OGH 5Ob102/24x

OGH5Ob102/24x4.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, wider die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 13.607,40 EUR sA und Feststellung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 13. März 2024, GZ 18 R 2/24k‑29, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Schärding vom 6. November 2023, GZ 2 C 478/20g‑24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00102.24X.0704.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 1.211,72 EUR (darin 193,47 EUR deutsche USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger kaufte am 16. Dezember 2014 bei einer Händlerin den von der Beklagten produzierten VW Touareg Sport um 68.037 EUR mit einem Dieselmotor der Type EA897. Im Fahrzeug war ursprünglich die sogenannte „Strategie A“ verbaut, die durch ein Software‑Update entfernt wurde. Überdies bewirkt eine im Fahrzeug verbaute temperaturgesteuerte Abgasrückführung („Thermofenster“), dass das Abgasreinigungssystem nur in einem Temperaturbereich zwischen ‑ 12 Grad Celsius und + 50 Grad Celsius voll aktiv ist. Den Grenzwert von 80 mg Stickoxid hält das Fahrzeug auf dem Prüfstand ein, nicht im realen Fahrbetrieb. Eine „Höhenabschaltung“ bewirkt die Reduktion der Abgasrückführungsrate über 1.000 m Höhe. Überdies ist eine „Taxifunktion“ verbaut, die bewirkt, dass sich das Abgasreinigungssystem abschaltet, wenn man das Fahrzeug mehr als 15 Minuten lang ohne Drehzahländerung und im Stillstand laufen lässt.

[2] Der Kläger begehrt mit der Behauptung, es handle sich dabei um unzulässige Abschalteinrichtungen, als objektiven Minderwert des Fahrzeugs 20 % des Kaufpreises, somit 13.607,40 EUR sowie die Feststellung, dass die Beklagte dem Kläger für jeden Schaden haftet, der ihm aus dem Kauf des Fahrzeugs zukünftig entsteht.

[3] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die ursprünglich verbaute „Strategie A“ sei zwar eine unzulässige Abschalteinrichtung gewesen. Diese habe die Beklagte durch ein Software‑Update aber beseitigt, sodass kein Schaden des Klägers vorliege. Dass im Fahrzeug auch die „Strategien B bis E“ verbaut gewesen wären, sei nicht feststellbar. Das „Thermofenster“, die „Höhenabschaltung“ und die „Taxifunktion“ seien zulässige Abschalteinrichtungen im Sinn des Art 5 Abs 2 lit a und c VO 715/2007/EG .

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da der Kläger in seiner Berufung nur zur „Strategie A“ ausführe, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts aber im Übrigen nicht angreife, habe sich auch die Überprüfung des Ersturteils auf die „Strategie A“ zu beschränken. Zwar lasse sich aus den Feststellungen des Erstgerichts weder ableiten, ob es sich dabei tatsächlich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelte, noch ob – wie vom Kläger behauptet – die Beklagte tatsächlich arglistig gehandelt habe. Eine Aufhebung in die erste Instanz sei allerdings nicht erforderlich, weil von einer „Klaglosstellung“ des Klägers selbst für den Fall – nicht bewiesener – arglistiger Irreführung auszugehen sei.

[5] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR übersteigend. Die Revision ließ es mit der Begründung zu, zur Frage, ob in Fällen arglistiger Irreführung eine Klaglosstellung möglich sei, bestehe keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, diese Frage sei auch im Zusammenhang mit einem deliktischen Schadenersatzanspruch noch nicht geklärt.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, in der er eine Abänderung im Sinn einer vollinhaltlichen Klagestattgebung anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.

[6] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[7] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig; sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision (oder der Rekurs an den Obersten Gerichtshof) sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision (der Rekurs) trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059). Dies ist hier der Fall.

