OGH 13Os1/07g

OGH13Os1/07g11.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp als Vorsitzenden und durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und Dr. Holzweber, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Danek und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Sch* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 24. August 2006, GZ 20 Hv 68/06y‑33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Mag. Steier, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E84139

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Verstärkter Senat

 

Spruch:

In Stattgebung beider Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - demnach auch in der Verurteilung des Angeklagten wegen je für sich gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB zu I/1‑5, 7‑9, 11‑15, 17, 18, 20 und 21 - unberührt bleibt, in dem zu I/22 ergangenen Schuldspruch, in der Subsumtion der übrigen Taten unter § 148 zweiter Fall StGB, in der Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung des zu I/22 ergangenen Schuldspruchs und des Strafausspruchs zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Franz Sch* wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von 2004 bis 3. Oktober 2005 an verschiedenen (einzeln genannten) Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Betrug (I/1‑5, 7‑9, 11‑15, 17, 18, 20‑22) und Betrug mit einem 3.000 Euro übersteigenden Schaden (§ 147 Abs 2 StGB; I/4, 11, 13 und 14) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine Vielzahl von Verfügungsberechtigten im einzelnen bezeichneter Unternehmen durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Ausfolgung einer Vielzahl von Waren oder zu Dienstleistungen und zur Bereitstellung von Hotelzimmern veranlasst, welche die Unternehmen im Gesamtbetrag von über 30.000 Euro schädigten (I), und zwar, soweit angefochten und unter dem Aspekt amtswegiger Wahrnehmung von Bedeutung,

„4. am 13. Juli 2005 und am 18. Juli 2005 in L* in zwei Angriffen Verfügungsberechtigte der Fa. E* GmbH zur Übergabe zweier Laptops Chiligreen, Type Mobilitas CT C5‑M600A WXWS im Wert von insgesamt 3.301,20 Euro";

„11. zwischen 2. Juni und 5. Juli 2005 (vgl US 17) in W* in insgesamt sechs Angriffen Verfügungsberechtigte der Fa. E* GmbH zur Übergabe von Mobiltelefonen, Wertkarten, DVDs, eines Laptops und eines DVD‑Players im Wert von insgesamt 3.342,82 Euro";

„13. am 23. August 2005 in D* und am 8. September 2005 in S* Verfügungsberechtigte der Fa. a* GmbH & Co KG zur Übergabe zweier Laptops der Marke Toshiba im Gesamtwert von 4.129,50 Euro";

„14. im Zeitraum 12. September 2005 bis 23. September 2005 in S* in drei Angriffen Verfügungsberechtigte der Fa. C* GmbH zur Übergabe dreier Laptops im Wert von insgesamt 5.832 Euro";

„22. am 30. September 2005 in U* Verfügungsberechtigte der Fa. L* GmbH durch die Bestellung von zwei Neufahrzeugen der Marke Mazda 2 bzw Mazda 6 im Gesamtwert von 52.000 Euro zur Herausgabe eines Mietwagens, wobei der Schaden ... unter 3.000 Euro liegt."

 

Rechtliche Beurteilung

Den inhaltlich gleich gelagerten, jeweils nominell aus Z 5 (von der Staatsanwaltschaft auch aus Z 5a) des § 281 Abs 1 StPO zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Dabei ist eingangs klarzustellen, dass die geltend gemachte Unvollständigkeit von Urteilsfeststellungen keinen Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall), sondern einen materiellen Nichtigkeitsgrund bezeichnet, was, anders als für Fälle der Z 5, die uneingeschränkte amtswegige Wahrnehmung derartiger „Unvollständigkeit" ermöglicht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Anders als bei den nur den Untersatz des Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung betreffenden Mängeln der Z 5 geht es bei fehlenden Feststellungen nämlich um den Vergleich von Untersatz und Obersatz, mit anderen Worten darum, ob der Untersatz (die Feststellungsgrundlage des Urteils) dem Obersatz (dem darauf angewendeten Strafgesetz nach Maßgabe der gebildeten Fallnorm) subsumiert werden durfte. Diese Fragestellung aber wird allein von materiellen Nichtigkeitsgründen erfasst (RIS‑Justiz RS0118316; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 420; E. Steininger Nichtigkeitsgründe im Strafverfahren4 § 281 Abs 1 Z 5 Rz 61; aM ohne eigene Begründung und unter irriger Berufung auf EvBl 1972/17 und SSt 2003/93 St. Seiler Strafprozessrecht8 Rz 938; vgl auch Bertel/Venier8 Rz 901 ff).

Da der OGH ein ziffernmäßig falsch eingeordnetes Beschwerdevorbringen regelmäßig im Sinn seiner inhaltlichen Ausrichtung - der der Sache nach geltend gemachten Anfechtungskategorie - versteht, schadet die verfehlte ziffernmäßige Bezeichnung jedoch nicht und ist ohne praktische Bedeutung (aM anscheinend Hollaender, AnwBl 2006, 576).

Beide Beschwerdeführer weisen inhaltlich gleichermaßen zutreffend darauf hin, dass keine der vom Schuldspruch erfassten - nicht nach § 147 Abs 1 StGB qualifizierten - Einzeltaten für sich allein zu einem 3.000 Euro übersteigenden Betrugsschaden geführt hatte (oder hatte führen sollen), sodass nach Maßgabe der Urteilsfeststellungen durch keine der Taten ein schwerer Betrug im Sinn der §§ 146, 147 StGB begründet wurde. Nur derjenige aber, welcher einen - wenn auch bloß versuchten - schweren Betrug (§ 147 StGB) in der Absicht begeht, sich durch wiederkehrende Begehung von (erneut) schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, kommt als Täter des nach § 148 zweiter Fall StGB qualifizierten Verbrechens in Betracht (SSt 61/43; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 148 [2006] Rz 7; Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 130 Rz 26).

So gesehen ist die Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte darauf abzielte, wiederkehrend je für sich schweren Betrug zu begehen, mangels dieser notwendigen rechtlichen Bedingung für eine Subsumtion der Taten unter § 148 zweiter Fall StGB nicht entscheidend, und es kann die Behauptung des insoweit geltend gemachten Begründungsmangels (Z 5 vierter Fall) dahinstehen.

Die Tatsache, dass das Schöffengericht in Betreff der zu I/4., 11., 13. und 14. genannten Taten davon ausging, dass der Vorsatz des Angeklagten „von Anfang an darauf gerichtet war, Waren und Elektrogeräte im Gesamtwert von 3.000 Euro übersteigend durch seine Betrugshandlungen herauszulocken" (US 13, 17, 18, 19, 23), ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

Soweit nämlich in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet werde, hat der Oberste Gerichtshof diese - auch in der Lehre überwiegend abgelehnte (Fabrizy StGB9 § 28 Rz 11a) - Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben.

Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet (14 Os 116/05y, EvBl 2006/24, 128; vgl auch 15 Os 129/05t, EvBl 2006/47, 251 [Rami] [= RZ 2007/1]; RIS‑Justiz RS0120533, RS0120233, RS0118720, RS0118718, RS0113029, RS0116750, RS0112225, RS0088096; Leitner, Finanzstrafrecht 1996‑2002, 58; ablehnend zum Konstrukt des fortgesetzten Delikts auch Burgstaller in Platzgummer‑FS, 97; Friedrich, ÖJZ 1991, 155; Pallin in WK1 Vorbem §§ 28‑31 Rz 32a, 34; Ratz in WK2 Vorbem §§ 28‑31 Rz 83 ff und JBl 2005, 294 [297]; Kienapfel/Höpfel AT I12 E 8 Rz 56 ff; Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 33 f; Markel in WK2 § 198 Rz 63 f; E. Fuchs in WK2 § 57 Rz 5 [im Druck]; kritisch zu der das fortgesetzte Delikt betreffenden Rechtsprechung auch Venier, Der Fortsetzungszusammenhang im österreichischen Strafrecht; den Meinungsstand zusammenfassend zuletzt: Schmoller in Leitner (Hrsg.), Finanzstrafrecht [1996‑2002], 80 ff).

Die Gründe dafür liegen vor allem im Scheitern der Versuche, die notwendigerweise stets gleichen Kriterien der Rechtsfigur mit allgemeiner Gültigkeit zu fixieren, und in den abzulehnenden weitreichenden Konsequenzen des fortgesetzten Delikts (zum Ganzen eingehend: BGHSt 40, 138).

