VwGH 90/18/0194

VwGH90/18/019428.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des Dipl. Ing. Dr. Wilhelm P in B, vertreten durch die zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwälte Dr. J,(zum Bescheid zu 1.) und Dr. D in B (zum Bescheid zu 2.) gegen die Bescheide des Bundesministers für Justiz 1. vom 8. Juni 1990, Zl. 902.636/20-III 6/90, jedoch nur hinsichtlich des Spruchpunktes 2. (Ordnungsstrafe), 2. vom 17. Oktober 1990, Zl. 902.636/72-III 6/90, betreffend Verhängung von Ordnungsstrafen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §34 Abs3;
AVG §7 Abs1 Z4;
GOG 1945 §78 Abs4;
JN §23;
JN §24;
KO §10;
KO §5;
KO §6;
KO §7;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VStG §14 Abs1;
VStG §16 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwRallg;
ZPO §220;
AVG §34 Abs3;
AVG §7 Abs1 Z4;
GOG 1945 §78 Abs4;
JN §23;
JN §24;
KO §10;
KO §5;
KO §6;
KO §7;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VStG §14 Abs1;
VStG §16 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwRallg;
ZPO §220;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden im oben bezeichneten Umfang wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen:

S 5.560,-- (betreffend das Verfahren Zl. 90/18/0194),

S 11.120,-- (betreffend das Verfahren Zl. 91/18/0075).

Begründung

Zu 1.: Unter dem Datum des 15. Dezember 1989 (überreicht beim Präsidium des Kreisgerichtes Wels am 18. Dezember 1989) brachte der Beschwerdeführer an das Kreisgericht Wels zu Handen seines Präsidenten Dr. N einen Schriftsatz, betreffend Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Richter, Ablehnungsantrag gegen denselben Richter sowie Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz ein. Mit "Beschluß" vom 23. Jänner 1990 sprach der Präsident des Kreisgerichtes Wels spruchmäßig folgendes aus:

"Wegen des nachstehenden an Dr. N gerichteten Satzes in der Dienstaufsichtsbeschwerde und dem Ablehnungsantrag gegen Mag. X vom 18.12.1989, Jv 2085-17a/89, wird über den Beschwerdeführer Dipl. Ing. Wilhelm P, eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 20.000,-- verhängt:

'... Diese Deckung von gesetzwidrigen Handlungen ist bei Ihnen üblich wie Ihre Deckung der Unterschlagungen der Gerichtskassierin Y, der Unterschlagungen in den Konkursen A und Dr. B, L, P-KG, H, D, P-Internationale, beweist ...'"

In der Begründung dieses "Beschlusses" stützte sich der Präsident des Kreisgerichtes auf § 78 Abs. 4 GOG und, was die Höhe der Ordnungsstrafe anlangt, auf § 220 ZPO sowie auf den Umstand, daß gegen den Beschwerdeführer schon mehrmals Ordnungsstrafen verhängt worden seien, weil er zahlreiche Gerichte und auch den Präsidenten des Kreisgerichtes Wels grundlos verschiedenster Vergehen beschuldigt und deren Ehre durch beleidigende Ausfälle verletzt habe.

Der Beschwerdeführer ergriff gegen diesen Bescheid Berufung, welcher mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz vom 9.2.1990 nicht Folge gegeben wurde. Auch die Berufungsinstanz unterstellte den von der ersten Instanz festgestellten, sich aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers ergebenden Sachverhalt dem § 78 Abs. 4 GOG. Einer weiteren Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz wurde mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 8. Juni 1990 (Punkt 2.) nicht Folge gegeben. Auch die Ministerialinstanz zog als rechtliche Grundlage der Bestrafung § 78 Abs. 4 GOG heran und betonte, die Verhängung der Ordnungsstrafe sei eine Justizverwaltungssache, die nicht durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sei (JBl 1968, 87).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 90/18/0194 erhobene Beschwerde.

Zu 2.: Mit Schriftsatz, datiert mit 21. April 1990, eingelangt beim Präsidium des Kreisgerichtes Wels am 24. April 1990, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf amtswegige Untersagung der Beschlüsse des Gläubigerausschusses gemäß § 95 Abs. 3 KO wegen Schädigung der Konkursgläubiger durch gesetzwidrige Kassenprüfungen, einen Ablehnungsantrag gegen den Richter Mag. X und den Präsidenten des Kreisgerichtes Wels Dr. N, erhob eine Dienstaufsichtsbeschwerde und Disziplinaranzeige gegen den Richter Mag. X und stellte eine Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz. Mit Bescheid vom 6. Juli 1990 sprach der Präsident des Kreisgerichtes Wels spruchmäßig folgendes aus:

"Wegen der nachstehenden im Ablehnungsantrag gegen Mag. Werner X und Dr. N und der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Mag. X vom 21.4.1990, Jv 706-17a/90, enthaltenen Äußerungen wird über den Beschwerdeführer Dipl. Ing. Dr. Wilhelm P, eine Ordnungsstrafe von S 20.000,-- (in Worten Schilling zwanzigtausend) verhängt.

