European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00038.24Y.0911.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* jeweils mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (I und II) und nach § 107 Abs 1 StGB (III und „V“) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem wurde (aus Anlass der vom Schuldspruch I und II umfassten Taten) seine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.
[2] Nach den Konstatierungen zum Schuldspruch hat er in K* folgende Personen teils mit dem Tod (I und II), teils mit einer Verletzung am Körper (III und „V“) gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihnen unter im angefochtenen Urteil beschriebenen Umständen jeweils eine (mit dort wiedergegebenem Text versehene) Postkarte zukommen ließ, und zwar
(I) Familie S* im August 2020, im August 2021 und im Juli 2022,
(II) * Sa* im Dezember 2017 und im Dezember 2018,
(III) * Si* im Oktober 2018, im Jänner 2019 und im Juli 2019 sowie
(„V“) * J* in den Jahren 2017 bis 2023.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf Z 4, 9 lit a und lit b, 10 und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Nach den Urteilsfeststellungen verbüßte der Beschwerdeführer zu den Tatzeiten eine langjährige Freiheitsstrafe, die (unter anderem) wegen eines Verbrechens des Mordes über ihn verhängt worden war. Die zu I bis „V“ genannten Personen sind Verwandte und Bekannte des damaligen Mordopfers, die im (seinerzeit) gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren als Zeugen ausgesagt hatten. Mit der Zusendung der – in ihrem Wortlaut scheinbar unverfängliche, handschriftliche Textbotschaften tragenden – Postkarten (jeweils um den Jahrestag des Mordes oder um Weihnachten) wollte er den Genannten „demonstrieren“, „dass er sie nicht vergessen hat“ und ihnen „auf diese Weise Racheakte bis hin zu deren Tötung ankündigen“ (US 1 f, 4 ff und 8).
[5] Das Schöffengericht ging davon aus, dass entweder der Beschwerdeführer selbst oder ein Dritter in seinem Auftrag die betreffenden – teils mit bildlichen Darstellungen nackter oder bloß mit Unterwäsche bekleideter Frauen versehenen – Postkarten besorgte, beschriftete und an die Opfer versandte (US 1, 6 und 8). Außerdem erachtete es als gerichtsnotorisch, dass es Strafgefangenen, die in Justizanstalten angehalten werden, faktisch möglich ist, Gegenstände (wie die fraglichen Postkarten) auch auf andere Weise als durch ordnungsgemäße Überlassung (vgl § 33 Abs 1 StVG) zu erlangen (US 8).
[6] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfielen die in der Hauptverhandlung am 20. März 2024 gestellten Anträge (ON 109.1, 17) des Angeklagten auf
‑ Einholung eines „grafologischen“ (gemeint schriftenvergleichenden) Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die Postkarten nicht verfasst hat“, sowie
‑ „Ausforschung und Einvernahme eines Mitarbeiters der Justizanstalt St*, der über den Verkauf von Gebrauchsgegenständen in der Justizanstalt Auskunft geben kann,“ zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die Postkarten, insbesondere diejenige, welche erotische Motive zeigen, gar nicht hätte beschaffen können“,
zu Recht der Abweisung (ON 109.1, 17).
[7] Denn was den ersten Antrag betrifft, brachte das Schöffengericht – wie zuvor dargelegt – zum Ausdruck, dass es die Schuldfrage auch bei Erwiesenheit des Beweisthemas nicht anders gelöst hätte (vgl RIS‑Justiz RS0099135 [insbesondere T4, T8 und T10] sowie Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 342).
[8] Der zweite Antrag wiederum ließ nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und trug solcherart reinen Erkundungscharakter (RIS‑Justiz RS0118444).
[9] Die – schon mangels Behauptung einer auf das angebliche „Beweisergebnis“ bezogenen Antragstellung (RIS‑Justiz RS0099250) verfehlt – aus Z 4 erhobene Kritik, bei der Urteilsfällung seien „Ergebnisse einer graphologischen Untersuchung“ (durch einen „Gutachter“ von im Rechtsmittel bezweifelter „Qualifikation“ und „Unabhängigkeit/Unbefangenheit“) berücksichtigt (§ 258 Abs 1 StPO) worden, ist nach Maßgabe der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) des angefochtenen Urteils schlicht unzutreffend.
[10] Die weitere Beschwerde verneint (aus Z 9 lit a) die Tatbestandsmäßigkeit der vom Schuldspruch umfassten Taten (schon) nach § 107 Abs 1 StGB und strebt (aus Z 10) – gleichsam eventualiter – den Wegfall der Qualifikation nach § 107 Abs 2 StGB im Schuldspruch I und II an.
[11] Indem sie dabei nicht vom in tatsächlicher Hinsicht festgestellten (RIS‑Justiz RS0092448 [T5]), mit Blick auf den konstatierten Kontext gerade nicht auf den jeweiligen Wortlaut reduzierten Bedeutungsinhalt (US 5 f iVm US 1 f und US 10) der in Rede stehenden Äußerungen in seiner Gesamtheit ausgeht, sondern diesen beweiswürdigend bestreitet, verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[12] Gleiches gilt für den – auf der prozessordnungswidrigen Argumentation der Subsumtionsrüge aufbauenden – Einwand (Z 9 lit b), bei „Verneinung der Qualifikation“ wäre „von Verjährung der überwiegenden Anzahl an Fakten auszugehen.“ Er lässt überdies offen, weshalb die neuerliche gleichschädliche Tatbegehung (§ 58 Abs 2 StGB, dazu Marek in WK2 StGB § 58 Rz 6) während der (jeweiligen) Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 StGB) deren Ablauf nicht jedenfalls gehemmt hätte (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).
[13] Die Sanktionsrüge beanstandet die Heranziehung des Gutachtens des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen (ON 75.2) als Erkenntnisgrundlage für die Feststellungen zu einer schweren und nachhaltigen psychischen Störung sowie zu deren Einfluss (§ 21 Abs 2 StGB) auf die Anlasstaten (Z 11 erster Fall iVm Z 5). Dazu ist auf der Basis der Aktenlage festzuhalten, dass der Angeklagte, nachdem das Gutachten in der Hauptverhandlung erörtert worden war (ON 109.1 S 12 ff), weder eine Mangelhaftigkeit (§ 127 Abs 3 StPO) desselben aufgezeigt noch eine Überprüfung von Befund und Gutachten durch einen weiteren Sachverständigen beantragt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351) hat. Mit (bloß) gegen die materielle Überzeugungskraft einer – im Sinn des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien – Expertise gerichtetem Vorbringen wird ein unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe relevanter Mangel einer auf das betreffende Gutachten gestützten Urteilsbegründung aber nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0097433 und RS0099508).
[14] Soweit sich die Kritik gegen die vom Gericht angestellte Gefährlichkeitsprognose richtet, wird der Sache nach ein Berufungsvorbringen erstattet.
[15] Indem die Rüge das Fehlen einer tauglichen Anlasstat (§ 21 Abs 3 StGB) behauptet und dazu auf „die Ausführungen oben zu Z 9 und Z 10“ verweist (siehe aber RIS‑Justiz RS0115902), geht sie nicht vom diesbezüglichen Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) aus.
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[17] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)