VwGH 2009/21/0151

VwGH2009/21/015129.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, in der Beschwerdesache des X, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. April 2009, Zl. 2F/106/2008, betreffend Ausweisung, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §11;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §57;
FrPolG 2005 §59 Abs1;
FrPolG 2005 §73 Abs1;
FrPolG 2005 §73;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AHG 1949 §11;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §57;
FrPolG 2005 §59 Abs1;
FrPolG 2005 §73 Abs1;
FrPolG 2005 §73;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Leoben vom 17. Jänner 2008 gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 22. April 2009 unter Bezugname auf § 57 FPG keine Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid "vollinhaltlich bestätigt" und "somit festgestellt, dass die gegen Sie verfügte Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung durch die Erstbehörde am 17.01.2008 rechtmäßig war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof - nach einer dazu erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer ist am 18. Jänner 2008, somit einen Tag nach Erlassung der erstinstanzlichen Ausweisung, (freiwillig) in sein Heimatland, die Volksrepublik China, zurückgekehrt. Demzufolge hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 57 FPG (im Ergebnis) bloß festgestellt, dass die Ausweisung "zum Zeitpunkt der Erlassung durch die Erstbehörde am 17.01.2008 rechtmäßig war".

2.1. § 57 FPG lautet samt Überschrift:

"Rechtsmittel gegen Ausweisungen

§ 57. Wird gegen eine Ausweisung ein ordentliches Rechtsmittel ergriffen und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung erwiesener Maßen nicht mehr im Bundesgebiet auf, so haben die Berufungsbehörden nur festzustellen, ob die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war."

Dazu wird in den ErlRV (952 BlgNR 22. GP 99) Folgendes ausgeführt:

"Zu § 57:

Der Bedarf dieser Bestimmung ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, vom 30.01.2003, Zl. 2002/21/0168, zurückzuführen. Darin legt der Verwaltungsgerichtshof dar, dass eine Ausweisung nach § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 nur dann zur Anwendung kommt, wenn sich der Fremde im Zeitpunkt der Erlassung der Ausweisung rechtswidrig in Österreich aufhält. Nach dieser Rechtssprechung führt die Erlassung einer Ausweisung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gegenüber einem Fremden, der Österreich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits verlassen hat, zu einer unzulässigen Ausweisung gleichsam auf Vorrat und damit zu einer Verletzung subjektiver Rechte des Fremden.

Da es jedoch im Hinblick auf § 73 von Bedeutung ist, die Ausweisung im Rechtsbestand zu erhalten, soll die Entscheidung der Berufungsbehörde in jenen Fällen, in denen sich der Fremde nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, nur auf den für die Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde maßgeblichen Zeitpunkt abstellen."

Gemäß dem in den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien angesprochenen Abs. 1 des § 73 FPG bedürfen - außer in näher bezeichneten Ausnahmefällen - Fremde, die berechtigt sind, ohne Visum in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten, für den Zeitraum eines Jahres (u.a.) nach einer Ausweisung zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem einer besonderen Bewilligung. Eine gemäß § 57 FPG ergangene, die Rechtmäßigkeit der Ausweisung feststellende Berufungsentscheidung im Fall der bereits vor ihrer Erlassung erfolgten Ausreise soll somit die einjährige "Sperrfrist" des § 73 Abs. 1 FPG für Fremde auslösen, die sonst zur visumsfreien Einreise und zum visumsfreien Aufenthalt berechtigt wären (siehe dazu auch den hg. Beschluss vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0484).

Das trifft auf den Beschwerdeführer aber von vornherein nicht zu, weil er als chinesischer Staatsangehöriger der Visumspflicht unterliegt. Dazu kommt, dass im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde die einjährige Frist des § 73 Abs. 1 FPG bereits abgelaufen war.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass durch die Ausreise eines Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Entscheidung über die Beschwerde gegen eine gemäß § 53 Abs. 1 FPG erlassene Ausweisung nachträglich weggefallen ist (vgl. etwa aus der letzten Zeit den Beschluss vom 22. Jänner 2009, Zl. 2008/21/0294, mit dem Hinweis auf den Beschluss vom 10. April 2003, Zl. 99/18/0455; siehe auch die Beschlüsse vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0128 und Zl. 2008/21/0646). Durch die Ausreise ist nämlich der mit der Ausweisung verfolgte Zweck erfüllt; der Ausweisungsbescheid wird gegenstands- und wirkungslos (siehe beispielsweise den hg. Beschluss vom 19. Oktober 1999, Zl. 94/18/0819). In diesem Sinn wurde im ersten Satz des § 59 Abs. 1 FPG nunmehr ausdrücklich angeordnet, dass eine Ausweisung - vorbehaltlich der Wirkungen nach § 73 FPG - gegenstandslos wird, wenn der Betroffene seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen ist. Auch nach neuerlicher Einreise könnte der Fremde somit auf der Grundlage dieser Ausweisung nicht mehr abgeschoben werden. Wird demnach der Aufenthalt eines Fremden in Österreich nach Erlassung einer Ausweisung und nach Einbringung der Beschwerde - sei es durch Zurückschiebung, Abschiebung oder durch freiwillige Ausreise - beendet, so käme einer Entscheidung über die gegen den Ausweisungsbescheid erhobene Beschwerde nur mehr abstrakttheoretische Bedeutung zu. In diesem Fall wird daher das verwaltungsgerichtliche Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde eingestellt (siehe etwa die schon erwähnten Beschlüsse Zl. 2008/21/0294, Zl. 2009/21/0128 und 2008/21/0646), es sei denn der Beschwerdeführer kann eine durch die Ausweisung sonst mögliche Rechtsverletzung, wie etwa den Eintritt der oben im Punkt 2.1. angesprochenen "Sperrwirkung" nach § 73 Abs. 1 FPG, aufzeigen.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid - im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes - in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (siehe aus der letzten Zeit beispielsweise den Beschluss vom 23. April 2009, Zl. 2006/07/0078, mwN).

