OGH 2Ob83/25g

OGH2Ob83/25g23.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und Richter in der Erlagssache des Erlegers H*, vertreten durch Dr. Paul Fussenegger, Rechtsanwalt in Wien, wider die Erlagsgegnerin E*, vertreten durch Dr. Philipp Pelz, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Februar 2025, GZ 48 R 318/24f‑34, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 22. Oktober 2024, GZ 5 Nc 8/24d‑27, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00083.25G.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Der Erleger ist schuldig, der Erlagsgegnerin die mit 2.488,88 EUR (darin enthalten 414,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 3.248,56 EUR (darin enthalten 497,93 EUR USt und 261 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Parteien streiten über die Ausfolgung eines vom Erleger zugunsten der Erlagsgegnerin erlegten Betrags. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

[2] Der Erleger ist handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 22. 9. 2023 das Insolvenzverfahren – ohne Eigenverwaltung – eröffnet wurde. Er erlegte am 6. 2. 2024 beim Erstgericht 193.975,07 EUR und brachte dazu vor, die GmbH schulde der Erlagsgegnerin aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung für das nach wie vor gemietete Geschäftslokal für Mietzinse, Zinsen und Kosten zumindest diesen Betrag. Im Insolvenzverfahren der GmbH sei nunmehr ein Sanierungsplanantrag gestellt worden. Der Erleger sei Dritter und wolle im eigenen Namen – zur Erhaltung des Mietvertrags für die GmbH – auf eine fremde Verbindlichkeit leisten. Da die Erlagsgegnerin die Annahme dieser Leistung verweigere, befinde sie sich im Gläubigerverzug, was den Erleger zum gerichtlichen Erlag berechtige.

[3] Das Erstgericht wies den Erlag mit Beschluss vom 21. 3. 2024 zurück. Im Insolvenzverfahren seien lediglich 165.284,68 EUR vom Insolvenzverwalter anerkannt worden. Der gegenständliche Betrag sei ohne Einwilligung des Insolvenzverwalters und ohne ein diese Überweisung rechtfertigendes Schuldverhältnis erfolgt, weshalb die Erlagsgegnerin die Annahme zu Recht verweigert habe.

[4] Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Erlag annahm. Im Erlagsverfahren sei lediglich eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Da der Erleger mit Einverständnis der Schuldnerin die Forderung der Erlagsgegnerin eingelöst habe, sei diese zur Annahme verpflichtet. Deren Verweigerung bewirke Annahmeverzug und berechtige daher den Antragsteller zum Erlag. Dieser Beschluss ist rechtskräftig.

[5] Mit Beschluss vom 30. 7. 2024 versagte das Oberlandesgericht Wien dem Sanierungsplan der GmbH die Bestätigung.

[6] Am 3. 9. 2024 beantragte die Erlagsgegnerin die Ausfolgung von 165.284,68 EUR. Nunmehr sei einerseits die Frage der Höhe der anerkannten Mietzinsforderung mit dem Insolvenzverwalter geklärt worden und andererseits dem Sanierungsplan die Bestätigung versagt worden, weshalb § 150a IO (Unzulässigkeit von Sonderbegünstigungen in Zusammenhang mit einem Sanierungsplan) keine Rolle mehr spiele.

[7] Der Erleger sprach sich gegen die Ausfolgung aus und stellte seinerseits einen Ausfolgungsantrag.

[8] Das Erstgericht gab dem Ausfolgungsantrag der Erlagsgegnerin statt (Punkt 1.a) und folgte dem Erleger die verbleibenden 28.690,39 EUR – rechtskräftig – aus (Punkt 1.b). In Punkt 2. wies es den darüberhinausgehenden Ausfolgungsantrag des Erlegers ab. Der Erlagsantrag habe keine Ausfolgungsbedingungen enthalten, weshalb über Antrag der Erlagsgegnerin auszufolgen gewesen sei.

[9] Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs des Erlegers Folge und wies den Ausfolgungsantrag der Erlagsgegnerin ab. Da ein Verstoß gegen § 150a IO absolute Nichtigkeit einer solchen Zahlung begründe, könne der Erlagszweck – die Erreichung einer Schuldbefreiung – nicht erfüllt werden, woran eine Ausfolgung scheitere.