So fällt dem Täter bei Annahme einer einzigen Straftat schon mit dem Versuch des ersten Teilakts der Gesamtschaden zur Last (Schmoller, Bedeutung und Grenzen des fortgesetzten Deliktes, 56 f), womit gravierende Probleme bei der Manifestation der „entscheidenden Hemmstufe" verbunden sind - ein Vorgang, der objektiv‑normativ außerhalb des „Kernbereiches" kaum befriedigend zu fassen ist. Der Verjährungsbeginn wird bis zum letzten Teilakt hinausgeschoben (§ 57 Abs 2 StGB). Es liegt schon dann eine Inlandstat (§§ 62 f) vor, wenn bloß ein Teilakt in Österreich stattgefunden hat, weshalb auch umfangreiche kriminelle Verflechtungen, die sich fast ausschließlich im Ausland abgespielt haben, hier unter dem Regime eines strengen Legalitätsprinzips verfolgt werden müssen (vgl EvBl 1979/144). Kaum absehbar sind die im Zusammenhang mit dem europäischen transnationalen Erledigungsprinzip des Art 54 SDÜ auftretenden Problemstellungen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Aufgabe der Rechtsfigur in Deutschland und in der Schweiz (BGHSt 40, 138; BGE 117 IV 408; vgl instruktiv: Birklbauer, Der Grundsatz „ne bis in idem" in der Rechtsprechung europäischer Instanzen und die Auswirkungen auf den Tatbegriff der StPO, Miklau‑FS, 45). Dazu kommen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Spezialität der Auslieferung. Geht man nicht mit SSt 56/88 = EvBl 1986/123 von einer - zur Deliktsnatur jedoch im Widerspruch stehenden - prozessualen Teilbarkeit aus, wird die Anklage ihrer Funktion, den Verfahrensgegenstand zu begrenzen und den Angeklagten über Inhalt und Umfang des erhobenen Vorwurfs zu unterrichten, entkleidet. Weiterungen können auch dadurch noch geschehen, dass nachträglich bekannt gewordene Teilakte mit solchen anderer fortgesetzter Handlungen zusammentreffen, die damit unter dem Aspekt tateinheitlichen Zusammentreffens (Idealkonkurrenz) ebenfalls zu der von der Anklage betroffenen Tat gehören. Ist die Absicht nicht auf wiederkehrende Begehung fortgesetzter Delikte gerichtet, schließt Gesamtvorsatz die Gewerbsmäßigkeit (§ 70 StGB) aus, weshalb die Rechtsfigur der Berufskriminalität zugute kommt (vgl Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 130 Rz 23 mwN; soweit Schmoller es für „denkbar" hält, das Erfordernis wiederkehrender Begehung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit „[bloß] auf einzelne Handlungen, die jeweils alle Merkmale des betreffenden Tatbestands aufweisen" zu beziehen [Burgstaller‑FS, 133 {154}; vgl auch Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 130 Rz 24], steht dem der Wortlaut des § 70 StGB entgegen [Jerabek in WK2 § 70 Rz 20 unter Berufung auf die Kritik von Pallin an RZ 1988/71]). Das auf wiederkehrende Tatbegehung ausgelegte Verbrechen der Kriminellen Organisation nach § 278a StGB kommt - mit der Konsequenz mangelnder Anwendbarkeit des Verfalls nach § 20b Abs 1 erster Fall StGB - für im Fortsetzungszusammenhang stehende strafbare Handlungen nicht in Betracht. Vergleichbares gilt für die Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 Abs 2 und Abs 3 StGB (arg „aus strafbaren Handlungen"). Auch bei Änderungen des materiellen Rechts werden Berufskriminelle bevorzugt (§ 61 StGB). Umgekehrt werden bei der Beurteilung von Geringfügigkeit (§§ 141, 150 StGB, § 35 Abs 1 SMG) und unbedeutenden Folgen (§ 42 Z 2 StGB) Kleinkriminelle benachteiligt.

In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten, wie sie Burgstaller bei seiner Grundsatzkritik am fortgesetzten Delikt (Platzgummer‑FS 97) zusammengefasst hat.

Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711 ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit ieS), und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit iwS; vgl WK2 Vorbem §§ 28‑31 Rz 104 mwN; zust Ebner in WK2 § 33 Rz 4; Plöchl in WK2 § 278 Rz 71; Schick in WK2 § 206 Rz 31; Rami, ÖJZ 2006, 252 [Entscheidungsanmerkung]).

