OGH 7Ob180/18y

OGH7Ob180/18y31.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** T*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, und dessen Nebenintervenienten K***** K*****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Musey Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen 63.412,78 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Juli 2018, GZ 3 R 75/18a‑41, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00180.18Y.1031.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger hat für sein Objekt bei der Beklagten eine Sachversicherung inklusive Feuer- und Haushaltsversicherung abgeschlossen, der (ua) die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS; Fassung 1994) zugrunde lagen, die auszugsweise lauten:

„Artikel 2 Gefahrerhöhung

1. Nach Vertragsabschluss darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrenerhöhung vornehmen …

2. … Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in Absatz 1 genannten Pflichten, ist der Versicherer … nach Maßgabe der §§ 23 bis 31 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.

...“

1.  Eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (RIS‑Justiz RS0080357; RS0080237). Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (RIS‑Justiz RS0080491). Allgemein übliche, das Durchschnittsrisiko kennzeichnende Gefahrenerhöhungen und solche, deren Unterstellung unter die §§ 23 ff VersVG den Versicherungsschutz der Mehrzahl der Versicherungsnehmer erheblich entwerten würde, sind mitversichert (RIS‑Justiz RS0130147). Nur eine vom Versicherungsnehmer willkürlich herbeigeführte Gefahrenerhöhung hat Leistungsfreiheit nach § 25 Abs 1 VersVG zur Folge. Dem Wissen des Versicherungsnehmers um die Gefahrerhöhung steht dessen verschuldetes Nichtwissen gleich, wenn dieses so schwer ins Gewicht fällt, dass es wegen der Sinnfälligkeit der Gefahr (dem Wissenmüssen) einer positiven Kenntnis gleichkommt (RIS‑Justiz RS0080030 [insb auch T1]). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Gefahrerhöhung eingetreten und ob sie erheblich ist, kommt es darauf an, ob die Veränderung nach den den Betrieb des Versicherungszweigs beherrschenden Anschauungen dem Versicherer vernünftigerweise hätte Anlass bieten können, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (RIS‑Justiz RS0080194).

2.  Es entspricht bereits vorliegender Rechtsprechung, dass die Umwandlung und die (räumliche) Ausdehnung eines (gewerblichen) Betriebs eine Gefahrerhöhung im zuvor dargestellten Sinn begründen kann (vgl 7 Ob 7/79 = RIS‑Justiz RS0080269; 7 Ob 19/85; 7 Ob 50/02g). Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Judikaturgrundsätze:

3.  Der Kläger hat bei Abschluss des Versicherungsvertrags (Vertragsbeginn 2009) im Rahmen der Abfindungsbrennerei an bis zu 14 Brenntagen im Jahr je nach Erntemenge 0 bis 100 Liter Schnaps gebrannt. Ab 1. 9. 2014 hat der Kläger das Gewerbe der Lebensmittelerzeugung angemeldet, um mit Spirituosen eine selbstständige Tätigkeit zu entwickeln, von der er leben kann. Von September 2014 bis 11. 4. 2015 (Brandtag) absolvierte der Kläger dann 28 Brenntage, an denen er jeweils 25 Liter Gin produzierte (insgesamt 700 Liter). Eine undichte Stelle an der flüssiggasbetriebenen Verbrennungsanlage oder austretende Alkoholdämpfe waren jene Risken, die die den Brand verursachende Explosion bewirkten.

4.  Bei dieser Sachlage, nämlich der Aufwertung einer hobbymäßigen zu einer gewerblichen Tätigkeit mit einer Verdoppelung der saisonalen Brenntage und einer enormen Steigerung der Produktion bei entsprechend längerer Betriebszeit und einer nur mehr zeitweiligen Beaufsichtigung der Brennanlage, hat das Berufungsgericht eine iSd § 23 Abs 1 VersVG relevante und für den Kläger sinnfällige Gefahrerhöhung im Rahmen der Judikatur vertretbar bejaht. Die Meinung des Klägers, diese Rechtsansicht verletze sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Eigentum, ist nicht nachvollziehbar, liegt es doch an ihm, für eine entsprechende Versicherungsdeckung zu sorgen.

5.  Eine vom Berufungsgericht (auch) inhaltlich geprüfte und bereits verneinte Mangelhaftigkeit (hier: die geltend gemachte Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens) kann in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich angefochten werden (vgl RIS‑Justiz RS0042963 [T64]; RS0043086).

6.  Der Kläger macht insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit unzulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte