OGH 13Os1/07g; 11Os48/07d; 11Os54/07m (RS0122006)

OGH13Os1/07g; 11Os48/07d; 11Os54/07m13.11.2024

Rechtssatz

Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).

Normen

StGB §28 Abs1

13 Os 1/07gOGH11.04.2007

Verstärkter Senat

11 Os 48/07dOGH22.05.2007

Vgl auch

11 Os 54/07mOGH19.06.2007

Auch

14 Os 90/08dOGH05.08.2008

Auch

13 Os 83/08tEGMR27.08.2008

Vgl; Beisatz: Beitragshandlungen sind hinsichtlich jeder Vereinigung und Organisation als tatbestandliche Handlungseinheit zusammenzufassen. (T1)

11 Os 51/11aOGH30.06.2011

Vgl auch; Beisatz: Unter wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld) gesetzte rechtswidrige Angriffe sind als tatbestandliche Handlungseinheit mit der Konsequenz nur einmaliger Tatbestandsverwirklichung zusammenzufassen. (T2)<br/>Beisatz: Sind zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasste gleichartige Handlungen teils vollendet und teils versucht, ist dies im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen. (T3)<br/>Beisatz: Hier: Ein versuchter neben einem vollendeten schweren Raub nach §§ 142, 143 zweiter Fall, 15 StGB – kein Freispruch, sondern Kassation des Schuld- und Strafausspruchs zum (fälschlich gesondert verurteilten) versuchten schweren Raub. (T4)

15 Os 106/11vOGH20.12.2011

Vgl auch; Beis wie T3; Beisatz: Hier: Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 StGB. (T5)

15 Os 117/11mOGH14.12.2011

Vgl; Beisatz: Mehrere im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit begangene Angriffe stellen eine einzige Tat dar, weshalb mit der bloßen Bekämpfung einzelner Ausführungshandlungen – soweit dadurch die rechtliche Beurteilung nicht tangiert wird – keine für die Schuld- und Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache angesprochen wird. (T6)

12 Os 4/12yOGH31.01.2012

Vgl auch

14 Os 68/14bOGH12.08.2014

Vgl auch; Beis wie T6

17 Os 30/14mOGH13.10.2014

Vgl auch; Beisatz: Hier: Tatbestandliche Handlungseinheit in Brüssel und London. (T7)

11 Os 97/14wOGH25.11.2014

Auch; Beis ähnlich wie T4; Beisatz: Hier: Verfehlte Annahme eines zusätzlichen Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und eines Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB. (T8)

15 Os 105/14aOGH01.10.2014

Vgl; Beisatz: Hier: Für die Erfüllung der Grenzmengenqualifikation des § 22a Abs 5 zweiter Fall ADBG 2007 ist ein auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichteter Vorsatz nicht erforderlich (T9)

11 Os 116/14iOGH25.11.2014

Vgl

15 Os 49/15tOGH29.04.2015

Vgl; Beisatz: Werden mehrere gegen dasselbe Opfer gerichtete, gleichartige Tathandlungen nach § 207 Abs 1 StGB innerhalb kurzer Zeit nicht aufgrund eines Gesamtvorsatzes sondern aufgrund jeweils gesondert gefasster Willensentschlüsse gesetzt, liegt keine tatbestandliche Handlungseinheit vor. (T10)

12 Os 47/15aOGH11.06.2015

Vgl

12 Os 146/15kOGH07.04.2016

Auch; Beis wie T6

11 Os 29/16yOGH10.05.2016

Auch

11 Os 20/16zOGH05.07.2016

Auch

12 Os 113/16hOGH22.09.2016

Vgl

12 Os 114/16fOGH17.11.2016

Auch; Beis wie T6; Beisatz: Hier: Mehrere Beteiligungshandlungen an einer terroristischen Vereinigung. (T11)

14 Os 108/16pOGH24.01.2017

Auch; Beisatz: Zum nach § 61 StGB anzuwendenden Recht bei tatbestandlicher Handlungseinheit. (T12)

14 Os 113/16yOGH24.01.2017

Auch

12 Os 65/16zOGH21.03.2017

Auch; Beis wie T8

12 Os 123/16dOGH06.04.2017

Auch

13 Os 129/17wOGH06.12.2017

Vgl

11 Os 53/18fOGH19.06.2018

Vgl

14 Os 54/18zOGH03.08.2018

Auch; Beisatz: Diebstahl eines Wohnungsschlüssels aus einem PKW und nachfolgender Einbruchsdiebstahl in die zugehörige Wohnung mit einheitlichem Willensentschluss. (T13)

11 Os 106/18zOGH13.11.2018

Auch

12 Os 128/19vOGH20.01.2020

Vgl

11 Os 9/20pOGH23.04.2020

Vgl; Beis wie T6

12 Os 39/18dOGH09.03.2020

Vgl

15 Os 92/19xOGH05.06.2020

Vgl; Beisatz: Hier: Mehrere Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie mehrere Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB. (T14)<br/>Beisatz: Diese Grundsätze sind auch auf den Entschädigungstatbestand nach § 6 Abs 1 MedienG zu übertragen. (T15)

11 Os 75/20vOGH01.09.2020

Beisatz: Hier: § 92 Abs 2 StGB. (T16)

14 Os 59/20pOGH29.09.2020

Vgl

15 Os 99/20bOGH04.11.2020

Vgl

12 Os 142/20dOGH21.01.2021

Vgl

14 Ns 78/20mOGH14.01.2021

Vgl

11 Os 6/21yOGH15.03.2021

Vgl

11 Ns 51/21wOGH26.07.2021

Vgl; Beisatz: Hier: § 50 Abs 1 Z 2 WaffG. (T17)

11 Os 93/21tOGH02.11.2021

Vgl

15 Os 85/21wOGH20.10.2021

Vgl

11 Os 111/21iOGH15.12.2021

Vgl; Beisatz: Hier: § 3g VG. (T18)

12 Os 17/22zOGH31.03.2022

Vgl

29 Ds 1/21zOGH28.03.2022

vgl; Beisatz wie T6<br/>Beisatz: Hier: Mehrere beleidigende Äußerungen innerhalb eines Schriftsatzes. (T18) = nunmehr (T18a)<br/>Anm: Änderung der versehentlich doppelt vergebenen T18 auf T18a (August 2023)

12 Os 56/22kOGH18.08.2022

Vgl

11 Ns 65/22fOGH17.08.2022

Vgl

12 Os 112/22wOGH07.11.2022

Vgl

12 Os 107/22kOGH04.11.2022

Vgl

15 Os 64/22hOGH18.10.2022

Vgl

13 Os 42/23kOGH28.06.2023

vgl

12 Os 31/23kOGH07.09.2023

vgl

14 Os 4/24fOGH18.03.2024

vgl

15 Ns 120/23zOGH17.04.2024

vgl

13 Os 42/24mOGH11.09.2024

vgl; Beisatz wie T18

15 Os 120/24xOGH13.11.2024

vgl; Beisatz wie T3

Dokumentnummer

JJR_20070411_OGH0002_0130OS00001_07G0000_001

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