VwGH 2000/20/0531

VwGH2000/20/053131.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des SC in Wien, geboren am 27. Jänner 1982, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. November 2000, Zl. 215.713/26-XI/38/00, betreffend §§ 6 Z 3 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §8;
AVG §19;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
FrG 1997 §57 Abs1;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §8;
AVG §19;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
FrG 1997 §57 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, betrat am 18. Dezember 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellte am 20. Dezember 1999 einen Asylantrag.

Bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 20. Dezember 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, in Kenema geboren worden zu sein und im Dorf Blama in Sierra Leone gelebt zu haben. Er spreche Englisch und ein wenig Mende.

Der Beschwerdeführer wurde einer ausführlichen Befragung über gesellschaftliche und politische Belange von Sierra Leone unterzogen, wobei das Bundesasylamt auf Grund seiner unrichtigen und widersprüchlichen Angaben zur Auffassung gelangte, dass er nicht Staatsangehöriger von Sierra Leone, sondern Staatsangehöriger von Nigeria sei. Zu seinen Fluchtgründen wurde der Beschwerdeführer nicht mehr befragt.

Mit Bescheid vom 18. Jänner 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Nach wörtlicher Wiedergabe des Vernehmungsprotokolls vom 12. Jänner 2000 führte das Bundesasylamt beweiswürdigend aus, dass der Beschwerdeführer lediglich Englisch, nicht aber Mende spreche. Er habe über die Währung, über die Regenzeit, über die nationalen Symbole, die Nationalfeiertage, die Nationalspeisen und über die geographischen Gegebenheiten Sierra Leones sowie über Einzelheiten des dortigen Wirtschaftslebens unrichtige Angaben gemacht und stamme nach Ansicht des Bundesasylamtes aus Nigeria. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich gewesen, auch nur annähernd den Eindruck zu erwecken, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen. Bei einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen sei ihm jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen. Sein Asylantrag entbehre eindeutig jeder Grundlage und sei daher gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Für Abschiebungshindernisse in Bezug auf Nigeria gebe es keine Anhaltspunkte.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 24. Jänner 2000 und - im Hinblick auf sein behauptetes Geburtsdatum und seine bei dessen Zugrundelegung damals noch bestehende Minderjährigkeit - am 30. Juni 2000 seinem gesetzlichen Vertreter, dem Magistrat der Stadt Wien - Kompetenzzentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, zugestellt (vgl. in diesem Zusammenhang das - den nunmehrigen Beschwerdeführer als mitbeteiligte Partei betreffende - hg. Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 2000/20/0157).

In der jedenfalls rechtzeitigen Berufung vom 6. Juli 2000 gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:

"Bei richtiger Beurteilung der von mir vorgebrachten Asylgründe hätte die Asylbehörde erster Instanz meinem Asylantrag stattgeben und feststellen müssen, dass ich Flüchtling im Sinne des Art. I Abschnitt a Genfer Flüchtlingskonvention bin.

Weiters hätte die belangte Behörde bei entsprechender rechtlicher Würdigung der vorgebrachten asylrelevanten Tatsachen gem. § 8 AsylG feststellen müssen, dass meine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keinesfalls zulässig ist.

Die Behörde hat gänzlich die ihr obliegende amtswegige Ermittlungspflicht im gegenständlichen Verfahren unterlassen. Bereits aus diesem Grund ist das gesamte Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet.

Einen weiteren schweren Verfahrensmangel stellt meine Vernehmung in der englischen Sprache dar. Es war mir nicht möglich, der Einvernahme zu folgen bzw. auf unvollständige oder sogar falsche Protokollierung aufmerksam zu machen.

(...)

Auf meine Fluchtgründe ist die Behörde überhaupt nicht eingegangen und kommt lediglich zu der Erkenntnis, dass ich für den Fall der Rückkehr nach Nigeria (obwohl dies nicht mein Heimatland ist) weder der Todesstrafe noch einer unmenschlichen Bestrafung oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt bin.

Zu diesem Ergebnis sei die belangte Behörde nach amtswegigen Ermittlungen gekommen. Diesbezüglich ist der belangten Behörde jedoch vorzuwerfen, dass nicht einmal annähernd ein ordentliches den Gesetzen entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde. Gem. § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Dem Berufungswerber wurde jedoch keine Gelegenheit zur Geltendmachung dieser Rechte gegeben.

Aus all den oben vorgebrachten Gründen geht eindeutig hervor, dass das Verfahren mehr als mangelhaft durchgeführt wurde und stelle ich daher den Antrag

auf neuerliche Einvernahme meiner Person.

Weiteres Vorbringen im Zuge des Berufungsverfahrens wird ausdrücklich vorbehalten und hätte die Behörde bei einem rechtmäßig durchgeführten Verfahren zu der Ansicht gelangen müssen, dass ich begründete Angst vor Verfolgung habe, sehr wohl Flüchtling im Sinn des Asylgesetzes 1997 und der Genfer Flüchtlingskonvention bin und kein Ausschließungsgrund vorliegt."

Mit Telefax vom 18. August 2000 übermittelte die belangte Behörde dem Vertreter des Beschwerdeführers eine chronologische Zusammenfassung der Ereignisse in Sierra Leone im Zeitraum vom 1. Mai bis 13. Juni 2000, zusammenfassende Berichte über die dortige Sicherheitslage sowie eine Ladung des Beschwerdeführers zu einer für den 31. August 2000 anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung.

Am 30. August 2000 gab eine Mitarbeiterin der Kanzlei des Beschwerdevertreters der belangten Behörde bekannt, der Beschwerdeführer habe telefonisch mitgeteilt: "Lawyer, I am sick"; dieser könne daher zur Berufungsverhandlung nicht erscheinen.

Die belangte Behörde verlegte daraufhin die mündliche Berufungsverhandlung unter nochmaliger Ladung des Beschwerdeführers auf den 12. September 2000.

Mit Telefax vom 11. September 2000 gab der Vertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass es dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Erkrankung nicht möglich sei, an der für den 12. September 2000 anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung teilzunehmen. Mit Telefax vom gleichen Tag ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer,

"eine ärztliche Bestätigung für die Erkrankung des Berufungswerbers sowohl hinsichtlich der auf Grund der angeblichen Erkrankung des Berufungswerbers abberaumten mündlichen Verhandlung vom 31.8.2000 als auch hinsichtlich der nunmehr für den heutigen Tag abberaumten mündlichen Verhandlung binnen zwei Wochen vorzulegen. Sollte eine Vorlage dieser ärztlichen Bestätigung nicht erfolgen, wird dies im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden."

Am 25. September 2000 legte der Beschwerdeführer eine "Zeitbestätigung" des praktischen Arztes Dr. N.K.A. vom 13. September 2000 vor, wonach der Beschwerdeführer "seit 31.8.00 bis voraussichtlich 14.9.00 bei mir in ärztlicher Behandlung" stehe.

Darauf ersuchte die belangte Behörde - nach neuerlicher Abberaumung der Verhandlung - mit Schreiben vom 6. Oktober 2000 den Vertreter des Beschwerdeführers,

"eine ärztliche Bestätigung vorzulegen, aus welcher eine konkrete Erkrankung, welche die Nichtteilnahme des Berufungswerbers an den beiden mündlichen Verhandlungen am 31.8.2000 und am 12.9.2000 plausibel macht, ersichtlich ist bzw. detailliert anzugeben, ob der Berufungswerber am 31.8.2000 um 13.00 Uhr bzw. am 12.9.2000 um 13.30 Uhr tatsächlich in der Ordination des diese 'Zeitbestätigung' ausstellenden Arztes in Behandlung war. Sollte die Vorlage einer solchen Bestätigung binnen zwei Wochen nicht erfolgen, wird dies in der Beweiswürdigung berücksichtigt werden."