3.1. In der Beschwerde hatte der Beschwerdeführer als Beschwerdepunkt geltend gemacht, er sei in seinem Recht verletzt, dass festgestellt werde, seine bescheidmäßige Ausweisung durch die Bundespolizeidirektion Leoben vom 17. Jänner 2008 sei rechtswidrig gewesen.

Diesbezüglich ist der Beschwerdeführer auf die oben dargestellte Rechtslage zu verweisen. Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Gegenstandslosigkeit der Ausweisung bei nachträglicher Ausreise des Fremden und angesichts des mit einer Feststellung nach § 57 FPG verfolgten Ziels, allfällige - hier aber, wie erwähnt, schon von vornherein nicht in Betracht kommende - Wirkungen nach § 73 Abs. 1 FPG trotz der Ausreise aufrecht zu erhalten, geht der vorliegend angefochtene Bescheid ins Leere. Angesichts dessen vermag der angefochtene Bescheid die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtsverletzung jedenfalls nicht zu bewirken.

3.2.1. In der dem Beschwerdeführer vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Stellungnahme vom 30. Juni 2009 meint er, schon aus § 57 FPG ergebe sich das subjektive Recht eines Fremden, dass die Rechtmäßigkeit der Ausweisung von einem Höchstgericht überprüft werde.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass § 57 FPG eine Regelung betreffend den Inhalt der Entscheidung der Berufungsbehörde darstellt, die nach der in den Materialien ausdrücklich dargelegten Absicht des Gesetzgebers allein dem schon erwähnten Zweck dient, über die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf die Folgen des § 73 Abs. 1 FPG abzusprechen. Kann der bekämpfte Ausspruch über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung aber im vorliegenden Fall diese Aufgabe - wie schon dargelegt - nicht erfüllen, dann ist der angefochtene Bescheid insoweit wirkungslos. Einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die dagegen erhobene Beschwerde käme somit nur noch abstrakt-theoretische Bedeutung zu, weil der Beschwerdeführer auch durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides rechtlich nicht besser gestellt wäre.

3.2.2. Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, durch die rechtswidrige Vorgangsweise der Erstbehörde habe das den Beschwerdeführer beschäftigende Unternehmen einen Bauauftrag in Leoben, der mit 31. Jänner 2008 abgeschlossen gewesen wäre, nicht mehr beenden können und der Beschwerdeführer seine Arbeit verloren. Es sei daher dem Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer ein Schaden entstanden, der nach dem Amtshaftungsgesetz geltend gemacht werden könne und voraussetze, dass die Rechtswidrigkeit der Ausweisung festgestellt werde. Es bestehe daher auch diesbezüglich ein rechtliches Interesse an einer Überprüfung der Entscheidung der belangten Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof.

Dem ist zu entgegnen, dass allfällige Amtshaftungsansprüche gegen den Bund nichts an der fehlenden Möglichkeit für den Beschwerdeführer ändern können, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Das Unterbleiben einer Sachentscheidung im vorliegenden Beschwerdefall hindert nämlich das Amtshaftungsgericht nicht, einen Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 11 AHG zu stellen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa den hg. Beschluss vom 22. März 2000, Zl. 99/03/0452; siehe idS aus der letzten Zeit etwa auch den hg. Beschluss vom 29. Jänner 2009, Zl. 2008/09/0305, mwN). Demnach zählen Rechtspositionen, die im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden können, nicht zu der rechtlich geschützten Interessenssphäre, die den Beschwerdeführer zur Beschwerdeerhebung bzw. zur Beschwerdefortführung im Bescheidbeschwerdeverfahren legitimiert (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Oktober 2007, Zl. 2006/17/0106). Es lässt sich daher auch mit behaupteten Schadenersatzansprüchen gegen den Bund kein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers an einer Entscheidung über die vorliegende Beschwerde begründen.

4. Vor diesem Hintergrund war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG infolge des - bereits bei ihrer Einbringung gegebenen - Fehlens einer Rechtsverletzungsmöglichkeit mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Wien, am 29. September 2009

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