[10] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob der Umstand, dass die Leistung mit einer Nichtigkeitssanktion behaftet und damit die Schuldtilgung unmöglich sei, einer Ausfolgung entgegenstehe.

[11] Die Erlagsgegnerin argumentiert in ihrem dagegen gerichteten Revisionsrekurs damit, dass § 150a IO den Zeitraum bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses oder des Versagens dieser Bestätigung erfasse und damit zum Zeitpunkt des Ausfolgungsantrags bereits nicht mehr relevant gewesen sei.

[12] Der Erleger hält dem in seiner Revisionsrekursbeantwortung entgegen, der Erlagszweck der Schuldbefreiung könne hier nicht mehr erreicht werden, weil die Zahlung aufgrund der Bestimmung des § 150a IO nicht schuldbefreiend wäre. Es sei auch unzulässig, wenn der Erlagsgegner einseitig den Rechtsgrund ändere, der hier in der Fortführung des Mietverhältnisses für das Unternehmen im Rahmen des Sanierungsplans gelegen sei.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslagezulässig; er ist auch berechtigt.

1. Zur Einordnung des hier geleisteten Erlags im Rahmen des § 150a IO:

[14] 1.1. Gemäß § 150a IO ist eine Vereinbarung des Schuldners oder anderer Personen mit einem Gläubiger, wodurch diesem vor Abschluss des Sanierungsplans oder in der Zeit zwischen dem Abschluss und dem Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses besondere Vorteile eingeräumt werden, ungültig. Die Bestimmung entspricht inhaltlich § 150 Abs 5 KO (§ 47 AO), weshalb dazu bestehende Rechtsprechung und Lehre berücksichtigt werden kann. Zweck des § 150a IO und seiner Vorgänger ist die Durchsetzung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (9 ObA 188/87), insbesondere der Schutz der Gläubigerminderheit (vgl etwa F. Riel, Das Zwangsausgleichsverfahren [2005] 120) und das Vertrauen des Geschäftsverkehrs in die Fairness des [damals] Zwangsausgleichsverfahrens. Aus dem Wortlaut des § 150a IO („oder anderer Personen“) geht eindeutig hervor, dass auch eine Vorteilsgewährung durch einen Dritten von der Bestimmung umfasst ist.

[15] 1.2. Eine ungültige Vereinbarung liegt vor, wenn diese im Hinblick auf einen bevorstehenden Sanierungsplan oder aus Anlass eines solchen getroffen wurde, mit ihm also zumindest in einem losen Zusammenhang steht (vgl RS0051928). Ein Eingehen auf die Frage, wie eng dieser Zusammenhang sein muss (vgl St. Riel in Konecny/Schubert, § 150 KO Rz 37 ff), erübrigt sich hier, weil die Weiterführung des Unternehmens im Rahmen der Sanierung vom Erleger selbst als das Motiv seines Erlags genannt wurde.

[16] 1.3. Der Begriff der „Vereinbarung“ ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen. Auch ein einseitiger Akt des Schuldners oder eines Dritten, der (durch einen weiteren einseitigen Akt des Gläubigers) dessen Bevorzugung zur Folge hat, kann eine gesetzwidrige Vereinbarung sein. Es kommt also nicht darauf an, auf welchem Weg der Vorteil vermittelt wird, sondern nur darauf, „dass der Vorteil eintritt“ (1 Ob 129/75; vgl auch St. Riel in Konecny/Schubert, § 150 KO Rz 28).

[17] 1.4. Auch der Begriff „Abkommen“ im insoweit vergleichbaren § 226 Abs 3 dInsO wird weit ausgelegt. Jedes Abkommen des Insolvenzverwalters, des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Beteiligten, durch das diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, ist nichtig. Unter „Abkommen“ werden nicht nur vertragliche Abreden, sondern auch einseitige Gestaltungsakte und Ermächtigungen, wenn der Begünstigte dadurch eine Besserstellung erfährt, subsumiert (Breuer in MüKoInsO III4 [2020] § 226 Rn 16; Hess, InsO II2 § 226 Rn 32). Anders ausgedrückt ist „Abkommen“ jede einvernehmliche Besserstellung, auch durch schlichte zweckgerichtete Vorteilsgewährung (Spliedt in K. Schmidt, InsO20 [2023] § 226 Rn 6).

