreich nicht um den Erhalt von Schutz vor Verfolgung gegangen ist, sondern er hierbei gezeigt hat, dass es für ihn wichtig war, ein Zielland zu erreichen, das er persönlich und unabhängig von einer asylrechtlich relevanten Verfolgung für gut erachtet, zumal der BF auch dezidiert anführte, dass Österreich sein Zielland gewesen sei, weil ihm sein in Deutschland lebender Bruder dazu geraten habe (vgl. Niederschrift, Seite 6). Der BF stellte daher rechtsmissbräuchlich diesen Asylantrag, dessen primärer Zweck die Unterwanderung der fremdenrechtlichen Bestimmungen seines Ziellandes gewesen sei. Der BF hat sein Heimatland ausschließlich aus wirtschaftlichen Motiven und von langer Hand geplant verlassen. Der BF legt durch dieses Verhalten nicht nur an den Tag, dass der Schutz vor Verfolgung in seinem Herkunftsland nicht sein primäres Ziel gewesen ist, zumal er sich bewusst ein wirtschaftlich wohlhabendes Land zur Stellung seines Asylantrages ausgesucht hat, sondern macht auch deutlich, dass er seine Fluchtgeschichte und Fluchtroute je nach persönlich bestmöglichem Nutzen zu seinen Gunsten verändert. Dieser Eindruck bestätigt sich auch in seinem Aussageverhalten in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsschrift, Seite 8 und Seite 11ff).
Hierbei ist zugleich ersichtlich, dass der BF die freie Erzählung über seine Fluchtgründe diese dahingehend steigerte, in dem er anführte, dass er vier bis fünf Jahre vor seiner Ausreise bereits aus dem Islam ausgetreten sei und er dies jedem mitgeteilt habe, dass er dem Islam nicht akzeptiere. Diese Angaben erschüttern weiter die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens, zumal die belangte Behörde bereits vermeinte, dass es nicht nachvollziehbar sein, dass man diesbezüglich drei Monate unbehelligt im Iran leben und danach noch legal ausreisen könne, wenn man den Nichtglauben an den Islam an die Öffentlichkeit tragen würde und es sogar Zeugen geben würde, dass Sepa und Basij nach ihm suchen würden, sodass es nicht plausibel ist, dass eine Person Jahre lang im Iran öffentlich Preis gibt, dass sie nicht an den Islam glaube, unbehelligt dort leben und legal ausreisen könne.
Im Zuge dessen erfährt das Vorbringen eine weitere unplausible Steigerung, zumal der BF nun anführt, dass ein Freund bei den Basij gewesen sei und dieser ihm gesagt habe, dass er unter Beobachtung stehe und er daraufhin geflohen sei. Im Zuge seiner Flucht habe ihm dieser Freund dann mitgeteilt, dass beim BF eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe. Warum der BF diese wichtigen Details der Fluchtgeschichte in der Einvernahme vor dem BFA nicht erwähnt habe, konnte der BF in keiner Weise in der mündlichen Verhandlung aufklären. Auf mehrmalige Nachfrage des Richters, die Angaben zu seinem Fluchtgrund konkretisieren, wich der BF diesen Fragen aus und stellte lediglich seinen Fluchtweg dar. Hierbei vermeinte er, dass er sich vier Monate vor seiner Ausreise in einem Dorf versteckt gehalten habe und er sich darum gekümmert habe, sich einen Reisepass zu organisieren. Diese Angaben stehen in Widerspruch zur Einvernahme vor dem BFA, wo der BF ausführte, dass er lediglich drei Monate zwischen einem Vorfall mit den Basij noch im Iran verblieben sei.
Zu diesem Vorfall führte der BF erneut aus, dass sich dieser im Winter vor seiner Ausreise zugetragen habe und es Streit um die Bezahlung der vom BF durchgeführten Elektrikerarbeiten gegangen sei. Im Zuge dessen soll der BF vermeint haben, dass er nicht an den Islam glaube und er aus dem Glauben ausgetreten sei. Abgesehen davon, dass es jedweder Lebenserfahrung widersprechen würde, dass eine Person vor einem Kommandanten einer paramilitärischen Einheit in einem strengislamischen Staat solche Worte von sich geben würde, ist festzuhalten, dass - sollte der BF tatsächlich diese Worte ausgesprochen haben – es dann nicht nachvollziehbar ist, dass der BF nicht an Ort und Stelle festgenommen wurde, zumal der BF in der mündlichen Verhandlung selbst angab, dass die Länderberichte über den Iran nicht vollständig richtig sein würden, zumal diese Einheiten Leute einfach verschwinden lassen würden, wenn sich diese gegen den Islam auflehnen würden (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 7f). Ebenso konnte der BF auch nicht plausibel darlegen, wie er noch unbehelligt im Iran bleiben habe können. Erneut wich der BF der Beantwortung dieser Frage aus und vermeinte, dass sein Freund, der Basij-Kommandant sei. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass dieser zehn Berichte über den BF bekommen habe und es sogar Haftbefehle gegen den BF gegeben hätte. Diese erneute Steigerung des Vorbringens lässt sich aber in keiner Weise in Einklang mit seiner legalen Ausreise aus dem Iran bringen, zumal eine legale Ausreise bei Vorliegen eines Haftbefehls gegen den BF nicht möglich gewesen wäre, der BF aber dezidiert ausführte, dass er mit seinem echten Reisepass ohne Probleme hat ausreisen können (vgl. Niederschrift, Seite 6).
Persönliche Bedrohungen oder den Erhalt offizieller Schriftstücke verneinte der BF im Laufe des gesamten Verfahrens, was in diesem Zusammenhang gegen Verfolgungshandlungen durch die Behörden spricht. Dadurch vermittelte der BF auch den Eindruck, dass er eine subjektive Furcht vor einer Verfolgung durch die iranischen Behörden habe, er bezüglich dieser Verfolgungshandlungen allerdings keinerlei Details nennen konnte, weshalb daher davon auszugehen ist, dass eine mögliche Verfolgung nur auf bloßen Vermutungen des BF beruht.
Aufgrund der aufgezeigten Widersprüche und der Unplausibilitäten des Vorbringens hinsichtlich der Ausreisegründe aus seinem Herkunftsstaat stellen die Ausführungen des BF zu einer möglichen Verfolgung durch die iranischen Behörden ein reines Konstrukt dar, welches keine reale Grundlage hat und lediglich darauf abzielt, die Position im Asylverfahren zu verbessern.