[9] 2.1. Das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, dass der Kläger in seiner Berufung nur die – seiner Meinung nach unzulässige – Abschalteinrichtung „Strategie A“ thematisierte, es aber an jeglichen Ausführungen in der Rechtsrüge zu den übrigen, vom Erstgericht als zulässig erachteten Aspekten „Thermofenster“, „Höhenabschaltung“ und „Taxifunktion“ und zu den – nicht feststellbaren – „Strategien B bis E“ mangelte. Der daraus gezogene Schluss, die allseitige rechtliche Prüfung erstrecke sich nicht auf diese Umstände, die das Berufungsgericht als selbständige rechtserzeugende Tatsachen wertete (vgl RS0043338), blieb im Revisionsverfahren unbekämpft und ist nicht zu beanstanden. Da der Kläger die Rechtsauffassung des Erstgerichts, die Beklagte hafte für jene anderen Abschalteinrichtungen nicht, unbekämpft ließ, war das Berufungsgericht daran gebunden (RS0043317). Die insoweit in zweiter Instanz unterlassene ordnungsgemäße Rechtsrüge zu selbständigen Streitpunkten kann der Kläger nicht mehr in dritter Instanz erfolgreich nachholen (RS0043480). Aus diesem Grund ist auf seine Argumentation zum „Thermofenster“ und zur Einhaltung der Grenzwerte nur auf dem Prüfstand nicht mehr inhaltlich einzugehen.

[10] 2.2. Betreffend die Verneinung eines Schadens des Klägers wegen der erfolgreichen Durchführung des Software‑Updates, das die ursprünglich verbaute „Strategie A“ vollständig beseitigte und dazu führte, dass der Zeitwert des Fahrzeugs demjenigen eines von Anfang an verordnungskonformen Fahrzeugs entspricht, lässt die Revision eine konkrete Auseinandersetzung mit der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen und der Zulassungsbegründung vermissen. Die Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf die Behauptung, das Berufungsgericht habe die Frage falsch beantwortet, ob auf Seiten des Klägers ein Schaden vorliegt, es sei nicht sachgerecht, wenn derjenige schlechter behandelt wird, der das Fahrzeug weiter benutzt und Vertragsanpassung begehrt als derjenige, der sofort mit Wandlungsklage vorgeht. Eine Klaglosstellung bestreitet der Kläger nur pauschal mit der Begründung, die NOx‑Abgaswerte seien im Realbetrieb höher als angegeben und es sei nicht auszuschließen, dass für das Fahrzeug in weiterer Folge wegen zu hoher Abgaswerte die Betriebsgenehmigung entzogen werden könnte.

[11] 2.3. Zunächst entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (10 Ob 31/23s; 8 Ob 92/23x; 8 Ob 118/23w; 3 Ob 215/23y), dass die im Anhang I VO 715/2007/EG normierten Grenzwerte nur für die Emissionsmessungen im festgelegten standardisierten Prüfverfahren relevant sind und für eine Prüfung im Realbetrieb keine Rechtsgrundlage besteht. Einen nach einer – vom Kläger grundsätzlich offenbar nicht als unzulässig angesehenen – Klaglosstellung noch verbliebenen Schaden kann er daraus daher nicht ableiten.

[12] 2.4. Für die Behauptung des Klägers, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Fahrzeug in weiterer Folge die Betriebsgenehmigung verlieren könnte, fehlt es an jeglicher Grundlage im festgestellten Sachverhalt. Insoweit wird die Rüge nicht gesetzesgemäß ausgeführt.

[13] 2.5. Zu der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage beschränken sich die Ausführungen der Revision auf das bloße Zitat des RS0014786, wonach im Fall, dass jemand einen anderen durch List irregeführt hat, er das Geschäft nicht dadurch aufrechterhalten kann, dass er es so gelten lässt, wie es der Irrende schließen wollte, wenn er nicht getäuscht worden wäre. Eine Auseinandersetzung mit der ausdifferenzierten rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts fehlt hingegen. Der Verweis auf den genannten Rechtssatz übersieht, dass es hier ja nicht um das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäuferin, sondern um einen deliktischen Schadenersatzanspruch geht, und das Berufungsgericht – schlüssig – davon ausging, ein (allenfalls) aufgrund des Vorliegens der unzulässigen Abschalteinrichtung „Strategie A“ vorhandener Schaden sei mittlerweile durch die Beklagte (als Schädigerin) vollständig behoben worden. Damit setzt sich der Revisionswerber nicht nachvollziehbar auseinander.

[14] 3. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] 4. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO der Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzusprechen war.

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