OGH 1Ob107/25d

OGH1Ob107/25d30.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen von A*, gegen die beklagte Partei Land Wien, *, vertreten durch Mag. Ralph Kolm, Rechtsanwalt in Wien, wegen 130.877,32 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei sowie die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2025, GZ 14 R 187/24h‑60, mit denen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. September 2024, GZ 31 Cg 17/23g‑50, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00107.25D.0930.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Amtshaftung inkl. StEG, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Die am 30. Juni 2025 eingebrachte und als „ordentliche Revision“ und „Rekurs“ bezeichnete Eingabe des Schuldners sowie dessen am 14. Juli 2025 eingebrachte Eingabe werden zurückgewiesen.

II. Aus Anlass der Revision der klagenden Partei wird das angefochtene Teilurteil als nichtig aufgehoben, soweit darindas Teilbegehren auf Ersatz der Therapiekosten von 8.000 EUR sA abgewiesen wurde.

Die auf dieses Teilbegehren entfallenden Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrenswerden gegenseitig aufgehoben.

III. Im Übrigen wird die Revision der klagenden Partei zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.354,06 EUR (darin 392,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

IV. Der Revision und dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie – einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Abweisung der Teilforderungen von 5.000 EUR, 5.348,10 EUR und 18.669,96 EUR, jeweils sA – als Teilurteil lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 109.374,32 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. September 2022 zu zahlen, und es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche kausale zukünftige Schäden aus der rechtswidrigen Betriebsschließung hafte, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Im Übrigen, somit im Umfang desZuspruchs von 13.503 EUR sA, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden insoweit weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründeund

 

Begründung:

[1] Der nunmehrige Schuldner (in der Folge: Kläger) betreibt ein Lokal in Wien unter dem Namen *. Im April 2019 stellte er den zunächst als Kaffeehaus geführten Betrieb auf ein Selbstbedienungslokal mit mehreren Automaten für Getränke und kleinere Speisen um und ließ zudem elf Fernseher montieren, auf denen ohne Ton diverse Sportveranstaltungen, Werbung sowie fallweise Spielfilme gezeigt wurden. Das Lokal war vorübergehend während der Öffnungszeiten unbeaufsichtigt, sodass auch Minderjährige alkoholische Getränke aus den Automaten entnehmen konnten. Außen war in Leuchtbuchstaben unter anderem ein Hinweis auf „live TV“ angebracht. Im Lokal waren Ladevorrichtungen für mobile elektronische Geräte vorhanden. Es gab indes keine ausgewiesenen Wettquoten oder Werbung für Wett- oder Glücksspielunternehmen, ebenso wenig Wettschalter oder Vorrichtungen für die Auszahlung von Wettgewinnen.

[2] Organe des beklagten Landes beurteilten das Lokal des Klägers aufgrund seines äußeren Erscheinungsbilds als auffällig im Sinn der Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes (Wr WettenG) und kontrollierten es im Rahmen einer Schwerpunktaktion am 16. 10. 2019. Sie gelangten zur Ansicht, dass das Lokal außen wie innen den Anschein eines typischen Wettlokals habe, unter anderem wegen der dort übertragenen Sportveranstaltungen, der Aufschriften im Lokal wie „komm zu uns, komm zum Spiel“ sowie „alle Tore live“ und der in Betracht gezogenen Möglichkeit, dass Kunden vor Ort – durch die Sportsendungen dazu animiert – mit dem Mobiltelefon Online-Wetten abschließen könnten. Sie beschlossen noch vor Ort, das Lokal zu schließen. Dem Kläger wurde samt Begleitung am übernächsten Tag die Möglichkeit geboten, verderbliche Lebensmittel und sonstige dringend benötigte Dinge aus dem Lokal zu entfernen.

[3] Mit Bescheid vom 28. 10. 2019 wurde die Betriebsschließung schriftlich mit der Begründung verfügt, die Behörde könne gemäß § 23 Abs 3 erster Satz Wr WettenG bei Bestehen des Verdachts, dass die Tätigkeit einer Wettunternehmerin oder eines Wettunternehmers ohne oder entgegen der Bewilligung ausgeübt werde, ohne vorausgegangenes Verfahren die gänzliche oder teilweise Schließung der Betriebsstätten anordnen, die der Durchführung von Sportwetten dienten. Als Vermittler von Sportwetten betätige sich insbesondere, wer Einrichtungen zur Erleichterung oder Ermöglichung des Vertragsabschlusses zur Verfügung stelle (zB Betrieb eines Geschäftslokals mit dem Erscheinungsbild eines Wettlokals, Übertragung von Sportereignissen [...]). Das Lokal des Klägers biete ein derartiges Erscheinungsbild, weshalb sich der Verdacht einer Tätigkeit als Wettunternehmer ergebe.

[4] Der Kläger erhob dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Dieses verkündete in der Verhandlung vom 10. 8. 2020, ausgefertigt mit Erkenntnis vom 28. 10. 2020, dass der Beschwerde gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben werde. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu. Begründend führte es aus, die Formulierung „zB Betrieb eines Geschäftslokals mit dem Erscheinungsbild eines Wettlokals“ in § 2 Z 3 Satz 2 Wr WettenG sei so zu verstehen, dass ein Lokal, welches die Attribute eines Wettlokals aufweise wie Gewinnauszahlung, Ausstellung von Wettkarten, Wettterminals, Werbung für Wettanbieter, Aushänge von Wettquoten etc, als Wettlokal anzusehen sei. Es liege darin eine Beweisregel (gesetzliche Vermutung) und es obliege in einem solchen Fall dem Betreiber, Gegenteiliges zu beweisen. Das gegenständliche Lokal entspreche in seiner Aufmachung einer Sportbar oder einer Sportplatzkantine ohne Bedienung. Für ein Wettlokal fehlten typische Merkmale wie der Ausweis von Wettquoten oder der Aushang von Buchmachern oder Wettfirmen. Die bloße Tatsache, dass in einem Lokal mehrere Monitore in Betrieb seien, auf welchen unter anderem auch Sportereignisse gezeigt würden, reiche nicht aus, um von einem Verdacht im Sinne des § 23 Abs 3 Wr WettenG auszugehen.

[5] Trotz Aufforderung des Klägers retournierte das beklagte Land in der Folge die Schlüssel zum Lokal nicht. Seinem Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung einer von diesem erhobenen außerordentlichen Amtsrevision nach § 30 Abs 2 VwGG wurde „nicht Folge gegeben“.

[6] Mit Beschluss vom 3. 2. 2021, Ra 2021/02/0009, wies der Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision mit der Begründung zurück, das Verwaltungsgericht Wien habe keine unvertretbare Einzelfallbeurteilung der Frage vorgenommen, ob die in § 2 Z 3 Wr WettenG normierten Voraussetzungen vorlägen. Nach Zustellung dieses Beschlusses retournierte das beklagte Land das Geschäftslokal am 22. 2. 2021 an den Kläger.

[7] Vor der Schließung erzielte der Kläger mit dem Lokal einen monatlichen Reingewinn von ca 3.300 EUR. An Miete für das Lokal zahlte er monatlich 587 EUR, für die Zurverfügungstellung der Kaffeemaschine zahlte er 374 EUR und für die Getränkeautomaten 240 EUR pro Monat.

