OGH 4Ob35/23k

OGH4Ob35/23k27.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher undMMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, Schweiz, vertreten durch die Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M* Limited, *, Malta, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 13.481,66 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2023, GZ 3 R 166/22m‑6, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00035.23K.0727.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte hat ihren Sitz auf Malta. Sie bietet auf ihrer Website Online-Glücksspiele auch in Österreich an, verfügt jedoch hier nicht über eine gültige Glücksspiellizenz. Ein Verbraucher trat seine Ansprüche auf Rückforderung der durch seine Teilnahme an solchen Glücksspielen entstandenen Verluste an die Klägerin, eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, ab.

[2] Das Erstgericht verwarf die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit und gab der Klage statt.

[3] Das Berufungsgericht unterbrach das Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens zu 8 Ob 172/22k, das einen vergleichbaren Zuständigkeitsstreit zwischen denselben Parteien zum Gegenstand habe. Österreichweit seien unzählige weitere Verfahren anhängig. Das Berufungsgericht sei zwar nicht an die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Parallelverfahren gebunden. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass der achte Senat ein Vorabentscheidungsersuchen stelle.

[4] Der Rekurs der Beklagten will eine ersatzlose Aufhebung des Unterbrechungsbeschlusses erreichen.

[5] Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Rekurs ist unzulässig.

[7] 1. Die Beklagte brachte ihren Rekurs richtig beim Erstgericht ein, bezeichnete jedoch das Oberlandesgericht Graz als das angerufene Rekursgericht.

[8] Fasst ein Landesgericht als Berufungsgericht einen Beschluss, so hat über den dagegen gerichteten Rekurs der Oberste Gerichtshof zu entscheiden (vgl § 3 Abs 1 JN zum Instanzenzug im bezirksgerichtlichen Verfahren).

[9] Die irrtümlich unrichtige Benennung des Rechtsmittelgerichts schadet jedoch nicht, weil das zur Entscheidung funktionell zuständige Gericht ohnehin individuell bestimmt ist (7 Ob 81/18i; vgl RS0006923 [T3]).

[10] 2.1. Nach § 519 Abs 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts der Rekurs nur zulässig, wenn das Berufungsgericht die Klage oder eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat oder wenn das Berufungsgericht ein erstgerichtliches Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu treffende Entscheidung aufgetragen oder die Sache an ein anderes Berufungsgericht verwiesen und ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.

[11] Zweck dieser Bestimmung ist die Beschränkung des Rechtszugs an den Obersten Gerichtshof. In § 519 ZPO nicht aufgezählte Beschlüsse des Berufungsgerichts können deshalb nicht angefochten werden (10 Ob 76/16y mwH).

[12] 2.2. Auch gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Unterbrechungsbeschluss ist daher ein Rechtsmittel nicht zulässig (RS0037125). Davon ist der Oberste Gerichtshof nur in Sonderfällen abgegangen, in denen die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die (endgültige) Verweigerung einer Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet (RS0105321; vgl RS0043819; siehe auch Musger in Fasching/Konecny IV/13 [2019] § 519 ZPO Rz 57 ff).

[13] Durch den hier angefochtenen Unterbrechungsbeschluss wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Berufung der Beklagten nicht in einer den Fällen des § 519 Abs 1 ZPO vergleichbaren Weise abschließend verweigert. In der bloß temporären Verweigerung einer Verfahrensfortsetzung kann noch keine einer Klagszurückweisung gleichkommende, nämlich definitive (endgültige) Verweigerung des Rechtsschutzes erblickt werden (vgl 3 Ob 82/21m).

[14] Der Rekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

[15] 3. Bei einem Streit über eine Verfahrensunterbrechung liegt ein Zwischenstreit vor (RS0035908). Die Klägerin hat jedoch auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Beklagten nicht hingewiesen, sodass ihr dennoch kein Kostenersatz zuzusprechen ist (RS0035979).

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