OGH 7Ob102/24m

OGH7Ob102/24m28.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*, 2. Mag. D*, 3. Dr. A*, und 4. S*, alle vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei J* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.297.000 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. April 2024, GZ 40 R 22/24t‑143, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00102.24M.0828.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Beklagte zeigt mit ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[2] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[3] 2.1. Eine Vertragsstrafe ist ein für einen definierten Anlassfall vereinbarter pauschalierter Schadenersatz. Sie soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RS0032072 [T7]; RS0032013 [T7]).

[4] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat die von den Streitteilen vereinbarte Konventionalstrafe zur Bestärkung der von der Beklagten vertraglich übernommenen Unterlassungsverpflichtung (konkret: einer tatsächlichen Untervermietung) bereits als zulässig beurteilt (6 Ob 172/17p Pkt 2.).

[5] 3. Das Berufungsgericht hat auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur Geschäftsabwicklung der Beklagten im Hinblick auf das Geschäftslokal, für das die Streitteile das Untermietverbot vereinbart haben, diese Geschäftsabwicklung als unzulässige Untervermietung – und nicht, wie von der Beklagten ins Treffen geführt, als bloße Kooperation – beurteilt (vgl dazu auch schon 6 Ob 172/17p zu den unmittelbar vor dem gegenständlichen Zeitraum liegenden Tagen). Das ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

[6] 4.1. Die Konventionalstrafe gebührt grundsätzlich auch dann, wenn kein oder ein geringerer Schaden eingetreten ist (RS0032103). Das Verhältnis zwischen einem eingetretenen Schaden und der Strafhöhe kann im Rahmen des richterlichen Mäßigungsrechts nach § 1336 Abs 2 ABGB berücksichtigt werden (vgl etwa RS0032156 [T2]). Die Strafe kann aber nicht unter den eingetretenen Schaden herabgesetzt werden (RS0032156); es kann jedoch auch keiner Bestimmung entnommen werden, dass die Strafe auf die Höhe des wirklichen Schadens herabgesetzt werden muss (RS0032156 [T1]). Die Vertragsstrafe darf somit den Schaden übersteigen, ohne dass sie aus diesem Grund gekürzt werden darf; dieser – den Schaden übersteigende – Betrag hat funktionell die Aufgabe, das Ex‑ante‑Gläubigerinteresse auszugleichen (RS0032156 [T3]). Ist durch eine Vertragsverletzung – wie die Beklagte darlegt – (noch) kein realer – materieller oder immaterieller – Schaden eingetreten, so ist der Mäßigung einer Konventionalstrafe der im Zeitpunkt deren Vereinbarung bei einer Ex-ante-Betrachtung als möglich denkbare Schaden zugrundezulegen (RS0112216). Wenn noch kein Schaden eingetreten ist, ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Konventionalstrafe auf den Zeitpunkt deren Vereinbarung und auf den damals als Folge einer allfälligen Vertragsverletzung möglichen Schaden zu beschränken (RS0112216 [T5]).

[7] 4.2. Vor diesem Hintergrund hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Einzelfall eine Strafe von einem Viertel der ursprünglich vereinbarten Konventionalstrafe – unabhängig von einem im nächsten Rechtsgang noch zu beurteilenden tatsächlich eingetretenen oder zu befürchtenden Schaden – im Hinblick auf den erforderlichen Ausgleich des Gläubigerinteresses jedenfalls zuzusprechen ist, innerhalb des dem Berufungsgericht in dem Zusammenhang zukommenden Ermessensspielraums wogegen die Revision keine beachtenswerten Argumente ins Treffen führt.

[8] 5. Die Ausführungen in der Revision zur Veräußerung oder Verpachtung eines Unternehmens gehen – wie die Beklagte ohnehin selbst zugesteht – am Thema vorbei, weil eine solche in dem vom bekämpften Teilurteil umfassten Zeitraum nicht vorliegt, weshalb für die Beklagte aus dem dazu zitierten Rechtssatz RS0070600 nichts gewonnen ist.

[9] 6. Die Beklagte beruft sich auch auf ein mangelndes Verschulden wegen einer vertretbaren Rechtsansicht. Soweit sie sich dafür auf die dazu entwickelten Grundsätze im Fall der Haftung eines Rechtsanwalts beruft (vgl RS0023526) betrifft dies eine gänzlich andere Konstellation. Im Übrigen übersieht die Beklagte, dass das von ihr als Begründung für ihre vertretbare Rechtsansicht im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung ins Treffen geführte Komissionsgeschäft vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den Verfahrensergebnissen des Vorprozesses (vgl 6 Ob 172/17p) vertretbar als Scheingeschäft beurteilt wurde.

[10] 7.1. Eine Konventionalstrafvereinbarung verstößt nur dann gegen die guten Sitten, wenn ihre Zahlung das wirtschaftliche Verderben des Schuldners herbeiführen oder seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit übermäßig beeinträchtigen könnte oder wenn schon bei einer nur geringfügigen Fristüberschreitung eine hohe Strafe verwirkt sein sollte. Es muss ein offensichtlich unbegründeter Vermögensvorteil für den Gläubiger vorliegen, der dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht oder gegen oberste Rechtsgrundsätze verstößt (RS0016560). Diese Erfordernisse sind hier nicht gegeben. Eine übermäßig hohe Zahlung für den Schuldner aus der hier getroffenen Vereinbarung kann sich – auch unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Mäßigung auf die Hälfte – lediglich aus einer übermäßig langen Dauer der Verletzung des Unterlassungsgebots ergeben.

[11] 7.2. Soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten auch als Mäßigungskriterium heranzuziehen sind (vgl 6 Ob 219/20d Rz 46 mwN), ist die Beklagte auf das hinsichtlich der endgültigen Strafhöhe ohnehin fortzusetzende Verfahren zu verweisen.

[12] 8. Die außerordentliche Revision war daher insgesamt zurückzuweisen.

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