Darauf reagierte der Vertreter des Beschwerdeführers mit einer Mitteilung vom 25. Oktober 2000, nach der es "bedauerlicherweise nicht möglich" sei, eine "weitere Zeitbestätigung" zu erlangen. Die von der belangten Behörde erfragten Umstände würden sich ohnehin aus der vorgelegten Zeitbestätigung ergeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers vom 6. Juli 2000 gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 6 Z 3 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei. Die belangte Behörde sah das angekündigte Fernbleiben des Beschwerdeführers von den beiden abberaumten mündlichen Berufungsverhandlungen nicht als ausreichend entschuldigt an und sprach aus, dass über die Identität des Beschwerdeführers, dessen Staatsangehörigkeit, den Fluchtweg und die Fluchtgründe keine Feststellungen getroffen werden können. Sie berief sich beweiswürdigend auf die diesbezüglichen Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides und fügte weitere, sich aus den unrichtigen erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers ergebende Argumente für dessen Unglaubwürdigkeit hinzu. Da die Angaben des Beschwerdeführers über dessen Identität und dessen Staatsangehörigkeit unglaubwürdig seien, könnten auch "allfällige behauptete Fluchtgründe" nicht der Wahrheit entsprechen. Der Beschwerdeführer habe von dem ihm im Berufungsverfahren eingeräumten Parteiengehör keinen Gebrauch gemacht.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspreche, weshalb der Asylantrag gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen sei.

Bei ihrer Refoulemententscheidung gemäß § 8 AsylG schloss sich die belangte Behörde den Feststellungen der Behörde erster Instanz, der Beschwerdeführer sei ein Staatsangehöriger von Nigeria, nicht an. Sie prüfte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in Bezug auf den (behaupteten) Herkunftsstaat Sierra Leone. Sie stellte auf Grund der dem Vertreter des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren zur Kenntnis gebrachten Unterlagen fest, dass die Hauptstadt Freetown und deren Umgebung sowie der Süden und Osten von Sierra Leone gegenwärtig und für die nähere Zukunft auf Grund der Präsenz u.a. von Regierungstruppen sicher seien. Der Beschwerdeführer habe nicht vermocht, eine Gefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG darzutun, weshalb seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur mangelhaft nachgekommen sei. Der Beschwerdeführer habe mehrfach versucht, seine Bedrohungssituation darzulegen. Die belangte Behörde habe die von ihm vorgelegte ärztliche Zeitbestätigung zu Unrecht nicht für ausreichend gehalten, die Nichtteilnahme an den beiden in Aussicht genommenen mündlichen Berufungsverhandlungen zu entschuldigen. Unter Anwendung "des allgemeinen gesunden Menschenverstandes ist durch Auslegung durchaus erkennbar, dass der Beschwerdeführer krankheitsbedingt nicht an den Verhandlungen teilnehmen konnte."

Das Verlangen nach der Nennung einer konkreten Krankheit stelle einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers dar, sodass das gesamte Attestverlagen der belangten Behörde unzulässig gewesen sei. Die belangte Behörde hätte amtswegig ermitteln müssen, ob der Beschwerdeführer nun tatsächlich krankheitsbedingt verhandlungsunfähig gewesen sei oder nicht.

Diesen Beschwerdeausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer, dessen Angaben über seinen Herkunftsstaat von der Behörde erster Instanz für offensichtlich unglaubwürdig gehalten worden sind, in seiner Berufung vom 6. Juli 2000 (die erste, mit dem zur hg. Zl. 2000/20/0157 aufgehobenen Bescheid zurückgewiesene Berufung vom 28. Jänner 2000 hatte überhaupt keine Begründung enthalten) lediglich gerügt hatte, dass die Behörde erster Instanz ihre Ermittlungspflichten verletzt hätte und dass seine Vernehmung in der englischen Sprache einen schweren Verfahrensmangel darstelle. In welcher anderen Sprache der Beschwerdeführer hätte vernommen werden sollen, wurde hingegen nicht dargelegt. Auch die Beschwerde greift diesen angeblichen Verfahrensmangel gar nicht mehr auf.

Im Übrigen wendete sich die Berufung lediglich gegen die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz und rügte, dass diese auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers überhaupt nicht eingegangen sei. Die Berufung enthielt jedoch kein Vorbringen darüber, aus welchen Umständen sich ergeben könnte, dass die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz hinsichtlich der Herkunft des Beschwerdeführers nicht zutreffe, und auch keines über eine im behaupteten Herkunftsland drohende Verfolgung.