[8] Der Kläger begehrt mit seiner Amtshaftungsklage zuletzt 130.877,32 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung des Landes für künftige Schäden aus der Betriebsschließung. Schon die Schließung sei aufgrund einer unvertretbaren Gesetzesauslegung erfolgt. Jedenfalls nach Aufhebung des Bescheids durch das Verwaltungsgericht Wien hätte aber das Lokal zurückgestellt werden müssen. Durch die 16 Monate währende Schließung seien ihm zahlreiche Schäden erwachsen. So seien durch Schimmelbefall Fernseher im Wert von 2.300 EUR sowie eine Kaffeemaschine im Wert von 2.508 EUR unbrauchbar geworden; Genuss- und Lebensmittel im Wert von 5.348,10 EUR seien verdorben. Weiters habe er 12.895,18 EUR für die erforderliche Sanierung des Lokals aufwenden müssen, darin enthalten 5.000 EUR für die Mitarbeit von Familienangehörigen. Ferner sei ihm während der Zeit der Schließung der zuvor mit dem Lokal erzielte monatliche „Gewinn“ von 3.300 EUR netto entgangen, sodass ihm gesamt weitere 52.800 EUR gebührten. Schließlich seien in dieser Zeit – einzeln aufgeschlüsselte – mit dem Betrieb zusammenhängende laufende Kosten (Geschäftsraum- und Gerätemiete, Strom- und Fernwärme, Gerichtsgebühren, Steuerberatungskosten, GSVG‑Beiträge) von gesamt 47.026,04 EUR „frustriert“ und er habe wegen der (aufrecht erhaltenen) Lokalschließung psychische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert erlitten, derentwegen er Therapiekosten von 8.000 EUR zu tragen gehabt habe. Mit Blick auf die bereits entstandenen immateriellen Schäden bestehe auch jetzt noch die Gefahr des Eintritts weiterer, insbesondere psychischer, Schäden.

[9] Das Land hält dem entgegen, seinen Organen sei keine unvertretbare Gesetzesanwendung anzulasten, zumal dem Wr WettenG eine nähere Definition des „Erscheinungsbilds eines Wettlokals“ nicht zu entnehmen und der Bescheid über die Betriebsschließung zu einem Zeitpunkt ergangen sei, zu dem noch keine klarstellende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs existiert habe. Die zuständige Behörde habe die Auslegung dieser Wortfolge mit Blick auf den Schutzzweck des Wr WettenG und die Gesetzesmaterialien jedenfalls vertretbar vorgenommen. Auch zu einer verspäteten Rückgabe der Schlüssel sei es nicht gekommen, zumal davon auszugehen gewesen sei, dass die vom Land im Zuge der Erhebung der außerordentlichen Revision beantragte aufschiebende Wirkung zuerkannt werden würde. Die Renovierungs- und Steuerberatungskosten sowie die Gerichtsgebühren seien nicht durch die Betriebsschließung verursacht. Die GSVG‑Beiträge seien nicht „frustriert“. Der geltend gemachte Verdienstentgang sei überhöht; während der COVID‑19‑Pandemie hätten diverse Lockdowns geherrscht. Dem Kläger wäre es zumutbar gewesen, die laufenden Aufwendungen für das Lokal so gering wie möglich zu halten; mit dem Fortlaufen der Verträge für den Kaffee- und die Getränkeautomaten sowie die Strom- und Fernwärmekosten habe er gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Ansprüche seien im Übrigen auch verjährt, da der Schaden bereits mit der Schließung des Lokals am 16. 10. 2019 eingetreten und die Klage erst am 4. 11. 2022 eingebracht worden sei. Einzelne Schadenspositionen (insbesondere Steuerberatungskosten) seien überhaupt erst mit Schriftsatz vom 19. 2. 2024 geltend gemacht worden. Es mangle schließlich am Feststellungsinteresse, seien doch durch Behördenhandeln verursachte künftige immaterielle Schäden ausgeschlossen.

[10] Das Erstgericht verpflichtete das Land mit Teilurteil zur Zahlung von 15.199 EUR sA und gab dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 107.678,32 EUR sA wies es ab. Die Entscheidung über die Teilforderung von 8.000 EUR aufgrund psychischer Schäden des Klägers behielt es dem Endurteil vor.

[11] Es traf zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt eine Reihe von Negativfeststellungen zur Entstehung einzelner Schadenspositionen (nach der Ausfertigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien Ende Oktober 2020) und folgerte in rechtlicher Hinsicht, zwar sei die Schließung des Lokals noch vertretbar gewesen, nicht jedoch das nachfolgende Verhalten der Organe des Landes nach der Aufhebung des Bescheids durch das Verwaltungsgericht Wien. Dem Kläger seien daher die durch die viermonatige Verzögerung der Rückstellung des Lokals entstandenen frustrierten Unkosten an Miete (2.348 EUR), Gebühren für die Kaffeemaschine (1.496 EUR) sowie für die Getränkeautomaten (richtig: 960 EUR) ebenso wie der in dieser Zeit entgangene – unter Bedachtnahme auf den in diesen Zeitraum fallenden neunwöchigen Lockdown nach § 273 ZPO entsprechend niedriger festgesetzte – Verdienst (10.395 EUR) zu ersetzen. Die behaupteten psychischen Schäden wären grundsätzlich ersatzfähig, bedürften aber noch einer Abklärung durch einen Sachverständigen. Aus demselben Grund sei das Auftreten von weiteren Schadensfolgen durch die verspätete Rückgabe nicht auszuschließen. Im Übrigen lägen keine durch die Amtspflichtverletzung verursachten Schäden vor.

[12] Das Berufungsgericht gab den vom Kläger sowie vom beklagten Land erhobenen Berufungen jeweils teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Kläger 25.329,50 EUR sA zuerkannte und das Mehrbegehren auf Zahlung von 84.973,06 EUR sA sowie das Feststellungsbegehren abwies. In Ansehung des weiteren Zahlungsbegehrens von 20.574,76 EUR sA hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

[13] Das Berufungsgericht trat zwar der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts zur Vertretbarkeit der erfolgten Betriebsschließung bei, gelangte aber zur Rechtsansicht, das Land hätte bereits unverzüglich nach der mündlichen Verkündung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien am 10. 8. 2020 das Lokal an den Kläger zurückstellen müssen (§ 28 Abs 5 VwGVG). Die Verzögerung habe auf keiner bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruht, sodass für die ab diesem Zeitpunkt eingetretenen Schäden zu haften sei. Die Negativfeststellungen im Ersturteil zur Frage des Auftretens bestimmter Schäden und (frustrierter) Aufwendungen (Fernseher, Kaffeemaschine, Renovierungskosten [bezogen auf einen Teilbetrag von 7.895,18 EUR], Strom- und Fernwärmekosten, Gerichtsgebühren) in den Monaten November 2020 bis Februar 2021 ließen daher keine abschließende rechtliche Beurteilung hinsichtlich dieser Schadenspositionen zu. Diesbezüglich, aber auch in Ansehung der Abweisung des Anspruchs auf Ersatz der Steuerberatungskosten sei das Teilurteil aufzuheben, weil die dazu getroffene Negativfeststellung aufgrund eines dem Erstgericht unterlaufenen Begründungsmangels nicht habe übernommen werden können. Im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Verdienstentgang sei demgegenüber – ebenso wie in Ansehung der erhobenen Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für Lokal- und Gerätemiete – zu beachten, dass dieser dem Kläger schon ab 10. 8. 2020 gebühre. Der Kläger habe allerdings einen Teil seines Verdienstes – unter Verstoß gegen das Wiener Jugendschutzgesetz 2002 – durch den Verkauf von alkoholischen Getränken an Minderjährige erzielt. Da solche Kaufverträge gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig seien, könne der Kläger für den Verdienstentgang aus diesen Rechtsgeschäften (der nach § 273 ZPO mit 10 % des Umsatzes anzusetzen sei) keinen Ersatz verlangen. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht sei dem Kläger nicht vorzuwerfen; ebenso wenig seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Psychische Schäden seien indes nicht vom Schutzzweck der Bestimmungen des Wr WettenG über die Betriebsschließung sowie der §§ 28, 29 VwGVG umfasst; der fehlende Rechtswidrigkeitszusammenhang führe zur Abweisung des Teilbegehrens auf Ersatz der Therapiekosten von 8.000 EUR sA sowie des Feststellungsbegehrens.

[14] Die Revision gegen das Teilurteil sowie den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ließ das Berufungsgericht zu, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht zur Wirkung der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte sowie zum Schutzzweck der §§ 28, 29 VwGVG Stellung genommen habe.

[15] Der Klägerzielt mit seinerRevisionauf die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin ab, dass dem Begehren auf Ersatz seines restlichen Verdienstentgangs (35.277 EUR), seiner restlichen Mietaufwendungen (für das Lokal 6.163,50 EUR, die Kaffeemaschine 3.994,50 EUR und die Automaten 2.520 EUR) und seiner Therapiekosten (8.000 EUR) sowie dem Feststellungsbegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt er in diesem Umfang einen Aufhebungsantrag. Die Abweisung eines Teils der begehrten Renovierungskosten von 5.000 EUR sowie der geltend gemachten Kosten der Ersatzbeschaffung verdorbener Waren in Höhe von 5.348,10 EUR und der GSVG‑Beiträge von gesamt 18.669,96 EUR, jeweils sA, blieb unbekämpft.

[16] Gegen den stattgebenden sowie aufhebenden Teil der Entscheidung richten sich die Revision sowie der Rekurs des beklagten Landes mit dem Abänderungsantrag, die Klage zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise strebt das Land in seiner Revision die Aufhebung des angefochtenen Zuspruchs an.

[17] In ihren Rechtsmittelbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihm den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[18] I. Der Schuldner brachte zusätzlich zur Revision bzw Revisions- und Rekursbeantwortung seitens des klagenden Insolvenzverwalters eigene als Rechtsmittel(gegen‑)schriften zu wertende Eingaben ein. Diese Schriftsätze sind schon aufgrund des Verstoßes gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels als unzulässig zurückzuweisen (RS0041666 [insb T35]; RS0100170).

[19] II. Gelangt das Rechtsmittelgericht aus Anlass eines prozessual statthaften (vgl 2 Ob 62/17g ErwGr 3.1; 6 Ob 178/24f Rz 6 ua) Rechtsmittels zur Überzeugung, dass die angefochtene Entscheidung oder das Verfahren an einer Nichtigkeit leidet, so ist diese wahrzunehmen, auch wenn sie von keiner der Parteien geltend gemacht wurde (vgl RS0042973).

[20] Ein solcher Fall liegt hier vor:

[21] Das Berufungsgericht hat mit dem bekämpften Teilurteil erstmals das Begehren des Klägers auf Ersatz seiner Therapiekosten von 8.000 EUR sA abgewiesen. Das Erstgericht hatte über dieses Teilbegehren noch keine Entscheidung gefällt, sondern sie – im Rahmen einer als Hinweis in den Spruch des Teilurteils aufgenommenen unbekämpfbaren prozessleitenden Verfügung (vgl § 192 Abs 2 ZPO; zur Verweigerung der Erlassung eines Teilurteils: RS0036929; RS0037204; 7 Ob 224/09f mwN) – gerade dem Endurteil vorbehalten. Der Teilanspruch gehörte folglich nicht zum Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahrens (siehe – zu einem nicht vom Teilzwischenurteil des Erstgerichts umfassten Feststellungsbegehren – 2 Ob 126/23b Rz 20 f mwN), sodass das Berufungsgericht in Ermangelung einer Kognitionsbefugnis zur Entscheidung darüber nicht berufen war.

[22] Der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Sacherledigung ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass der vom Kläger erhobenen – nicht jedenfalls unzulässigen (auf das Geltendmachen einer erheblichen Rechtsfrage kommt es nicht an: RS0041942 [T20]) – Revision von Amts wegen als Nichtigkeit wahrzunehmen (§ 503 Z 1 iVm § 477 Abs 1 Z 3 ZPO; vgl RS0042059 [insb T15, T18, T20]).

[23] Die Entscheidung über die auf diesen nichtigen Teil entfallenden Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf § 51 Abs 2 ZPO. Das beklagte Land hat die Nichtigkeit des Berufungsverfahrens durch ihren Berufungsantrag auf Abweisung des Begehrens auf Ersatz von 8.000 EUR sA erstmals durch das Berufungsgericht verschuldet, der Kläger aber seinerseits auf dessen funktionelle Unzuständigkeit in der Berufungsbeantwortung nicht hingewiesen. Beide Seiten trifft daher ein Verschulden an der Nichtigkeit des Berufungsurteils in Ansehung dieses Teilbegehrens, weswegen die anteiligen Kosten gegenseitig aufzuheben sind, jede Partei also ihre Kosten insoweit selbst zu tragen hat (vgl 1 Ob 237/20i Rz 8). Entsprechendes gilt für die anteiligen Kosten der Revision des Klägers, soweit er sich gegen die Abweisung des Teilbegehrens auf Ersatz von 8.000 EUR sA wendet, ohne die Nichtigkeit zu rügen.

[24] III. Die Revision des Klägers ist im Übrigen entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.

1. Zur Haftung aufgrund der Betriebsschließung

[25] Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Betriebsschließung durch die Organe des Landessei als vertretbar zu werten.

[26] 1.1 Das für die Berechtigung von Amtshaftungsansprüchen erforderliche Verschulden eines Organs ist dann zu verneinen, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (RS0049974 [T2]; RS0050216 [T2]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837). Eine solche läge nur vor, wenn den Vorinstanzen eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl RS0044088).

[27] 1.2 Eine solche Fehlbeurteilung zeigt der Kläger nicht auf:

[28] Er bringt zusammengefasst vor, trotz damals noch fehlender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Frage hätte den Organen des Landes bei pflichtgemäßer Überlegung schon anlässlich der Kontrolle im Oktober 2019 klar sein müssen, dass sein Lokal mangels eines Hinweises auf Wetten oder irgendwelcher Wettvorrichtungen – also aufgrund des Fehlens gerade der charakteristischen Elemente eines Wettlokals – nicht das „Erscheinungsbild eines Wettlokals“ im Sinn des § 2 Z 3 Satz 2 Wr WettenG gehabt habe.

[29] Diese Argumentation übergeht, dass das Wr WettenG nicht bloß den gewerbsmäßigen Abschluss (Buchmacherwette) und die gewerbsmäßige Vermittlung (Totalisateurwette) von Wetten aus dem Anlass sportlicher Veranstaltungen regelt, sondern auch die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden (vgl § 1 Wr WettenG).

[30] Nach der Legaldefinition des § 2 Z 3 Wr WettenG, LGBl Nr 26/2016 idF LGBl Nr 40/2018, ist Vermittler, wer Wettkunden [...] gegen Entrichtung eines Wetteinsatzes zum Abschluss eines den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegenden Vertrags mit einer Person im Sinne der Z 1 oder Z 2 oder einer anderen Person gewerbsmäßig zusammenbringt. Als Vermittler betätigt sich insbesondere, wer Einrichtungen zur Erleichterung oder Ermöglichung des Vertragsabschlusses zur Verfügung stellt (zB Betrieb eines Geschäftslokals mit dem Erscheinungsbild eines Wettlokals, Übertragen von Sportereignissen, Gewinnauszahlung, Ausstellung von Wettkarten).

[31] Diese erst mit der Novelle LGBl Nr 40/2018 eingeführte Regelung sollte nach den Materialien (ErläutIA Blg Nr 7/2018, 6) die Definition des Vermittlers konkretisieren und an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anpassen. Durch das Abstellen auf das (geschäftliche, nicht physische) „Zusammenbringen“ von Personen sollte die Vermittlungstätigkeit exakter umschrieben werden; zudem sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass den Vertragsabschluss erleichternde oder ermöglichende Einrichtungen zur Vermittlungstätigkeit zählen. Beispielhaft seien im Gesetz die Auszahlung von Gewinnen, die Übertragung von Sportereignissen, der Betrieb von Geschäftslokalen mit dem Erscheinungsbild eines Wettlokals sowie die Ausstellung von Wettkarten genannt. Weiters wäre darunter auch das Zurverfügungstellen einer Internetverbindung (etwa via W‑LAN) mit dem offensichtlichen Zweck der Ermöglichung von Wettabschlüssen in einer Betriebsstätte zu subsumieren. Dieser Zweck zeige sich beispielsweise durch die Aufstellung von Infoterminals, die Installation von Bildschirmen, auf denen Sportereignisse übertragen werden, oder das Erscheinungsbild der Betriebsstätte an sich. Das Abstellen auf das äußere Erscheinungsbild sei auch in vergleichbaren Rechtsmaterien ein zulässiges Kriterium dafür, ob eine Tätigkeit einem Materiengesetz unterliege. Die beispielhaft aufgezählten Maßnahmen erleichterten den Abschluss der Wette. Die Infrastruktur eines Wettlokals samt der Information über Sportereignisse animiere dazu, Wetten auch zu platzieren. Das Angebot der unmittelbaren Auszahlung eines allfälligen Gewinns oder die Möglichkeit der „Bebuchung“ der Karte könne die Entscheidung des Kunden ebenso beeinflussen.

[32] Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Organe des beklagten Landes hätten unter Bedachtnahme auf die in den Gesetzesmaterialien erwähnten Beispiele vertretbar davon ausgehen dürfen, dass der Kläger in seinem Lokal – trotz Fehlens von „Wettvorrichtungen“ – schon durch die (mit Leuchtreklame beworbenen) Live‑Übertragungen von verschiedenen Sportereignissen sowie die dort vorhandenen Ladestationen Einrichtungen zur Erleichterung des Abschlusses von (Online‑)Wetten zur Verfügung gestellt hat und schon aus diesem Grund als Vermittler im Sinn des § 2 Z 3 Satz 2 Wr WettenG tätig geworden ist, bedarf keiner Korrektur.

2. Zum Feststellungsbegehren

[33] Das Berufungsgericht hat das Begehren auf Feststellung der Haftung des Landes für künftige (Gesundheits‑)Schäden aus der (aufrecht erhaltenen) Betriebsschließung wegen Fehlens des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs abgewiesen.

[34] 2.1 Mit seinen Überlegungen zur Frage, ob die in § 28 Abs 5 VwGVG angeordnete Verpflichtung der Behörden, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, in Zusammenhalt mit der Regelung des § 23 Abs 3 Wr WettenG den Schutz einzelner von der Betriebsschließung Betroffener auch vor gesundheitlicher Beeinträchtigung (mit‑)bezweckten, zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[35] 2.1.1 Das Berufungsgericht hat die zum Rechtswidrigkeitszusammenhang im Amtshaftungsverfahren entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze zutreffend wiedergegeben.

[36] Insbesondere hat es darauf Bedacht genommen, dass zwar nach gefestigter höchstgerichtlicher Rechtsprechung auch der Schutzzweck der die Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden statuierenden Normen (§ 85a BAO; § 73 Abs 1 AVG) darin besteht, die Parteien des Verfahrens grundsätzlich vor allen denkbaren Nachteilen zu bewahren, die an Verzögerungen bei der Verfahrenserledigung geknüpft sind (RS0023095 [T1]); der Oberste Gerichtshof hat aber bereits klargestellt, dass dies nicht im Sinn einer uferlosen Haftung zu verstehen ist: Es reicht gerade nicht, dass die Verfahrensverzögerung (im Tatsächlichen) conditio sine qua non für den behaupteten Schaden ist. Ein solches Verständnis stünde im Widerspruch mit der auch im Amtshaftungsrecht zu beachtenden, die Schadenszurechnung begrenzenden Lehre vom Schutzzweck der Norm (vgl 1 Ob 138/19d ErwGr 1. = RS0023095 [T3]).

[37] 2.1.2 Ausgehend davon ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, das im Wr WettenG statuierte verfahrensrechtliche Regime in Zusammenhang mit der Betriebsschließung (bei Verdacht der Ausübung der Tätigkeit eines Wettunternehmers ohne oder entgegen der Bewilligung) nach § 23 Abs 3 Wr WettenG sowie die Verpflichtung der Behörde gemäß § 28 Abs 5 VwGVG zur unverzüglichen Umsetzung von Verwaltungsgerichtserkenntnissen bezweckten nicht (auch) den Schutz der physischen oder psychischen Integrität des von der Betriebsschließung betroffenen Unternehmers, zumal anderenfalls eine Uferlosigkeit der Haftung zu befürchten wäre.

[38] 2.1.3 Dem hält der Kläger lediglich entgegen, eine Einschränkung des Schutzzwecks der betreffenden Normen auf Vermögensschäden sei nicht zu erkennen; ebenso wenig sei ein Grund ersichtlich, warum Gesundheitsschäden vom Schutzzweck ausgeschlossen sein sollten. Nähere Darlegungen, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der rechtlichen Argumentation des Berufungsgerichts erkennen ließen, sind der Revision nicht zu entnehmen. Der Kläger vermag daher keine aufzugreifenden Bedenken an der Beurteilung des Berufungsgerichts hervorzurufen (vgl RS0043603 [T9]).

[39] 2.2 Der Kläger beanstandet in seiner Revision weiters, das Berufungsgericht habe missachtet, dass er sein Feststellungsbegehren nur „insbesondere“ auf die Gefahr weiterer psychischer Schäden gegründet habe. Da auch die Gefahr künftiger materieller Schäden bestehe, hätte das Feststellungsbegehren nicht abgewiesen werden dürfen.

