OGH 4Ob193/23w

OGH4Ob193/23w26.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. * und 2. *, beide vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Gerhard Preisl und andere Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert: 12.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 29. Juni 2023, GZ 10 R 16/23m‑16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 9. Dezember 2022, GZ 3 C 763/22s‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00193.23W.0526.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 1.239,83 EUR (darin enthalten 206,64 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerinnen sind Miteigentümerinnen des Grundstücks K, die Beklagte Alleineigentümerin des Grundstücks B. Zwischen den Grundstücken K und B liegt das Grundstück Z, das zu 1/8 im Miteigentum der Eigentümer von Grundstück K steht und zu 1/8 im Miteigentum der Beklagten.

[2] Grundstück Z wurde 1965 gebildet, um sechs zugleich neu geschaffene Bauparzellen (darunter auch das Grundstück K) als Zufahrtsweg zu erschließen. Die Eigentümer der acht angrenzenden Grundstücke (sechs Bauparzellen und zwei größere Grundstücke 1 und 2) gründeten eine Wegnachbarschaft und verpflichteten sich, die Kosten der Errichtung eines Zufahrtswegs und die Erschließung mit Strom‑, Kraft‑ und Telefonzuleitungen auf dem zu bildenden Grundstück Z anteilig zu tragen. Laut der Vereinbarung sollten die größeren Grundstücke 1 und 2 später in weitere Bauparzellen geteilt werden und deren Eigentümer sowohl der Wegnachbarschaft beitreten als auch Miteigentumsanteile am Grundstück Z erwerben.

[3] Das Grundstück B wurde erst 2018 gebildet, indem Teilstücke aus den noch unbebauten größeren Grundstücken 1 und 2 herausgelöst und dem neu gebildeten Grundstück B zugeschrieben wurden. Seither grenzen nur noch das neu gebildete Grundstück B und das „Restgrundstück“ 2, nicht aber mehr das „Restgrundstück“ 1 an den Zufahrtsweg Z an.

[4] Die Beklagte beabsichtigt, auf dem von ihr später im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworbenen Grundstück B eine Wohnhausanlage mit zehn Wohneinheiten zu errichten.

[5] Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass der Beklagten als Eigentümerin der Liegenschaft B aufgrund des mit dieser Liegenschaft realrechtlich verbundenen Miteigentumsanteils zu 1/8 am Grundstück Z nicht das Recht der Erschließung (Geh‑ und Fahrrecht, Recht von Ver‑ und Entsorgungsleitungen) zustehe. Die Beklagte habe weder Miteigentum am noch eine notwendige realrechtliche Verbindung zum Zufahrtsweg Z erworben. Selbst falls in der Vereinbarung aus 1965 eine Benützungsregelung für den Zufahrtsweg Z zu sehen sei, würden die Beklagten ihre Verpflichtungen zur Kostentragung nicht erfüllen, weil sie nicht 2/8 Anteile am Zufahrtsweg erworben hätten, obwohl ihr Grundstück B aus Teilstücken der beiden Grundstücke 1 und 2 geschaffen worden sei. Die Beklagte habe dadurch ihr Nutzungsrecht am Zufahrtsweg eingebüßt. Das von ihr geplante Mehrparteienhaus würde außerdem ein hohes Verkehrsaufkommen auf dem Privatweg verursachen, was alle Nachbarn in der Ausübung ihrer Miteigentumsrechte beeinträchtige.

[6] Die Beklagte wandte ein, dass sie einen Anteil von 1/8 des Zufahrtswegs Z erworben habe und diesen daher als Miteigentümer nutzen dürfe. Das Grundstück 2 grenze nach wie vor an den Zufahrtsweg Z, sodass sie den dem Grundstück 2 zugeordneten Miteigentumsanteil am Zufahrtsweg Z nicht habe erwerben können oder müssen.