' ... Mit dieser Beschränkung ... stellte Mag. X sicher,

daß die Unterschlagungen von Dr. T und Mag. X selbst unentdeckt

und ungeprüft werden ... Das Interesse der Gläubiger und der

Gemeinschuldner besteht darin, die von Dr. T und Mag. X

unterschlagenen Millionen wieder der Konkursmasse

zuzuführen ... Herrn Präsident Dr. N noch zusätzlich wegen

seiner Mitwirkung an den Unterschlagungen der Gerichtskassierin Y, F und W, Dr. R und Dr. G, bei denen er bewiesen hat, daß er an einer Aufdeckung finanzieller Unterschlagungen nicht interessiert ist ...'"

Da der Beschwerdeführer bereits mehrfach wegen solcher Beleidigungen bestraft worden sei, sei nun mit der Höchststrafe vorzugehen gewesen.

Infolge Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde dieser vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz mit Bescheid vom 23. Juli 1990 bestätigt. Auch einer weiteren Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 17. Oktober 1990 nicht Folge gegeben. Beide Berufungsinstanzen stützten sich auf § 78 Abs. 4 GOG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 91/18/0075 erhobene Beschwerde.

In beiden Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. In beiden Beschwerden wird auch die Strafhöhe bekämpft.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in zwei Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 78 Abs. 4 GOG ist derjenige, der in einer Aufsichtsbeschwerde die dem Gerichte schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzt oder Richter, Beamte, Parteien, Vertreter, Bevollmächtigte, Zeugen oder Sachverständige grundlos beleidigt, vom Vorsteher des Gerichtes oder der Justizbehörde, bei der die Beschwerde eingebracht wurde, mit einer Ordnungsstrafe (§ 220 ZPO) zu belegen. Diese Entscheidung ergeht in Ausübung der Justizverwaltung (so die Herausgeber Heller - Kocian - Schubert in der MGA "Das österreichische Justizverwaltungsrecht", Anmerkung 8 zu § 78 GOG;

Entscheidungen des OGH SZ 40/41 = JBl 1968, 87; EvBl 1969/251). Ebenso im Justizverwaltungswege ergehen Entscheidungen nach dem Auskunftspflichtgesetz. Hingegen sind Entscheidungen über Ablehnungsanträge Angelegenheit der Rechtsprechung (§§ 23, 24 JN:;Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2, Rz 165).

Nun bezeichnete der Präsident des Kreisgerichtes Wels nicht

nur die zeitlich erste seiner beiden Entscheidungen, mit denen

eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, als "Beschluß" - welches

Vergreifen im Ausdruck zu vernachlässigen wäre -, sondern er

bezeichnete, durchaus in Übereinstimmung mit der Aktenlage, die

Schriftsätze des Beschwerdeführers, die seiner Ansicht nach

beleidigende Ausfälle enthielten, als

"Dienstaufsichtsbeschwerde und ... Ablehnungsantrag" (zu 1.)

und "Ablehnungsantrag ... und Dienstaufsichtsbeschwerde " (zu

2.). Es fehlte jedoch dem Präsidenten des Kreisgerichtes eine

Rechtsgrundlage zur Heranziehung des § 78 Abs. 4 GOG in dem

- in den Formen der Gerichtsbarkeit zu führenden -

Ablehnungsverfahren gegen den Richter Mag. X (zu 1.) und gegen

diesen Richter sowie gegen sich, den Präsidenten des

Kreisgerichtes, selbst (zu 2.).

Schon aus diesem Grunde erfolgte die Heranziehung des § 78 Abs. 4 GOG rechtsirrig, soweit es die Bestrafung aus Anlaß der Ablehnungsanträge anlangt.

Darüberhinaus ist zu bemerken, daß in beiden (zu 1. und 2.) inkriminierten Äußerungen des Beschwerdeführers auch beleidigende Vorwürfe gegen den Präsidenten des Kreisgerichtes Wels Dr. N selbst erhoben wurden. Sofern diese Vorwürfe - was die Aktenlage nicht erkennen läßt - allein in Aufsichtsbeschwerden erhoben wurden, wäre diesbezüglich wohl § 78 Abs. 4 GOG heranzuziehen gewesen, doch hätte dem Präsidenten des Kreisgerichtes Wels, gegen den selbst Vorwürfe erhoben wurden, die Zuständigkeit zur Erledigung solcher Aufsichtsbeschwerden gemangelt (Entscheidung des OGH EvBl 1968/9); hiezu wäre allein der vorgesetzte Präsident, sonach jener des Oberlandesgerichtes Linz, zuständig gewesen.

Was den Inhalt der inkriminierten Vorwürfe des Beschwerdeführers anlangt, kann die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 34 Abs. 3 AVG deshalb herangezogen werden, weil diese Bestimmung - Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Personen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen - und jene oben zitierte des § 78 Abs. 4 GOG zum Teil die gleichen Begriffe (Beleidigung) verwenden und denselben Schutzzweck haben. Sowohl aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnisse vom 20. März 1979, Zlen. 727, 729, 731/77, vom 11. Dezember 1985, Zl. 84/03/0155, vom 22. April 1987, Slg. N.F. Nr. 12450/A, vom 21. September 1988, Zlen. 87/03/0237, 0238) als auch aus der Wortfolge in § 78 Abs. 4 GOG "Wer ... grundlos beleidigt, ..."

ergibt sich, daß nur jene Beleidigungen mit Ordnungsstrafen zu belegen sind, die entweder einer Beweisführung überhaupt nicht zugänglich sind (z.B. Belegung mit Tiernamen) oder solche, die die Grenzen einer sachlichen Kritik überschreiten und z.B. Vorwürfe, die längst widerlegt wurden oder derentwegen auch die Anklagebehörde keinen Grund fand, einzuschreiten, in wahrheitswidriger Weise (vorsätzlich oder fahrlässig) wiederholen. Diesbezüglich ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, den von ihm beleidigten Personen in einer nach obigen Grundsätzen zulässigen Art Verstöße gegen die Rechtsordnung nachzuweisen.

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer aber ferner die Höhe der verhängten Strafen, welche Höhe die nach § 220 Abs. 1 ZPO zulässige Obergrenze von S 20.000,-- erreicht.

Es ist dem Verwaltungsgerichtshof aus mehreren Verfahren betreffend Bewilligung der Verfahrenshilfe bekannt, daß der 55-jährige Beschwerdeführer für die Ehefrau und drei Kinder sorgepflichtig ist, eine Notstandshilfe von rund S 13.000,-- monatlich bezieht und daß sein sonstiges Vermögen in Konkurs verfangen ist. Es widerspricht daher den auch bei der Verhängung einer Ordnungsstrafe heranzuziehenden Grundsätzen einer gesetzmäßigen Strafbemessung - die analog heranzuziehenden Bestimmungen des § 19 Abs. 2 VStG und der §§ 32 bis 35 StGB kommen diesbezüglich zu gleichen Ergebnissen -, unter Absehen von den persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers jeweils die höchste Geldstrafe zu verhängen. Zu fragen wäre nämlich, welche Geldstrafe nach Ansicht der belangten Behörde ein ähnlich beleidigender Beschwerdeführer verdiente, der in guten bis sehr guten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen lebt.

Unbegründet ist die zu Zl. 90/18/0194 geäußerte Argumentation des Beschwerdeführers, es dürfe gegen ihn deshalb keine Geldstrafe verhängt wurden, weil dies "automatisch" bei ihm zum Vollzug einer - noch gar nicht verhängten - Ersatzarreststrafe führen würde. Der Verwaltungsgerichtshof verweist diesbezüglich auf sein - den Beschwerdeführer betreffendes - Erkenntnis vom 20. November 1990,

Zlen. 90/18/0148-0151.

Aus den weiter oben angeführten Gründen waren die beiden Bescheide im Umfange der sich aus dem Spruch ergebenden Prüfung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Beschwerde zu Zl. 90/18/0193 und gegen den Spruchteil 1) des Bundesministers für Justiz vom 8. Juni 1990, Zl. 902.636/20-III 6/90, wird abgesondert erfolgen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich hinsichtlich des zu 1) genannten Bescheides auf die §§ 47 ff, insbesondere 50 und 52 VwGG - der Beschwerdeführer hat entgegen der letztgenannten Gesetzesstelle nur Aufwandersatz für eine Beschwerde gegen e i n e n Verwaltungsakt geltend gemacht, so daß auf den hier geprüften Bescheid nur ein - gemäß Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991 aufzuwertender - Betrag von S 5.560,-- entfiel. Für die zu 2) behandelte Beschwerde war der verzeichnete und aufzuwertende Betrag für Schriftsatzaufwand zuzusprechen.

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