OGH 12Os67/24f

OGH12Os67/24f5.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung der * G* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 18. März 2024, GZ 13 Hv 109/23h‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00067.24F.0905.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der * G* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat sie am 2. August 2023 in A* unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, wegen derer sie im Zeitpunkt der Taten zurechnungsunfähig war (§ 11 StGB), nämlich eines schwerwiegenden hirnorganischen Psychosyndroms in Verbindung mit einer sekundären generalisierten Epilepsie,

1./ die Justizwachebeamtin * S* während einer Amtshandlung (§ 269 Abs 3 StGB), nämlich der Befragung zu einem bei der Betroffenen sichergestellten spitzen glasscherbenähnlichen Gegenstand, tätlich angegriffen, indem sie ihr einen Stoß gegen die Schulter versetzte,

2./ die Justizwachebeamten * B*, * H*, * B*, * Z* und * T* mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit der Zufügung von Körperverletzungen an einer Amtshandlung zu hindern versucht, und zwar

a./ am Betreten ihres Haftraums und an ihrer Verbringung in die besonders gesicherte Zelle, indem sie einen Sessel in deren Richtung schleuderte und schrie, dass sie sie abstechen werde,

b./ an ihrer Festnahme, indem sie sich heftig körperlich zur Wehr setzte, mit den Füßen um sich trat und versuchte, die Justizwachebeamten zu beißen,

3./ durch die zu 2./ angeführten Tathandlungen versucht, eine Körperverletzung (§ 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB) an Beamten während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten zu begehen,

und dadurch Taten begangen, die als Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (1./), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (2./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (3./) jeweils mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5a sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen schlägt fehl.

[4] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit dem Einwand, wonach ein (ohnedies nicht konstatierter) „aggressiver“ Stoß gegen die Beamtin nicht erfolgt (1./) und die Betroffene danach nicht zu den Duschen „gelaufen“, sondern in aller Ruhe gegangen sei, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

[5] Die zu 1./ erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, dass für die Annahme eines tätlichen Angriffs im Sinn des § 270 Abs 1 StGB eine Einwirkung vorliegen müsse, durch die die Schwelle zur Misshandlung oder sonstigem körperlichen Leid überschritten wird. Weshalb es allerdings einer derartigen Intensität bedürfen und für einen tätlichen Angriff nicht eine bloße unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung ausreichen soll (vgl dazu RIS‑Justiz RS0095909; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 270 Rz 4), leitet die Beschwerde solcherart nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0118429). Bleibt anzumerken, dass den von der Nichtigkeitsbeschwerde angeführten Entscheidungen (12 Os 23/81, 14 Os 52/23p, 13 Os 54/21x) nicht zu entnehmen ist, dass die Erheblichkeitsschwelle für einen tätlichen Angriff im Sinn des § 270 Abs 1 StGB in der vom Rechtsmittel geforderten (am Gewaltbegriff des StGB orientierten) Höhe anzusetzen wäre (vgl etwa 11 Os 81/11p: Werfen mit einem Infusionsbeutel).

[6] Die zu 2./ und 3./ ergriffene Rechtsrüge (Z 9 lit b) ergänzt den festgestellten Sachverhalt – mit Blick auf § 3 StGB – bloß durch eigene Sachverhaltsannahmen dahin, dass die einschreitenden Beamten zu den in Rede stehenden Amtshandlungen gar nicht berechtigt gewesen wären und diese (wegen des Einsatzes eines Tasers) sogar gegen Art 3 MRK verstoßen hätten. Solcherart entfernt sich die Beschwerde aber prozessordnungswidrig von den Konstatierungen zum abgestuften Vorgehen der einschreitenden Einsatzgruppe (vgl US 4 f: mehrmalige Abmahnung, Haltegriffe, Androhung und letztlich Einsatz des Tasers).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte