OGH 5Ob47/24h

OGH5Ob47/24h13.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen des Antragstellers K*, vertreten durch Mag. Sabine Fürst, Mietervereinigung Österreichs, *, gegen die Antragsgegner 1. W* GmbH, *, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, 2. M*, vertreten durch H* GmbH als Zustellungsbevollmächtigte, 3. H*, 4. L*, 5. D*, 6. D*, 7. Y*, 8. M*, 9. Li*, 10. O*, 11. M*, 12. Ma*, 13. G*, 14. C*, 15. Ur*, 16. J*, 17. D*, 18. U*, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 46a MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Jänner 2024, GZ 38 R 219/23x‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00047.24H.0513.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Erst‑ bis Siebzehntantragsgegner sind oder waren schlichte Miteigentümer einer Liegenschaft, die Achtzehntantragsgegnerin ist seit 2021 Fruchtgenussberechtigte in Ansehung der Anteile des Siebzehntantragsgegners. Aufgrund einer Benutzungsvereinbarung darf die Erstantragsgegnerin über die verfahrensgegenständlichen Mietobjekte Top 3, 4, 5, 6 und 7 alleine verfügen. Diese hatte die Erstantragsgegnerin an den Rechtsvorgänger des Antragstellers vermietet, der dort eine Fahrradwerkstätte betrieb. Der Antragsteller trat laut Einantwortungsbeschluss vom 27. 5. 2019 als Universalerbe in die Mietverhältnisse ein. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob die von den Antragsgegnern als Vermieter aufgrund des Todes des bisherigen Hauptmieters unter Hinweis auf § 46a Abs 2 MRG in Form einer „Fünfzehntelanhebung“ vorgeschriebenen Hauptmietzinse für den Zeitraum Jänner 2021 bis einschließlich Juni 2022 rechtens waren.

[2] Das Erstgericht sprach aus, dass die mit Schreiben vom 7. 12. 2020 per 1. 1. 2021 vorgenommenen Anhebungen des monatlichen Hauptmietzinses nach den §§ 46a und b MRG unwirksam seien und stellte die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes für die Objekte im näher bezeichneten Umfang fest. Es ging von der Präklusion des Anhebungsbegehrens aus.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1.1. Gemäß § 46a Abs 2 MRG darf im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit der Vermieter, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 ist, nach dem Tod des Hauptmieters von dessen Rechtsnachfolgern ab dem auf den Todesfall folgenden 1. Jänner die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs 1 zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der Weise verlangen, dass der Hauptmietzins für jedes Kalenderjahr nach dem Todestag um jeweils 1/15tel des bis zum angemessenen Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 fehlenden Betrags angehoben wird. Gemäß § 46b MRG hat der Vermieter in allen Fällen, in denen er nach §§ 46 und 46a die Anhebung des Hauptmietzinses verlangen darf, sein Anhebungsbegehren dem Hauptmieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem er die Entrichtung des angehobenen Mietzinses fordert, schriftlich bekannt zu geben; im Fall einer schrittweisen Anhebung nach § 46 Abs 2 bis 4 bewirkt ein verspätetes Anhebungsbegehren aber nicht den Verlust des Anhebungsrechts für das gesamte Kalenderjahr. § 12a Abs 2 MRG sieht eine Präklusivfrist für die Mietzinsanhebung nach Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens vor; ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1, so darf der Vermieter bis spätestens sechs Monate nach angezeigter Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs 1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Gegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen.

[6] 1.2. In der Entscheidung 1 Ob 137/09t, die den Rechtssatz RS0125427 begründete, sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Präklusionsbestimmung des § 12a Abs 2 MRG und die in § 12a Abs 1 MRG geregelte Anzeigepflicht analog für die „Fünfzehntelanhebung“ nach § 46a Abs 2 MRG gelten. In dieser Entscheidung setzte sich der erste Senat ausführlich mit der damals noch uneinheitlichen Rechtsprechung auseinander und ging unter Hinweis auf die Lehre (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht § 46a MRG Rz 7a) davon aus, für die analoge Anwendung der Präklusivregelung nach § 12a Abs 2 MRG auf die „Fünfzehntelanhebung“ nach § 46a Abs 2 MRG spreche insbesondere die Regelung des § 12a Abs 4 MRG über die „Fünfzehntelanhebung“ bei Veräußerung an einen fiktiven gesetzlichen Erben.

