VwGH 2006/07/0078

VwGH2006/07/007823.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, in der Beschwerdesache des A M in T, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Am Hof 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 7. März 2006, Zl. BMLFUW-UW.4.1.12/0058- I/6/2005, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer wasserrechtlichen Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: M G in T, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs4;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und dem Mitbeteiligten von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt in T als Wasserberechtigter ein Kleinwasserkraftwerk, wofür das Triebwasser aus der T rechtsufrig unterhalb der sogenannten Z-Brücke entnommen wird. Etwa auf gleicher Höhe soll am linken Ufer die Wasserentnahme für eine vom Mitbeteiligten projektierte Kraftwerksanlage (mit einer Höchstleistung von 401 kW) erfolgen. Für deren Errichtung und Betrieb unter Nutzung der Wasserkraft der T zur Erzeugung elektrischer Energie für den Eigenbedarf und zur Abgabe der Überschussenergie an einen Energieversorger war dem Rechtsvorgänger des Mitbeteiligten mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 28. Mai 1996 die wasserrechtliche Bewilligung erteilt und die Bauvollendungsfrist mit 31. Dezember 1998 festgesetzt worden. Infolge Zurückziehung der dagegen vom Beschwerdeführer zunächst erhobenen Berufung Mitte Dezember 1998 erwuchs dieser Bewilligungsbescheid in Rechtskraft.

Nachdem die Bauvollendungsfrist von Amts wegen bis 31. Dezember 2001 erstreckt worden war, beantragte der Mitbeteiligte mit dem an den Landeshauptmann von Salzburg gerichteten Schriftsatz vom 11. Jänner 2000 (in der am 11. Mai 2004 modifizierten Fassung), diese Frist bis 31. Dezember 2006 zu verlängern. Diesem Antrag wurde mit dem Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg (LH) vom 24. Mai 2004 stattgegeben.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (die belangten Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. März 2006 als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). Unter einem erklärte die belangte Behörde den Bescheid der LH vom 24. Mai 2004 gemäß § 68 Abs. 4 Z 1 AVG für nichtig (Spruchpunkt II.).

Die Berufungszurückweisung begründete die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1997, Zl. 96/07/0254, damit, dass nach der Judikatur in einem Verfahren nach § 112 WRG nur dem Bewilligungswerber ein rechtliches Interesse zukomme, sodass gegen die Vorschreibung oder Verlängerung der Frist zur Bauvollendung außer dem Bewilligungswerber niemandem ein Rechtsmittel zustehe.

Bei der von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde vorgenommenen Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Fristverlängerungsbescheides ging die belangte Behörde mit näherer (insoweit dem Berufungsvorbringen folgender) Begründung davon aus, dass im Hinblick auf die am 12. Juli 1997 in Kraft getretene Änderung des § 99 Abs. 1 lit. b WRG 1959 durch die WRG-Novelle 1997 nicht die LH, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde zur Entscheidung über den auf § 112 Abs. 2 WRG 1959 gestützten, als "selbständig" gewerteten Antrag des Mitbeteiligten vom 11. Jänner 2000 auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist zuständig gewesen wäre.

Gegen Spruchpunkt II. brachte der Mitbeteiligte eine Beschwerde ein, die mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 2006, Zl. 2006/07/0048, als unbegründet abgewiesen wurde.

Gegen Spruchpunkt I. erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 6. Juni 2006, B 813/06-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und seitens des Mitbeteiligten über die Frage der Zulässigkeit der (mit Schriftsatz vom 29. September 2006 auftragsgemäß ergänzten) Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid - im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes - in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (siehe etwa den Beschluss vom 18. Februar 1999, Zl. 97/07/0184, und aus der letzten Zeit beispielsweise den Beschluss vom 15. Dezember 2008, Zl. 2005/10/0167, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Beschwerdeführer vor, trotz Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Bescheides sei er nach wie vor beschwert. Die Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs. 4 AVG entfalte nach der Rechtsprechung nur Wirkungen ex nunc, die somit erst mit der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde eingetreten seien. Dadurch sei der Beschwerdeführer ungünstiger gestellt, als wenn die belangte Behörde seiner Berufung Folge gegeben hätte. In diesem Fall wäre der Bescheid der Erstbehörde nämlich rückwirkend aus dem Rechtsbestand beseitigt worden und er hätte auch in der Zwischenzeit vom 24. Mai 2004 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Rechtswirkungen entfalten können, weil bei Bejahung der Zulässigkeit der Berufung auch "Suspensivwirkung der Berufung" vorgelegen wäre. Ein Rechtsschutzinteresse wäre nach der Rechtsprechung nur dann zu verneinen gewesen, wenn der Bescheid rückwirkend zum Tag seiner Erlassung aufgehoben worden und so aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wäre, dass von ihm weitere Rechtswirkungen nicht mehr ausgehen könnten. Im Zeitraum von seiner Erlassung durch die Erstbehörde bis zur Behebung durch die belangte Behörde habe daher der erstinstanzliche Bescheid bestanden und hätte auch die Grundlage zu einer Ermächtigung für Eingriffe seitens des Mitbeteiligten, der in diesem Zeitraum Baumaßnahmen durchgeführt habe, in die Rechte des Beschwerdeführers darstellen können. Da Fristbestimmungen iSd § 112 WRG 1959 nach der Rechtsprechung neben einem rechtsgestaltenden auch ein feststellender Inhalt zukomme, könne "auch eine Auseinandersetzung über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum noch Auswirkungen auf bestehende und künftige Rechtspositionen haben". Weiters könne der Bestand des erstinstanzlichen Bescheides bis zu seiner Vernichtung auch "als Grundlage für einen fortgesetzten, auch zukünftigen Eingriff seitens des Mitbeteiligten in das Wasserbenutzungsrecht des Beschwerdeführers dienen".

Dem Beschwerdeführer ist dahin beizupflichten, dass nach übereinstimmender Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die Erklärung eines formell und materiell rechtskräftigen Bescheides als nichtig gemäß § 68 Abs. 4 AVG lediglich bewirkt, dass der Bescheid für die Zukunft nicht mehr besteht ("ex-nunc-Wirkung"). Demgegenüber bleiben für die Vergangenheit die rechtlichen Wirkungen unberührt, die ein solcher Bescheid während der Zeit seines Bestehens mit sich gebracht hat (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluss 14. September 2001, Zl. 2001/19/0064, mit weiteren Hinweisen, u.a. auf das Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 94/07/0007). Die Erhebung einer unzulässigen Berufung hindert nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht den Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides. Die Zurückweisung einer solchen Berufung durch die Berufungsbehörde hat lediglich feststellenden Charakter (vgl. das Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/03/0422, mit weiteren Nachweisen; siehe zuletzt auch das Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0708). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass auf der Basis des Inhalts des angefochtenen Bescheides der erstinstanzliche Bescheid der LH vom 24. Mai 2004 mangels Bekämpfung mit einer zulässigen Berufung in Rechtskraft erwachsen ist und bis zu seiner Nichtigerklärung durch die belangte Behörde dem Mitbeteiligten das Recht verlieh, den Bau des Kraftwerkes noch zu vollenden.

Mit seinem Berufungshauptantrag begehrte der Beschwerdeführer vorrangig die ersatzlose Behebung des Bescheides vom 24. Mai 2004 wegen Unzuständigkeit der LH. Angesichts der Zurückweisung dieser Berufung mit Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides macht der Beschwerdeführer (u.a.) im Rahmen des Beschwerdepunktes geltend, in seinem Recht auf eine Sachentscheidung verletzt zu sein. Dem liegt die (näher und unter verschiedenen Gesichtspunkten begründete) Auffassung zugrunde, ihm komme im Verfahren über den Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist nach § 112 Abs. 2 WRG 1959 Parteistellung zu; seine Berufung sei demnach zulässig und hätte von der belangten Behörde nicht zurückgewiesen werden dürfen. Folgte man diesem Standpunkt, so wäre der angefochtene Spruchpunkt I. - gemäß § 42 Abs. 3 VwGG rückwirkend (vgl. unter vielen etwa das Erkenntnis vom 23. Jänner 2008, Zl. 2006/07/0169) -

