European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00161.24V.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 627,12 EUR (darin enthalten 104,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Eine Bezirkshauptmannschaft nahm dem Kläger (neben anderen Hunden, die ihm mittlerweile zurückgestellt wurden) auch den Schlittenhund „C*“ ab und brachte ihn bei einem Tierschutzverein unter. Dieser Hund wurde vom Tierschutzverein (noch vor Rechtskraft des Verfallsbescheids) an die Beklagte weitergegeben (unstrittiges Parteivorbringen: vgl RS0121557 [T8, T10]).
[2] Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 19. 6. 2023, schriftlich ausgefertigt am 19. 7. 2023, stellte das Landesverwaltungsgericht Steiermark zu LVwG * fest, dass diese Tierabnahme gemäß § 37 Abs 2 Tierschutzgesetz (kurz: TSchG) rechtswidrig war (Beilage ./B).
[3] Mit Erkenntnis vom 17. 7. 2023, LVwG *, hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft, mit dem der Antrag des Klägers auf Rückausfolgung des Hundes abgewiesen und zugleich ausgesprochen worden war, dass der Hund als verfallen anzusehen sei, ersatzlos auf. Den Antrag des Klägers vom 13. 1. 2023 auf Rückausfolgung wies es jedoch – „infolge fehlender Antragslegitimation“ – als unzulässig zurück. Nur in der Begründung führte es aus, die Bezirkshauptmannschaft habe aufgrund der vorangegangenen Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts, mit der die Tierabnahme rechtskräftig als rechtswidrig festgestellt worden war, das Tier gemäß § 28 Abs 6 VwGVG unverzüglich an den Kläger rückauszufolgen (Beilage ./G).
[4] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe des Hundes „C*“. Der in Verwahrung des Tierschutzheims befindliche Schlittenhund sei rechtswidrig an die Beklagte übergeben worden. Da er Eigentümer des Hundes sei, bestehe kein Grund für die Beklagte, den Hund zu behalten. Weder liege ein hoheitlicher Akt vor, der der Beklagten Eigentum verschaffe, noch habe sie gemäß § 367 ABGB gutgläubig Eigentum erworben. Die Beklagte sei nicht Organ.
[5] Die Beklagte wandte insbesondere die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Der Tierschutzverein, der in Entsprechung des behördlichen Auftrags den Hund verwahrt habe, habe ihn nachfolgend an sie „vermittelt“ und ihr Eigentum am Hund verschafft. Sie habe durch „hoheitliche Verfügung“ – Weitergabe durch den Tierschutzverein nach entsprechendem Auftrag der Behörde – Eigentum erworben. Jedenfalls habe sie gutgläubig Eigentum erworben, weil sie den Hund vom Tierschutzverein entgeltlich durch Zahlung einer „Gebühr“ erworben habe.
[6] Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Die zwangsweise Abnahme des Hundes nach § 37 (Abs 2) TSchG und die Verweigerung von dessen Herausgabe nach § 37 Abs 3 iVm § 30 TSchG durch die Bezirkshauptmannschaft seien Akte der Hoheitsverwaltung. Der durch die zwangsweise Abnahme des Hundes begründete Zustand – die behördliche Gewahrsame – werde bis zur Rückführung oder den Verfall des Tieres aufrecht erhalten. Durch die Weitergabe des Hundes vom Tierschutzverein an die Beklagte sei jedoch die behördliche Obhut beendet worden. Die Beklagte versorge den Hund weder als Organ, noch erfülle sie eine Aufgabe, die ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur sei. Ihre Versorgung des Hundes erfolge nicht in Vollziehung der Gesetze.
[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.
[8] Selbst wenn in der „Übereignung“ des Hundes durch den Tierschutzverein an die Beklagte ein fehlerhafter Hoheitsakt – zufolge rechtswidriger Abnahme und rechtswidrig angenommenen Verfalls – liegen sollte, handle es sich doch „um einen, wenngleich fehlerhaften, Akt der Hoheitsverwaltung, dessen Rückgängigmachung im Rahmen der Hoheitsverwaltung und unter Inanspruchnahme der zuständigen Verwaltungsbehörden zu erfolgen“ habe. Obwohl sich das Tier in der Gewahrsame der Beklagten befinde, bleibe bis zur Rückstellung oder dem rechtskräftigen Verfall die amtliche Verwahrung nach wie vor aufrecht. Dies ergebe sich daraus, dass gemäß § 30 Abs 8 TSchG die Ausfolgung von abgenommenen Tieren (§ 30 Abs 1 TSchG) an Personen, die ein Eigentumsrecht an diesen Tieren geltend machten, der Zustimmung der Behörde (also eines Hoheitsakts) bedürfe. Damit habe aber die Herstellung des Zustands vor der zwangsweisen Abnahme des Hundes durch die Bezirkshauptmannschaft im Verwaltungsweg zu erfolgen und der vom Kläger angestrebte Rechtsweg sei nicht zulässig.
[9] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs zur Klärung der Rechtsfrage für zulässig, ob das Begehren auf Herausgabe eines Tieres von einer Privatperson, an die dieses vom „amtlichen Verwahrer“ ausgefolgt worden sei, in die Zuständigkeit der Gerichte falle oder die Rückgabe im Verwaltungsweg zu erfolgen habe.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der gegen diese Entscheidung erhobene – von der Beklagten beantwortete – Revisionsrekurs des Klägers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Zur Zulässigkeit des Rechtswegs:
[11] 1.1. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (RS0045456). Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RS0045584 [T25, T71]; RS0045718). Die Entscheidungsbefugnis des Zivilgerichts wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Vorfragen geprüft werden müssen, zu deren selbstständiger Entscheidung nicht die Zivilgerichte zuständig sind (RS0005896 [T2]). Die inhaltliche Berechtigung des vom Kläger behaupteten Anspruchs ist bei der Frage der Rechtswegzulässigkeit unerheblich, hierüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (RS0045491).
[12] 1.2. Der Rechtsweg ist jedoch – im Hinblick auf den Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung –ausgeschlossen, wenn ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird, damit jedoch ein unmittelbarer Eingriff in das hoheitliche Handeln eines Rechtsträgers angestrebt wird, sei es durch Beseitigung der Folgen dieses hoheitlichen Handelns durch Vornahme oder Rückgängigmachung eines Verwaltungsakts, sei es durch Untersagung hoheitlichen Handelns (vgl RS0010522 [T9, T11]; RS0045584 [T52]).
[13] 1.3. Darüber hinaus ist für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in Pflicht genommen oder beliehen wurden, – ebenso wie für Klagen gegen physische Personen als Organe – der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig (RS0124590). Besorgt eine Person hoheitliche Aufgaben, ist sie Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst wie herangezogen wurde und ob deren Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (RS0087679). Private handeln auch dann als Organe, wenn sie keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei deren Besorgung zu unterstützen (RS0104351). Entscheidend für das Vorliegen einer Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs 1 AHG ist, dass eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist; dann sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; RS0049897).
[14] 2. Der Kläger begehrt, gestützt auf sein Eigentumsrecht, die Herausgabe des Schlittenhundes „C*“ von der Beklagten, womit er einen privatrechtlichen Anspruch behauptet (§ 366 ABGB). Es müssten daher besondere Gründe vorliegen, dass der Rechtsweg entgegen § 1 JN im Sinn der obigen Ausführungen unzulässig wäre.