[18] 1.5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass eine nach § 150a IO verpönte Sonderbegünstigung auch durch einen einseitigen Akt erfolgen kann, der einem Insolvenzgläubiger die Annahme einer Zuwendung ermöglicht. Das gilt jedenfalls für einen gerichtlichen Erlag zugunsten eines Insolvenzgläubigers, wenn die Ausfolgung von keinen weiteren Bedingungen abhängt.

[19] 1.6. Ein entgegen § 150a IO gewährter Vorteil darf weder gerichtlich noch außergerichtlich eingefordert und auch nicht zur Aufrechnung verwendet werden. Aufgrund des öffentlichen Interesses an der „Reinheit des Sanierungsplans“ wird eine absolute Nichtigkeit von gegen § 150a verstoßenden Vereinbarungen angenommen (vgl Nunner‑Krautgasser/Anzenberger in Koller/Lovrek/Spitzer, IO² [2022] zu § 150a IO, Rz 16 mwN; idS zu § 150 Abs 5 KO RS0051991). Die Ungültigkeit kann ohne weiteres von jedermann, insbesondere vom Schuldner selbst und von dem Dritten, der einen Sondervorteil verspricht oder leistet, geltend gemacht werden, sie ist nicht heilbar (vgl auch St. Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 150 KO Rz 47 mwN).

[20] 1.7. Die Hinterlegung nach § 1425 ABGB ist grundsätzlich auf die Schuldbefreiung des Erlegers gerichtet (RS0033640 [T3]). Der gerichtliche Erlag nach § 1425 ABGB soll dem leistungsbereiten Schuldner, der sich aus wichtigen Gründen nicht von seiner Schuld befreien kann, als Erfüllungssurrogat dienen; wofür immer die Umstände zur Zeit der gerichtlichen Hinterlegung maßgebend sind (RS0033636 [T5, T6]). Zweck der gerichtlichen Hinterlegung des Leistungsgegenstands ist die Schuldtilgung. Wo dieser Vorgang kraft Gesetzes nicht eintreten kann, ist der gerichtliche Erlag wegen Zwecklosigkeit unzulässig und vom Gericht nicht anzunehmen (vgl Harrer/Heidinger in Schwimann ABGB4 Rz 2 zu § 1425 ABGB mwN). Die Hinterlegung ist demnach unzulässig, wenn sie von vornherein nicht geeignet ist, die Tilgung einer Schuld herbeizuführen (Koziol/Spitzer in KBB6 § 1425 ABGB Rz 1 mwN; RS0118153; jüngst etwa 6 Ob 250/20p).

[21] 1.8. Inwieweit damit der Erlag hier angenommen werden hätte dürfen, ist vom Obersten Gerichtshof aufgrund der Rechtskraft des Annahmebeschlusses nicht (mehr) zu prüfen.

2. Zur Situation im Ausfolgungsverfahren:

[22] 2.1. Über den – vom Erstgericht in Spruchpunkt 2. abgewiesenen – Ausfolgungsantrag des Erlegers hat das Rekursgericht nicht entschieden, wogegen dieser sich nicht wendet, weshalb sein Ausfolgungsantrag nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist (RS0041490 [T10]).

[23] 2.2. Die Zustimmung des Erlegers zur Ausfolgung ist grundsätzlich nicht erforderlich (6 Ob 153/08f mwN; RS0033540 [T4], RS0033549). Nach ständiger Rechtsprechung kann der Erleger im Verfahren außer Streitsachen zwar Bedingungen für die Ausfolgung des von ihm nach § 1425 ABGB erlegten Geldbetrags setzen (RS0087237). Der Erleger selbst geht aber davon aus, dass er keine Ausfolgungsbedingungen gesetzt hat, weshalb sich eine weitere Auseinandersetzung damit erübrigt. Vielmehr steht der Erleger (auch) in der Revisionsrekursbeantwortung auf dem Standpunkt, § 150a IO stehe der Ausfolgung an die Erlagsgegnerin entgegen, weil die von ihm angestrebte Schuldtilgung aufgrund dieser Bestimmung nicht erreicht werden könne.