Erst in der Beschwerde wird folgender Sachverhalt vorgetragen:

"Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Sierra Leone. Im Frühjahr wurde der Vater des Beschwerdeführers von Polizisten verschleppt und ist seit dem nicht mehr aufgetaucht. Vermutlich wurde er von den Polizisten getötet. Hintergrund dieser Tat ist, dass zwei Brüder des Beschwerdeführers von RUF-Rebellen rekrutiert worden sind und dass sich die Polizei in der Folge für die Taten der Rebellen an der Familie des Beschwerdeführers rächen will. Der Beschwerdeführer ist daraufhin zunächst bei Freunden untergetaucht.

Der Beschwerdeführer fürchtet in Sierra Leone um sein Leben. In den von Rebellen kontrollierten Gebieten fürchtet er zwangsrekrutiert zu werden. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten befürchtet er die Verfolgung durch die Polizei. Als der Beschwerdeführer erfuhr, dass seine Wohnung durchsucht worden ist, und sein Vater nicht wieder aufgetaucht ist, entschied er sich, Sierra Leone zu verlassen."

Das Fehlen eines zusätzlichen Vorbringens in der Berufung befreite jedoch die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht von ihrer gemäß § 67d AVG in Verbindung mit Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG bestehenden Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (vgl. die Erkenntnisse vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und vom 6. Oktober 1999, Zlen. 99/01/0199, 0240), weil die belangte Behörde gemäß § 32 Abs. 2 letzter Satz AsylG die Refoulement-Prüfung anders als die erstinstanzliche Behörde nicht in Bezug auf Nigeria, sondern in Bezug auf Sierra Leone vornahm und darüber Feststellungen auf Grund eines erst von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens traf. Die grundsätzliche Pflicht der belangten Behörde zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ist auch dann zu beachten, wenn die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Verhandlung nur in Bezug auf die zu treffende Entscheidung über den Abschiebungsschutz nicht gegeben sind (vgl. die Erkenntnisse vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465, vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0203 und Zlen. 99/20/0111-0113, und vom 21. September 2000, Zl. 99/20/0373). Darüber hinaus hat auch die belangte Behörde dadurch, dass sie eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumte und den Beschwerdeführer zum persönlichen Erscheinen aufforderte, offensichtlich die Auffassung vertreten, dass die Verhandlung gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG i.V.m. § 67d AVG zur Klärung des Sachverhalts erforderlich sei.

Dem Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte die belangte Behörde nicht dadurch entsprechen, dass sie dem Beschwerdeführer anlässlich der Ladung zur Berufungsverhandlung durch Übermittlung von Unterlagen über die aktuelle Situation in Sierra Leone mit Stichtag 13. Juni 2000 "Parteiengehör" einräumte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. März 2000, Zl. 99/20/0002, und vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0490).

Allerdings führt nicht jede Verfahrensverletzung zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides, sondern dazu kommt es nur dann, wenn der unabhängige Bundesasylsenat bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist sie in der Beschwerde konkret darzulegen (vgl. das Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 98/20/0579). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der Verfahrensfehler der belangten Behörde nicht in den beiden - dem Standpunkt des Beschwerdeführers, er sei an der Teilnahme krankheitshalber verhindert, zunächst jeweils Rechnung tragenden - Abberaumungen zu sehen ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer zu einem dieser Termine erschienen wäre, wenn die Abberaumungen unterblieben wären. Geht die Behörde mit Abberaumungen vor, wodurch ihre entsprechenden Ladungsbescheide gegenstandslos werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1998, Zl. 96/03/0070 mwN), statt zunächst in Abwesenheit der Partei zu verhandeln und sich von der Stichhaltigkeit der Entschuldigungsgründe im Nachhinein zu überzeugen, so erfordert dies unter dem Gesichtspunkt der Verhandlungspflicht und dem damit einhergehenden Erfordernis der ordnungsgemäßen Ladung der Parteien zum Verhandlungstermin (vgl. in diesem Zusammenhang die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 9 zu § 67d AVG angeführte hg. Judikatur) die Anberaumung eines weiteren Termins. Wäre der Beschwerdeführer zu diesem erschienen und hätte er in der Verhandlung die in der Beschwerde dargestellten Verfolgungsbehauptungen erhoben und glaubhaft zu machen versucht, so ist aber nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde insgesamt zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2001

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