[40] 2.2.1 Wie ein bestimmtes Klagebegehren und das dazu erstattete Prozessvorbringen zu verstehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0042828 [insb T25]; RS0044273 [T14, T41, T50, T64]) und stellt, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (vgl RS0042828 [T23]).

[41] Eine Überschreitung des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums bei der Auslegung des Feststellungsbegehrens und des darauf bezogenen Klagevorbringens ist dem Berufungsgericht nicht zum Vorwurf zu machen. Seiner Rechtsansicht, der Kläger habe sein Feststellungsbegehren bloß auf die Gefahr des Eintritts weiterer psychischer Schäden gestützt, ist vielmehr – wie auch im Rahmen der Behandlung der Revision und des Rekurses des Landes gezeigt wird (vgl Punkt IV.2.1.4) – beizutreten.

[42] 2.2.2 Die in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[43] 3. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf §§ 41, 50 ZPO. Das Land hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die ihm für die Revisionsbeantwortung zuzuerkennenden Kosten sind infolge der von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit des Berufungsurteils in Ansehung der Abweisung des Teilbegehrens von 8.000 EUR sA aliquot (entsprechend dem darauf entfallenden Anteil von 13 % des Revisionsinteresses des Klägers) zu kürzen.

[44] IV. Die Revision und der Rekurs des beklagten Landes sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und – erstere teilweise im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags – berechtigt.

[45] Da die Revision und der Rekurs des Landes über weite Teile die selben Einwendungen ansprechen, werden diese im Folgenden aus systematischen Gründen gemeinsam behandelt.

1. Zur Haftung aufgrund verzögerter Rückstellung des Geschäftslokals

[46] Die Amtshaftungsansprüche des Klägers hängen entscheidend von der Frage ab, innerhalb welches Zeitraums ein aufhebendes Verwaltungsgerichtserkenntnis von der Behörde umzusetzen ist.

[47] Mit Recht wendet sich das Land in diesem Zusammenhang gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Organe des Landes hätten bei pflichtgemäßer Überlegung erkennen müssen, dass sie bereits unmittelbar nach der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien dazu verpflichtet gewesen wären, das Lokal zurückzustellen.

[48] 1.1 Nach § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheids durch das Verwaltungsgericht verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

[49] Unter der Herstellung des entsprechenden Rechtszustands ist die Erfüllung der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zum Ausdruck gebrachten materiellen Verpflichtung zu verstehen, die allenfalls auch in einer bloß faktischen Entsprechung bestehen kann (Grof in Raschauer/Wessely, VwGVG § 28 Rz 36 mwN; vgl auch Köhler in Köhler/Brandtner/Schmelz, VwGVG‑Kommentar § 28 VwGVG Rz 181 mwN: „Folgenbeseitigungsanspruch“).

[50] Im vorliegenden Fall war die belangte Behörde somit aufgrund der in § 28 Abs 5 VwGVG angeordneten Bindung an das (rechtskräftige: VwGH Ra 2018/21/0111; vgl auch 1 Ob 127/15f ErwGr 6. mwN; näher zum Meinungsstand Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 29 VwGVG Rz 3) Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien grundsätzlich dazu verhalten, dem Kläger wieder die Verfügungsmacht über sein Lokal einzuräumen.

[51] 1.2 Dieser Verpflichtung ist zwar nach dem Wortlaut der Bestimmung „unverzüglich“, also ohne unnötigen Aufschub, nachzukommen. Allerdings wird im verwaltungsrechtlichen Schrifttum vertreten, Abweichendes habe dann zu gelten, wenn gegen die aufhebende Entscheidung Revision erhoben und diesem Rechtsbehelf – ex ante – die aufschiebende Wirkung zuerkannt oder – ex post – stattgegeben wurde (Grof in Raschauer/Wessely, VwGVG § 28 Rz 33).

[52] Nach § 30 Abs 2 Satz 1 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

[53] Die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung als ein „die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element“ wird vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben. Die Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofs soll durch den Vollzug der angefochtenen Entscheidung während der Dauer des Revisionsverfahrens „nicht ausgehöhlt bzw ausgeschaltet werden“ (VwGH 18. 6. 2020, Ra 2020/05/0063; 2. 3. 2025, Ra 2025/11/0017 uva). Unter „Vollzug“ ist dabei die Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit (sei es im Sinn der Herstellung der darin zum Ausdruck gebrachten materiellen Rechtslage, sei es im Sinne der Herstellung des dieser Rechtslage entsprechenden faktischen Zustands) zu verstehen (vgl VwGH 2680/80, VwSlg 10381 A/1981). Zweck des Instituts der aufschiebenden Wirkung ist es, den Revisionswerber vorläufig vor Nachteilen zu bewahren, die sich für ihn aus einer durch die bekämpfte Entscheidung eingetretenen Änderung des bestehenden Rechtszustands ergeben könnten (VwGH AW 2013/01/0048; Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 30 VwGG Anm 1).

[54] Dementsprechend bewirkt die vorläufige Maßnahme der aufschiebenden Wirkung einer beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Revision, dass der „Vollzug“ der angefochtenen Entscheidung in einem umfassenden Sinn ausgesetzt, also ihre Vollstreckbarkeit und die durch sie bewirkte Gestaltung der Rechtslage, ihre Tatbestandswirkungen und ihre Bindungswirkungen zum Zweck der Sicherung eines möglichen Erfolgs der Revision gemäß § 63 Abs 1 VwGG suspendiert werden. Bis zur Entscheidung über die Revision dürfen aus der angefochtenen Entscheidung keine für den Revisionswerber nachteiligen Rechtsfolgen gezogen werden (VwGH 13. 1. 2015, Ra 2014/09/0007 mwN; Ra 2018/05/0019; 3. 12. 2019, Ra 2019/07/0102; vgl auch Schiffkorn, „Rechtskraft“ nach dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, ZVG 2014, 628 [629], wonach die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht die Rechtskraft beseitigt, sondern lediglich bestimmte Rechtskraftwirkungen suspendiert).

[55] Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG – ungeachtet des nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Gesetzeswortlauts – auch bei diesen zulässig. Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist dabei eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Fall einer Amtsrevision bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem „privaten“ Revisionswerber als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in die Abwägung einfließt (VwGH 3. 11. 2014, Ra 2014/04/0035; 5. 4. 2020, Ra 2020/02/0057 [zum Wr WettenG]; 2. 4. 2024, Ra 2024/03/0017; Ra 2025/03/0051).

[56] 1.3 Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde am 1. 12. 2020 eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien erhoben und diese mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung nach § 30 Abs 2 VwGG verbunden.