[24] 2.3. Damit macht der Erleger geltend, durch den Ausfolgungsbeschluss in seinem Recht auf Schuldbefreiung durch gerichtliche Hinterlegung nach § 1425 ABGB nachteilig betroffen zu sein, was ihm auch im Ausfolgungsverfahren Parteistellung eröffnet (vgl 4 Ob 119/11w Pkt 3.7 und 3.8).

[25] 2.4. Die Ungültigkeit einer Sonderbegünstigung nach § 150a IO ist unheilbar und von Amts wegen zu berücksichtigen, da es sich nicht um ein dem Schuldner gewährtes Anfechtungsrecht, sondern um eine im öffentlichen Interesse aufgestellte zwingende Rechtsvorschrift handelt (RS0051975; RS0043288 [T1]). Rechtsprechung zur Frage, ob diese – ausgehend vom Zweck der Norm – auch im Verfahren über die (ansonsten) nicht von weiteren Bedingungen abhängige Ausfolgung eines erlegten Betrags zu beachten wäre, liegt nicht vor.

[26] 3. Diese Frage kann hier aber dahinstehen. Denn § 150a IO ist jedenfalls nicht anwendbar, wenn feststeht, dass der Sanierungsplan nicht zustande kommt.

[27] 3.1. Ältere Literatur und höchstgerichtliche Rechtsprechung bejahten die Ungültigkeit der Sonderbegünstigung, „ohne Rücksicht darauf, ob der Ausgleich zustande kommt oder bestätigt wird“ (Bartsch/Pollak, Ausgleichsordnung II3 [1937] 409; dem folgend Wegan, Insolvenzrecht [1973] 258 f; so auch noch 3 Ob 159/29 und 4 Ob 411/35). In der jüngeren Literatur geht F. Riel ebenfalls von einer Ungültigkeit unabhängig vom Abschluss des Zwangsausgleichs aus. Erklärend führt er aus, es komme lediglich auf eine Beziehung zwischen Abkommen und Zwangsausgleich an. Die Ungültigkeit trete unabhängig davon ein, ob es nachträglich zum Zwangsausgleich komme, weil die Vereinbarung möglicherweise die Abstimmung auch nur eines Gläubigers beeinflussen könne (F. Riel, Das Zwangsausgleichsverfahren [2005] 124 f).

[28] 3.2. Hingegen leiten St. Riel und Nunner‑Krautgasser/Anzenberger aus dem notwendigen Zusammenhang der Begünstigung mit dem Sanierungsplan, dem Wortlaut von § 150a IO („vor Abschluss des Sanierungsplans oder in der Zeit zwischen dem Abschluss und dem Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses“) und dem Zweck der Bestimmung, die überstimmte Minderheit und die Reinheit des Ausgleichs zu schützen, ab, dass § 150a IO (bzw seine Vorgänger) nicht anzuwenden seien, wenn ein Sanierungsplan nicht zustande komme (St. Riel in Konecny/Schubert, § 150 KO Rz 42; Nunner‑Krautgasser/ Anzenberger in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 § 150a Rz 9). Diese Ansicht wurde zuletzt auch in 9 Ob 10/10a (= RS0051928 [T2]) vertreten und entspricht der für das deutsche Insolvenzrecht vertretenen Ansicht (vgl etwa Hess, InsO2 § 226 Rn 37; Plathner in Kölner Kommentar InsO IVa [2022] § 226 Rn 43; BGH 3. 3. 2005, IX ZB 153/04, vgl auch BGH 16. 6. 1952, IV ZR 131/51, NJW 1952, 1009 [BGHZ 6, 232]).

