VwGH 94/04/0191

VwGH94/04/01918.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde

1. der Carmen C, 2. der Andrea W und 3. des Andreas W, alle in L, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. Juli 1994, Zl. 315.754/3-III/A/2a/94, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: X-AG), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §79 Abs1;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §79 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 7. September 1992 wurde der mitbeteiligten Partei mit Spruchpunkt I. die gewerbebehördliche Genehmigung zum Umbau ihrer Betriebsanlage "gemäß §§ 81, 74, 77 und 353 ff GewO 1973 sowie § 27 Arbeitnehmerschutzgesetz, beide i.d.g.F. nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes sowie der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen" unter Vorschreibung einer Reihe von (gewerbetechnischen, gewässertechnischen und im Interesse des Straßenerhalters liegender) Auflagen erteilt. Die nachfolgenden Spruchpunkte des Genehmigungsbescheides haben folgenden Wortlaut:

"II. Gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 wird angeordnet, daß die Inbetriebnahme der Tankstelle einschließlich des Tankautomatenbetriebes in der Zeit zwischen 1. April und 31. Oktober (Sommerbetrieb) erst aufgrund einer gesonderten Betriebsbewilligung erfolgen darf, der jedoch während des ersten Sommerbetriebes, sollte dieser aber baubedingt kürzer als vier Monate sein, auch während des zweiten Sommerbetriebes ein Probebetrieb vorausgehen kann. Die Aufnahme des Probebetriebes ist der Behörde rechtzeitig anzuzeigen. Um Erteilung der Betriebsbewilligung für den Sommerbetrieb hat die Genehmigungswerberin rechtzeitig anzusuchen.

III. Die Einwendungen der Nachbarn Carmen C, Andrea und Andreas W, Margarethe E, Andreas und Gebhard S, Reinhard, Ingrid, Ruth, Herbert und Kriemhild W werden, soweit ihnen nicht durch die Vorschreibung von Auflagen (Spruchpunkt I.) sowie durch die Anordnung der gesonderten Betriebsbewilligung für den Sommerbetrieb (Spruchpunkt II.) Rechnung getragen worden ist, gemäß §§ 74, 77 und 81 GewO 1973 abgewiesen."

Dagegen erhoben die nunmehrigen Beschwerdeführer Berufung. Sie stellten darin den Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid dahin abzuändern, daß die beantragte Betriebsanlagengenehmigung nicht erteilt werde.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. Juli 1994 wurde über die Berufung der Beschwerdeführer wie folgt abgesprochen:

"I

Der Berufung wird insoweit entsprochen, als die Betriebszeiten der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage wie folgt festgelegt werden:

  1. a) An Samstagen von 07.00 Uhr bis 21.00 Uhr
  2. b) an den übrigen Tagen im Zeitraum vom 1.5. bis 31.10. jeden Jahres von 08.00 Uhr bis 21.00 Uhr; im Zeitraum vom 1.11. bis 30.4. jeden Jahres von 08.00 Uhr bis 20.00 Uhr.

    Darüber hinaus wird die Berufung - unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Antrag hinsichtlich der Aufstellung eines Tankautomaten von der Konsenswerberin zurückgezogen wurde - abgewiesen.

II.

Die von den Berufungswerbern in der mündlichen Verhandlung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16.3.1994 gestellten Anträge auf Erstellung zusätzlicher Gutachten aus dem Sachgebiet der Verkehrsstatistik und Betriebswirtschaft werden abgewiesen."

Zur Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere des Inhaltes der von ihm in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 15. März 1994 eingeholten (gewerbetechnischen und medizinischen) Sachverständigengutachten zur rechtlichen Beurteilung aus, unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 1994 "geschlossenen Kompromisses" (wonach die Konsenswerberin auf den Tankautomaten verzichte und der im Spruch festgesetzten Betriebszeitenbeschränkung zustimme) seien der Entscheidung somit die Änderungen der örtlichen Verhältnisse durch die Änderung der Betriebsanlage in den festgelegten Zeiten zugrunde zu legen gewesen. Die Sachverständigen hätten dargelegt, daß es durch die Änderung der Betriebsanlage zu keiner Immissionserhöhung für die Nachbarn komme. Eine spruchgemäße Regelung der Betriebszeiten - als Ergebnis "von Gesprächen innerhalb der Verhandlung vom 16.3.1994 zwischen dem Vertreter der Konsenswerberin und den Berufungswerbern" - sei notwendig, da außerhalb dieser Betriebszeiten Beeinträchtigungen der Beschwerdeführer durch die Betriebsanlage nicht ausgeschlossen werden könnten. Die der belangten Behörde vorliegenden Sachverständigengutachten seien ausreichend, vollständig und in sich schlüssig, um darauf aufbauend eine Entscheidung treffen zu können. Es bestehe keine Rechtsgrundlage dafür, daß die Gewerbebehörde die (für die mitbeteiligte Partei zu erwartende) Rentabilität der verfahrensgegenständlichen Änderung der Betriebsanlage untersuchen lasse. Im übrigen wäre ein durch Vorlage eines fachlich fundierten Gutachtens zu erbringender Gegenbeweis, daß die schlüssigen Gutachten der Amtssachverständigen unrichtig seien, den Beschwerdeführern oblegen. Diese hätten die begehrte Frist zur Vorlage von Gegengutachten jedoch ungenützt verstreichen lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte den Akt des erstbehördlichen Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. (Den Akt über das Berufungsverfahren hat die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt). Die mitbeteiligte Partei erstattete gleichfalls eine Gegenschrift, in der sie die Auffassung vertritt, daß die Beschwerde nicht berechtigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich insoweit "die Betriebsanlagengenehmigung im beschränkten Umfang erteilt wird" durch den angefochtenen Bescheid ihrem gesamten Vorbringen nach in ihren gewerberechtlich geschützten Nachbarrechten verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes tragen sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Vergrößerung des Flugdaches von 70 auf 170 m2 und die Anbindung dieses Daches an das Servicegebäude ergebe einen "Halleneffekt". Dadurch würden die Betriebsgeräusche der Tankstelle, der Parkgarage, der (zur Tankstelle) zufahrenden Fahrzeuge und die vom Verkehr der Bundesstraße ausgehenden Lärmimmissionen potenziert und in Richtung der Liegenschaften der Beschwerdeführer reflektiert. Die Probemessungen (am 15. März 1994) seien außerhalb der Saison bzw. Hauptstoßzeiten und bei besonders günstigen Fahrbahnverhältnissen erfolgt. Das insoweit angebotene Gutachten aus dem Sachgebiet Akkustik habe innerhalb der eingeräumten Frist (sechs Wochen) nicht vorgelegt werden können, da die Beschwerdeführer einen geeigneten Sachverständigen (der über die erforderlichen Geräte verfüge) innerhalb dieser Frist nicht finden hätten können. Dies sei jedoch unerheblich, weil die Behörde von Amts wegen zu prüfen habe, ob mit Belästigungen "im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO" zu rechnen sei. Die Antworten der zum Augenschein beigezogenen Sachverständigen seien "mehr als vage" ausgefallen, sodaß die Behörde (um einen Verfahrensmangel zu vermeiden) verpflichtet gewesen wäre, ein lärmtechnisches Gutachten einzuholen. Die Frage der zusätzlichen Lärmimmissionen aufgrund des (um etwa 300 %) vergrößerten Tankstellenflugdaches sei nur aufgrund einer groben Schätzung des Sachverständigen gelöst worden, ohne daß der für die schallabsorbierenden Elemente angenommene Wert von 6 dB bzw. die Erhöhung der Lärmimmission ziffernmäßig erfaßt worden seien. Die Einholung von Rentabilitätsberechnungen für die gegenständliche Tankstelle wäre von größter Bedeutung gewesen, da vorausgesetzt werden müsse, daß die mitbeteiligte Partei vor einer Investition in der Größenordnung von S 6 Millionen Kalkulationen über den zukünftigen Geschäftsverlauf angestellt habe. Dadurch hätte sich ergeben, daß die mitbeteiligte Partei mit Umsatzsteigerungen von 300 % rechne. Dies müsse aber zu einer maßgeblichen Frequenzsteigerung und weit größeren Belastung für die Anrainer führen. Die Schlußfolgerung des gewerbetechnischen Sachverständigen, daß aufgrund des eingereichten Projekts keine erhöhte Kundenfrequenz gegeben sein werde, sei unzulässig und durch die vorliegenden Unterlagen nicht gedeckt. Aus einer von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Aufstellung über die Treibstoff-Monatsumsätze ergebe sich, daß der Umsatz im August (1993) der mit Abstand höchste Monatsumsatz sei. Im Monat August würde im Vergleich zum Monat März, in welchem Monat die Messungen im Berufungsverfahren erfolgt seien, die Tankstelle noch mehr frequentiert. Aus den Umsätzen der Monate März und August sei zu folgern, daß im Monat August die von der Tankstelle ausgehenden Belästigungen etwa um 20 % höher liegen als im Monat März. Diese nicht mehr tolerierbare Vergrößerung der Immissionen gegenüber den Meßergebnissen vom 15. März 1994 habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt. Durch die geplante Vergrößerung des Verkaufskiosks von 8 m2 auf 24,5 m2 werde die Tankstellenbetriebsfläche beträchtlich reduziert. Diese Verkleinerung der Betriebsfläche müsse aber zu erhöhten Immissionen durch verstärkten Motorenlärm und Rangiergeräusche führen. Die versetzte Anordnung der Tanksäulen werde Stauungen und Blockierungen der Fahrbahn bzw. Zufahrt bewirken. Auch damit habe sich die Behörde nicht auseinandergesetzt. Die gegenüber dem ersten Projekt geänderte Vergrößerung des Flugdaches (von 158 m2 auf 170 m2) und die Neuordnung der Zapfsäulen hätten eine neuerliche Antragsstellung in erster Instanz erfordert. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird vorgebracht, daß die im Monat März gemessenen Immissionen bereits an der Obergrenze des Zumutbaren lägen. Eine dem gegenüber im Monat August zu erwartende 20 %ige Erhöhung der Immissionen stehe mit § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO nicht in Einklang. Die Behörde hätte davon auszugehen gehabt, daß der Konsenswerber bei derart maßgeblichen Investitionen mit Sicherheit Umsatzerhöhungen annehme. Die von den Sachverständigen zur Erhöhung der Frequenz (der Tankstelle) angestellten Überlegungen seien nicht stichhältig. Da aufgrund des "Urlauberschichtwechsels" die größten Verkehrsbewegungen an Samstagen festzustellen seien, hätte die Behörde die in der Wochenmitte am 15. März 1994 durchgeführte Messung nicht als repräsentativ ansehen dürfen. Bei richtiger Beurteilung hätte die Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Lärmimmissionen laut der Messung vom 15. März 1994 maßgeblich überschritten würden. Daher würden die Beschwerdeführer weit mehr belästigt als dies von der Behörde angenommen wurde. Der Umstand, daß auch künftig nicht mehr als vier Kraftfahrzeuge gleichzeitig tanken können, führe nicht zur Entlastung der Beschwerdeführer, da eine erhöhte Tankfrequenz Stauungen und damit untragbare Geruchs- und Lärmimmissionen zur Folge haben müsse.