[57] Unter Bedachtnahme auf die unter Punkt IV.1.2 zitierte Literaturmeinung, insbesondere aber auch auf die dargelegte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den konkreten (den „Vollzug“ der rechtskräftigen Entscheidung hemmenden) Rechtsfolgen der aufschiebenden Wirkung sowie zur zentralen Zielsetzung dieses Rechtsinstituts (im Fall der Amtsrevision), eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen (in concreto: des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht; vgl ErläutLTA Blg Nr 3/2016, 1 ff) als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses hintanzuhalten, war die Entscheidung der Organe des Landes, mit der Rückstellung des Lokals bis zur Zustellung der dem Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht Folge gebenden Entscheidung zuzuwarten, bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbar: Sie durften ex ante nämlich durchaus damit rechnen, dass die gemäß § 30 Abs 2 VwGG anzustellende Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausschlägt, zumal das Land in seinem Antrag nachvollziehbare Erwägungen zu drohenden irreversiblen Nachteilen durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses (und die zu erwartende Wiedereröffnung der Betriebsstätte), insbesondere für Minderjährige und „selbstgesperrte“ Personen, anstellte (vgl zu diesem Kriterium VwGH 2. 3. 2025, Ra 2025/11/0017 ua). Zugleich mussten die Organe des Landes zum damaligen Zeitpunkt die Amtsrevision selbst – schon mangels vorhandener Stellungnahme des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung der fraglichen Regelung des § 2 Z 3 Satz 2 Wr WettenG – nicht von vornherein als aussichtslos ansehen (zur Prima‑facie‑Beurteilung der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung s VwGH 9. 5. 2016, Ra 2016/09/0035 mwN).

[58] 1.4 Demgegenüber war eine weitere Verzögerung der Rückgabe des Geschäftslokals durch die Behörde ab jenem Zeitpunkt nicht mehr vertretbar, zu dem dieser zur Kenntnis gelangte, dass ihrem Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht Folge gegeben worden war.

[59] Aus den insoweit undeutlich gebliebenen Urteilsfeststellungen ist jedoch nicht ersichtlich, ob über den Antrag tatsächlich (durch das Verwaltungsgericht Wien oder den Verwaltungsgerichtshof) mit Beschluss entschieden wurde und, bejahendenfalls, wann dieser Beschluss der Amtspartei zugestellt wurde. Dieser rechtliche Feststellungsmangel steht der abschließenden rechtlichen Beurteilung des Bestehens von Amtshaftungsansprüchen entgegen.

[60] 1.5 Dies führt zur teilweisen Aufhebung des im Berufungsurteil erfolgten Zuspruchs von Verdienstentgang und frustrierten Mietaufwendungen des Klägers für das Geschäftslokal, die Kaffeemaschine sowie die Getränkeautomaten, soweit sich diese (entgegen dem Rechtsstandpunkt des Landes noch nicht verjährten [vgl dazu Punkt IV.2] sowie grundsätzlich ersatzfähigen [vgl dazu Punkt IV.4]) Schadenspositionen jeweils auf den Zeitraum nach der Erhebung der Amtsrevision und Stellung des Antrags auf aufschiebende Wirkung am 1. 12. 2020 beziehen.

[61] Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass über die aufschiebende Wirkung gar nicht entschieden worden wäre, hätte das Land das Geschäftslokal nach Zustellung des Beschlusses des VwGH vom 3. 2. 2021, Ra 2021/02/0009, am 22. 2. 2021 ohne schuldhafte Verzögerung zurückgestellt. Diesfalls wäre die Amtshaftungsklage zur Gänze abzuweisen.

[62] 1.6 Jener Teil des Zuspruchs im angefochtenen Berufungsurteil, der sich auf den zwischen 10. 8. 2020 und 1. 12. 2020 erlittenen Verdienstentgang des Klägers sowie dessen in diesem Zeitraum anerlaufene Mietkosten bezieht, ist indes bereits jetzt mit Teilurteil abzuweisen, kann doch ausgehend von den vorangegangenen Erwägungen die unterlassene Rückstellung des Lokals den Organen des Landes jedenfalls bis Anfang Dezember 2020 vertretbar nicht zum Vorwurf gemacht werden.

[63] 1.7 Aus demselben Grund ist auch dem Rekurs des Landes gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts Folge zu geben, soweit er sich auf die Teilbegehren auf Ersatz der defekten Fernseher und Kaffeemaschine, der Renovierungskosten im Ausmaß von 7.895,18 EUR, der Kosten für Strom und Fernwärme sowie der Gerichtsgebühren bezieht.

[64] In Ansehung dieser Schadenspositionen ist – ausgehend von den Negativfeststellungen zu den Fragen, ob die geltend gemachten Sachschäden in den Monaten November 2020 und Februar 2021 aufgetreten sind, ob in diesem Zeitraum (nicht abwendbare) Strom- und Fernwärmekosten anerlaufen sind und ob die Betriebsschließung während dieser Zeit die geltend gemachten Gerichtsgebühren verursacht hat – die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

2. Zum Verjährungseinwand

[65] Hinsichtlich seines im Rechtsmittelverfahren in Ansehung der Mietkosten für das Geschäftslokal, die Kaffeemaschine und die Getränkeautomaten, aber auch der Steuerberatungskosten aufrecht erhaltenen Verjährungseinwands beanstandet das Land die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als unrichtig, der Kläger habe (auch) den Anspruch auf Ersatz dieser Schadenspositionen bereits mit Klageerhebung und damit vor Ablauf der dreijährigen Frist des § 6 Abs 1 Satz 1 AHG geltend gemacht, sodass die Verjährung auch insoweit nach § 1497 ABGB unterbrochen worden sei.

[66] Es argumentiert, in der Klage seien „frustrierte Unkosten (Betriebskosten, Versicherung, etc)“ zunächst bloß als nicht näher aufgeschlüsselter Pauschalbetrag von 50.907,88 EUR begehrt worden. Von Miet- oder Steuerberaterkosten sei in der Klageerzählung noch keine Rede gewesen. Diese seien erst mit Schriftsatz vom 19. 2. 2024 im Rahmen der erstmaligen Aufschlüsselung des erwähnten Pauschalbetrags – gerichtlich geltend gemacht worden; es sei insoweit zu einer nachträglichen Auswechslung des Streitgegenstands gekommen, zumal der ursprünglich erhobene Anspruch auf Ersatz von Versicherungskosten nicht mehr aufrecht erhalten worden sei.

[67] 2.1 Die Kritik des Landes ist teilweise, soweit sie sich auf den Anspruch auf Ersatz der Steuerberatungskosten bezieht, berechtigt:

[68] 2.1.1 Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch Klage unterbrochen. Für die Unterbrechungswirkung der Verjährung ist das tatsächlich und eindeutig erhobene Klagebegehren zu berücksichtigen. Der geltend gemachte Anspruch wird dabei durch den Urteilsantrag umschrieben, der bei Geldschulden ziffernmäßig genau bestimmt sein muss (§ 226 Abs 1 ZPO; RS0034954).

[69] Nach ständiger Rechtsprechung beseitigt jedoch die Verbesserung einer zunächst unschlüssigen oder unbestimmten (aber bezifferten) Klage deren Unterbrechungswirkung (§ 1497 ABGB) grundsätzlich nicht, sondern wirkt auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung zurück (17 Ob 21/19s ErwGr II.1.; 1 Ob 166/24d Rz 73; vgl auch RS0118623; RS0034954 [T1, T2]; RS0113956). Eine unschlüssige oder unbestimmte Klage kann daher, sofern sie vor Fristablauf und damit rechtzeitig eingebracht wurde, auch noch danach verbessert werden (RS0034836 [T6 bis T9]). Um die Verjährung zu unterbrechen, reicht also ein (rechtzeitiges) ergänzungsbedürftiges Vorbringen aus, wenn die Unvollständigkeit in der Folge behoben wird (RS0034836 [T9]).