So fasst der Oberste Gerichtshof, um die Gewerbsmäßigkeitsqualifikation des § 28 Abs 3 erster Satz SMG in einem kriminalpolitisch ungemein wichtigen Segment nicht zu unterlaufen, in jüngerer ganz einhelliger Rechtsprechung erzeugte, ein- bzw ausgeführte oder in Verkehr gesetzte, je für sich die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten, soweit der Vorsatz des Täters von vornherein die kontinuierliche Erzeugung, Ein- bzw Ausfuhr oder das Inverkehrsetzen und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasst, nach Maßgabe einer der in § 28 Abs 2 SMG genannten Handlungsweisen zu einer oder mehreren tatbestandlichen Handlungseinheiten im Sinn des § 28 Abs 2 - und zwar entweder erster oder zweiter bzw dritter oder vierter Fall - SMG zusammen (13 Os 156/02, SSt 2003/20; 13 Os 10/03, SSt 2003/21 [= EvBl 2003/133, 616 = JBl 2004, 398]; Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud SMG § 28 Rz 27; RatzJBl 2005, 294 und in WK‑StGB Vorbem §§ 28‑31 Rz 102, 107; instruktiv: Kirchbacher/Schroll RZ 2005, 116, 140, 170).

Auf den dringenden Verdacht solcherart aufgrund deliktsspezifischer Erfordernisse gebildeter tatbestandlicher Handlungseinheiten kann denn auch der in § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO aufscheinende Begriff der „fortgesetzten Handlung" angewandt werden.

Vorliegend aber kann die Frage einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage auf sich beruhen, weil für eine Zusammenfassung je für sich selbständiger, zeitlich durch Tage oder gar Wochen getrennter Betrugstaten zu schadensqualifiziertem schwerem Betrug nach Maßgabe einer tatbestandlichen Handlungseinheit schon angesichts des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB kein rechtlich fassbares Bedürfnis besteht.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof schließlich davon überzeugt, dass hinsichtlich des zu I/22 ergangenen Schuldspruchs Feststellungen in den Entscheidungsgründen fehlen (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), sodass insoweit mit Urteilsaufhebung und Verweisung - auch hinsichtlich des Strafausspruchs - an das Erstgericht vorzugehen war (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Gegenstand des Ausspruchs über Strafbarkeit und Subsumtion ist nämlich die Kongruenz der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen mit dem Ausspruch des Urteilstenors, „welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird" (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), sodass das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) die Feststellungen der Entscheidungsgründe zwar zu verdeutlichen, nicht aber zu ersetzen vermag (zuletzt: 13 Os 72/06x, EvBl 2006/174, 906; WK‑StPO § 281 Rz 269 bis 271).

Die zufolge Aufhebung dieses Schuldspruchs zerschlagene Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB wird angesichts der in Teilrechtskraft erwachsenen Verurteilungen wegen je für sich gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (zu I/1‑5, 7‑9, 11‑15, 17, 18, 20 und 21; US 11) neu zu bilden sein (Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 10).

Da hinsichtlich der zu I/6, 10, 16 und 19 ergangenen Schuldsprüche wegen Dienstleistungs- und Einmietbetruges eine die gewerbsmäßige Begehung tragende Feststellung den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist (vgl US 11), ist insoweit Teilrechtskraft (§ 289 StPO) wegen je für sich einfachem Betruges eingetreten, was sich auf die neu zu bildende Subsumtionseinheit (zum Begriff: 14 Os 65/99, SSt 63/62 [= JBl 2000, 262 {Schmoller} = EvBl 2000/38, 156 = RZ 2000/11]; Ratz in WK2 § 29 Rz 5) nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB jedoch nicht auswirkt.

Im - wenngleich nur theoretisch denkbaren (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 656, § 290 Rz 32) - Fall, dass zu I/22 im nachfolgenden Rechtsgang schwerer Betrug und darüber hinaus die Absicht des Angeklagten angenommen würde, sich durch wiederkehrenden schweren Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wäre allerdings die dann auftretende Scheinkonkurrenzproblematik nach den von Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 148 Rz 11 dargelegten Grundsätzen zu lösen.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf der unberührt gebliebenen Kostenentscheidung des Erstgerichts. Sie erstreckt sich nur auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden, nicht auf die amtswegig getroffene Maßnahme (vgl Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7, 12).

 

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