OGH 1Ob86/24i

OGH1Ob86/24i25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei W*, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei K*, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Reisinger, Rechtsanwalt in Mureck, wegen Scheidung, hier wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit b EO, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 12. Februar 2024, GZ 1 R 10/24h‑61, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 19. Dezember 2023, GZ 203 C 13/23z‑32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00086.24I.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat diese endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Parteien ist ein Scheidungsverfahren anhängig.

[2] Über (Eventual‑)Antrag der Klägerin verpflichteten die Vorinstanzen den Beklagten nach § 382 Z 8 lit b zweiter Fall EO – zwecks Sicherung der Ehewohnung als Bestandteil der Aufteilungsmasse – bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens

(1.) die laufenden Kreditraten für die Liegenschaft mit dem ehelichen Haus jeweils bei Fälligkeit an die Bank zu zahlen und

(2.) jeweils binnen 14 Tagen nach Zahlung einen Nachweis darüber zu Handen des Klagevertreters zu erbringen.

[3] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur – im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen – Frage zu, ob im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit b zweiter Fall EO dem Beklagten aufgetragen werden könne, der Klägerin die zur Abdeckung erforderlichen Beträge zu leisten, damit sie die Kreditraten begleichen könne.

[4] Gegen diese Entscheidung richtet sich der – von der Klägerin beantwortete – Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er eine gänzliche Abweisung des Sicherungsantrags anstrebt; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4, 78 Abs 1 EO unzulässig und daher zurückzuweisen.

[6] 1. Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage bezieht sich auf das mittlerweile rechtskräftig abgewiesene Sicherungshauptbegehren der Klägerin und stellt sich daher nicht (vgl RS0111271).

[7] 2. Mit seiner Behauptung, das Rechtsmittelverfahren sei mangelhaft geblieben, weil sich das Rekursgericht nicht mit seinem Einwand auseinandergesetzt habe, dass der Sicherungsantrag mangels „eines unwiederbringlichen Schadens“ abgewiesen hätte werden müssen, macht der Beklagte keine Mangelhaftigkeit, sondern eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend (vgl Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 503 ZPO Rz 22).

[8] 3. Die einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit b zweiter Fall EO sichert nicht (bestimmte) Vermögensobjekte, sondern die gerichtliche Durchsetzung des Aufteilungsanspruchs nach den §§ 81 ff EheG, also des Anspruchs auf einen angemessenen Anteil an der Aufteilungsmasse, der auch durch eine Ausgleichszahlung substituiert werden kann. Entscheidend ist, ob die Aufteilung der von Machenschaften des Gegners bedrohten Vermögensobjekte künftig vorgenommen werden kann (RS0037061). Voraussetzung für die Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung ist daher, dass ohne eine solche Maßnahme die (wertmäßige) Befriedigung des Aufteilungsanspruchs mit hoher Wahrscheinlichkeit vereitelt oder erheblich erschwert würde (Anspruchsgefährdung RS0115099 [T7, T8]), etwa weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Gegner der gefährdeten Partei einen allenfalls erzielten Verkaufserlös verwirtschaften oder Verfügungen treffen werde, die die Realisierung der Aufteilungsansprüche unmöglich machen (zuletzt etwa 1 Ob 152/22t).

[9] Bei der Beurteilung der Anspruchsgefährdung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0005118). Ob im Einzelfall die Bescheinigung gelungen ist, wirft daher grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (RS0013475).

[10] 4. Im konkreten Fall steht die Beurteilung der Vorinstanzen, der Klägerin sei die Bescheinigung einer konkreten Anspruchsgefährdung gelungen, weil der Beklagte die bisher von ihm allein bedienten Kreditrückzahlungen eingestellt und die Bank schon eine Hypothekarklage angekündigt habe, sodass die Zwangsversteigerung der (nur mehr von der Klägerin bewohnten) Ehewohnung drohe, mit der Rechtsprechung im Einklang (vgl 10 Ob 74/06i mwN), zumal der Beklagte – der die Liegenschaft zu verkaufen beabsichtigt – mehrfach angekündigt hat, die Klägerin würde aus dem Verkauf „keinen Cent“ bekommen. Dem setzt der Rechtsmittelwerber mit seiner lapidaren Behauptung, ein „unwiederbringlicher Schaden“ liege nicht vor, nichts Stichhältiges entgegen. Dass er in der Lage wäre, der Klägerin eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten, bringt er nicht vor. Vielmehr beruft er sich darauf, für die Kreditraten kein Geld zu haben.

[11] 5. Es trifft nicht zu, dass die Vorinstanzen die Einkommenssituation des Beklagten – die Klägerin kann mit ihren bescheidenen Mitteln die Kreditraten nicht selbst leisten – unberücksichtigt gelassen hätten und diesbezüglich Feststellung fehlten:

[12] Bereits das Erstgericht hat ausgeführt, dass dem Beklagten aufgrund seiner festgestellten (vgl RS0053317 [T1]) Einkünfte auch bei Begleichung der laufenden Kreditraten ein das Existenzminimum wesentlich übersteigender Betrag verbliebe.

[13] Dieser Beurteilung ist der Beklagte weder in seinem Rekurs entgegengetreten, noch geht er im Revisionsrekurs darauf ein.

[14] 6. Nach der Rechtsprechung können, da die Sicherungsmittel in der EO nur beispielsweise aufgezählt sind, zur Sicherung des Anspruchs auch andere Anordnungen als die in der EO genannten getroffen werden; die Sicherungsmittel müssen sich nach der Beschaffenheit des im Einzelfall zu erreichenden Zwecks richten (RS0004873).

[15] Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass der Auftrag an den Beklagten, dem Klagevertreter die Zahlung der Raten nachzuweisen, zur Durchsetzung der Zahlungspflicht und damit zur Erreichung des Sicherungszwecks erforderlich sei. Mit dieser Begründung setzt sich der Beklagte, der nur darauf verweist, es gebe keine Rechtsgrundlage für eine derartige Anordnung, nicht weiter auseinander. Mangels gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge (RS0043605) zeigt er auch insofern keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[16] 7. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, hinsichtlich des Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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