[70] Nur dann, wenn ein Anspruch unter Bedachtnahme auf den gesamten Klagevortrag vom erkennbaren Rechtsschutzziel der ursprünglichen Klage gar nicht umfasst war und erst mit Klageänderung oder ‑ausdehnung geltend gemacht wird, ist für die Unterbrechungswirkung nicht die Einbringung der Klage, sondern das Wirksamwerden der Klageänderung oder ‑ausdehnung entscheidend (vgl RS0034740 [T3, T4, T6]; RS0034556 [T4, T5]).

[71] 2.1.2 Im vorliegenden Fall hat der Kläger in der Klage lediglich vorgebracht, dass er gezwungen gewesen sei, die Betriebskosten, Versicherungskosten, Ratenzahlungen für nicht benutzbare Geräte sowie Kosten an den Sozialversicherungsträger während des Zeitraums der Betriebsschließung zu bezahlen, obwohl er das Lokal nicht benutzen habe können. Dementsprechend seien ihm für den Zeitraum der rechtswidrigen Schließung seines Geschäftslokals frustrierte Unkosten von gesamt 50.907,88 EUR angefallen.

[72] 2.1.3 Dieses Vorbringen umfasst zwar erkennbar (als „Betriebskosten“ im weiteren Sinn) auch die Mietkosten für das Geschäftslokal sowie für die Kaffeemaschine und die Getränkeautomaten, sodass die mit Schriftsatz vom 19. 2. 2024 vorgenommene Konkretisierung hinsichtlich dieser Positionen nicht als Klageänderung zu beurteilen ist.

[73] Das Berufungsgericht ist folglich insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass die ursprüngliche Klage die Verjährung hinsichtlich dieser – in der Folge konkret aufgeschlüsselten – Schadenspositionen unterbrochen hat.

[74] 2.1.4 Anders ist jedoch der Anspruch auf Ersatz der Steuerberatungskosten zu beurteilen, den der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 19. 2. 2024 und damit außerhalb der dreijährigen Frist des  § 6 Abs 1 Satz 1 AHG im Zuge einer Klageänderung geltend gemacht hat.

[75] In Ansehung dieser nach den Prozessbehauptungen des Klägers zum Teil erst nach der Erhebung der Klage entstandenen Aufwendungen hat die ursprüngliche Klageerhebung zu keiner Verjährungsunterbrechung geführt, zumal diese Teil‑(folge‑)schäden einerseits – ausgehend von den vorangegangenen Erwägungen – nicht bereits vom erkennbaren Rechtsschutzziel der Leistungsklage erfasst waren und der Kläger deren Verjährung andererseits auch nicht mit einer (gerade auch darauf gestützten) Feststellungsklage begegnet ist (zu diesem – aus der gemäßigten Einheitstheorie abgeleiteten – Erfordernis vgl RS0087613; RS0034286; RS0097976; RS0087615; RS0034618 [T3 bis T5]).

[76] Der Kläger hat zwar sein Feststellungsbegehren in der Klage weit gefasst, indem er es auf „sämtliche kausale, zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden aus der rechtswidrigen Betriebsschließung“ bezogen hat. Er brachte dazu jedoch nur vor, „insbesondere“ in Hinblick auf die ihm entstandenen immateriellen Schäden sei nicht auszuschließen, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis entstehen. Auch später konkretisierte er sein Vorbringen zum Feststellungsbegehren nicht weiter, sondern verwies nur vage darauf, dass tatsächlich auch zum jetzigen Zeitpunkt noch die Gefahr des Eintritts weiterer Schäden bestehe. Dies gelte „insbesondere“ für seine psychischen Schäden. Vom Erstgericht zur Präzisierung des aufrecht erhaltenen Feststellungsbegehrens aufgefordert, brachte der Kläger schließlich vor, das Auftreten zukünftiger Schäden sei keinesfalls ausgeschlossen; er nehme ja nach wie vor psychotherapeutische Behandlung in Anspruch.

[77] Damit gab er aber nach Auffassung des Senats deutlich zu erkennen, dass es ihm (nur) um die Feststellung der Haftung des Landes für künftige gesundheitliche Beeinträchtigungen aus der behaupteten Amtspflichtverletzung geht. Mit Recht ist deshalb bereits das Berufungsgericht zur Auffassung gelangt, der Kläger habe sein Feststellungsbegehren bloß auf die Gefahr des Eintritts weiterer Schäden an seiner (psychischen) Gesundheit gestützt. Die Verjährung anderer künftiger Schadensfolgen vermochte das Feststellungsbegehren damit aber von vornherein nicht zu verhindern.

[78] 2.1.5 Ausgehend von dieser Überlegung ist dem Rekurs des Landes gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts somit auch im Hinblick auf den Teilanspruch auf Ersatz der Steuerberatungskosten des Klägers von 3.462,54 EUR Folge zu geben, ist doch auch in Ansehung dieses Anspruchs bereits Entscheidungsreife eingetreten. Die Teilforderung ist aufgrund der berechtigten Verjährungseinrede des Landes abzuweisen.

3. Zur Ermittlung des Verdienstentgangs nach § 273 Abs 1 ZPO

[79] Soweit sich das Land in seiner Rechtsrüge gegen das Ergebnis der Schadensschätzung durch das Berufungsgericht wendet, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass dem Gericht bei Anwendung des § 273 ZPO die Befugnis zukommt, die Höhe des Anspruchs nach freier Überzeugung festzusetzen (RS0040459 [T1]). Es hat also die Schätzung im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis und ausgehend von den Ergebnissen der gesamten Verhandlung nach besten Wissen und Gewissen vorzunehmen (vgl RS0007104 [T3]).

[80] Dass das Berufungsgericht bei seiner Ausmittlung des zu ersetzenden Verdienstentgangs die Grenzen des gebundenen Ermessens überschritten hätte, zeigt die Revision nicht auf.

[81] Das Land postuliert lediglich, der Kläger habe mindestens 75 % seines Gesamtumsatzes durch Verkauf von Alkohol an unter 16‑Jährige bzw von gebranntem Alkohol an Minderjährige erzielt, was sich schon daraus ergebe, dass das Lokal durchgehend zugänglich gewesen sei und in den Getränkeautomtaten fast ausschließlich alkoholische Getränke zum Verkauf gestanden seien.

[82] Wieso aber aus diesen Umständen eine logische Schlussfolgerung auf das Altersniveau der Kundschaft des Klägers ableitbar sein soll, legt das Land in seiner Revision nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.

4. Zur Ersatzfähigkeit der „frustrierten Unkosten“

[83] Das Land moniert ferner, das Berufungsgericht habe seine Argumentation übergangen, wonach nicht nur der durch den (verbotswidrigen) Verkauf von Alkohol an Minderjährige zu erzielende Verdienst des Klägers nicht ersatzfähig sei; auch „frustrierte Unkosten“ zur Bewirkung derartiger Tätigkeiten seien aufgrund eines Verstoßes gegen § 879 Abs 1 ABGB nicht zu ersetzen.

