OGH 14Os51/24t

OGH14Os51/24t31.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen*D* wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 50 U 5/24m des Bezirksgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteildieses Gerichts vom 1. Februar 2024 (ON 12) sowie den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, GeneralanwältinDr. Schreiber LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00051.24T.0731.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 50 U 5/24m des Bezirksgerichts Salzburg verletzt das Urteil vom 1. Februar 2024 (ON 12) § 270 Abs 2 Z 5 StPO.

Dieses Urteil und der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit werden aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Entscheidung an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird verworfen.

 

Gründe:

[1] Das Landesgericht Salzburg erkannte * D* mit Urteil vom 15. Mai 2023, AZ 52 Hv 23/23d, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 4 erster Fall SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig und verurteilte sie zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten.

[2] Mit – in Abwesenheit der Angeklagten ergangenem – Urteil vom 1. Februar 2024, GZ 50 U 5/24m‑12, erkannte das Bezirksgericht Salzburg D* jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (1.) sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (2.) schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe.

[3] Danach hat sie in S* vorschriftswidrig Cannabiskraut (beinhaltend Delta‑9‑THC und THCA), somit Suchtgift,

(1.) im Juli und August sowie am 20. September 2023 anderen überlassen, indem sie * A* in zumindest neun Angriffen 102 Gramm Cannabiskraut gewinnbringend verkaufte;

(2.) von 15. Mai 2023 bis 22. Oktober 2023 in unbekannten Mengen zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

[4] Die dem Schuldspruch in objektiver Hinsicht zugrunde liegenden (dem oben wiedergegebenen Referat der entscheidenden Tatsachen entsprechenden) Feststellungen begründete das Bezirksgericht Salzburg – ohne weitere Konkretisierung und Zuordnung zum betreffenden Schuldspruch – lediglich pauschal mit „den Ermittlungsergebnissen sowie […] den Ergebnissen der Sicherstellung und den eigenen Angaben“ der Angeklagten (US 3).

[5] Zugleich mit diesem Urteil fasste das Bezirksgericht Salzburg den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der zu AZ 52 Hv 23/23d des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen, die Probezeit jedoch gemäß Abs 6 leg cit auf insgesamt fünf Jahre zu verlängern (US 2).

[6] Eine Anhörung der Angeklagten zur Möglichkeit einer Verlängerung der zu AZ 52 Hv 23/23d des Landesgerichts Salzburg ausgesprochenen Probezeit erfolgte weder in der Hauptverhandlung noch zu einem früheren Zeitpunkt. Im Strafantrag stellte die Staatsanwaltschaft Salzburg auch den Antrag, die in Rede stehende bedingte Strafnachsicht „gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO“ zu widerrufen. Auf die Möglichkeit einer allfälligen Verlängerung der Probezeit wies dieser Antrag ebenso wenig hin (ON 5, 2) wie die – letztlich nicht behobene (ON 14) – Ladung zur Hauptverhandlung (ON 1.5).

[7] Gegen das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 1. Februar 2024 (ON 12) erhob lediglich die Staatsanwaltschaft Salzburg Berufung wegen Strafe (ON 13 und 15), mit der sie eine Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO verband. Über diese Rechtsmittel wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

[8] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das genannte Urteil des Bezirksgerichts Salzburg mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[9] Nach – auch im bezirksgerichtlichen Verfahren anwendbarem (§ 447 StPO) – § 270 Abs 2 Z 5 StPO muss in den Entscheidungsgründen (unter anderem) in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen und aus welchen Gründen das Gericht sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat. Der pauschale Hinweis auf die „Ermittlungsergebnisse“, „Ergebnisse der Sicherstellung“ und „eigenen Angaben“ der Angeklagten ohne erkennbaren Bezug zu konkreten Feststellungen zum jeweils äußeren Tatgeschehen (US 3) genügt dem Bestimmtheitserfordernis nicht (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 24 und 38; RIS‑Justiz RS0098818 [T3, T4, T5]). Das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 1. Februar 2024 verletzt das Gesetz daher in § 270 Abs 2 Z 5 StPO.

[10] Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat, war deren Feststellung – wie im Spruch ersichtlich – mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO). Davon umfasst ist auch der – verfehlt in Beschlussform ergangene (vgl § 443 Abs 1 StPO) – Ausspruch über die Einziehung. Durch diese Entscheidung sind die Berufung der Staatsanwaltschaft und deren Beschwerde gegenstandslos.

[11] Hingegen ist die gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf der zu AZ 52 Hv 23/23d des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht im Recht.

[12] Dazu führt die Generalprokuratur aus:

„Vor einer Entscheidung im Sinn des § 494a StPO hat das Gericht auch den Angeklagten zu hören (Abs 3 erster Satz leg cit; RIS‑Justiz RS0111829). Dies gilt – ungeachtet des Umstands, dass von der Anhörung des Angeklagten abgesehen werden kann, wenn in dessen Abwesenheit (bloß) ein Ausspruch nach § 494a Abs 1 Z 1 oder Z 2 StPO erfolgt (§ 494a Abs 3 zweiter Satz StPO) – auch für den Fall einer Verlängerung der Probezeit gemäß § 494a Abs 6 erster Halbsatz StPO (15 Os 18/21t; 13 Os 106/05w).

Der hier nach der letztgenannten Bestimmung vorgenommene Ausspruch der Verlängerung der zu AZ 52 Hv 23/23d des Landesgerichts Salzburg bestimmten Probezeit ohne vorherige Anhörung der Angeklagten bzw ohne vorherige Gelegenheit zur Stellungnahme verletzt daher § 494a Abs 3 erster Satz StPO.“

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[13] Nach § 494a Abs 3 erster Satz StPO hat das Gericht vor der Entscheidung über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht den Ankläger, den Angeklagten und den Bewährungshelfer zu hören und Einsicht in die Akten über die frühere Verurteilung zu nehmen. Von der Anhörung des Angeklagten kann abgesehen werden, wenn das Urteil in seiner Abwesenheit gefällt wird und ein Ausspruch nach § 494a Abs 1 Z 1 oder 2 StPO erfolgt (§ 494a Abs 3 zweiter Satz StPO). Da diese Voraussetzungen hier vorgelegen sind, erfolgte der Ausspruch nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO rechtskonform.

[14] Von dieser Entscheidung abhängig ist die Befugnis des Gerichts zur Verlängerung der Probezeit (§ 494a Abs 6 StPO). Wird vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht (oder bedingten Entlassung) zulässigerweise ohne Anhörung des Angeklagten abgesehen, ist diese auch nicht Voraussetzung für die Verlängerung der Probezeit (vgl zum – soweit hier relevant – gleichlautenden § 494a StPO idF BGBl 1996/762 RIS‑Justiz RS0110296).

[15] Im Übrigen wäre hier sogar ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht zulässig gewesen, weil der Angeklagten durch die Zustellung des den Widerrufsantrag beinhaltenden Strafantrags ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde (vgl RIS‑Justiz RS0101961 [T8, T9, insb T11]).

[16] In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

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