European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00039.24K.0904.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II.1., demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M* wird zurückgewiesen.
Der Angeklagte S* wird mit seiner Berufung und die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer auf diesen Angeklagten bezogenen Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten M*, Sc*, U* und Se* sowie der weiteren Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden N* M* (I.1. und 2.) sowie (jeweils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) A* S* (II.1.), E* Sc*, K* U* und R* Se* (II.2.) des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – in W*
I. M* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Organe des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Echtheit der von ihr vorgelegten Urkunden, unter Benützung falscher Urkunden zu Handlungen zu verleiten versucht, wobei durch die Taten ein 300.000 Euro übersteigender Schaden herbeigeführt werden sollte, nämlich
1. zur Einantwortung des Nachlasses der E* B* im Betrag von 4.023.000 Euro an sie als Testamentserbin, wodurch die rechtmäßigen Erben in diesem Betrag an deren Vermögen geschädigt werden sollten, indem sie am 14. September 2006 ein fremdhändiges Testament der am 11. September 2006 verstorbenen B* vom 16. August 2006, auf dem die Unterschrift der Genannten gefälscht worden war, vorlegte;
2. zur Genehmigung ihrer Adoption durch B*, indem sie am 7. August 2006 über ihren Anwalt Dr. Be* einen Adoptionsvertrag vom 26. Juli 2006, auf dem die Unterschrift von B* gefälscht worden war, vorlegte, wobei ihr daraus ein gesetzliches Erbrecht zum Nachlass der B* in einem nicht mehr feststellbaren, 300.000 Euro übersteigenden Betrag erwachsen sollte, wodurch die rechtmäßigen Erben in einem im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens zu bestimmenden Betrag am Vermögen geschädigt werden sollten;
II.1. S* dadurch, dass er Sc*, U* und Se* als falsche Testamentszeugen an M* vermittelte, zu der unter I.1. angeführten Tathandlung beigetragen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* sowie die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:
[4] Zutreffend – und in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass (ungeachtet der Aufzählung auf US 6 f; RIS‑Justiz RS0132828, RS0098818 [T1]) im Urteil nicht dargelegt wurde, wie die Tatrichter zu den Feststellungen betreffend die (äußere Seite der) Tathandlung dieses Beschwerdeführers gelangten.
[5] Das angefochtene Urteil war daher, soweit es diesen Angeklagten betraf, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch ersichtlich aufzuheben und insoweit Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).
[6] Ein Eingehen auf sein weiteres Vorbringen erübrigt sich damit.
[7] Dieser Angeklagte war mit seiner Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf diesen bezogenen Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*:
[8] Die Verfahrensrüge (Z 4, inhaltlich auch Z 3) kritisiert, dass der Antrag, die Zeugin H* V* auch in dieser (nach Wiederaufnahme des Verfahrens durchgeführten) Hauptverhandlung zu vernehmen, abgewiesen und stattdessen das Hauptverhandlungsprotokoll über die Aussage der genannten Zeugin aus dem früheren Verfahren verlesen wurde.
[9] Der reklamierte Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO (Z 3) liegt jedoch nicht vor, weil die Beschwerdeführerin dem Vortrag des gesamten Aktes nach § 252 Abs 2a StPO – solcherart auch dem Vorkommen des Protokolls über diese Aussage – zugestimmt hatte (ON 707 S 7). Dessen Referat konnte somit unter dem angesprochenen Gesichtspunkt keine Nichtigkeit bewirken (vgl RIS‑Justiz RS0127712, RS0098378 [T7]).
[10] Überdies legte der Beweisantrag (Z 4) nicht dar, dass von der genannten Zeugin neue, von den vorgekommenen Deponaten abweichende, für Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen erhebliche Angaben zu erwarten gewesen wären. Solcherart konnte er auch unter diesem Aspekt sanktionslos abgewiesen werden (vgl RIS‑Justiz RS0117928 [T6]).
[11] Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
[12] Die Tatrichter nahmen – gestützt auf dessen Aussage – an, dass der Zeuge Dkfm. F* am 16. August 2006 ein Sparbuch an B* übergab und diese den Empfang mit ihrer eigenen Unterschrift bestätigte. Einen mit 14. August 2006 datierten Barbehebungsvermerk werteten sie unter Hinweis auf die Angaben des genannten Zeugen zu banktechnischen Umständen wegen eines Feiertags am 15. August 2006 als dieser Annahme nicht entgegenstehend. Im Rahmen der folgenden „Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse“, unter anderem (aber nicht nur) aufgrund eines Vergleichs mit dieser Unterschrift, stufte das Schöffengericht die ebenfalls mit 16. August 2006 datierte Unterschrift von B* am Testament als Fälschung ein (US 10 f, 30 f, 35 ff).
[13] Gegen diese Erwägungen richtet sich die Nichtigkeitswerberin unter Bezugnahme auf ihre Angaben in der Hauptverhandlung sowie mit einer eigenständigen Bewertung des genannten Buchungsdatums, der Aussage des Zeugen Dkfm. F* und der darauf gegründeten Schlussfolgerung, eine Fälschung der Unterschrift der B* am Testament sei nicht beweisbar.
[14] Mit diesem ausgewählte Verfahrensergebnisse betonenden Vorbringen (vgl aber RIS‑Justiz RS0117446 [T1, T3]) übt sie Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung. Erhebliche Bedenken im bezeichneten Sinn (zum Maßstab vgl auch RIS‑Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit der Feststellung, dass die Unterschrift am Testament gefälscht war (US 16), weckt die Beschwerdeführerin damit jedoch nicht.
[15] Mit ihrer Kritik an der Gewichtung einzelner Milderungsgründe (§ 34 Abs 1 Z 13 und 18 StGB) zeigt die Sanktionsrüge (Z 11) keinen Rechtsfehler bei der Strafbemessung auf, sondern erstattet ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0099920).
[16] Diese Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenso in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[17] Die Entscheidung über die verbliebenen Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Bleibt dazu – mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO – Folgendes klarzustellen:
[18] Ungeachtet der Aufteilung im Referat entscheidender Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) fällt der Beschwerdeführerin nach den für die Subsumtion maßgebenden Feststellungen in den Entscheidungsgründen (vgl RIS‑Justiz RS0115552 [T2], RS0098734) ein einziges – mehraktiges (vgl RIS‑Justiz RS0089830; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 124 ff) – Betrugsgeschehen, solcherart eine einzige Tat im prozessualen und materiellen Sinn zur Last (vgl RIS‑Justiz RS0122006; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 521). Bei der Berufungsentscheidung wird deshalb zu berücksichtigen sein (RIS‑Justiz RS0118870), dass eine erschwerende Wertung des Zusammentreffens „zweier Verbrechen“ (vgl aber US 51) oder von Tatwiederholung (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) nicht in Betracht kommt.
[19] Der die Angeklagte M* betreffende Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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