Hinzu kommt, dass bei Detailfragen zu diesen vagen und allgemein gehaltenen Aussagen erst auf mehrmalige Nachfrage und nach dem Stellen von Gegenfragen Antworten gegeben wurden. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vermochte sich das erkennende Gericht nicht des Eindrucks zu erwehren, dass die vorgebrachten Bedrohungsrisiken, die der BF im Falle seiner Rückkehr befürchtet, nur darauf gerichtet waren, eine besondere in seiner Person gelegene Verfolgungsdichte zum Schein zu begründen.
Eine Erklärung für das Aussageverhalten des BF war nicht erkennbar und legte der BF keine Gründe dar, die es ihm verunmöglicht hätten, das Vorbringen detailreicher zu erstatten. Dieses allgemeingehaltene und oberflächliche Vorbringen kann vor dem Hintergrund, dass der BF bei all seinen Einvernahmen ausreichend Gelegenheit dazu hatte diese Ereignisse darzulegen, lediglich dahingehend gewertet werden, dass er versuchte diesem Vorbringen zusätzliche Aspekte hinzuzufügen, um eine mögliche Asylgewährung erlangen zu können.
Daher sind sowohl die Angaben des BF vor dem BFA als auch jene vor dem erkennenden Gericht als äußerst vage und unsubstantiiert zu qualifizieren, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die seitens der BF geschilderten Ausreisegründe tatsächlich existent waren.
Bereits aus diesen dargelegten Gründen ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ein derartiges Vorgehen der iranischen Behörden gegen den BF plausibel ist, weshalb dem diesbezüglichen Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen ist.
2.3.2. In weiterer Folge war neben dem Ausreisegrund auch die behauptete Hinwendung des BF zum Christentum samt etwaiger Konversion als Nachfluchtgrund während seines Aufenthaltes in Österreich zu prüfen. Untrennbar in Zusammenhang mit den seitens des BF geltend gemachten Gründen für seine Ausreise, nämlich einer Verfolgung durch die iranischen Behörden, weil er den Islam nicht mehr akzeptieren würde, steht das seitens des BF angegebene Interesse zum christlichen Glauben. Bereits aufgrund der Tatsache der Untrennbarkeit des ausreisekausalen Vorbringens und jenem der in Österreich stattgefunden Konversion, stellt die festgestellte Unglaubwürdigkeit der Ausreisegründe ein starkes Indiz für Unglaubwürdigkeit der behaupteten Konversion dar und lässt umgekehrt die aus nachfolgenden Gründen festgestellte Scheinkonversion Rückschlüsse auf die Unglaubwürdigkeit der ausreisekausalen Angaben des BF zu.
Auch die nachfolgenden Ausführungen zur mangelnden Glaubwürdigkeit der Konversion per se indizieren, dass die seitens des BF geltend gemachten Ausreisegründe nicht glaubwürdig sind, selbst wenn ein unmittelbarer diesbezüglicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Ausreisegründen und der behaupteten Konversion nicht direkt existent ist.
Bei einem Religionswechsel im Erwachsenenalter, der auf einer bewussten Entscheidung beruht, werden im Vorfeld entsprechende Informationen im Sinne einer vergleichenden und vertiefenden Auseinandersetzung über die neue Religion eingeholt, weshalb an einen Konvertiten im Erwachsenenalter, welcher mit dem moslemischen Glauben sozialisiert wurde, ein strengerer Maßstab anzulegen sei, als bei einem „gebürtigen Christen“.
Vorab war zu erwähnen, dass sich der BF erst im Zuge seines Aufenthalts in Österreich mit dem Christentum auseinandergesetzt hat. Sein diesbezüglich getätigtes Vorbringen über die aktive Teilnahme am Leben einer Kirchengemeinde samt Besuchen von Gottesdiensten und seiner Taufe, konnte der BF durch das Vorlegen der diesbezüglichen Schreiben und Urkunden belegen. Dass der BF aktiv am Leben einer Kirchengemeinde teilnimmt, ist den vorgelegten Bestätigungen und Empfehlungsschreiben zu entnehmen. Dass der BF getauft ist, belegen der vorgelegte Taufschein und die ins Verfahren eingebrachten Schreiben der Kirchengemeinde. Es ist daher festzuhalten, dass der BF objektiv den Anschein erwecken konnte, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein. Offen bleibt in diesem Zusammenhang noch, ob die gegenständlichen objektiven Gesichtspunkte einer Konversion zum Christentum auch beim BF zu einer inneren Verfestigung seines neuen Glaubens geführt haben.
In der Einvernahme vor dem BFA machte der BF jedenfalls nur unsubstantiierte und vage Angaben über ein Desinteresse an der Religion des Islams geltend und führte an, erst in Griechenland erstmals in Kontakt mit dem Christentum gekommen zu sein, sodass davon auszugehen ist, dass der BF erst in Österreich zum christlichen Glauben gefunden habe.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der BF über den Islam befragt, wobei der BF den Eindruck vermittelte, dass er zwar ein fundiertes Wissen über diese Religion besitzt, er jedoch in keiner Weise näher darlegen könnte, warum er mit dieser Religion gebrochen hätte. Er bestätigte, dass es im Islam auch die Begriffe wie das Fegefeuer, die Erlösung nach dem Tod und die Barmherzigkeit gebe. Auf den Vorhalt, dass im Koran stehen würde, dass der Islam Frieden stifte, vermeinte der BF nur, dass er sich diese Religion nicht ausgesucht hätte und er nach mehrmaligen Lesen des Korans Widersprüche erkannt habe. Er benützte dabei auch die allgemeine Redewendung, dass er seine Gründe habe, warum er den Islam nicht wolle. Der BF vermittelt sohin den Eindruck, dass er keinen plausiblen Grund darlegen kann, warum er vom Islam abgefallen sei. Auch konkret nachgefragt, was ihm am Islam störe, führte er die Polygamie und das Töten von Nichtmuslimen an. Auf den Vorhalt, warum es ihm dann nicht ausgereicht hätte, nur hier zu leben und dem Islam nicht mehr zu folgen, vermeinte der BF, dass er jahrelang konfessionslos gewesen sei und er erst durch mehrmaliges Lesen der Bibel und durch die Mitnahme eines Freundes in die Kirche zum Christentum gekommen sei. Auf erneut mehrmaliges Nachfragen seines Entscheidungsprozesses sich der Christuskirche zuzuwenden, konnte der BF kein Schlüsselerlebnis darlegen, sondern wich der ihm mehrmals gestellten Frage dahingehend aus, dass er entweder Wiederholungen tätigte oder er allgemeine Formulierungen ausführte (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 15).
Der BF vermeinte zwar, sich mit den christlichen Lehren tiefergehend auseinandergesetzt zu haben, jedoch konnte er dies nicht durch die Beantwortung der an ihn gestellte Wissensfragen belegen. Er vermittelte den Eindruck, dass er zwar Begriffe aus der christlichen Religion kennt, jedoch konnte er auf etwas konkreter Nachfrage weder zu den verschiedenen Strömungen des Christentums noch zum Aufbau der Bibel detaillierte Angaben machen, wie man es von einer Person erwarten würde, die sich im Erwachsenenalter aus freien Stücken einer neuen Religion zuwendet.
Befragt zu den Bedingungen seiner Taufe tätigte der BF auch keinerlei Ausführungen, die sich auf die Auseinandersetzung mit christlichen oder evangelischen Dogmen und Glaubenssätzen bezogen hätten. Er bediente sich ausschließlich Schilderung des organisatorischen Ablaufs der Taufvorbereitung und konnte auf mehrmaliges, konkretes Nachfragen des erkennenden Richters keine Antwort geben, warum der BF Christ habe werden wollen. Dass dieser Entscheidung eine theologische Auseinandersetzung mit der christlichen Religion einherging, ist nicht einmal ansatzweise zu entnehmen gewesen. Vielmehr wich der BF mit seinen Antworten den gestellten Fragen aus. Durch sein Aussageverhalten vermittelte er den Eindruck, dass er Zeit gewinnen wollte, um die Fragen zu einem ihm unangenehmen Themenkomplex nicht beantworten zu müssen (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 18). Die evidente Bedeutung des persönlichen Eindrucks hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen betont (siehe z. B. VwGH 24.06.1999, Zl. 98/20/0435 bzw. VwGH 20.05.1999, Zl. 98/20/0505).
Der BF war auch nicht in der Lage den Begriff des „Evangeliums“ richtig zu beschreiben, zumal er das Evangelium mit der gesamten Bibel gleichsetzte, jedoch das Wort Evangelium in der christlichen Liturgie die Kurzbezeichnung für die letzte der Schriftlesungen innerhalb des Gottesdienstes ist, die einem der vier Evangelien des Neuen Testaments entnommen wird. Ebenso konnte der BF in weiterer Folge auch nur sehr oberflächlich angeben, warum für ihn das Johannes Evangelium bedeutender sei, als das Evangelium von Lukas. Dieses oberflächliche Wissen über Begriffe, die im Zusammenhang mit der Taufvorbereitung sicher gefallen sind, ist für das erkennende Gericht in keiner Weise nachvollziehbar, um von überzeugtem Glauben sprechen zu können
Dass sich der BF nicht sehr mit dem Christentum auseinandersetzt, brachte er auch dahingehend zum Ausdruck, dass es dem BF nicht möglich war, den Unterschied zwischen einem Gottesdienst und einem Abendmahl darzulegen und er nach dreimaliger Stellung einer Gegenfrage schließlich vermeinte, dass er die Frage nicht verstanden habe. Ebenso auffällig war es danach, dass der BF vermeinte, dass für ihn der Besuch von Gottesdiensten nicht wichtig sei. Zwar vermeinte der BF, dass Religion eine Sache des Herzens sei und es wichtig sei, dass man sich im Leben an die Religion halte, jedoch begründete der BF dies auf Nachfrage dahingehend, dass er die Gesetzestreue gemeint habe. Der BF vermittelt hierbei eine besondere Form der Gleichgültigkeit, sich mit den christlichen Lehren auseinanderzusetzen, zumal der BF nun bereits seit bald fünf Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist und er sich schon ab April 2018 im Glaubenskurs befunden hat sowie er im Juni 2019 getauft wurde. Alleine anhand dieser Daten ist zu entnehmen, dass sich der BF nicht erst seit kurzer Zeit für das Christentum interessiert. Ebenso einher geht aus diesen Daten, dass der BF bei ernsthafter Auseinandersetzung mit den christlichen Lehren, alleine aufgrund seines Bildungsstandes in der Lage sein müsste, über ein weitaus tiefergehendes Wissen zu verfügen, als dieser in der mündlichen Verhandlung an den Tag legte. Dass sich der BF nicht tiefergehend mit den christlichen Lehren auseinandersetzt, bringt er auch auf die Antwort zur Frage nach den Veränderungen in seinem Leben, seitdem er Christ geworden sei, zum Ausdruck, indem er sich hierbei weder auf christliche Werte noch auf Inhalte der christlichen Glaubenslehre beruft. Angesichts des hohen Bildungsniveaus des BF hat dieser nicht nur ein sehr geringes Wissen über den christlichen Glauben, sondern kann auch nicht darlegen, warum er konvertiert sei. Hierbei weicht der BF der konkreten Beantwortung der Frage wieder aus, in dem er vermeint, dass er dieses Gefühl nicht darstellen könne. Da er dabei auch erneut anführt, dass es ihm wichtig sei, dass er sich an die Gesetze und Regeln halte, vermittelt der BF den Eindruck, dass er sich nicht näher mit den christlichen Lehren auseinandergesetzt hat und ihm Religion nach wie vor nicht wichtig zu sein scheint (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 22f). Durch die Antworten des BF zum Fragenkomplex der Verinnerlichung des Christentums vermittelte der BF lediglich den Eindruck, dass er sich mit dem Christentum zwar etwas auseinandergesetzt hat und er ein wenig Grundwissen über diese Religion besitzt, jedoch vermittelt er auch den Eindruck, dass er sich nicht tiefgründig mit diesen Lehren auseinandergesetzt und deren Inhalt verstanden hätte. Sohingehend ist davon auszugehen, dass es sich bei der Konversion des BF lediglich um eine Scheinkonversion gehandelt hat. Damit hat der BF über das Asylrecht missbräuchlich versucht, einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erlangen.
Gegen eine Konversion aus innerer Überzeugung des BF spricht auch, dass er dezidiert angab, dass er seit fünf Jahren in Österreich lebe und er sich immer an die hier geltenden Gesetze gehalten habe und es das einzige sei, was er wolle, dass er hier leben dürfe, weil er mehr nicht brauche (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 22). Damit bringt der BF einmal mehr zum Ausdruck, dass er den Glaubenswechsel nur durchgeführt hat, um seine Möglichkeiten auf den Erhalt einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung zu erhöhen und nicht deshalb, weil er diesen Glauben aus innerer Überzeugung hat annehmen wollen.
Ein weiterer entscheidender Punkt, ob eine Person den neuen Glauben tatsächlich verinnerlicht hat, ist der Missionierungsgedanke. Der BF legte in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG dar, dass er missioniere, jedoch konnte er diesen Missionierungsgedanken in keiner Weise plausibel oder nachvollziehbar darlegen. Er gibt zwar an, dass er missioniere, jedoch bestehe seine Aufgabe nicht darin, die Leute von den christlichen Lehren zu überzeugen, sondern dahingehend, die Leute lediglich zu ermutigen, in die Kirche zu gehen. Der BF führt aus, dass diese Personen bereits Informationen über das Christentum hätten und er diese daher nicht mit Inhalten bekehren müsse, jedoch vermittelt der BF in Zusammenschau mit seinem in der mündlichen Verhandlung dargelegten Wissen auch nicht den Eindruck, dass dieser überhaupt in der Lage wäre, andere Personen vom Christentum überzeugen zu können.
Es handelt sich um keine Missionierung, wenn der BF Personen aus seinem Umfeld offenlegt, dass er ein Christ wäre. Daraus ist nicht ersichtlich, dass der BF im Alltag seinen Glauben nach außen tragen und er missionarisch tätig werden würde, zumal er diese Personen nicht davon überzeugen möchte, dass diese ebenfalls den christlichen Glauben annehmen. Eine tiefergehende Missionierung von Personen durch den BF könne aufgrund dessen lediglich rudimentär vorhandenen Wissens über das Christentum ausgeschlossen werden.
Aufgrund des von ihm angeführten Instagramprofils ist eine Verfolgung des BF in seinem Herkunftsstaat ebenfalls ausgeschlossen. Zwar werden auf diesem Profil christliche Inhalte veröffentlicht, jedoch betreibt der BF diese Profile nicht unter seinem richtigen Namen, sodass hierbei keine Rückschlüsse auf den BF gezogen werden können. Auf dem kleinen Profilbild ist der BF einerseits kaum zu erkennen, andererseits ist an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der BF über dieses kleine Bild ausgeforscht werden könnte. Ebenso kann der BF den Namen seines Profils nur auf Nachschau auf sein Mobiltelefon nennen. Wenn der BF vermeint, dass man in seinem Heimatland auf ihn warten würde, weil rund 100 seiner 900 Follower bei Sepa wären, so konnte der BF dies in keiner Weise schlüssig darlegen. Er vermeint unter Nennung zweier Vornamen, dass diese beiden Follower bei Sepa sein würden. Jedoch war es dem BF nicht möglich, diese beiden von ihm genannten Follower in seiner Kontaktliste zu finden. Erst nach einer fünfminütigen Unterbrechung vermeinte der BF, unter Nennung eines anderen Namens, dass er einen Kontakt gefunden hätte, der bei Sepa sei. Im Übrigen meinte der BF auch, dass Sepa und Basij das gleiche wären. Aufgrund des Anführens dieser Schutzbehauptungen ist ebenfalls nicht davon auszugehen, dass dieses Profil eine Verfolgung des BF durch die Behörden seines Heimatstaates nach sich ziehen würde.
Damit kann auch ausgeschlossen werden, dass jeder davon wisse, dass der BF wegen seiner Taufe und seinen Tätigkeiten für die Kirchengemeinde konvertiert und missionarisch tätig geworden sei.
Nochmals sei an dieser Stelle auf den obzitierten strengeren Maßstab, der im Falle einer Konversion im Erwachsenenalter anzulegen ist, verwiesen und hervorzuheben, dass der BF die diesbezüglichen Anforderungen mit seinen vagen und phrasenhaften Angaben nicht zu erfüllen vermochte und diese nicht geeignet sind, die Hinwendung zu einem neuen Glauben nachvollziehbar zu erklären.
Derartige unsubstantiierte und vage Angaben, welche ohne jeglichen inhaltlichen Aussagewert sind, und das Ausweichen auf wiederholt gestellte Fragen, lassen keine nachvollziehbaren Rückschlüsse auf eine tatsächliche Motivation zur Hinwendung des BF zum christlichen Glauben zu. Gerade bei Personen, die sich einem neuen Glauben zugewendet haben und die die im Herkunftsland verbotene und daher risikobehaftete Möglichkeit wahrnehmen, sich mit christlichen Glaubensfragen auseinanderzusetzen und den daraus resultierenden Wunsch nach einer Konversion hegen, müssen die Motive und entsprechenden spirituellen Vorgänge jedoch mit zahlreichen Emotionen und Überlegungen verknüpft und von großer Einprägsamkeit sein, sodass diese fundiert und umfassend darüber berichten können. Ebenfalls sollte diesbezüglich auch davon auszugehen sein, dass der BF einen erkennbaren Willen zeigt, dass er in Österreich seinen Glauben ausüben und vertiefen möchte. Dies ließ der BF jedoch fast völlig vermissen.
Da der BF aber lediglich oberflächliche und ausweichende Antworten von sich gab, kann nicht von einer nachvollziehbaren und somit glaubwürdigen Hinwendung des BF zum Christentum während seines Aufenthaltes in Österreich, sondern von seiner Gleichgültigkeit der Religion gegenüber ausgegangen werden.
Im Lichte der bisherigen Ausführungen wären seitens des BF, der mit dem islamischen Glauben sozialisiert wurde und sich als Erwachsener bewusst einer neuen Religion zugewendet haben wolle, jedoch fundierte, nachvollziehbare und substantiierte Ausführungen hinsichtlich seines Glaubenswechsels zum Christentum zu erwarten gewesen, was dem BF mit den obzitierten Angaben jedoch nicht gelungen ist.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass es gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des BF spricht, dass dieser illegal ins Bundegebiet eingereist ist und er den Antrag auf internationalen Schutz erst nach einer Durchquerung zahlreicher sicherer Länder gestellt hat. Aus welchen Gründen er dies zuvor unterlassen hätte, wurde von ihm nicht plausibel angeführt.
Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass der BF nunmehr Präferenzen hat, in Österreich zu leben. Zur Erreichung dieses Zieles scheute der BF offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren - trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben - über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit des BF ist daher im Verfahren auch aus diesem Grund zu verneinen. Warum er angesichts der von ihm skizzierten Bedrohungslage im Herkunftsland nicht zumindest versucht hat, möglichst zeitnah zur Einreise ein Schutzansuchen zu stellen, erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung dieses Ausmaßes annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen aus den dargelegten Gründen einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht standhalten konnten und diese sohin insgesamt als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.
Der BF konnte hinsichtlich seiner behaupteten Konversion keine überzeugende Hinwendung zum christlichen Glauben darlegen. Weder vermittelte er den Eindruck, dass er seinen Glauben tiefgründig praktiziere noch er ernsthaft missioniere. Er konnte zwar Bescheinigungsmittel vorlegen, die bezeugen, dass er sich mit dem christlichen Glauben beschäftigen würde bzw. er in einer kirchlichen Gemeinde aktiv ist, jedoch konnte er nicht überzeugend darlegen, dass er das Christentum verinnerlicht hat oder einen Prozess des Abwendens vom Islam vollzogen hat.
Der BF setzte durch seine Taufe und seiner Teilnahme am Leben einer christlichen Gemeinde nach außen hin sichtbare Aktivitäten, jedoch hat er nicht darlegen können, dass seine Konversion aus innerer Überzeugung erfolgte und er nach der Konversion diese Überzeugung vertieft hätte. Auch aus diesen Erwägungen ist nicht auf die Glaubwürdigkeit der Konversion des BF zu schließen.
Aufgrund der dargelegten ausweichenden Erklärungen des BF auf ihm in der Verhandlung konkret gestellte Fragen, kann von keiner tiefgründigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten und tiefergehenden Bibelwissen ausgegangen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BF im Zusammenhang mit dem Praktizieren seines Glaubens, diesen Glaubenswechsel nicht aus innerer Überzeugung vollzogen hat. Eine tatsächliche Auseinandersetzung mit Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen und spirituellen Hinwendung und eine christliche Lebensführung lässt er ebenfalls vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der Glaubenslehre durch den BF ausgegangen werden kann.
Die soeben dargelegten Vorgehensweisen und die Antworten des BF vermitteln deutlich ein Gesamtbild, wonach eine tatsächliche, ernsthafte und inhaltliche Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten und Inhalten der Bibel nicht gegeben ist, sodass nicht von einer Konversion im Sinne einer inneren, tatsächlichen Hinwendung zum Christentum ausgegangen werden kann, sondern von einer Konversion, welche lediglich zum Schein erfolgte.
Auch einen auslösenden Faktor für seine behauptete Hinwendung zum Glauben vermochte der BF nicht glaubwürdig zu benennen. Ein auslösendes Ereignis bzw. ein Schlüsselerlebnis für seine Glaubensänderung konnte der BF nicht glaubwürdig darlegen, zumal weder ein Schlüsselerlebnis dargelegt noch die Entscheidung, zur evangelischen Kirche zu gehen, ausreichend begründet werden konnte.
Zusammenfassend ist im Lichte der obigen Ausführungen und dargelegten vielfältigen Faktoren sohin nicht davon auszugehen, dass der BF sich aus ernsthafter innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewendet hat, sondern ist vielmehr von einer behaupteten Konversion aus asyltaktischen Gründen auszugehen. Auch, wenn der erkennende Richter festhält, dass der BF in der Lage war, einige Wissensfragen zum Christentum unsubstantiiert und oberflächlich zu beantworten, wobei jedoch auch gleichzeitig die aufgezeigten doch gravierenden Wissenslücken existent waren. Dies spricht zwar dafür, dass der BF sich teilweise grundsätzliches und rudimentäres Wissen über den christlichen Glauben aneignete, was auch aufgrund seines Bildungsstandes und der mittlerweile doch nicht völligen kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich, für den BF, nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden ist.
Doch auch die Aneignung von Wissen allein ist jedoch für eine tatsächliche glaubwürdige Konversion nicht ausreichend, sondern ist dafür eine Gesamtbetrachtung notwendig, aus der sich jedoch aus den dargelegten Gründen klar die Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF ergibt.
Vielmehr spricht der in der mündlichen Verhandlung hervorgekommene Eindruck des BF für keine substantiierte spirituelle Haltung oder intellektuelle Auseinandersetzung, welche von einer Person, die sich aus freien Stücken einem neuen Glauben, welcher aufgrund der in Österreich herrschenden Religionsfreiheit auch frei gelebt werden kann, zugewendet hat.
Zudem brachte der BF in religiöser Hinsicht eine eklatante Oberflächlichkeit zum Ausdruck, wenn er kein Interesse an der Auseinandersetzung mit dem in Österreich gelebten Islam oder ein tiefergehendes Auseinandersetzen mit den anderen Glaubensrichtungen des Christentums gehabt hat. Eine tiefere innere Auseinandersetzung mit den jeweiligen Glaubensinhalten, auch mit denen der evangelischen Religionsgemeinschaft, unterblieb durch den BF.
Von einer Glaubensausübung des BF im Rückkehrfall, wie einer missionarischen Tätigkeit des BF, welche die Weitergabe von Glaubenslehre, die Verkündung des Glaubens und die Bekehrung zu dem betreffenden Glauben beinhaltet, kann beim BF aufgrund der bisherigen Ausführungen nicht ausgegangen werden.
Der erkennende Richter konnte sich vom Wissensstand des BF hinsichtlich der Inhalte des christlichen Glaubens, dem Praktizieren dieses Glaubens und von diesem selbst sowie seiner Einstellung in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschaffen und kam zum Schluss, dass dieser für die Annahme einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion im Sinne der oben genannten Definition nicht ausreichend ist; die Ausführungen des BF zeigten, wie sich das Verhältnis des BF zum christlichen Glauben darstellt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und sich in weiterer Folge ernsthaft und nachhaltig dem Christentum zugewandt hat bzw. im Falle einer Rückkehr im Iran diesen Glauben praktizieren werde und deshalb in das Blickfeld der Behörden geraten oder missionierend bzw. in einer herausgehobenen Position tätig sein werde.
Dass die vorgebliche Konversion des BF den iranischen Staatsorganen bereits bekannt geworden ist, ist nicht anzunehmen. Aus dem den Asylantrag begründenden Vorbringen des BF ergibt sich aufgrund dessen Implausibilität nicht, dass dieser in politischer oder religiöser Hinsicht in irgendeiner Form auffällig geworden und in das Visier der iranischen Behörden geraten ist.
Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der iranische Staat sämtliche Aktivitäten iranischer Staatsbürger überwacht und dazu auch nicht die faktischen Möglichkeiten hat. Der BF hat den Herkunftsstaat nicht vorverfolgt verlassen, hat sich in keiner Weise exponiert und kann aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF nicht davon ausgegangen werden, dass er im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten oder für diese von irgendeinem Interesse sein könnte.
Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik exilpolitische Feststellungen und Apostasie/Konversion, welche insgesamt davon ausgehen, dass vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen, im Fokus stehen; auch wird darin festgehalten, dass es einige Geistliche waren, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, und zuvor im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Beim BF handelt es sich jedoch nicht um einen Geistlichen.
Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der BF derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass er unter Beobachtung steht und seine Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchte, um ihm - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.
Konversion bedeutet die Übernahme von neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen sowie möglicherweise auch anderen Teilen der mit der fremden Religion verbundenen Kultur durch eine konvertierende Person. Die Angaben des BF zu seiner Konversion zum Christentum sind aus den dargelegten Erwägungen des erkennenden Richters nicht als glaubwürdig zu qualifizieren und ist daher davon auszugehen, dass die Konversion des BF zum Christentum nur dargelegt wurde, um Vorteile im Asylverfahren zu erwirken.
Aufgrund der mehrfach vorliegenden dargelegten Faktoren, welche bei Gesamtschau gegen eine tatsächliche Konversion des BF sprechen, entspricht die Ansicht auch der obzitierten höchstgerichtlichen Judikatur hinsichtlich einer Gesamtbeurteilung.
Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass sowohl die Gründe für die Ausreise als auch die geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe des BF, als unglaubwürdig zu qualifizieren waren.
2.4. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den aktuellen angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.
Die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen resultieren aus den zitierten Länderdokumenten, welche auf verschiedenartigen, objektiven Quellen, die inhaltlich miteinander in Einklang stehen, basieren.
Der BF trat diesen in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, sondern gab der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung an, diese zu kennen. Es ist im Lichte der Länderfeststellungen nochmals festzuhalten, dass die Angaben des BF zu einer tatsächlichen Konversion nicht glaubwürdig sind und er bislang nicht in das Blickfeld der iranischen Behörden geriet, weshalb ihm aus den dargelegten Gründen die Scheinkonversion in Österreich auch nicht zum Nachteil gereicht; die seitens des BF angegebenen Aktivitäten (v.a. Gottesdienstbesuche, Bibelkurse) können sohin auch nicht als identitätsstiftend für den BF erachtet werden. Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF aufgrund der dargelegten Gründe zu einer Missionstätigkeit im Iran in der Lage ist oder ein nachhaltiges Interesse an derartigen Aktivitäten hat.
Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.
Zur Auswahl der Quellen wird angeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges bediente, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat des BF machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.
Jedenfalls handelt es sich bei den dem Verfahren zugrundegelegten Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann.
Die in das Verfahren integrierten Länderinformationen wurden schließlich von der Staatendokumentation des BFA, zusammengestellt, deren Qualität ob der gesetzlichen Verpflichtung zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien (§ 5 Abs. 2 BFA-G) nicht in Zweifel gezogen wird.
Der BF ist weder in der gegenständlichen Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat noch den länderkundlichen Feststellungen in der mündlichen Verhandlung, substantiiert entgegengetreten.
Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage und zur speziellen Situation des BF im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.
Wenn die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird, ist darauf zu verweisen, dass eine solche am 07.12.2020 durchgeführt wurde. In dieser wurde einerseits die Taufe und die Auseinandersetzung mit den christlichen Glaubensinhalten des BF belegt, jedoch der BF in dieser auch nicht den Eindruck vermitteln, dass er sich tiefergehend mit den christlichen Lehren auseinandergesetzt hat und dieser Glaube für ihn nun identitätsstiftend geworden wäre. Zur Frage der inneren Überzeugung und Verfestigung der Konversion war der persönliche Eindruck des BF auschlaggebend, wobei es diesen selbst nicht möglich war, dem erkennenden Richter darzulegen, dass er sich tiefergehend mit dem Christentum auseinandergesetzt hat.
3. Rechtliche Beurteilung (Zu Spruchteil A):
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.
Nach Ansicht des erkennenden Richters sind im Falle des BF die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem der in der GFK genannten Gründen nicht gegeben.
Das ausreisekausale Vorbringen des BF und der von ihm geltend gemachte Nachfluchtgrund der Konversion waren in ihrer Gesamtheit – wie in der Beweiswürdigung detailliert ausgeführt – nicht als glaubwürdig zu qualifizieren, weshalb dieses Vorbringen auch nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.
Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83 /eg, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.
Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83 /eg geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.
Um von einer Asylrelevanz überhaupt ausgehen zu können, kommt es auf die Art der Ausübung des christlichen Glaubens im Iran an, sowie darauf, ob der Asylwerber bei der Ausübung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanter Gefährdung zu rechnen hat.
Es bedarf hinsichtlich einer etwaigen Gefährdung im Heimatland grundsätzlich der vollen richterlichen Überzeugung, dass jemand während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten ist und für ihn dessen Ausübung auch bei angenommener Rückkehr eine besondere, identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung hat. Dazu genügt regelmäßig nicht, dass „ein Kläger in der mündlichen Verhandlung fragen zum Christentum fehlerfrei beantwortet, weshalb für eine Überzeugungsbildung prinzipiell alle Aspekte eines Falles in den Blick zu nehmen sind. Dazu können beispielsweise die Persönlichkeit und intellektuelle Disposition eines Ausländers, die Glaubhaftigkeit seines Vorfluchtvorbringens sowie der Zeitpunkt der Kontaktaufnahme zu einer christlichen Gemeinde in Relation zur Einreise in die Bundesrepublik und zum Datum der Asylantragsentscheidung zählen. Ebenfalls für die richterliche Überzeugungsbildung prinzipiell erkenntnisgeeignet sind das Selbstverständnis der christlichen Gemeinde bzw. die näheren Umstände ihrer Arbeit. So ist gerichtsbekannt, dass die Freie evangelische Gemeinde Nürnberg ein Treffpunkt iranischer Asylwerber ist, der durch Mund-zu Mund-Propaganda mitgeteilt wird“ (VG Ansbach, U vom 05.12.2014 –AN 1 K 14.30550 5565537 zu Iran; vergleichbar VG Gießen, U.v.11.12.2014 – 3K 1598/14.GLA 5737602 zu Iran; VG Frankfurt/M., U.v.24.09.2014 – 1 K3593/13.F.A. 5481537 zu Iran; VG Wiesbaden, U.v. 20.08.2014 – 2 K 1111/12. WI.A 5465041 zu Pakistan).
Bei der Prüfung, ob tatsächlich Verfolgungsgefahr gegeben ist, sind sowohl objektive als auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Es kommt nicht ausschließlich auf den erfolgten Glaubensübertritt an, da dieser allein in der Regel noch nicht zu einer begründeten Verfolgungsfurcht führt. Bei Antragstellern, die unverfolgt aus dem Herkunftsstaat ausreisen, wird daher eine doppelte Prognose unter Würdigung der Gesamtumstände vorgenommen. Zu berücksichtigen ist das zu erwartende Verhalten des Antragstellers in seinem Herkunftsstaat und die voraussichtliche Reaktion der Behörden oder anderer Akteure. Maßgeblich für diese doppelte Prognose sind jedoch nicht detaillierte Kenntnisse über die Konversionsreligion und spielen diese bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle.
Basis der doppelten Prognose ist die Ernsthaftigkeit des religiösen Engagements, das sich durch ein Verhalten ausdrückt. Bescheinigungen über die Art, den Umfang und die Dauerhaftigkeit der Beteiligung des Antragstellers an den Aktivitäten der jeweiligen Kirchengemeinde geben darüber Aufschluss und sind zu berücksichtigen. Für die Überzeugung werden stets alle Aspekte des jeweiligen Falles - sowohl subjektive als auch objektive- in den Blick genommen (Sarah Bega, 410/Ursula Gräfin Praschma, AL 4, Entscheiderbrief des BMF 5/2015).
Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen und auch der zitierten aktuellen Judikatur ist der Schluss zu ziehen, dass aus der lediglich formalen, bzw. zum Schein erfolgten Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu vorliegt - ohne des Vorliegens einer exponierten Tätigkeit wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.
Dass der BF, wie viele andere iranische Konvertiten die Kirche besucht und ihm dies im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht wird, kann aufgrund der in der Beweiswürdigung getroffenen Ausführungen, wonach nicht davon auszugehen ist, dass der BF für die iranischen Behörden in irgendeiner Weise von Interesse ist und unter Beobachtung steht und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten des BF den iranischen Behörden oder sonstigen Privatpersonen abseits der Familienangehörigen bekannt werden sollten, nicht festgestellt werden. Auch die in Österreich durchgeführte Taufe würde ein etwaiges Interesse des iranischen Staates am BF nicht entscheidend verstärken.
Auch betreffend den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen zufolge betreffen Repressionen jedoch vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass der BF, welcher zum Schein konvertiert ist den christlichen Glauben nur wenig ausübt und dieser für ihn auch nicht identitätsstiftend ist, unter diese Gruppe fällt, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein bzw. ist zu verneinen, dass der BF aufgrund seines rudimentär und oberflächlich vorhandenen Wissens hinsichtlich christlicher Glaubensinhalte dazu in der Lage wäre.
Auch ist den Feststellungen zu entnehmen, dass Geistliche, welche im Iran in der Vergangenheit verfolgt oder ermordet wurden, im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Beim BF handelt es sich jedoch um keinen Geistlichen, sondern um eine Person, welche lediglich zum Schein konvertiert ist, sodass daraus keine asylrelevante Gefährdung des BF abzuleiten ist.
Aus den Länderfeststellungen ist letztlich zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.
Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten.
Das Verhalten des BF, erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht des erkennenden Richters daher nicht gegeben.
Letztlich sei hervorgehoben, dass lt. den in das Verfahren integrierten aktuellen länderkundlichen Feststellungen konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die iranischen Behörden nicht von Interesse sein werden (vgl. dazu auch EGMR, 19.12.2017, 60342/16 A. gg. die Schweiz – eine Konversion führt nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zur Verfolgung im Iran: „...dass Konvertiten im Iran nur dann dem Risiko einer Misshandlung ausgesetzt sind, wenn sie durch die öffentliche Ausübung ihres Glaubens die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden erregen.“).
3.1.3. Sohin ist auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes im gegenständlichen Fall aufgrund der dargelegten Erwägungen zu verneinen.
Nach den getroffenen Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass iranische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.
3.1.4. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.
Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinem Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich (vgl. dazu die einschlägigen Länderfeststellungen), auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.
Der BF ist in Österreich aber auch im Iran in keiner Weise öffentlich regimefeindlich aufgefallen und ist mangels Exponiertheit des BF auch nicht davon auszugehen, dass diese seitens der iranischen Behörden in Österreich überwacht wird.
Der Verfassungsgerichtshof entschied mit Erkenntnis vom 20. September 2010, U 1863/09-12, unter Hinweis auf das im Vorabsatz erwähnte Urteil des EGMR, dass bei einer Rückkehr in den Iran bezüglich der Prüfung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung neben der zuvor erwähnten Berücksichtigung der angespannten Situation auch die speziellen Risiken bedacht werden müssen, denen Iraner ausgesetzt sind, wenn sie, ohne über Beweismittel für ihre legale Ausreise zu verfügen, in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssen. Auf Grund aktueller Länderberichte stehe fest, dass diese besonders leicht einer genauen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Ausreise aus dem Iran unterzogen werden. Diesfalls wäre es wahrscheinlich, dass ein Iraner ohne gültige Ausreisepapiere die Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsbehörden auf sich ziehen und seine Vergangenheit dabei offengelegt würde. Diese beiden Gesichtspunkte zusammen können dazu führen, dass die Ausweisung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat angesichts der gegenwärtigen Umstände eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung darstellt. Da der BF zur genannten VfGH-Judikatur ein unglaubwürdiges Vorbringen erstattet habe, ist er daher zu keinem Zeitpunkt ins Blickfeld des iranischen Staates geraten. Ebenfalls habe er den Iran nicht vorverfolgt verlassen und weil sein gesamtes Vorbringen als unglaubwürdig zu werten ist, liegt letztlich keine Gefährdung vor.
Bei Gesamtschau des im gegenständlichen Verfahren festgestellten Sachverhaltes lässt sich keine Rückkehrgefährdung des BF erkennen, welche über die bloße Möglichkeit hinausgeht.
Nach den getroffenen Länderfeststellungen herrscht im Iran ferner nicht eine generell unsichere, von bewaffneten Unruhen geprägte Lage, aufgrund derer der BF bei einer Rückkehr einer konkreten Gefährdung ausgesetzt werden würde.
Ferner ist die Grundversorgung sowie die medizinische Versorgung grundsätzlich gewährleistet und besteht den länderkundlichen Feststellungen zufolge auch die Möglichkeit der Beziehung von Sozialbeihilfen.
Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern.
Beim BF handelt es sich um einen erwachsenen, gesunden und arbeitsfähigen Mann, der sich im erwerbsfähigen Alter befindet und bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt im Herkunftsstaat auch über Angehörige (Ehefrau, zwei Kinder, Mutter und zahlreiche Geschwister). Ebenso würden sich weitere weitschichtige Verwandte im Iran aufhalten. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum der erwachsene BF im Iran keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte, selbst wenn er im Falle von Anfangsschwierigkeiten keine Unterstützung durch seine Verwandte und Freunde finden würde, zumal der BF auch bereits vor seiner Ausreise aus dem Iran in der Lage war, seine Versorgung alleine sicherstellen zu können, zumal er schon vor der Ausreise im Jahr 2016 jahrelang als selbstständiger Elektriker erwerbstätig gewesen ist.
Der BF ist im Iran aufgewachsen und hat dort nach der Matura als selbstständiger Elektriker jahrelang gearbeitet und durch diese daraus resultierenden Einkünfte seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Der erwachsene BF ist gesund sowie in einem jungen und erwerbsfähigen Alter und besitzt nebenbei auch Berufserfahrung in der Landwirtschaft. Er wurde im Iran sozialisiert und es ist Personen im Alter um die 40 Jahre zuzumuten, sich in einer neuen Umgebung innerhalb des Irans niederzulassen und sich dort eine Existenz aufzubauen. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Letztlich war zu berücksichtigen, dass der BF in der Beschwerde den vom BFA zugrunde gelegten Länderberichten und ebenso wenig den in das Verfahren aufgenommenen Länderberichten zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Iran nicht substantiiert entgegengetreten ist, nicht dargelegt habt, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.
Es ist daher nicht ersichtlich, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr in den Iran dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlt. Gemäß den getroffenen Länderfeststellungen ist die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet; Gegenteiliges wurde vom BF auch nicht dargetan. Er spricht jedenfalls die Sprache der Majoritätsbevölkerung Persisch. Der BF hat eine profunde Schulbildung und Arbeitserfahrung, auf die er sich bei der Arbeitssuche stützen könne und es ist aus dem Aufenthalt in Österreich ersichtlich, dass er mobil und in der Lage ist, auch in einer für ihn fremden Umgebung sein Leben zu organisieren.
Wendet man die einschlägige Judikatur des EGMR auf den gegenständlichen Fall an, so kann das Bundesverwaltungsgericht in etwaigen gesundheitlichen Problemen des BF somit keinen Grund für ein Abschiebungshindernis erkennen.
Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in den Iran gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation im Herkunftsstaat des BF schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den BF im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.
Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Demnach waren auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - § 57 AsylG sowie § 52 FPG):
3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der BF befindet sich seit Juni 2016 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.
3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist als Staatsangehöriger der Republik Iran kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen und ebenso wenig nach dem AsylG zu.
3.3.4. Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
3.3.4.1. Insoweit der BF glaubwürdig angab, dass er in Österreich keine Familienangehörigen hat, ist es auch glaubwürdig, dass der BF auch zu sonstigen Personen im Bundesgebiet keine familienähnliche Beziehung führt. Es besteht auch kein gemeinsamer Wohnsitz oder ein sonstiges besonderes Abhängigkeitsverhältnis, zu einer sonstigen in Österreich aufenthaltsberechtigten Person. Aus diesen Gründen war beim BF nicht näher auf ein bestehendes Familienleben in Österreich einzugehen.
Gegenteiliges wurde dem Bundesverwaltungsgericht weder in der mündlichen Verhandlung noch bis zur Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses mitgeteilt. Gerade wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand wie etwa ihre familiären Verhältnisse handelt, besteht aber eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 14.02.2002, 99/18/0199; VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Ein entscheidungsrelevantes Familienleben des BF ist daher zu verneinen.
3.3.4.2. Zum Privatleben des BF in Österreich ist folgendes festzuhalten:
Die Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet seit seiner illegalen Einreise im Juni 2016 ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass dieser nach illegaler Einreise bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.
Die Interessen des BF werden ferner auch dadurch erheblich gemindert, dass sein Aufenthalt danach lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers nämlich wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Zu verweisen ist im Zusammenhang mit dem bislang knapp unter fünf Jahren dauernden Aufenthalt des BF in Österreich zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet sowie auch auf das jüngste Urteil des EGMR vom 8. April 2008, Nr. 21878/06 (NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich), in welchem der EGMR im Rahmen der Interessensabwägung zum Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich das öffentliche Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle bei erfolglosen Asylanträgen höher wiegen muss als ein während des Asylverfahrens begründetes Privatleben.
Der BF übte bislang in Österreich keine ständige und erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er lebt von der staatlichen Grundversorgung und konnte keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des BF liegt im Iran, wo zahlreiche Verwandte leben. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Dies ergibt sich vorrangig aus der zum gegebenen Zeitpunkt noch relativ kurzen Aufenthaltsdauer von etwas knapp unter fünf Jahren. Der BF spricht die deutsche Sprache lediglich auf der Niveaustufe A2 und ist im Zuge seines Aufenthalts nur gemeinnützig tätig geworden, wodurch die wirtschaftliche Integration nicht gelungen ist. Der BF hat weder eine sonstige Ausbildung begonnen noch ist er Mitglied in Vereinen. Auch wenn er einige Integrationskurse besucht hat, überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung bei Weitem. Daher ist der Eingriff in das Privatleben des BF jedenfalls notwendig und verhältnismäßig. Eine Integrationswilligkeit des BF reicht bei der gegebenen Sachlage nicht für ein Überwiegen der privaten Interessen aus.
Der BF hat bezüglich seiner sprachlichen Integration dargelegt, dass er an zahlreichen Sprachkursen teilgenommen hat, jedoch habe er im Laufe des Verfahrens keine weiteren Bescheinigungsmittel – abgesehen von den Referenzschreiben, die ausschließlich aus dem Umfeld des BF stammen – vorgelegt, aus denen hervorgeht, wodurch im konkreten Fall eine besondere Integration des BF gegeben sein soll. Daher sind besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration in Österreich gezeigt hätten, nicht hervorgekommen.
Es ist davon auszugehen, dass im Falle des BF schon aufgrund der zeitlichen Komponente und der dargelegten weiteren Faktoren naturgemäß ein nur geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt größtenteils nur auf seinen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort Familienangehörige und Freunde leben und der BF auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache beherrscht. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit nach wie vor Bindungen des BF zum Iran bestehen. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der BF im Verfahren nicht dargetan.
Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des BF am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.09.2007, B 1150/07).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
3.4. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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