[29] 3.3. Ein anderes Ergebnis – also die Nichtigkeit auch bei Nichtzustandekommen des Sanierungsplans – würde Dritte, die im Interesse des Schuldners unzulässige Begünstigungen einräumen, durch die Möglichkeit der Rückforderung schützen und ihnen so den – dadurch risikolosen – Versuch einer verpönten Begünstigung letztlich erleichtern, ohne dass dies durch den Zweck der Norm geboten wäre. Dieser Zweck erfordert nur die Verhinderung eines durch die Sonderbegünstigung erwirkten Sanierungsplans.

[30] Bereits aus dem Gesetz ergibt sich, dass zwischen dem Sanierungsplan und der Begünstigung ein Zusammenhang bestehen muss; dieser entfällt aber zwangsläufig bei Wegfall des Sanierungsplans. Damit erfordert der Schutzzweck („Reinheit des Sanierungsplans“) keine Nichtigkeit einer Sonderbegünstigung mehr, wenn es diesen Sanierungsplan nicht (mehr) gibt und auch nicht (mehr) geben wird. Nur bei Zustandekommen des Sanierungsplans müssen die übrigen Gläubiger vor Sonderbegünstigungen geschützt werden. Sie verlieren nämlich – bei Vorliegen der erforderlichen Mehrheiten und Bestätigung des Sanierungsplans – einen Teil ihrer Forderung zugunsten der Sanierung des Schuldners (vgl § 156 IO). Im Gegenzug sollen sie sich – zumal dann, wenn es für die erforderlichen Mehrheiten (auch) auf ihr Stimmverhalten ankommt – darauf verlassen können, dass andere Gläubiger keine (geheimen) Sonderbegünstigungen erhalten.

[31] Demgegenüber bewirkt die Befriedigung der Insolvenzgläubiger im Rahmen einer nach Scheitern der Sanierung erfolgenden Verteilung gemäß §§ 128 ff IO keine Schuldbefreiung im Hinblick auf den nicht befriedigten Teil der Schuld (Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 § 139 Rz 39 ua). Die Gläubiger verlieren demnach nicht einen Teil ihrer Forderung. § 150a IO ist zu ihrem Schutz nicht erforderlich: Begünstigungen durch den Schuldner aus der Masse fallen ohnehin unter § 3 Abs 1 IO; vor Insolvenzeröffnung erfolgte Verfügungen werden vom Anfechtungsrecht erfasst. Damit ist die gleichmäßige Verteilung der Insolvenzmasse sichergestellt. Durch Zahlungen eines Dritten an einen anderen Insolvenzgläubiger sind sie nicht beschwert. Das Vermögen eines Dritten, der eine – zunächst verpönte – Zuwendung getätigt hat, bedarf keines Schutzes.

[32] 3.4. Auf dieser Grundlage ist an der in 9 Ob 10/10a vertretenen Rechtsansicht festzuhalten.

[33] 4. Auch die weiteren Einwände des Erlegers schlagen nicht durch.

[34] 4.1. Da sich die Erlagsgegnerin vor der Versagung der Bestätigung auf einen dem Gesetz entsprechenden Standpunkt – Verbot der Sonderbegünstigung – gestellt hat, dieses Verbot aber nunmehr nicht mehr zum Tragen kommt, ist ihr aus diesem Wechsel des Standpunkts entgegen der Ansicht des Erlegers kein Vorwurf im Sinne eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (vgl RS0128483) zu machen.

[35] 4.2. Richtig ist zwar, dass die Erlagsgegnerin den Rechtsgrund im Rahmen der Ausfolgung nicht einseitig abändern darf (RS0033562 [T1]; etwa Benützungsentgelt statt Bestandzins). Daraus ist aber hier für den Erleger nichts gewonnen, weil die Fortführung des Unternehmens zwar das Motiv seines Erlags, Rechtsgrund aber die Begleichung des Mietzinsrückstands war, woran sich nichts geändert hat.

[36] 5. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[37] Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

§ 150a IO ist nicht anwendbar, wenn feststeht, dass es – etwa wegen Versagung der Bestätigung – zu keinem Sanierungsplan kommt.

[38] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG.

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