European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00008.24V.0514.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * M* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGBschuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 10. Juni 2022 in N* F* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie in ihr Zimmer drängte, sie umarmte und küsste, ihren Bademantel öffnete und ihre Brüste betastete, sie auf das Bett stieß, sich auf sie warf, mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina eindrang und Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, wobei sich die Genannte mehrfach dagegen wehrte und lautstark rief: „Nein, nein, nein, hör auf. Ich mag nicht. Hör auf.“
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Dass das Fehlen einer Einwilligung des Opfers zum Geschlechtsverkehr vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war (US 3 f), haben die Tatrichter aus dem äußeren Geschehensablauf, insbesondere dem Umstand abgeleitet, dass der Angeklagte „zur Erreichung des nur von ihm gewollten Geschlechtsverkehrs“ das Opfer „mit der beschriebenen Körperkraft überrumpeln und festhalten musste“ (US 7 f).
[5] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) begründet das Unterbleiben einer ausdrücklichen Auseinandersetzung in der Beweiswürdigung mit den Angaben des Angeklagten, „nicht so gut Deutsch“ zu können (ON 46.5, 3), sowie der Zeuginnen Dr. * U*, der Angeklagte habe „kein Wort Deutsch gesprochen“ oder „prinzipiell überhaupt nicht“ mit ihr geredet (ON 46.5, 21), und * G*, sie habe das Gefühl gehabt, der Angeklagte höre oder verstehe sie nicht (ON 46.5, 22), keine Nichtigkeit. Unvollständigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO liegt nämlich nur vor, wenn das erkennende Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen hat (RIS‑Justiz RS0098646 [T4]). Das Verhalten des Angeklagten gegenüber einer Ärztin bei seiner Erstaufnahme in die Kuranstalt und die von einer weiteren Zeugin gewonnenen Eindrücke bei einem Vorfall am 19. Juni 2022 sind aber keine erheblichen Tatsachen, also solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache (hier: eines das fehlende Einverständnis des Opfers zum Geschlechtsverkehr umfassenden Vorsatzes) von Bedeutung sein können (RIS‑Justiz RS0116877). Die leugnende Verantwortung des Angeklagten wiederum hat das Erstgericht als „unglaubwürdige Schutzbehauptung“ gewertet (US 7), weshalb es unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht verhalten war, auf die von der Beschwerde genannte Aussagepassage einzugehen (RIS-Justiz RS0098642 [T1]).
[6] Die weitere Beschwerde (Z 5 vierter Fall) richtet sich gegen die Feststellung, wonach der Geschlechtsverkehr gegen den „klar erkannten – verbal und durch Mimik und Gestik eindeutig artikulierten – Willen und Widerstand“ des Opfers erfolgte (US 4). Indem sie das Fehlen einer Begründung (nur) in Bezug auf einen durch Mimik und Gestik ausgedrückten Willen des Opfers behauptet, spricht sie mit Blick auf die (nicht erfolgreich bekämpften) weiteren Aspekte dieser Feststellung (schon) keine entscheidende, also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage maßgebliche Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117499).
[7] Die Subsumtionsrüge (Z 10) stellt unter Verweis auf die Passage der Feststellungen zur objektiven Tatseite, wonach der Angeklagte F* sofort als sie die Türe öffnete mit Körperkraft in ihr Zimmer drängte und die Türe schloss (US 3), die Anwendung von Gewalt zur Erwirkung der Duldung eines Beischlafs in Abrede und behauptet, der Angeklagte könnte nach den Urteilsannahmen „allenfalls nach § 105 StGB zu bestrafen“ sein. Sie nimmt jedoch nicht an der Gesamtheit der (dazu) getroffenen Feststellungen Maß (RIS‑Justiz RS0099810), denen zufolge der Angeklagte die Frau in weiterer Folge auf das Bett stieß, sich auf sie warf und mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang, während er sie auch an den Armen festhielt (US 3).
[8] Gleiches gilt für die Behauptung, der Angeklagte habe den Feststellungen zur subjektiven Tatseite zufolge mit den zuvor wiedergegebenen Handlungen nur die körperliche Gegenwehr der Frau abwenden wollen. Denn das Erstgericht stellte (im nächsten Satz) fest, dass der Angeklagte „dabei bereit und entschlossen“ war, „sein Vorhaben, nämlich den Vollzug eines vaginalen Geschlechtsverkehrs, gegen den klar erkannten – verbal und durch Mimik und Gestik eindeutig artikulierten – Willen und Widerstand der * F* durch die Anwendung seiner überlegenen Körperkraft und damit mit Gewalt umzusetzen“ (US 4).
[9] Soweit die Rüge Konstatierungen dazu vermisst, „ob der Angeklagte einem Irrtum unterlag hinsichtlich der Einwilligung“ des Opfers in den Geschlechtsverkehr, übergeht sie die der Beschwerdeintention entgegenstehende Feststellung, der zufolge es dem Angeklagten darauf ankam, „gegen den erkannten Willen“ des Opfers zu handeln (US 4). Die in diesem Zusammenhang getätigten Hinweise auf die geringe Verständlichkeit der deutschen Sprache für den Angeklagten und auf Aussagen mehrerer Zeugen, welche diesen Eindruck gewonnen hätten, zielen demnach auf Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ab (vgl RIS‑Justiz RS0118580 [T25]).
[10] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) bedeutet es keine offenbar unrichtige Beurteilung einer für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsache, dass das Erstgericht das Ejakulieren auf den Bauch des Opfers erschwerend gewertet hat (US 11), geht doch diese Vorgangsweise über das mit der gewaltsamen Erzwingung der Vornahme oder Duldung des Beischlafes bewirkte Maß an Demütigung hinaus.
[11] Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall wurde – der weiteren Rüge zuwider – auch nicht dadurch bewirkt, dass die Tatrichter im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen nach § 32 Abs 3 StGB zum Nachteil des Beschwerdeführers berücksichtigt haben, dass dieser „den erzwungenen Geschlechtsverkehr ungeschützt vollzog und es ihm schlichtweg egal war, ob das Opfer (…) dadurch an einer Geschlechtskrankheit erkranken oder schwanger werden könnte“ (US 11), vergrößert doch das Unterbleiben der Verwendung eines Kondoms die Gefahr einer Schwangerschaft oder Ansteckung mit einer sexuell übertragbaren Krankheit für das Opfer. Mit der Behauptung diesbezüglicher Begründungsmängel wird bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0099869; Ratz, WK‑StPO, § 281 Rz 680, 693).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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