[7] Die Vorinstanzen wiesen die Klage nach inhaltlicher Prüfung des Feststellungsbegehrens ab. Der Beklagten komme schon als Miteigentümerin des Zufahrtswegs eine unbeschränkte Gebrauchsmöglichkeit desselben zu, sodass das Klagebegehren als gesetzlich nicht vorgesehener Ausschluss der Beklagten abzuweisen sei. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Feststellungsklage zulässig sei, wenn der Miteigentümer durch eine erst beabsichtigte Bauführung gegen das Veränderungsverbot des § 828 Abs 1 Satz 2 ABGB verstoße.

[8] Die Revision der Klägerinnen strebt die Stattgebung des Klagebegehrens an.

[9] Die Beklagte beantragt, die Revision zurück‑ oder abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revisionist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig.

[11] 1.1. Das Klagebegehren ist auf die Feststellung gerichtet, dass der Beklagten als Eigentümerin der Liegenschaft B aufgrund des mit dieser Liegenschaft realrechtlich verbundenen Miteigentumsanteils zu 1/8 am Grundstück Z nicht das Recht der Erschließung (Geh‑ und Fahrrecht, Recht von Ver‑ und Entsorgungsleitungen) zustehe.

[12] 1.2. Wenn sich die Wirkung eines zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt, so bilden dieselben gemäß § 14 ZPO eine einheitliche Streitpartei.

[13] Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Grunddienstbarkeit oder einer Reallast kann nur einheitlich von allen Miteigentümerndes herrschenden bzw dienenden Grundstücks und nur gegen alle Miteigentümer des dienenden bzw herrschenden Grundstücks gemeinsam verlangt werden.Alle Miteigentümer bilden eine einheitliche Streitpartei, sodass die Klage nur eines von mehreren Miteigentümern mangels Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand abzuweisen ist. Eine Nichtbeteiligung der übrigen Miteigentümer am Verfahren, könnte zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass eine Grunddienstbarkeit oder Reallast nur einzelne ideelle Anteile eines Grundstücks belastet oder berechtigt, andere hingegen nicht (vgl RS0101793 [insb T15]; RS0012106 [T26]).

[14] Das gilt ebenso für die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer realrechtlichen Verknüpfung von Miteigentumsrechten am Weggrundstück mit dem (Allein‑)Eigentum an bestimmten berechtigten Grundstücken, sodass sie nur kraft dieses Eigentumsrechts an jenen Grundstücken ausgeübt werden können, also nach Art eines Zubehörs mit bestimmten berechtigten Grundstücken verbunden sind und davon weder gelöst noch selbständig veräußert werden können (vgl zur Definition 1 Ob 187/17g [Pkt 1]).

[15] 1.3. Die Klägerinnen haben nach ihrem Vorbringen und den Feststellungen gemeinsam nur einen Miteigentumsanteil von einem Achtel am belasteten Zufahrtsweg. Sie sind daher nicht allein aktivlegitimiert.

[16] 2.1. Das Gericht darf seine Entscheidung nur dann auf rechtliche Gesichtspunkte stützen, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, wenn es diese mit den Parteien erörtert (§ 182 ZPO) und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (§ 182a ZPO). Dies gilt auch für die Rechtsmittelinstanzen (vgl RS0037300 [T20]). Vertritt das Rechtsmittelgericht eine in erster Instanz von niemandem bedachte Rechtsauffassung, muss die Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur Erörterung derselben ans Erstgericht zurückverwiesen werden (RS0036355). Diese Grundsätze sind auch im Revisionsverfahren anzuwenden.

[17] 2.2. Eine Aufhebung der Entscheidung zur Erörterung der Aktivlegitimation der Klägerinnen ist hier dennoch nicht erforderlich, weil keine Sanierung durch einen Verfahrensbeitritt weiterer Personen möglich ist (vgl RS0053157: gewillkürte Prozessstandschaft unzulässig; 6 Ob 216/03p und RS0035266: Berichtigung der Parteienbezeichnung hier unzulässig; RS0035479 [T7]; und RS0022165 [T2]: Beitritt als Nebenintervenient nicht ausreichend).

[18] Die Vorinstanzen haben die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen; der Revision der Klägerinnen ist somit nicht Folge zu geben.

[19] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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