[15] 3. Solche Gründe liegen nicht vor. Vielmehr hat das Erstgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs für die Klage auf Herausgabe des Hundes zutreffend bejaht:
[16] 3.1. Dem Kläger wurde nach seinem Vorbringen der Hund auf der Grundlage von § 37 Abs 2 Tierschutzgesetz (BGBl I 2004/118 idF BGBl I 2022/130; kurz: TSchG) rechtswidrig zwangsweise abgenommen und nach dessen Verwahrung gemäß § 30 TSchG bei einem Tierschutzverein entgegen § 37 Abs 3 TSchG – infolge „Weitergabe“ an die Beklagte – nicht mehr herausgegeben. Diese Bestimmungen lauten:
„Entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere
§ 30 (1) Die Behörde hat – soweit eine Übergabe an den Halter nicht in Betracht kommt – Vorsorge zu treffen, dass entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere an Personen, Institutionen und Vereinigungen übergeben werden, die eine Tierhaltung im Sinne dieses Bundesgesetzes gewährleisten können. Diese Personen, Vereinigungen oder Institutionen (im Folgenden: Verwahrer) haben die Pflichten eines Halters.
(2) Die vom Land und vom Verwahrer zu erbringenden Leistungen und das dafür zu entrichtende Entgelt sind vertraglich zu regeln.
(3) Solange sich die Tiere im Sinne des Abs. 1 in der Obhut der Behörde befinden, erfolgt ihre Haltung auf Kosten und Gefahr des Tierhalters.
(4) Verwahrer von Tieren im Sinne des Abs 1 haben den Organen, die mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes beauftragt sind, jederzeitigen Zutritt zu den Tierhaltungseinrichtungen und jederzeitige Kontrolle des Gesundheitszustandes des Tieres zu gewähren und allen Anweisungen der Behörde Folge zu leisten.
(5) Für die Dauer der amtlichen Verwahrung trägt die Behörde die Pflichten des Tierhalters.
(6) [...]
(7) [...]
(8) Die Ausfolgung von Tieren im Sinne des Abs 1 an Personen, die ein Eigentumsrecht an diesen Tieren geltend machen, bedarf der Zustimmung der Behörde.
[...]
Sofortiger Zwang
§ 37 (1) [...]
(2) Die Organe der Behörde sind verpflichtet, ein Tier, das in einem Zustand vorgefunden wird, der erwarten lässt, dass das Tier ohne unverzügliche Abhilfe Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst erleiden wird, dem Halter abzunehmen, wenn dieser nicht willens oder in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen. Sie sind berechtigt, ein Tier Personen, die gegen §§ 5 bis 7 verstoßen, abzunehmen, wenn dies für das Wohlbefinden des Tieres erforderlich ist.
(2a) [...]
(3) Für abgenommene Tiere gilt § 30. Sind innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme im Sinne des Abs 2 die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung der Tiere aller Voraussicht nach geschaffen, so sind sie zurückzustellen. Andernfalls sind die Tiere als verfallen anzusehen. […]“
3.2. Die Beklagte hat keine Organstellung:
[17] 3.2.1. Nach § 37 Abs 3 TSchG gilt für abgenommene Tiere § 30 TSchG. Diese Bestimmung regelt das rechtliche Schicksal von Tieren, die sich nicht mehr in ihrem ursprünglichen Obhutsverhältnis befinden, etwa weil sie dem Tierhalter – wie hier nach § 37 Abs 2 TSchG – durch behördlichen Akt entzogen wurden. Der objektive Schutzzweck der Norm besteht darin, die tierschutzrechtskonforme Unterbringung und Betreuung dieser Tiere sicherzustellen (Binder, Das österreichische Tierschutzrecht4 [2019] § 30 TSchG 131; vgl auch ErläutRV 446 BlgNR 22. GP 26: „Aufgabe der gesetzeskonformen Unterbringung und Betreuung“).
[18] 3.2.2. Die Abnahme der Tiere begründet eine behördliche Gewahrsame („amtliche Verwahrung“; Herbrüggen/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht I [2020] § 37 Anm 7).
[19] Die Bezirkshauptmannschaft hat den Hund einem Tierschutzverein nach § 30 Abs 1 TSchG, wenn auch im Rahmen eines Privatrechtsverhältnisses (8 Ob 530/93; 7 Ob 245/08t), in Verwahrung gegeben. Der Tierschutzverein ist als Verwahrer des durch eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt abgenommenen Hundes im Sinn des § 30 Abs 1 TSchG in die Besorgung hoheitlicher Aufgaben, konkret die „amtliche Verwahrung“ der Tiere (vgl § 30 Abs 5 TSchG) eingebunden und daher für deren Dauer Organ, mag ihm auch selbst keine eigenständige Entscheidungsbefugnis zukommen (vgl Herbrüggen/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht I [2020] § 30 Anm 9: „Verwahrungshelfer“).
