OGH 2Ob69/24x

OGH2Ob69/24x25.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowiedie Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Isabel Pinegger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Mag. Christian Schrott, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 49.142,06 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Februar 2024, GZ 12 R 5/24b‑53, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 17. Dezember 2023, GZ 10 Cg 14/22z‑49, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00069.24X.0725.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.676,02 EUR (darin 612,67 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.700,12 EUR (darin 3.051 EUR Barauslagen und 441,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger begehrt 49.142,06 EUR sA und bringt dazu vor, dass er die Beklagte im April 2020 mit der Reinigung und der Pflege seiner Terrasse und seines Bootsstegs beauftragt habe. Die Beklagte habe den aus einem Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff bestehenden Boden maschinell verschliffen und mit einem nicht dafür geeigneten Öl eingelassen, sodass es zu Oberflächenveränderungen gekommen sei und erhebliche Flecken entstanden seien. Da sich die Schäden aus der unsachgemäßen Behandlung nicht mehr beseitigen ließen, sei ein Austausch des Bodens erforderlich.

[2] Die Beklagte bestreitet und wendet ein, dass der Boden bereits beschädigt gewesen sei, weil der Kläger ihn mit einem Hochdruckreiniger samt Schmutzfräse gereinigt habe, und die Beklagte diese Beschädigungen möglichst kostengünstig beseitigen hätte sollen. Die Beklagte habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um einen bloßen Versuch handle und keine Erfolgsgarantie abgegeben werde. Zudem hielt die Beklagte dem Klagebegehren eine Werklohnforderung von 5.400 EUR aufrechnungsweise entgegen.

[3] Das Erstgericht sprach dem Kläger 39.912,86 EUR sA zu, wobei es feststellte, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und wies das Mehrbegehren (unbekämpft) ab. Das Erstgericht stellte dazu fest, dass die Beklagte den Boden mit einer Rotationsbürste mit Schleifgitter abgeschliffen habe, sodass die holzähnliche Struktur des Bodens teilweise abgetragen worden sei, was zu Unterschieden im Saugverhalten geführt habe. Auch das von der Beklagten verwendete Öl sei für solche Böden nicht geeignet, weil es zu langsam trockne und das Anhaften von Blütenstaub ermögliche. Die Schäden – sowohl mechanisch als auch durch Verwendung des Öls – seien irreparabel. Das optische Erscheinungsbild des Bodens sei dauerhaft und irreparabel beeinträchtigt worden. Die Erneuerung des Bodens würde 46.252,80 EUR zuzüglich 4.992 EUR für die Demontage und Entsorgung des alten Bodens kosten. Ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtnutzungsdauer von 30 Jahren habe der klagsgegenständliche Boden eine erwartbare Restnutzungsdauer von 22,65 Jahren gehabt, sodass der „Zeitwert“ des Bodens 34.920,86 EUR betragen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Boden schon davor eine über eine altersgemäße Abnutzung hinausgehende Beschädigung aufgewiesen habe.

[4] In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass die Beklagte entgegen den konkludent vereinbarten Regeln der Technik vorging und den Boden dadurch irreparabel beschädigte, sodass sie dem Kläger den Zeitwert des Bodens von 34.920,86 EUR sowie die Kosten der Demontage und Entsorgung von 4.992 EUR ersetzen müsse.

[5] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Auch wenn festgestellt worden sei, dass die Beklagte den Boden irreparabel beschädigt habe, sei nicht feststellbar gewesen, ob bzw in welchem Ausmaß der Boden schon zuvor beschädigt war, sodass dem Kläger der Beweis eines von der Beklagten verursachten Schadens nicht gelungen sei, was zur Abweisung der Klage führen müsse. Die ordentliche Revision sei mangels einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage nicht zulässig.

[6] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit welcher er eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils anstrebt, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[7] Die Beklagte beantragt in der freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil dem Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist, sie ist dementsprechend auch berechtigt.

[9] 1. Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RS0037797). Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beweislast für den Eintritt des Schadens den Geschädigten trifft (RS0022759). Die Regeln über die Beweislastverteilung greifen aber nur dann, wenn eine Tatsache nicht bewiesen werden konnte (RS0039872). Bei Vorliegen entsprechender Sachverhaltsfeststellungen spielt es keine Rolle mehr, wen die Beweislast trifft (RS0039872 [T1, T2]).

[10] 2. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist (RS0022537). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auch optische Beeinträchtigungen eines Bodens einen ersatzfähigen Schaden bilden können, selbst wenn der Gebrauchsnutzen dadurch nicht beeinträchtigt ist (7 Ob 235/02p; 1 Ob 209/16s). Nach den Feststellungen des Erstgerichts, die das Berufungsgericht nach Verwerfung der Beweisrüge übernommen hat, ist es aufgrund der nicht fachgerechten Behandlung des Bodens durch die beklagte Unternehmerin zu einer dauerhaften und irreparablen Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbilds des Bodens gekommen, die eine Neuherstellung erfordert. Der Eintritt eines Schadens steht damit fest.

[11] 3. Nach § 1323 ABGB ist Schadenersatz in erster Linie durch Naturalrestitution zu leisten, bei deren Untunlichkeit durch Vergütung des Schätzwerts. Bei Sachen, die – wie hier – ausschließlich für den individuellen Gebrauch geeignet sind und deshalb keinen Verkehrswert haben, ist auf die Herstellungskosten abzustellen (RS0030246). Der Beschädigte soll dadurch in die Lage versetzt werden, sich ein Ersatzstück anzuschaffen (RS0010075). Aufgrund der im Schadenersatzrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise muss sich der Geschädigte einen angemessenen Abschlag von den Herstellungskosten gefallen lassen, wenn es sich um eine alte Sache handelt (RS0010075; vgl RS0030206; RS0114929). Insbesondere bei der Beschädigung von Bestandteilen eines Gebäudes kann der Geschädigte deshalb nicht den Ersatz der vollen Wiederherstellungskosten, sondern nur den nach ihrer Lebensdauer ermittelten Zeitwert der beschädigten Teile beanspruchen (RS0030206).

[12] 4. Es ist allgemein anerkannt, dass sich der Geschädigte im Rahmen der Vorteilsausgleichung „neu für alt“ auch jene Vorteile anrechnen lassen muss, die sich daraus ergeben, dass die schadhafte Sache als Nebeneffekt der Verbesserung bzw Neuherstellung in einen qualitativ besseren Zustand gebracht wird (10 Ob 31/00g; Reischauer in Rummel 3 § 1323 ABGB Rz 14; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek 4 § 1323 Rz 14). Dies betrifft auch den Fall, dass durch die Neuherstellung einer Sache bereits vorhanden gewesene Vorschäden saniert werden (10 Ob 31/00g). Wäre der Boden bereits zuvor aufgrund der Verwendung einer Schmutzfräse bei der Reinigung beschädigt gewesen, wie dies von der Beklagten behauptet wird, muss sich der Kläger auch jenen Vorteil, den er durch die Herstellung eines unbeschädigten Bodens erhält, im Rahmen der Vorteilsausgleichung „neu für alt“ auf seinen Schadenersatzanspruch anrechnen lassen. Dabei trifft aber den Schädiger die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung (RS0036710; RS0022849 [T3]). Dies entspricht der allgemeinen Regel, wonach jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen beweisen muss (RS0037797). Dass die Beklagte nicht unter Beweis stellen konnte, dass der Boden schon zuvor beschädigt war, geht somit zu ihren Lasten.

[13] 5. Aus diesen Erwägungen ist das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

[14] 6. Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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