European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00123.24Z.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen
Begründung:
[1] Die Unterhaltsklage der Klägerin gegen den Beklagten wegen 930.485,44 EUR sA an rückständigem sowie laufendem Unterhalt wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landesgericht Korneuburg als verspätet zurückgewiesen. Das Verfahren über die von der Klägerin in dem Zusammenhang angestrengte Wiederaufnahmsklage gemäß § 530 Abs 1 Z 4 ZPO wurde vom Landesgericht Korneuburg mit Beschluss vom 31. 5. 2023 bis zur Erledigung des von der Klägerin bereits angestrengten Strafverfahrens – von der Klägerin unbekämpft – unterbrochen. Ab Juli 2023 begann die Klägerin zahlreiche Eingaben an das Landesgericht Korneuburg zu richten, deren Inhalt beim Landesgericht Korneuburg Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin auslösten.
[2] Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Landesgericht Korneuburg deshalb das Verfahren über die Wiederaufnahmsklage gemäß § 6a ZPO zur Überprüfung, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 271 ABGB gegeben sind, aus.
[3] Das von der Klägerin gegen diese Entscheidung angerufene Oberlandesgericht Wien erklärte sich gemäß § 474 Abs 1 ZPO für nicht zuständig und überwies die – als Rekurs gewertete – Rechtsmittelklage an den Obersten Gerichtshof.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Rekurs der Klägerin ist unzulässig.
[5] 1.1. Gemäß § 532 Abs 1 ZPO ist für die nach § 530 Z 4 ZPO erhobene Wiederaufnahmsklage das Gericht, von welchem die durch die Klage angefochtene Entscheidung gefällt wurde, wenn aber in der Klage mehrere in demselben Rechtsstreite von Gerichten verschiedener Instanzen gefällte Entscheidungen angefochten werden, das höchste unter diesen Gerichten ausschließlich zuständig.
[6] 1.2. Die auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO (Amtsmissbrauch des Richters) gestützte Wiederaufnahmsklage ist für den Fall, dass bereits vor Bekanntwerden dieses Wiederaufnahmsgrundes eine Entscheidung höherer Instanz vorliegt, beim Gericht höherer Instanz einzubringen, da auch die Beseitigung seiner Endentscheidung begehrt wird (Jelinek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 532 ZPO, Rz 16). Ein solcher Fall lag hier vor, weil die von der Klägerin im zugrundeliegenden Verfahren eingebrachte Berufung bereits vom Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht zurückgewiesen wurde.
[7] 1.3. Das Landesgericht Korneuburg ist damit als das Gericht höherer Instanz des Vorprozesses das Prozessgericht erster Instanz des Verfahrens über die gegenständliche Wiederaufnahmsklage, was die Anwendung des § 535 ZPO mit sich bringt. Diese Bestimmung regelt die Besonderheiten des Verfahrens für Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen, die gemäß § 532 ZPO nicht beim Prozessgericht erster Instanz des Vorprozesses, sondern bei einem im Vorprozess als Gericht höherer Instanz tätig gewordenen Gericht einzubringen sind (vgl Jelinek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 535 ZPO, Rz 1 ff).
[8] 1.4. Für die Anfechtung der von diesem Gericht getroffenen Entscheidungen bedeutet das, dass die Anfechtung nur durch die Rechtsmittel erfolgen kann, mit denen die von dem entscheidenden Gericht als Rechtsmittelgericht getroffenen Entscheidungen anfechtbar sind; sowohl die Rechtsmittelzulässigkeit als auch der Anfechtungsumfang und die Anfechtungsgründe sind nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen. Gemäß § 535 ZPO sind also die Regeln maßgebend, die anwendbar wären, wenn das die Entscheidung fällende Gericht als Rechtsmittelinstanz eingeschritten wäre (Jelinek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 535 ZPO, Rz 20). Wird die Wiederaufnahmsklage daher von einem Gericht höherer Instanz zurückgewiesen, dann ist für das Rechtsmittel dagegen der Oberste Gerichtshof zuständig und es gelten die Beschränkungen der §§ 519 und 528 ZPO (RS0044587 [T1, T7]).
[9] 2. Die hier aufgrund des Einschreitens des Rechtsmittelgerichts als Berufungsgericht vorliegende Anwendbarkeit des § 519 ZPO hat zur Konsequenz, dass der Beschluss auf „Aussetzung“ des Verfahrens gemäß § 6a ZPO unanfechtbar ist:
[10] 2.1. § 6a ZPO enthält selbst keine Regelung darüber, welche Maßnahmen das Prozessgericht in Ansehung seines Verfahrens nun anzuordnen hat. Im Zivilprozess wird das beim Prozessgericht geführte Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 Abs 1 ZPO durch konstitutiven Beschluss unterbrochen (RS0035234 [T3]; RS0037720 [T4]).
[11] 2.2. Nach § 519 Abs 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts der Rekurs nur zulässig, wenn das Berufungsgericht die Klage oder eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat oder wenn das Berufungsgericht ein erstgerichtliches Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu treffende Entscheidung aufgetragen oder die Sache an ein anderes Berufungsgericht verwiesen und ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Zweck dieser Bestimmung ist die Beschränkung des Rechtszugs an den Obersten Gerichtshof. In § 519 ZPO nicht aufgezählte Beschlüsse des Berufungsgerichts können deshalb nicht angefochten werden (4 Ob 35/23k mwN).
[12] 2.3. Auch gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Unterbrechungsbeschluss ist daher ein Rechtsmittel nicht zulässig (RS0037125). Davon ist der Oberste Gerichtshof nur in Sonderfällen abgegangen, in denen die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die (endgültige) Verweigerung einer Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet (RS0105321; RS0043819; ausführlich: Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 519 ZPO Rz 57 ff).
[13] 2.4. Durch den hier angefochtenen Unterbrechungsbeschluss wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Berufung der Beklagten keinesfalls in einer den Fällen des § 519 Abs 1 ZPO vergleichbaren Weise abschließend verweigert, muss doch das für ihre Wiederaufnahmsklage zuständige Gericht ohnehin nach Abschluss des Pflegschaftsverfahrens von Amts wegen neuerlich tätig werden (vgl RS0037720; zu einem Unterbrechungsbeschluss nach § 6a ZPO auch 10 Ob 15/05m).
[14] 3. Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)