OGH 9Ob9/24z

OGH9Ob9/24z23.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*, 2. C*, 3. H*, und 4. M*, alle vertreten durch die K‑B‑K Hirsch Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. P*, vertreten durch Dr. Alexander Rehrl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 670.320 EUR sA, in eventu Feststellung (Streitwert: 325.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 325.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. November 2023, GZ 2 R 105/23h‑50, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00009.24Z.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach der Rechtsprechung stellt ein Verstoß gegen § 405 ZPO eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinne des § 503 Z 2 ZPO dar (RS0041089 [T1]). Wird ein solcher Verstoß vom Berufungsgericht verneint, kann er daher mit Revision nicht mehr angefochten werden (RS0041117).

[2] 2. Richtig ist, dass Gegenstand der Feststellung nach § 228 ZPO nur ein gegenwärtiges Recht oder Rechtsverhältnis sein kann ( RS0039178 [T6]).

[3] Wie der Beklagte selbst ausführt, ist, wenn ein Treuhänder nach dem BTVG verfrüht auszahlt, der Schaden mit der Auszahlung grundsätzlich bereits eingetreten, er liegt in der Verminderung des Treuhanderlags (vgl 6 Ob 173/18m [Pkt 3.1.]). Eine Anmeldung der Forderung gegen den Bauträger in der Insolvenz des Bauträgers ist – entgegen der Revision – für die Entstehung des Schadens keine Voraussetzung. Warum daher im vorliegenden Fall nicht von einem schon bestehenden Recht ausgegangen werden kann, ist nicht nachvollziehbar.

[4] 3. In der Regel ist eine Feststellungsklage dann unzulässig, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817). Sie kann aber bei einem entsprechenden Feststellungsinteresse ausnahmsweise zulässig sein. So wurde von der Rechtsprechung in zum vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellationen – insbesondere bei bereits eingetretener (5 Ob 193/10h) oder drohender (1 Ob 190/12s) Insolvenz des Bauträgers – ein Feststellungsinteresse bejaht. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass dem Begehren ein möglicherweise eintretender, noch nicht bezifferbarer Forderungsausfall zu Grunde liegt.

[5] Dass die Vorinstanzen daher im vorliegenden Fall auch vom Vorliegen eines Feststellungsinteresses ausgingen, hält sich im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

[6] 4. Dass die Parteien hier das Modell der grundbücherlichen Sicherstellung in Verbindung mit der Zahlung nach Ratenplan im Sinn der §§ 9 und 10 BTVG gewählt haben, ist im Revisionsverfahren nicht strittig. Die grundbücherliche Sicherstellung nach § 9 Abs 3 BTVG verlangt unter anderem, dass, sofern nicht etwas anderes vereinbart worden ist, die Lastenfreiheit der Liegenschaft hergestellt oder die künftige Lastenfreiheit gesichert sein muss. Zwischen dem Hypothekargläubiger und dem Bauträger muss zugunsten des Erwerbers vereinbart sein, dass die Liegenschaft oder der Anteil des Erwerbers freigestellt wird.

[7] Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die nach § 12 Abs 4 BTVG vom Treuhänder zu prüfende Freistellungsverpflichtung des Hypothekargläubigers jedenfalls als solche durchsetzbar sein muss, also letztlich den Hypothekargläubiger zur Einwilligung in die Löschung in grundbuchsfähiger Form verpflichten muss (RS0132312; 3 Ob 113/16p; 5 Ob 193/10h [Pkt 4.]). Die Freistellungsverpflichtung muss tauglich und durchsetzbar sein und darf nicht etwa an weitere Bedingungen geknüpft werden (8 Ob 57/15p [Pkt 2.1.]).

[8] 5. Entgegen der Ansicht des Beklagten besteht der Vorwurf gegen ihn nicht darin, dass er als Treuhänder vor der Parifizierung Kaufpreis‑(teil‑)beträge an den Bauträger gezahlt hat, sondern dass er dies getan hat, ohne über hinreichende einverleibungsfähige Freistellungs- (bzw Löschungs‑)erklärungen zu verfügen.

