VwGH 2005/01/0862

VwGH2005/01/086222.8.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des V M, zuletzt in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenau und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 15. November 2005, Zl. 0/912-9822/-2005, betreffend Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §34 Abs1;
StbG 1985 §34 Abs2;
StbG 1985 §34 Abs1;
StbG 1985 §34 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer "gemäß § 34 iVm 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idgF (StbG)" die österreichische Staatsbürgerschaft entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 29. November 1999 gemäß § 11a StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Anlässlich der Übergabe des Verleihungsbescheides habe er zur Kenntnis genommen, dass er binnen zwei Jahren aus dem bisherigen Staatsverband (dem ehemaligen Serbien und Montenegro) ausscheiden müsse. Er beziehungsweise sein Rechtsvertreter seien nachweislich gemäß §§ 34 und 35 StbG über die Folgen der nicht gerechtfertigten Unterlassung des Ausscheidens informiert worden, nämlich unter anderem mit Schreiben vom 5. Dezember 2000. Am 19. Februar 2001 und am 13. August 2002 habe der Beschwerdeführer der belangten Behörde (über deren Aufforderung) Bestätigungen des Generalkonsulates von Serbien und Montenegro vom 3. Jänner 2001 und vom 24. Juli 2002 vorgelegt, wonach er am 8. September 1999 den Antrag auf Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit eingebracht habe und das Verfahren noch im Gange sei. Am 5. August 2005 habe sich der Beschwerdeführer telefonisch (in anderer Angelegenheit) bei der belangten Behörde gemeldet. Der Beschwerdeführer sei dabei über das Erfordernis seines Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband aufmerksam gemacht worden und um persönliche Vorsprache in dieser Angelegenheit am 8. August 2005 ersucht worden. Er habe diesen Termin "freundlich bejahend" zur Kenntnis genommen und sonst keine Angaben gemacht, sei aber am 8. August 2005 unentschuldigt nicht bei der belangten Behörde erschienen. Am 11. August 2005 habe die Ehefrau des Beschwerdeführers (anlässlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft an sie) mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor im Besitz eines gültigen Reisepasses von Serbien und Montenegro sei (obwohl der bei seiner Antragstellung vorgelegte Reisepass lediglich bis zum 8. Juli 2002 gültig gewesen sei). Ihr sei von der belangten Behörde eine Ladung des Beschwerdeführers für den 20. September 2005 übergeben worden. Sie habe daraufhin mitgeteilt, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt auf Familienurlaub in Serbien und Montenegro befänden. Den Ladungstermin habe der Beschwerdeführer in der Folge auch nicht wahrgenommen.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass ein Ausscheiden des Beschwerdeführers aus dem Staatsverband von Serbien und Montenegro grundsätzlich möglich sei und Gründe für die Unzumutbarkeit des Ausscheidens im Verfahren nicht hervorgekommen seien. Da der Beschwerdeführer (gemeint offenbar mit Ausnahme des von ihm laut den vorgelegten Bestätigungen gestellten "Antrages auf Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit") "keine weiteren diesbezüglichen Schritte hinsichtlich der vorgeschriebenen Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband gesetzt habe und nach wie vor im Besitz eines gültigen Reisedokumentes von Serbien und Montenegro" sei, "obzwar der von ihm anlässlich der Antragstellung vorgelegte Reisepass des Generalkonsulates von Serbien und Montenegro in Salzburg lediglich bis zum 8.7.2002 gültig" gewesen sei, habe der Beschwerdeführer aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, seine bisherige serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit beibehalten, weshalb ihm die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 34 Abs. 1 StbG ist einem Staatsbürger die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn er sie vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder Erstreckung erworben hat, hiebei weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 StbG angewendet worden sind, und er seither aus Gründen, der er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat. Der betroffene Staatsbürger ist mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 leg. cit. zu belehren (§ 34 Abs. 2 StbG).

Die Beschwerde sieht die Voraussetzungen für die Entziehung der Staatsbürgerschaft nach dieser Gesetzesstelle aus zwei Gründen als nicht gegeben an:

Zum Einen sei der Beschwerdeführer nicht fristgerecht im Sinne des § 34 Abs. 2 StbG belehrt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in einem Erkenntnis vom 18. Dezember 1991 (Anmerkung: Zl. 91/01/0138) erkannt, dass eine Belehrung anlässlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft, in der lediglich von der künftig möglichen Einleitung eines Entziehungsverfahrens, nicht aber von der beabsichtigten Entziehung die Rede sei, dem Erfordernis des § 34 Abs. 2 StbG nicht entspreche. Wenn die tatsächliche Einleitung des Entziehungsverfahrens dem Beschwerdeführer nicht mitgeteilt werde, könne die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass dieser davon Kenntnis habe. So gesehen entspreche auch die Belehrung über die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 1 StbG im Schreiben vom 5. Dezember 2000 nicht dem Gesetz, weil auch zu diesem Zeitpunkt nicht von einer beabsichtigten Entziehung die Rede gewesen sei.

Zum Anderen habe der Beschwerdeführer dadurch, dass er bereits am 8. September 1999 den Antrag auf Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit eingebracht und beim Generalkonsulat von Serbien und Montenegro mehrmals urgiert habe, alles in seiner Macht Stehende unternommen, um die erforderliche Bestätigung des Ausscheidens zu erlangen. Dass die serbischen Behörden in dieser Sache säumig gewesen seien, liege außerhalb der vom Beschwerdeführer zu beeinflussenden Sphäre, weshalb er diese Säumigkeit auch nicht zu vertreten habe.

Diesen Beschwerdeargumenten ist Folgendes zu erwidern:

1. Zur Frage der Belehrung gemäß § 34 Abs. 2 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 18. Dezember 1991 festgehalten, dass es nicht ausreicht, dem Verleihungswerber anlässlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft die Bestimmung des § 34 Abs. 1 StbG zur Kenntnis zu bringen, zumal im Verleihungszeitpunkt "naturgemäß" nicht von einer (gleichzeitig) beabsichtigten Entziehung derselben ausgegangen werden könne. Demgemäß habe die Staatsbürgerschaftsbehörde dem im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Entziehung in § 34 Abs. 2 StbG enthaltenen Erfordernis der Belehrung über Abs. 1 leg. cit. nicht schon durch die anlässlich der Verleihung erfolgte Belehrung entsprochen. Im Hinblick auf die mit der Entziehung der Staatsbürgerschaft verbundenen gravierenden Rechtsfolgen stelle die spätestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung vorzunehmende Belehrung über die Regelung des § 34 Abs. 1 StbG eine letzte, eben mit einem zeitlichen Spielraum versehene Möglichkeit für den von der Entziehung Bedrohten dar, noch das Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband zu erwirken (oder eine Staatenlosigkeit durch Zurückziehung seines Antrages zu verhindern).

Im Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 2001/01/0356, verwies der Verwaltungsgerichtshof fallbezogen darauf, dass dem dortigen Beschwerdeführer fristgerecht vor der Entziehung der Staatsbürgerschaft sowohl die Einleitung des Entziehungsverfahrens als auch die nach § 34 Abs. 2 StbG erforderliche Belehrung über die Bestimmung des Abs. 1 leg. cit. bekannt gegeben worden seien. Das Gesetz sehe im Übrigen nicht vor, dass der Staatsbürger mehrmals im Sinne des § 34 Abs. 2 StbG belehrt werden müsse.

Die Beschwerde missversteht die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern, als sie davon auszugehen scheint, dass der Beschwerdeführer sowohl über die Einleitung eines Entziehungsverfahrens als auch die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 1 StbG ausdrücklich belehrt werden müsse, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Nur Letzteres ist in § 34 Abs. 2 StbG aber ausdrücklich vorgesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur lediglich zum Ausdruck gebracht, dass diese Belehrung im Zusammenhang mit einer von der Behörde tatsächlich beabsichtigten Entziehung (und nicht schon vorbeugend) zu erfolgen hat. Präzisierend ist hinzuzufügen, dass die Belehrung nach ihrem Zweck (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 18. Dezember 1991) in einer Art und Weise vorgenommen werden muss, dass dem Beschwerdeführer die ihm drohende Entziehung ernsthaft zur Kenntnis gebracht wird. Eine in dieser Form erfolgte Belehrung braucht auch nur einmal erfolgen und nicht wiederholt zu werden.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde an den Beschwerdeführer etwa ein Jahr nach der Verleihung der Staatsbürgerschaft das Schreiben vom 5. Dezember 2000 übermittelt, dessen Erhalt vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird und das folgenden Wortlaut aufwies (Hervorhebungen im Original):

"Sehr geehrter Herr M. ...!

Sie haben am 8.9.1999 beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Jugoslawien einen Antrag auf Entlassung aus Ihrem bisherigen Staatsverband ...gestellt. Sie werden noch einmal darauf hingewiesen, dass Sie sich anlässlich der Übergabe des Verleihungsbescheides der Salzburger Landesregierung mit Ihrer Unterschrift verpflichtet haben, alles in Ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um binnen zwei Jahren (!) ab Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus Ihrem bisherigen Heimatstaat auszuscheiden; sollten Sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müsste Ihnen die Staatsbürgerschaft gemäß § 34 Staatsbürgerschaftsgesetz von Amts wegen entzogen werden.

Da zwischenzeitlich mehr als ein Jahr seit der Antragstellung verstrichen ist, werden Sie dringend ersucht, der Behörde binnen vier Wochen ab Erhalt dieses Schreibens auch Ihre zwischenzeitlichen Bemühungen auf Ausscheiden aus Ihrem bisherigen Staatsverband ...nachzuweisen; ..."

Mit diesem Schreiben wurde dem Beschwerdeführer ausreichend deutlich zur Kenntnis gebracht, dass die Verleihungsbehörde eine Entziehung der Staatsbürgerschaft bei Nichtausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband innerhalb der Frist von zwei Jahren ernsthaft beabsichtigte. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer zwar nicht wörtlich, aber in hinreichend verständlicher Form über die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 1 StbG belehrt. Der Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde habe ihrer Verpflichtung gemäß § 34 Abs. 2 StbG nicht entsprochen, schlägt somit fehl.

2. Zum Vorbringen der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe die Säumnis der serbisch-montenegrinischen Behörden bei der Erledigung seines Antrages auf Ausscheiden aus dem serbischmontenegrinischen Staatsverband nicht zu vertreten, ist dem Beschwerdeführer zunächst zuzugestehen, dass er für die ausschließlich auf die Säumnis staatlicher Behörden zurückzuführenden Verzögerungen nicht einzustehen hätte. Dass dem Beschwerdeführer diese Entschuldigung im gegenständlichen Fall zugute käme, lässt sich dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten freilich nicht entnehmen. Die belangte Behörde ging vielmehr beweiswürdigend davon aus, dass der Beschwerdeführer - nach Stellung eines Antrages auf Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband - "keine weiteren diesbezüglichen Schritte" gesetzt habe. Unterstützt werde diese Auffassung - so die belangte Behörde - durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer (statt sein Ausscheiden aus dem serbischen Staatsverband zu betreiben) sich den serbischen Reisepass auch nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft noch verlängern habe lassen. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung somit offenkundig zugrunde, dass die Nichterledigung des Antrages auf Ausscheiden aus dem serbisch-montenegrinischen Staatsverband auf die mangelnde Mitwirkung (wenn nicht sogar auf seinem Antrag widersprechendes Verhalten) des Beschwerdeführers zurückzuführen ist. Diesen (beweiswürdigenden) Schlüssen hält die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegen. Auch hat es der Beschwerdeführer unterlassen, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die belangte Behörde mitzuwirken, indem er der Aufforderung zur Vorsprache (jedenfalls hinsichtlich des Termins am 8. August 2005) unentschuldigt nicht nachkam und auch sonst nach dem 13. August 2002 keine Informationen über den Stand des Entlassungsverfahrens mehr gab oder die Gründe für die verzögerte Erledigung seines diesbezüglichen Antrages darlegte. Ausgehend davon kann die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit zu vertreten, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2005/01/0377, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. August 2007

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