Mit diesen Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, (Z. 1) das Leben oder die Gesundheit ... der Nachbarn ... zu gefährden; (Z. 2) die Nachbarn u.a. durch Lärm zu belästigen.

Im Grunde des § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, ist nach § 77 Abs. 2 leg. cit. danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf im Grunde des § 81 Abs. 1 leg. cit. auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat, muß Ausgangspunkt einer Eignung zur Belästigung von Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage das zur dort entfalteten gewerblichen Tätigkeit gehörende Geschehen sein. Insoweit die Beschwerdeführer sich auf Lärmereignisse berufen, die von Straßen mit öffentlichem Verkehr ausgehen, sind diese Einwirkungen daher nur dann als die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse mitbestimmende Lärmereignisse zu berücksichtigen, wenn diese Ereignisse - wie etwa der Lärm der Tankvorgänge oder des Zu- und Abfahrens (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1974, Slg. NF. Nr. 8556/A) - der Betriebsanlage zuzurechnen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0233, und vm 23. April 1991, Zl. 90/04/0281).

Die Feststellung, ob die Immissionen einer (geänderten) Betriebsanlage ein für die Nachbarn zumutbares Maß überschreiten werden, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, aufgrund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend den in diesem Zusammenhang in § 77 Abs. 2 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen auszuüben vermögen. Aufgrund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0119, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Diesen Anforderungen an die Schlüssigkeit entspricht das im angefochtenen Bescheid dargestellte Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - und wie die Beschwerdeführer insoweit mit Recht rügen - in mehrfacher Hinsicht nicht.

So hat der gewerbetechnische Sachverständige in seinem Befund zur "Lärmsituation" ausgeführt, daß durch das projektierte Flugdach neue Ausbreitungsbedingungen geschaffen würden. Nach Darstellung der bestehenden (und im Rahmen von Schallpegelmessungen festgestellten) Lärmimmissionen wird vom Sachverständigen ausgeführt, daß es "durch die geplante Vergrößerung des Tankstellenflugdaches auf 170 m2 unter Einbeziehung der Ein- und Ausfahrt zum oberen Parkdeck und zu den Serviceeinrichtungen zu einer deutlich stärkeren Einschränkung der Schallausbreitung Richtung Hotel L kommen wird". Dieser Verbesserung wird vom Sachverständigen dann eine Verschlechterung der Lärmimmission durch zusätzliche Lärmreflexionen gegenübergestellt. Die genannte Verschlechterung werde nach Ansicht des Sachverständigen aber durch die gewerbetechnische Auflage im Sinne von Punkt 35 (des erstinstanzlichen Bescheides) so weit "vermindert", daß im Ergebnis mit "ungefähr gleichen Ausbreitungsbedingungen wie bisher zu rechnen sein wird".

Diese Beurteilung des gewerbetechnischen Sachverständigen ist nicht so begründet, daß die Behauptung, es werde zu keiner Erhöhung der am 15. März 1994 gemessenen Lärmimmissionen für die Nachbarn kommen, vom Verwaltungsgerichtshof auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft werden kann. So ist ohne nähere Begründung nicht einsichtig, warum allein die Vergrößerung der Fläche des Flugdaches zu einer nicht näher quantifizierten ("deutlich stärkeren") Einschränkung der Schallausbreitung führen wird. Überdies ist daraus nicht mit der notwendigen Deutlichkeit zu erkennen, ob damit auf das in diesem Zusammenhang von den Beschwerdeführern bereits in ihren Einwendungen (vom 13. Februar 1991) und in der Beschwerde wiederholt vorgetragene Vorbringen, das neue Flugdach werde einen "Halleneffekt" herbeiführen, eingegangen wird. Es wird vom Sachverständigen aber auch nicht nachvollziehbar begründet, warum die schallabsorbierenden Maßnahmen (mit einem Absortionsmaß von 6 dB) im Ergebnis zu "ungefähr gleichen Ausbreitungsbedingungen" führen werden und welche Erwägungen seiner Annahmen zugrunde liegen, daß ein (völliger) Ausgleich der für die Lärmimmission als relevant erachteten Faktoren eintreten kann bzw. wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, daß dann, wenn eine Messung der von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen möglich ist, eine solche vorzunehmen und die bloße Schätzung bzw. Berechnung dieser Immissionen aufgrund der Projektsunterlagen unzulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1986, Zl. 85/04/0128).

Die Auswirkungen der (von der geänderten Betriebsanlage ausgehenden) Immissionen sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Zugrundelegung jener Situationen zu beurteilen, die für die Nachbarn am ungünstigsten sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 1989, Zl. 87/04/0046, und vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0029).

Davon ausgehend erweist sich das gewerbetechnische Sachverständigengutachten aber hinsichtlich der Ermittlung bzw. der solcherart festgestellten tatsächlichen örtlichen Verhältnisse als mangelhaft.

Der gewerbetechnische Sachverständig geht davon aus, daß die zu erwartende Kundenfrequenz bei der (geänderten) Tankstelle der mitbeteiligten Partei von der Frequenz des Fahrzeugverkehrs auf der vorbeiführenden Straße (B n8) abhängig sei. Eine aus dem Jahr 1992 stammende Verkehrszählung habe ergeben, daß die höchste Fahrzeugfrequenz an Samstagen in der Wintersaison (Jänner bis April) und die zweithöchste Fahrzeugfrequenz an Sonntagen in der Sommersaison (Juli bis September) auftrete. Der Sachverständige kommt schließlich zu der Beurteilung, daß "diese Verkehrszählungen des Jahres 1992 recht gut mit den am 15.3.1994 durchgeführten Zählungen korrelieren", und daß "das Verkehrsaufkommen auf der B n8 keine wesentlichen Schwankungen besitzt und daher auch in Zukunft, soferne nicht die B n8 im Winter als Durchzugsstraße Richtung W geöffnet wird, keine wesentliche Verkehrssteigerung zu erwarten sein wird." Danach führt der gewerbetechnische Sachverständige folgendes aus:

"Es ist jedoch auch aufgrund der geplanten Änderung der Tankstelle keine erhöhte Kundenfrequenz zu erwarten, weil die Tankstelle am Ortsrand von L liegt und hier die ankommenden bzw. abfahrenden Fahrzeuge zum Tanken einlädt. Die nächstgelegene Tankstelle befindet sich im Ortszentrum von L in einer Tiefgarage im Hügel unterhalb der Kirche. Diese Tankstelle ist sehr unauffällig und nur durch ein einziges, relativ kleines Signalschild an der Bundesstraße erkennbar. Es ist daher anzunehmen, daß an dieser im Ort gelegenen Tankstelle hauptsächlich nur jene Fahrzeuge tanken werden, die auch die zugehörige Tiefgarage benutzen und wesentlich weniger durchfahrende Fahrzeuge anzieht, da die Lenker der durchfahrenden Fahrzeuge sich im Ortsgebiet wesentlich stärker auf den Verkehr konzentrieren müssen und daher leicht das relativ kleine Signalschild übersehen. Aus all diesen Gründen ergibt sich somit zusammenfassend, daß es durch den geplanten Umbau der Tankstelle zu keiner wesentlichen Steigerung der Kundenfrequenz kommen wird und daher auch mit keinen größeren Lärmimmissionen beim Hotel L zu rechnen sein wird, als sie bereits jetzt bestehen und am 15.3.1994 gemessen wurden. Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, daß derzeit maximal vier Fahrzeuge gleichzeitig betankt werden können und auch nach Umbau der Tankstelle nicht mehr als vier Kraftfahrzeuge gleichzeitig tanken werden können."

Diesen Schlußfolgerungen des gewerbetechnischen Sachverständigen ist entgegenzuhalten, daß die am 15. März 1994 ermittelten Lärmimmissionen an einem Dienstag im Monat März gemessen wurden, obwohl nach seinem Befund die höchste Fahrzeugfrequenz an Samstagen (in der Wintersaison) liegen soll. Der Prämisse des Sachverständigen, die höchste Fahrzeugfrequenz habe sich in der Wintersaison in den Monaten Jänner bis April gezeigt, ist die von der Gemeinde L mit Schreiben vom 24. Jänner 1994 vorgelegte Auswertung der Verkehrszählungen des Jahres 1992 entgegenzuhalten, wonach die Straße L-W (B n8) bis 15. Mai 1992 geschlossen war und seit der Öffnung der Verkehr kontinuierlich zunahm und die Spitze im AUGUST erreichte. Damit ist auch die von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Aufstellung der Monatsumsätze im Jahr 1993 in Einklang zu bringen, wonach im AUGUST 1993 mit 128.564 Liter der höchste Monatsumsatz in diesem Jahr erzielt worden ist. Im Monat März 1993 betrug demgegenüber der Umsatz nur

104.630 Liter und lag damit in Ansehung der Umsätze der Wintersaison nur an der zweiten Stelle. Die vom Sachverständigen selbst gebrauchten Argumente, daß der Öffnung der Durchzugsstraße Richtung W und der Lage der Tankstelle am Ortsrand (dieser Durchzugsstraße) besondere Bedeutung zukommen soll, vermögen die vom Sachverständigen hinsichtlich der Verkehrs- und Kundenfrequenz in seinem Gutachten dargelegten Schlußfolgerungen daher nicht zu stützen. Die unter Zugrundelegung des Meßergebnisses vom 15. März 1994 hinsichtlich der zu erwartenden Kundenfrequenz bzw. darauf aufbauend der Veränderung der zu erwartenden Lärmimmissionen vom Sachverständigen dargelegten Schlußfolgerungen sind somit nicht schlüssig begründet. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß in der Umsatzaufstellung der mitbeteiligten Partei für das Jahr 1993 ein Jahresumsatz von 891.738 Liter angegeben wurde, der Tankstellenpächter nach der Stellungnahme der Gemeinde L vom 24. Jänner 1994 "den Jahresumsatz mit ca. 1 Million Liter" bezifferte und für die Rentabilität einer Tankstelle - laut der genannten Stellungnahme - "ansonsten mit einem Jahresumsatz von 1,5 Millionen Litern Treibstoff gerechnet wird". In ihrer (im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten) Gegenschrift hat die mitbeteiligte Partei unter anderem selbst eingeräumt, daß die projektierten modernen Multiprodukt-Zapfsäulen (mit erweiterter Betankungsmöglichkeit an jedem Abstellplatz) einen zügigeren Abfertigungsbetrieb an der Tankstelle zulassen werden. Mit der Frage, welche Auswirkungen auf die Kundenfrequenz dieser Umstand sowie die geplante Umstellung der E-Tankstelle auf die Marke X haben wird, hat sich der Sachverständige in seinem Gutachten ebenfalls nicht (ausreichend) auseinandergesetzt.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich somit das Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen als mangelhaft bzw. nicht schlüssig begründet. Dadurch, daß dieses Gutachten dem angefochtenen Bescheid (bzw. auch dem Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen) zugrunde gelegt wurde, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften (insbesondere § 45 Abs. 2 AVG) verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ferner bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht

- hinsichtlich des verzeichneten Schriftsatzaufwandes im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand sowie den neben dem (verzeichneten) pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zustehenden Ersatz eines Streitgenossenzuschlages und der Umsatzsteuer (vgl. hiezu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 686 f wiedergegebene hg. Judikatur).

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