aufzuheben und die belangte Behörde hätte im fortzusetzenden Verfahren über die als zulässig anzusehende Berufung des Beschwerdeführers meritorisch zu entscheiden, und zwar vor dem Hintergrund des oben erwähnten Erkenntnisses vom 6. Juli 2006, Zl. 2006/07/0048, im Sinne einer - wegen Unzuständigkeit der LH zur Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag vorzunehmenden -

ersatzlosen Behebung des Bescheides vom 24. Mai 2004. Infolge einer zulässigen Berufung wäre somit der erstinstanzliche, die Bauvollendungsfrist verlängernde Bescheid der LH nicht in Rechtskraft erwachsen und hätte angesichts der einer Berufung nach § 64 Abs. 1 AVG grundsätzlich zukommenden aufschiebenden Wirkung dem Mitbeteiligten keine Rechte einräumen können.

Wäre die Beschwerde bei einer inhaltlichen Behandlung erfolgreich, so könnte der Beschwerdeführer somit im Vergleich zur vorgenommenen Nichtigerklärung des Bescheides der LH vom 24. Mai 2004 insofern besser gestellt sein, als dieser, die Bauvollendungsfrist verlängernde Bescheid bis zur Wirksamkeit der Nichtigerklärung mit Zustellung des angefochtenen Ministerialbescheides (9. März 2006) dem Mitbeteiligten keine Rechte hätte verleihen können. Jedoch vermag der Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde nicht aufzuzeigen, er sei dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass dem Mitbeteiligten durch den Fristverlängerungsbescheid vorübergehend das - dem Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes nach § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 entgegenstehende - Recht zugekommen sei, den Bau des Kraftwerkes auch nach Ablauf der zuletzt festgesetzten Frist (31. Dezember 2001) noch fertig zu stellen.

Die Einwände des Beschwerdeführers gegen das Projekt des Mitbeteiligten beziehen sich nämlich auf das Problem der Wasseraufteilung (Wassersteuerung) auf die Anlagen des Beschwerdeführers auf der einen und des Mitbeteiligten auf der anderen Seite. Der Beschwerdeführer befürchtet nach seinem Vorbringen in der Berufung, dass der Mitbeteiligte durch die (konsensgemäß zustehende) Nutzung der Hälfte des Wasserdargebotes der T in sein ihm zustehendes Wasserrecht auf Nutzung von 3000 l/sec mangels ausreichender Wasserführung der T - nach mehrjährigen Pegelmessungen an etwa 140 Tagen pro Jahr - eingreifen könnte. Ein Vorbringen, dass der Mitbeteiligte im Zeitraum bis März 2006 in dieses Wasserbenutzungsrecht des Beschwerdeführers tatsächlich eingegriffen hätte, kann der Beschwerde jedoch nicht entnommen werden. Der lapidare Hinweis, dass der Mitbeteiligte in diesem Zeitraum "Baumaßnahmen durchführte", vermag eine solche Rechtsverletzung nicht darzutun, zumal sich daraus nicht ergibt, der Mitbeteiligte hätte den Bau seines Kraftwerkes in einer Weise vorgenommen, dass schon dadurch das dem Beschwerdeführer zustehende Wasserbenutzungsrecht beeinträchtigt worden wäre.

Soweit der Beschwerdeführer noch meint, dass der vorübergehende Bestand des für nichtig erklärten Bescheides "Auswirkungen auf bestehende und künftige Rechtspositionen haben" und auch "als Grundlage für einen fortgesetzten, auch zukünftigen Eingriff seitens des Mitbeteiligten in das Wasserbenutzungsrecht des Beschwerdeführers dienen" könnte, bleibt er schließlich jede Konkretisierung schuldig.

Angesichts dessen ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer trotz der im Spruchpunkt II. erfolgten Nichtigerklärung des Bescheides der LH vom 24. Mai 2004 durch die bekämpfte, im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vorgenommene Berufungszurückweisung in Rechten verletzt sein könnte.

Die Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG infolge Fehlens einer Rechtsverletzungsmöglichkeit mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 erster Fall VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. April 2009

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