[20] Die amtliche Verwahrung ist nach § 30 iVm § 37 Abs 3 TSchG der Hoheitsverwaltung zuzuordnen. Die Weitergabe bzw das Anbot zur Weitergabe eines Hundes durch den Tierschutzverein als Verwahrer steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwahrung und den – die amtliche Verwahrung beendenden – Akten der Rückstellung nach § 37 Abs 3 TSchG bzw des (rechtskräftigen) Verfalls nach § 37 Abs 3 iVm § 40 TSchG (1 Ob 172/23k [Rz 13 bis 16] = RS0134615 [T1]). Der Tierschutzverein als Verwahrer eines abgenommenen Tieres im Sinn des § 30 Abs 1 TSchG handelt damit in Vollziehung der Gesetze, auch wenn die Verwahrung auf einem zwischen ihm und der Behörde geschlossenen Verwahrungsvertrag beruht (1 Ob 172/23k [Rz 22] = RS0134615).
[21] 3.2.3. Der Kläger behauptet aber gerade nicht, dass die Beklagte ebenfalls Verwahrerin des Hundes infolge eines mit dem Rechtsträger der Bezirkshauptmannschaft begründeten privatrechtlichen Verhältnissessei. Korrespondierend damit beruft sich die Beklagte ebenfalls nicht auf eine Stellung als Verwahrerin, sondern auf ihr Eigentumsrecht, das sie dadurch erlangt haben will, dass der Hund im Rahmen der „Hoheitsverwaltung“ an sie weitergegeben wurde. Sie habe – nach vorangegangenem Auftrag der Bezirkshauptmannschaft an den Tierschutzverein zur Vergabe dieses Hundes – mit dem Tierschutzverein eine „Vereinbarung zur Übergabe und Übernahme“ dieses Tieres abgeschlossen.
[22] Als behauptete Eigentümerin des Hundes ist die Beklagte jedenfalls nicht als Organ anzusehen. Sie ist nicht in die Rückstellung des Hundes nach § 37 Abs 3 TSchG an den Kläger eingebunden. Ihre Übernahme des Hundes steht in keinem Zusammenhang mit der Verwahrung. Damit liegt mangels Organstellung kein Fall des § 9 Abs 5 AHG vor.
[23] 3.3. Wie bereits zu Punkt 1.2. dargelegt, ist der Rechtsweg ausgeschlossen, wenn zwar ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird, mit dem jedoch in Wahrheit einem Rechtsträger hoheitliches Handeln untersagt werden soll (RS0010522). Mit der auf den privatrechtlichen Anspruch als Eigentümer gestützten Klage auf Herausgabe des Hundes von der Beklagten erfolgt offenkundig kein solcher Eingriff in das hoheitliche Handeln der Bezirkshauptmannschaft.
[24] 3.4. Der Kläger behauptet auch keinen sachenrechtlichen Anspruch, mit dem etwa die Folgen hoheitlichen Handelns durch Rückgängigmachung eines Verwaltungsakts beseitigt werden sollen (vgl dazu 1 Ob 10/88, SZ 61/88).
[25] 3.4.1. Die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu entschiedenen Fälle sind mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar:
* So wurde für ein auf das Eigentum an einer Privaturkunde gestütztes Herausgabebegehren eines Lehrers gegen den Bezirksschulinspektor – und damit eines Organs und nicht des Rechtsträgers – der Rechtsweg für unzulässig erachtet (5 Ob 102/71, SZ 44/64).
* Ein auf das Eigentumsrecht gestützter Herausgabeanspruch (auf eine einem Finanzbeamten übergebene Abschrift des Urteils eines Strafgerichts) kann gegen den Rechtsträger (Bund), der in Vollziehung der Gesetze im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig war, nicht durchgesetzt werden. Der ordentliche Rechtswegs stünde nur offen, wenn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde bereits abgeschlossen wäre (beispielsweise eine verfügte Beschlagnahme eines Gegenstands bereits aufgehoben worden wäre), sodass auf das Eigentumsrecht gestützt die Herausgabe des Gegenstands verlangt werden könnte (6 Ob 2023/96k).
* Die Herausgabe eines vom Bundesasylamt einbehaltenen Reisepasses kann mangels Zulässigkeit des Rechtswegs nicht mit Klage durchgesetzt werden. Solange die Passabnahme als behördliche Tätigkeit fortgesetzt wird, besteht kein privatrechtlicher Herausgabeanspruch (10 Ob 86/05b).
[26] 3.4.2. Den zitierten Entscheidungen ist gemeinsam, dass entweder der Rechtsträger oder das Organ geklagt wurden und die gerichtlichen Entscheidungen darauf hinausgelaufen wären, dass auf das hoheitliche Handeln der Verwaltungsbehörde Einfluss genommen wird, was dem Grundsatz der Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung widerspräche (Art 94 Abs 1 B‑VG). Der Kläger begehrt aber weder vom Rechtsträger der Bezirkshauptmannschaft noch – was nach § 9 Abs 5 AHG unzulässig wäre – von einem Organ die Herausgabe des Schlittenhundes, sondern von einem Dritten, der seine privatrechtliche Rechtsstellung (Eigentum) – auch – aus einem angeblichen Hoheitsakt ableitet.
[27] 3.4.3. Ein solcher Fall wird von der oben zitierten Rechtsprechung, die jeweils im Verhältnis zum Rechtsträger oder zum Organ erging, nicht erfasst. Der Kläger begehrt nicht vom Rechtsträger, dass er einen von ihm gesetzten Hoheitsakt rückgängig macht, sondern er stützt sich ausschließlich auf sein – jedenfalls bis zur Weitergabe des Hundes an die Beklagte unstrittiges – Eigentum. Soweit die Beklagte gegen seinen Herausgabeanspruch Eigentumserwerb durch einen – nicht näher bezeichneten – Hoheitsakt einwendet, wirft sie eine öffentlich‑rechtliche Vorfrage auf, die im Zivilprozess zu klären ist (RS0012079 [insb T7]). Ein allenfalls bestehender öffentlich‑rechtlicher Anspruch des Klägers gegen den Rechtsträger auf Rückausfolgung des Hundes kann dem auf Eigentum gestützten Anspruch gegen die Beklagte nicht entgegenstehen.
[28] 3.4.4. Wenn das Rekursgericht mit § 30 Abs 8 TSchG argumentiert, wonach die Ausfolgung abgenommener Tiere an Personen, die ein Eigentumsrecht an diesen Tieren geltend machen, der Zustimmung der Behörde – seiner Ansicht nach ein Hoheitsakt – bedarf, hat diese Bestimmung keinen Bezug zum gegenständlichen Sachverhalt. Nach § 30 Abs 8 TSchG kann der Eigentümer eines abgenommenen Tieres dessen Ausfolgung begehren, wenn das Tier einem von ihm verschiedenen Tierhalter abgenommen wurde (VwGH 2012/02/0132). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
[29] 4. Zusammengefasst teilt der Oberste Gerichtshof nicht die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass für den Herausgabeanspruch des Klägers der Rechtsweg unzulässig ist. Seinem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts, das die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen hat, wiederherzustellen.
[30] 5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs obsiegt (RS0035955). Von der Hauptsache abgrenzbare Kosten sind nur im Rechtsmittelverfahren angefallen. Die verzeichnete Pauschalgebühr ist jedoch im Revisionsrekursverfahren nicht zu entrichten (Anm 1 und 1a zu TP 3 GGG; [14. 10. 2020] 2 Ob 64/20f [Rz 22]; 1 Ob 54/24h [Rz 26], jeweils mwN).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)