Normen
StbG 1985 §10 Abs3 Z1;
StbG 1985 §34 Abs1 Z3;
StbG 1985 §34 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs3 Z1;
StbG 1985 §34 Abs1 Z3;
StbG 1985 §34 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Oktober 2003 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates - durch eine Entlassungsurkunde oder eine Bestätigung über den Verlust der (türkischen) Staatsangehörigkeit -
nachweise. Innerhalb dieser Frist legte der Beschwerdeführer eine am 12. Mai 2004 vom Innenministerium der Republik Türkei ausgestellte "Genehmigung zum Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband" vor. Demnach wurde dem Beschwerdeführer genehmigt, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen; eine Bestätigung über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband werde dem Beschwerdeführer jedoch erst nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgestellt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Im Zuge der Ausfolgung des Bescheides wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass er binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband zu erbringen habe, ansonsten gemäß § 34 leg.cit. ein Entziehungsverfahren eingeleitet werden müsse.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 15. Jänner 2007 wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 34 Abs. 1 Z. 1 und 3 und Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 um Mitteilung ersucht, ob er bereits aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sei, welche Schritte er für das Ausscheiden unternommen habe bzw. welche Hindernisse dem entgegen stünden. Bei Nichtvorlage der Entlassungsurkunde bzw. eines Nachweises seiner diesbezüglichen Bemühungen innerhalb von sechs Monaten werde die Entziehung der Staatsbürgerschaft verfügt. Das beim zuständigen Postamt hinterlegte Schreiben wurde (laut Aktenvermerk der belangten Behörde) vom Beschwerdeführer am 24. Jänner 2007 behoben, blieb in weiterer Folge von diesem jedoch unbeantwortet.
Ein neuerliches Schreiben der belangten Behörde vom 16. Oktober 2007 an den Beschwerdeführer wies folgenden Wortlaut auf (Hervorhebungen und Schreibfehler im Original):
"Sehr geehrter Herr Ü.!
Nachdem Ihnen die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 30. November 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen hatte, wurden Sie bereits mit Schreiben vom 15. Jänner 2007 nachweislich aufgefordert mitzuteilen, ob Sie mittlerweile aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sind, welche Schritte Sie für das Ausscheiden unternommen haben, bzw. welche Hindernisse diesem entgegenstehen.
Trotz rechtswirksamer Hinterlegung dieses Schreibens am 19. Jänner 2007 erfolgte Ihrerseits keine Reaktion auf diese Aufforderung.
In diesem Zusammenhang wird Ihnen letztmalig in Erinnerung gerufen, dass einem Staatsbürger gemäß § 34 Abs. 1 Z 1
u. 3 StbG die Staatsbürgerschaft zu entziehen ist, wenn er diese vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder durch Erstreckung der Verleihung erworben hat und er trotz des Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat.
Gemäß § 34 Abs. 2 leg.cit. ist der betroffene Staatsbürger mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über diese Bestimmung zu belehren, was in Ihrem Fall hiermit neuerlich erfolgt.
Da die Zweijahresfrist zur Vorlage Ihres Ausscheidensnachweises bereits am 14. Dezember 2006 abgelaufen ist und Sie unserer schriftlichen Aufforderung vom 15. Jänner 2007 nicht entsprochen haben, werden Sie letztmalig ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, sofern Sie nicht innerhalb der nächsten sechs Monate das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband (Entlassungsurkunde) bzw. zumindest Ihre diesbezüglichen Bemühungen nachweisen können, die Entziehung der Staatsbürgerschaft nach Ablauf der obzitierten First ohne weiteren Aufschub schriftlich verfügt werden wird."
Dieses Schreiben wurde vom Beschwerdeführer am 12. November 2007 beim Hinterlegungspostamt übernommen, blieb jedoch wiederum unbeantwortet.
In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß "§§ 34 und 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311 idgF" entzogen wurde. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, dass "gemäß § 23 des Gesetzes Nr. 403 über die türkische Staatsangehörigkeit" ein Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit erst nach Erwerb der fremden (österreichischen) Staatsbürgerschaft und Ausstellung einer Entlassungsurkunde durch das Innenministerium der Republik Türkei eintrete; der Beschwerdeführer habe trotz wiederholter Aufforderungen ohne Angabe von Gründen die türkische Staatsangehörigkeit beibehalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende, Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer über "keine ausgeprägte Intelligenz" verfüge und nicht in der Lage sei, die juristische Tragweite von Schreiben, welche nicht in seiner Muttersprache abgefasst seien, zu verstehen. Der Beschwerdeführer hätte ausdrücklich sowohl mündlich mit Hilfe eines Dolmetschers als auch schriftlich darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vorlage der Genehmigungsurkunde zum Austritt aus dem türkischen Staatsverband nicht ausreichend sei. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend geprüft, ob bzw. warum dem Beschwerdeführer das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nicht möglich gewesen sei. Bei Zweifeln betreffend die Erfüllung seiner Bemühungspflichten hätte der Beschwerdeführer vorgeladen und die Angelegenheit mit ihm erörtert werden müssen.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Gemäß § 34 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, in der gegenständlich maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), ist einem Staatsbürger die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn er sie vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder Erstreckung erworben hat, hiebei weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 StbG angewendet worden sind und er seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsbürgerschaft beibehalten hat. Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist der betroffene Staatsbürger mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 zu belehren.
