European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00153.24M.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Kläger schlossen mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag, mit dem das in deren Hälfteeigentum stehende Haus unter anderem gegen Feuer versichert wurde. Diesem lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) 2020/Stufe 1 zugrunde, die auszugsweise lauten:
„ Artikel 2 Gefahrenerhöhung
1. Nach Vertragsabschluss darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrenerhöhung vornehmen oder Vornahme durch einen Dritten gestatten. Erlangt der Versicherungsnehmer davon Kenntnis, dass durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht ist oder tritt nach Abschluss des Versicherungsvertrages unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eine Erhöhung der Gefahr ein, so hat er dem Versicherer unverzüglich in geschriebener Form Anzeige zu erstatten.
2. Tritt nach dem Vertragsabschluss eine Gefahrenerhöhung ein, kann der Versicherer kündigen. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in Abs 1 genannten Pflichten, ist der Versicherer außerdem gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen der §§ 23 bis 31 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.
[...]“
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämien fortzusetzen (RS0080357; RS0080237). Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenfalls bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (RS0080491). Allgemein übliche, das Durchschnittsrisiko kennzeichnende Gefahrenerhöhungen und solche, deren Unterstellung unter die §§ 23 ff VersVG den Versicherungsschutz der Mehrzahl der Versicherungsnehmer erheblich entwerten würde, sind mitversichert (RS0130147). Nur eine vom Versicherungsnehmer willkürlich herbeigeführte Gefahrenerhöhung hat Leistungsfreiheit nach § 25 Abs 1 VersVG zur Folge. Dem Wissen des Versicherungsnehmers um die Gefahrenerhöhung steht dessen verschuldetes Nichtwissen gleich, wenn dieses so schwer ins Gewicht fällt, dass es wegen der Sinnfälligkeit der Gefahr (dem Wissenmüssen) einer positiven Kenntnis gleichkommt (RS0080030). Dem Versicherungsnehmer muss klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls zu vergrößern. Es muss ihm zumindest ein der positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen um die Gefahrenerhöhung anzulasten sein (vgl 7 Ob 180/18y). Für das Vorliegen einer Gefahrenerhöhung trifft den Versicherer die Beweislast (RS0043736; RS0080487; 7 Ob 14/18m).
[3] 2.1 Nach Abschluss des Versicherungsvertrags ersuchten die Mieter des Hauses ihre Vermieter – die Kläger –, eine Fotovoltaikanlage errichten zu dürfen, was diese auch genehmigten. Tatsächlich errichteten die Mieter nicht nur eine Fotovoltaikanlage, sondern auch einen Batteriespeicher. Dieser bestand aus einer Serienparallelschaltung von rund 60 „Autobatterien“, die unsachgemäß zusammengefügt wurden. Er war nicht durch ein konzessioniertes Fachunternehmen errichtet worden und verfügte über kein durchgehendes technisches Konzept. Am 6. Februar 2023 ereignete sich im versicherten Haus – ausgehend von dem Batteriespeicher – ein Brand.
[4] 2.2 Das Berufungsgericht verneinte eine Leistungsfreiheit der Beklagten mangels Vorliegens einer gewillkürten Gefahrenerhöhung im Sinn des § 23 Abs 1 VersVG. Kausal für den Ausbruch des Brandes sei der Batteriespeicher gewesen. Die Kläger seien aber weder in positiver Kenntnis des Einbaus des Batteriespeichers gewesen, noch sei ihnen ein diesem gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen daran anzulasten. Es seien nämlich weder Verdachtsmomente vorgelegen, noch seien solche überhaupt behauptet worden, aus denen die Kläger hätten schließen müssen, dass ihre Mieter nicht nur die genehmigte Fotovoltaikanlage errichten würden.
[5] 3. Diese Beurteilung ist jedenfalls vertretbar, die Beklagte vermag dagegen auch keine stichhaltigen Argumente zu bringen:
[6] 3.1 Ob eine bestimmte Handlung die versicherte Gefahr erhöht, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RS0080366, 7 Ob 98/15k). Eine Fotovoltaikanlage bedarf an sich keines Batteriespeichers, sie kann aber durch einen solchen ergänzt werden. Vor diesem Hintergrund hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, „isoliert“ auf den – für den Brand kausalen – Batteriespeicher als eigenständigen gefahrenerhöhenden Umstand abzustellen im Rahmen seines Ermessensspielraums.
[7] 3.2 Die Beklagte wirft dem Berufungsgericht vor, einen unrichtigen Verschuldensgrad angewandt zu haben. Tatsächlich hat das Berufungsgericht aber ohnedies im Sinn der dargestellten Rechtsprechung ein der positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen geprüft und dessen Vorliegen verneint. Es vertrat, es seien schon keine Verdachtsmomente aufgezeigt worden, die ein Misstrauen der Kläger ihren Mietern gegenüber dahin hätten erwecken müssen, dass die Fotovoltaikanlage nicht in dem von ihnen genehmigten Umfang errichtet werde, welcher Umstand aber überhaupt erst die von der Beklagten geforderten Kontroll- und Überprüfungspflichten auszulösen geeignet gewesen wäre. Mit diesen Ausführungen, die nicht zu beanstanden sind, setzt sich die Beklagte inhaltlich auch nicht auseinander.
[8] 3.3 Da das Berufungsgericht bereits die gewillkürte Gefahrenerhöhung durch Einbau des Batteriespeichers nicht korrekturbedürftig verneinte, bedarf es auch keines Eingehens auf die Frage, ob die Beklagte durch die Deckungserweiterung für Fotovoltaikanlagen (Punkt 1.12 der Besonderen Bedingung HV Top Plus 2019/Stufe 4) schlüssig auf den Einwand der Gefahrenerhöhung verzichtete, wovon das Berufungsgericht im Übrigen auch nicht ausging.
[9] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)