[9] Zur Zulässigkeit von Auszahlungen vor Parifizierung wurde im Übrigen bereits vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 7/21x (Rz 21) Stellung genommen und ausgeführt:

„Insbesondere ergibt sich aus dem Gesetz nicht, dass es für die Herstellung der notwendigen Sicherheit des Erwerbers erforderlich wäre, auf der Liegenschaft bereits bei Abschluss des Bauträgervertrags Wohnungseigentum zu begründen. Da der Gesetzgeber in § 9 Abs 2 BTVG explizit die Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG zur 'ausreichenden grundbücherlichen Sicherung' erklärt hat, hat er den im WEG enthaltenen Abwicklungsmodalitäten und Sicherungssystemen hinsichtlich der Erwerberrechte während des oft lang dauernden Zeitraums bis zum Abschluss und der Verbücherung des Wohnungseigentumsvertrags auch für die Sicherung der Erwerberrechte im Bauträgervertrag entscheidende Bedeutung zuerkannt. Diese 'provisorische' Situation nahm der BTVG‑Gesetzgeber bewusst in Kauf und fing sie durch die entsprechenden Sicherungsmechanismen für Wohnungseigentumsbewerber (wie etwa in § 40 Abs 2 WEG) auf. Derartige Sicherungsmechanismen gelten auch in der Insolvenz des Wohnungseigentumsorganisators/Bauträgers und binden den Insolvenzverwalter. Ob der Wohnungseigentumsbewerber aufgrund eines Anwartschaftsvertrags oder Kaufvertrags, der die Begründung von Wohnungseigentum bezweckt, noch keinen ziffernmäßig bestimmten provisorischen Miteigentumsanteil erworben hat oder ein (provisorisch ermittelter) ideeller Miteigentumsanteil als Kaufgegenstand vereinbart ist, macht für die Sicherung keinen Unterschied, muss doch in beiden Fällen der Bauträger noch am Abschluss eines Wohnungseigentumsvertrags mitwirken. Zwar ist die Rechtsstellung des Erwerbers als 'Wohnungseigentümer' erst dann erreicht, wenn auch der Wohnungseigentumsvertrag abgeschlossen und verbüchert ist, die Sicherungspflicht des Bauträgers im BTVG erstreckt sich aber nur auf die ‚Sicherung der Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung‘, die durch Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG in Verbindung mit dem Klagerecht samt Streitanmerkung gemäß § 43 WEG erreicht wird.“

[10] 6. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass im vorliegenden Fall mangels Vorliegens einer grundbuchsfähigen Löschungserklärung für ein unter Ausnutzung der – im Grundbuchsrang den Anmerkungen nach § 40 Abs 2 WEG vorangehend – angemerkten Rangordnung (später) einverleibtes Höchstbetragspfandrecht die Voraussetzungen für eine Zahlung an den Bauträger nicht verwirklicht waren, hält sich damit im Rahmen des eingeräumten Ermessensspielraums.

[11] Die Revision setzt sich mit diesem zentralen Argument des Berufungsgerichts nicht auseinander, sondern argumentiert nur, dass eine Verpflichtung zur Einwilligung der Löschung aus anderen Umständen, insbesondere der Löschungserklärung für die Rangordnung abgeleitet werden kann.

[12] Warum die Ausstellung einer löschungsfähigen Erklärung vor Eintragung des Pfandrechts nicht möglich gewesen sein sollte, wird ebenfalls nicht näher dargelegt.

[13] 7. Hätte der Beklagte aber eine solche Auszahlung unterlassen, wäre der nunmehr geltend gemachte Schaden nicht eingetreten. Soweit der Beklagte daher mit der mangelnden Kausalität seines Verhaltens argumentiert, zeigt er ebenfalls keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.

[14] 8. Wie das E-Mail vom 19. 11. 2019 auszulegen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass dieses nicht als Verpflichtungserklärung zur Ausstellung einer Löschungserklärung für das eingetragene Pfandrecht zu verstehen ist, ist nicht korrekturbedürftig.

[15] 9. Insgesamt gelingt es dem Beklagten daher nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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