OGH 11Os75/24z

OGH11Os75/24z24.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, Mag. Fürnkranz und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Faulhammer LL.M. (WU) als Schriftführer wegen Feststellung der Verletzung des Rechts auf Datenschutz in Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit (§ 85 iVm § 85a GOG) über die Beschwerde des Betroffenen * K* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 27. Mai 2024, AZ 8 Bs 80/24m, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00075.24Z.0924.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit Beschwerde (§ 85a Abs 2 iVm § 85 Abs 1 und 2 GOG) vom 3. Juni 2022 begehrte * K* die Feststellung, durch die vom Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt im Verfahren AZ 9 HR 159/21k veranlasste Übermittlung von (im Einzelnen bezeichnete) personenbezogene Daten des Beschwerdeführers enthaltenden Schriftstücken, welche die Finanzprokuratur einem in jenem (Ermittlungs-)Verfahren von ihr eingebrachten Schriftsatz als Beilagen angeschlossen gehabt habe, an den (in jenem Verfahren) Beschuldigten * P* in seinem Recht auf Datenschutz verletzt worden zu sein.

[2] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Graz dieses Begehren – im zweiten Rechtsgang (siehe zum ersten 11 Os 22/23d) erneut – ab. Auf der Basis seiner – aus den beigeschafften Ermittlungsakten erschlossenen – Tatsachenannahmen (BS 2 und 3 f) ging es davon aus, dass eines der fraglichen Schriftstücke (Unfallmeldung der Sozialversicherungsanstalt, in der durch die Tat verursachte Verletzungen des Beschwerdeführers dokumentiert sind) für die Beurteilung des Tatverdachts von Bedeutung war, sodass eine Beschränkung der Akteneinsicht des damals in Haft befindlichen Beschuldigten – insoweit – gemäß § 51 Abs 2 letzter Satz StPO schon aus diesem Grund unzulässig gewesen wäre (BS 3). Des Weiteren verneinte es, dass der Einzelrichter des Landesgerichts zum Zeitpunkt seiner in Beschwerde gezogenen Verfügung bestimmte Tatsachen vorfand, die auf eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit (§ 51 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 162 StPO) hätten schließen lassen, welcher der Beschwerdeführer (oder sonst eine Person) durch die Kenntniserlangung des Beschuldigten vom Inhalt der übrigen fraglichen Aktenstücke ausgesetzt worden wäre. Für eine entsprechende Beschränkung der Akteneinsicht des Beschuldigten gemäß § 51 Abs 2 erster Satz StPO durch den Einzelrichter des Landesgerichts (§ 52 Abs 3 erster Satz StPO) habe daher – nach Maßgabe zutreffender Rechtsansicht (abermals 11 Os 22/23d) – keine Grundlage bestanden (BS 4).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die Beschwerde des K*.

[4] Voraussetzung für deren Zulässigkeit ist gemäß (§ 85a Abs 2 iVm) § 85 Abs 5 zweiter Satz GOG, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (siehe dazu RIS‑Justiz RS0130080 und 11 Os 150/21z [Rz 11]).

[5] Dieses Zulässigkeitskriterium ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die angefochtene Entscheidung in der rechtsrichtigen Anwendung vorhandener (und einheitlicher) höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf einen (im konkreten Einzelfall) willkürfrei festgestellten Sachverhalt besteht (vgl RIS‑Justiz RS0042742 [zu § 502 Abs 1 ZPO]).

[6] Indem der Beschwerdeführer die angesprochene Zulässigkeitsvoraussetzung mit dem (angeblichen) „[F]ehl[en]“ höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Fragen der (Gewährung und) Beschränkung von Akteneinsicht (gemäß § 51 Abs 2 StPO) durch den Einzelrichter des Landesgerichts im Ermittlungsverfahren (§ 31 Abs 1 StPO) zu begründen sucht, ignoriert er die – just in dieser Sache ergangene – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs AZ 11 Os 22/23d (sowie die gleichgelagerte Fälle betreffenden Entscheidungen 11 Os 23/23a und 11 Os 24/23y).

[7] Das Vorbringen, § 74 StPO wäre (fallentscheidend) auslegungsbedürftig, negiert nur (neuerlich, siehe schon 11 Os 22/23d [Rz 16]) die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach eine auf § 74 Abs 2 StPO gestützte, über § 51 Abs 2 StPO hinausgehende Einschränkung der Akteneinsicht des Beschuldigten (gerade) nicht dem Gesetz entspräche (14 Os 82/22y [Rz 10], RIS‑Justiz RS0129024).

[8] Hinzugefügt sei, dass das Oberlandesgericht – dem pauschalen Beschwerdevorwurf zuwider – weder „Willkür“ walten ließ noch „mehrfach die einschlägigen Bestimmungen der StPO“ „verkannt“ hat. Die (inhaltliche) Beschwerdekritik, es wären gar wohl bestimmte Tatsachen vorgelegen, aus denen auf eine Gefahr im Sinn des § 162 StPO iVm § 51 Abs 2 erster Satz StPO zu schließen gewesen wäre, wird nicht aus den diesbezüglichen Tatsachenannahmen des Oberlandesgerichts (BS 3 f) in ihrer Gesamtheit entwickelt, sondern – unter selektiver Hervorkehrung ihrem Standpunkt günstiger Sachverhaltselemente (etwa jener zur Vorstrafenbelastung des Beschuldigten) – auf diesen Sachverhalt ergänzende Auffassungen (in Gestalt der schlichten Behauptung, der Beschuldigte habe [zu einem nicht genannten Zeitpunkt] „bereits die Absicht“ geäußert, „dem Beschwerdeführer sämtliche Knochen zu brechen“) gestützt. Damit zeigt die Beschwerde weder einen Begründungsmangel (RIS‑Justiz RS0132725) hinsichtlich jener Tatsachenannahmen noch sonst eine Verletzung der Begründungspflicht (vgl RIS‑Justiz RS0129981) auf.

[9] Zusammenfassend bringt der Beschwerdeführer keine Rechtsfragen der in § 85 Abs 5 zweiter Satz GOG geforderten Qualität zur Darstellung (vgl RIS‑Justiz RS0048272 und RS0042742 [insbesondere T1]), sodass die Beschwerde – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zurückzuweisen war.

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