[84] Diese Argumentation lässt jedoch zum einen außer Betracht, dass die in Rede stehenden Aufwendungen (namentlich die Mietkosten für das Lokal und die angemieteten Geräte) zur Ermöglichung der allgemeinen Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit dem Lokalbetrieb erfolgten, die sich – entgegen dem Standpunkt des Landes – im weit überwiegenden Umfang eben nicht „außerhalb des von den Gesetzen (im vorliegenden Fall des Wiener Jugendschutzgesetzes 2002) vorgegebenen Rahmens“ bewegte.

[85] Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, weshalb der Umstand, dass die (hypothetisch) vom Kläger mit Minderjährigen im fraglichen Zeitraum über den Verkauf von alkoholischen Getränken abgeschlossenen Verträge aufgrund des Verstoßes gegen § 11 Wiener Jugendschutzgesetz 2002 aF (LGBl Nr 17/2002) gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig gewesen wären, auch auf die Vertragsbeziehung zwischen den Vermietern des Geschäftslokals, der Kaffeemaschine und der Getränkeautomaten einerseits und dem Kläger als Mieter andererseits durchschlagen soll.

[86] Wenn sich das Land in seiner Revision schließlich erstmals sinngemäß darauf beruft, dass dem Kläger für die vorliegende Geschäftstätigkeit (wegen des damit einhergehenden Verstoßes gegen die genannte Jugendschutzbestimmung) ohnedies keine behördliche Genehmigung erteilt worden wäre, weshalb die Aufwendungen gerade nicht aufgrund der verspäteten Rückstellung des Lokals frustriert wurden, verstößt es gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).

5. Zum Einwand der Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit

[87] Das Berufungsgericht hat die vom Land eingewandte Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit des Klägers hinsichtlich der frustrierten Kosten für die Miete der Kaffeemaschine und der Getränkeautomaten mit der Begründung verneint, dem Kläger sei kurz nach der Betriebsschließung zwar die Möglichkeit geboten worden, verderbliche Lebensmittel und sonstige dringend benötigte Dinge aus dem Lokal zu entfernen. Daraus ergebe sich jedoch für den Kläger nicht (auch) die Möglichkeit, die Automaten und die Kaffeemaschine abzumontieren und zurückzustellen.

[88] In seiner Revision weist das Land zutreffend darauf hin, dass das Erstgericht zu diesem letztgenannten, rechtserheblichen Beweisthema entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gar keine Feststellung getroffen hat.

[89] Nach der Rechtsprechung liegt eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit unter anderem dann vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, obwohl sie – objektiv betrachtet – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten (RS0023573).

[90] Das Land hat dazu in erster Instanz vorgebracht, dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass er jederzeit Zutritt zum Lokal beantragen könne; es wäre ihm – wie in ähnlich gelagerten Fällen – auch tatsächlich seitens der Behörde bei Bedarf auch mehrfach Zutritt gewährt worden. Davon habe der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht. Es wäre ihm – unter anderem mit Blick auf den Kaffee- und die Getränkeautomaten – zumutbar gewesen, die laufenden Aufwendungen für das Lokal so gering wie möglich zu halten.

[91] Ausgehend von diesen Prozessbehauptungen des Landes wäre aber zu klären gewesen, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen es dem Kläger nach der Betriebsschließung möglich gewesen wäre, die jeweiligen Mietverhältnisse betreffend die im Lokal verbliebenen Getränkeautomaten und die Kaffeemaschine (vorzeitig) aufzulösen und diese Geräte aus dem Lokal zu schaffen, um sie den jeweiligen Vermietern zurückzustellen. Auch insoweit liegt daher ein rechtlicher Feststellungsmangel vor (vgl RS0053317).

6. Ergebnis

[92] 6.1 Zusammengefasst kommt der Revision des Landes gegen den im Berufungsurteil erfolgten Zuspruch von 17.523 EUR an Verdienstentgang und gesamt 7.806,50 EUR an frustrierten Mietkosten – jeweils für den Zeitraum von 10. 8. 2020 bis 22. 2. 2021 – Berechtigung zu.

[93] Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist den Organen des Landes jedenfalls bis Anfang Dezember 2020 eine schuldhafte Säumnis bei der Rückstellung des Geschäftslokals an den Kläger nicht zum Vorwurf zu machen. Damit sind die zugesprochenen Teilansprüche des Klägers auf Ersatz von Verdienstentgang und Mietkosten abzuweisen, soweit sie sich auf den Zeitraum vor Dezember 2020 beziehen.

[94] Ob die Organe des beklagten Landes die Rückgabe des Geschäftslokals in den Monaten Dezember 2020 bis Februar 2021 aufgrund einer unvertretbaren Rechtsauffassung entgegen der Anordnung des § 28 Abs 5 VwGVG verzögert haben, lässt sich auf Grundlage des bisherigen Urteilssachverhalts nicht abschließend klären. Die Beurteilung dieses noch maßgeblichen Fehlverhaltensvorwurfs (dass die ursprüngliche Schließung des Betriebs auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruhte, bildet ebenso einen abschließend erledigten Streitpunkt wie der Umstand, dass den fraglichen Teilansprüchen auf Ersatz von Verdienstentgang und Mietkosten keine Verjährung entgegensteht) hängt davon ab, wann die zuständigen Organe davon Kenntnis erlangten, dass dem Antrag des Landes auf aufschiebende Wirkung seiner Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien nicht Folge gegeben wurde. Das Fehlen von Feststellungen zu dieser Frage führt insoweit – also betreffend die für die Monate Dezember 2020 bis einschließlich Februar 2021 geltend gemachten Teilansprüche auf Ersatz von Verdienstentgang (3 x 3.300 EUR) und Mietkosten für das Geschäftslokal (3 x 587 EUR), die Kaffeemaschine (3 x 374 EUR) und die Getränkeautomaten (3 x 240 EUR) – zur Aufhebung des Zuspruchs im angefochtenen Teilurteil.

[95] In diesem Umfang (13.503 EUR sA) ist die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen, das im fortgesetzten Verfahren den Sachverhalt zunächst in Ansehung der zuvor angesprochenen Frage zu verbreitern haben wird.

[96] Sollte sich dabei ergeben, dass den Organen des Landes nach dem 1. 12. 2020 eine schuldhaft verzögerte Rückstellung des Geschäftslokals an den Kläger anzulasten ist, wären zudem ergänzende Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung des Einwands der Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit ermöglichen.

[97] 6.2 Zur Gänze berechtigt ist auch der Rekurs des Landes gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts in Ansehung der vom Erstgericht abgewiesenen Teilbegehren auf Ersatz der defekten Fernseher (2.300 EUR) und Kaffeemaschine (2.508 EUR), der (verbleibenden) Renovierungskosten (7.895,18 EUR), der Kosten für Strom und Fernwärme (4.143,94 EUR), der Gerichtsgebühren (265,10 EUR) sowie der Steuerberatungskosten (3.462,54 EUR).

[98] Während der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Steuerberatungskosten bereits verjährt ist, folgt die Abweisung der übrigen Teilforderungen schon daraus, dass das Erstgericht zum Auftreten der geltend gemachten Schäden nach Oktober 2020 bzw zur Kausalität der fortwährenden Betriebsschließung für den Schadenseintritt Negativfeststellungen getroffen hat.

[99] 7. Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf das Teilurteil auf § 52 Abs 4 ZPO und in Bezug auf den Aufhebungsbeschluss auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

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