2. Die Belehrung gemäß § 34 Abs. 2 StbG muss nach ihrem Zweck in einer Art und Weise vorgenommen werden, dass dem Beschwerdeführer die ihm drohende Entziehung ernsthaft zur Kenntnis gebracht wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2005/01/0862, mwN).
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zwei Schreiben -
nämlich jenes vom 15. Jänner 2007 und jenes vom 16. Oktober 2007, welche vom Beschwerdeführer jeweils persönlich beim zuständigen Zustellpostamt behoben wurden - übermittelt, mit welchen dem Beschwerdeführer ausreichend deutlich zur Kenntnis gebracht wurde, dass er binnen sechs Monaten einen Nachweis über den Austritt aus dem türkischen Staatsverband zu erbringen bzw. seine diesbezüglichen Bemühungen nachzuweisen habe, andernfalls ihm die österreichische Staatsbürgerschaft entzogen werde.
Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei mangels "ausgeprägter Intelligenz" bzw. infolge von Verständigungsschwierigkeiten nicht in der Lage gewesen, die juristische Tragweite von nicht in seiner Muttersprache abgefassten Schreiben zu verstehen, ist einerseits entgegen zu halten, dass dieses erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen dem Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unterliegt und schon deshalb unbeachtlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0900). Im Übrigen ist den Ausführungen der belangten Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift beizupflichten, dass dieses Vorbringen insofern als bloße Schutzbehauptung erscheint, als sich der Beschwerdeführer bereits seit seinem zweiten Lebensjahr in Österreich aufhält, hier die Volks- und Hauptschule absolviert hat, und sich auf dem seinem Verleihungsansuchen beigelegten Lebenslauf als Firmeninhaber mit PC-Kenntnissen ausgegeben sowie Deutsch als "Muttersprache" angegeben hat. Die belangte Behörde konnte daher jedenfalls davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die an ihn gerichteten Schreiben verstanden hat. Eine Verpflichtung der belangten Behörde, den Beschwerdeführer mündlich bzw. unter Beiziehung eines Dolmetschers zu belehren, bestand nicht.
3. Laut angefochtenem Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer nach Maßgabe der türkischen Rechtslage die türkische Staatsangehörigkeit nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft weiterhin behalten habe. Dem hält die Beschwerde nichts entgegen.
Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe nicht ausreichend geprüft, ob bzw. warum dem Beschwerdeführer das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nicht möglich gewesen sei, zeigt eine Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht auf. Bei der Auslegung der Bestimmung des § 34 Abs. 1 StbG ist § 10 Abs. 3 leg.cit. heranzuziehen, nach dessen Z. 1 die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden darf, wenn der Fremde die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlässt, obwohl sie ihm möglich und zumutbar sind. Aus § 34 Abs. 1 Z. 3 StbG ergibt sich demnach eine Handlungspflicht des Betreffenden, die allerdings ihre Grenze in der (rechtlichen und faktischen) Möglichkeit und Zumutbarkeit derartiger Handlungen findet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0038, mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen, vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0900, sowie vom 3. September 1997, Zl. 97/01/0524). Der Beschwerdeführer hat nie behauptet, derartige Handlungen gesetzt zu haben, bzw. hat er die Möglichkeit oder Zumutbarkeit derartiger Handlungen nie in Abrede gestellt. Mangels konkreter Anhaltspunkte bestand für die belangte Behörde auch kein Anlass, darüber von Amts wegen Ermittlungen anzustellen.
Der belangten Behörde ist demnach nicht entgegen zu treten, wenn sie davon ausging, dass der Beschwerdeführer aus von ihm zu vertretenden Gründen die türkische Staatsbürgerschaft beibehalten hat und sie daher die Voraussetzungen für die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 34 Abs. 1 StbG als gegeben ansah. Dass der angefochtene Bescheid aus sonstigen Gründen rechtswidrig, insbesondere die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft unverhältnismäßig wäre, hat die Beschwerde nicht vorgebracht; dem Verwaltungsgerichtshof sind auch keine diesbezüglichen Bedenken entstanden.
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 24. Juni 2010
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