[7] 1.3. Die Lehre schloss sich dieser Entscheidung an (vgl Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 46a MRG Rz 7 f; Schauer wobl 2010/70, 149 f; Hawel in Illedits Wohnrecht Taschenkommentar4 § 46a MRG Rz 3; Würth/Zingher/Kovanyi Miet‑ und Wohnrecht I23 § 46a MRG Rz 8). Der Fachsenat ging daher in seiner Entscheidung zu 5 Ob 34/19i von einer gesicherten Rechtsprechung zur Frage der analogen Anwendung der Präklusionsbestimmung des § 12a Abs 2 MRG auf die „Fünfzehntelanhebung“ nach § 46a Abs 2 MRG aus.

[8] 1.4. Die von der Revisionsrekurswerberin dagegen ins Treffen geführten Argumente überzeugen nicht. Abgesehen davon, dass sie weder im Schlichtungsstellenverfahren noch im Verfahren erster Instanz die analoge Anwendung der Präklusionsbestimmung des § 12a Abs 2 MRG überhaupt in Zweifel zog, betrifft die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 148/99x § 46a Abs 5 MRG, also die Sanierung allenfalls schon jahrelang bestehender „gespaltener Mietverhältnisse“ wegen Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten, was wertungsmäßig anders gelagert ist (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 46a MRG Rz 7a). 5 Ob 7/09d wiederum betraf nicht die analoge Anwendung der Präklusionsbestimmung des § 12a Abs 2 MRG, sondern die Verschiebung des Beginns des Anhebungszeitraums um ein Kalenderjahr nach § 46b MRG. Dass bei einem lang dauernden Verlassenschaftsverfahren nicht allen Beteiligten in gleichem Maß wie bei einer Unternehmensveräußerung klar sein könnte, zu welchem Stichtag die Mietrechte übergehen, mag sein; dies könnte aber nur für die – hier letztlich nicht relevante – Frage eine Rolle spielen, ab welchem Zeitpunkt die Frist für das Anhebungsbegehren zu laufen beginnt, spricht aber nicht grundsätzlich gegen die analoge Anwendung der Präklusionsbestimmung.

[9] 2.1. Es trifft zu, dass bei Geschäftslokalen kein ex lege bestehendes Eintrittsrecht vorgesehen ist. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 46a Abs 2 MRG (RS0105708) verwirklicht sich allerdings der nach dieser Bestimmung maßgebliche Sachverhalt mit dem Tod des Mieters endgültig und abschließend, sodass die Frage, wann die Einantwortungsurkunde in Rechtskraft erwächst, für § 46a Abs 2 MRG nicht maßgeblich ist, weil diese Bestimmung tatbestandsmäßig nicht an den Übergang der Mietrechte vom ruhenden Nachlass auf den Erben anknüpft, sondern nur den Tod des Geschäftsraummieters voraussetzt.

[10] 2.2. Damit löst der Tod des Mieters grundsätzlich das Anhebungsrecht aus. Allerdings kann nach der Rechtsprechung (RS0105708 [T3]; 5 Ob 124/07g) die Mietzinsanhebung nur gegenüber dem Universalsukzessor des verstorbenen Mieters begehrt werden. Die Mietzinsanhebungsmöglichkeit nach § 46a Abs 2 MRG wird daher nur schlagend, wenn es durch den Tod eines Geschäftsraummieters zur Gesamtrechtsnachfolge in dessen Mietrechte kommt (RS0116304). Ein Mietzinsanhebungsbegehren dem Nachlass des Vermieters gegenüber wäre verfehlt (5 Ob 291/05p; VonkilchaaO § 46a MRG Rz 13; HawelaaO § 46a MRG Rz 3; Auer/H. Böhm in GeKo Wohnrecht I § 46a MRG Rz 13). Nach Rechtsprechung (5 Ob 234/04d) und Lehre (VonkilchaaO § 46b MRG Rz 4) beginnt die Präklusivfrist des § 12 Abs 2 MRG erst ab dem Zeitpunkt der Anhebungsmöglichkeit, somit im Fall des § 46a MRG mit Rechtskraft der Einantwortung. Ob eine frühere Anzeige rechtswirksam sei und eine Verpflichtung zu einem (bedingten) Anhebungsbegehren auslöste (vgl 5 Ob 234/04d), bedarf keiner weiteren Erörterung, weil dies hiervon rein theoretischer Bedeutung wäre und daher keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0111271).

[11] 2.3. Fest steht nämlich, dass der Rechtsvorgänger des Antragstellers am 14. 2. 2019 verstarb und der Antragsteller der Erstantragsgegnerin erstmals am 27. 3. 2019 mitteilte, dass er als Erbe eingesetzt sei, die Erbschaft antreten und das Lokal übernehmen wolle. Der Einantwortungsbeschluss vom 27. 5. 2019 wurde der Hausverwaltung am 4. 6. 2019 zugestellt. Am 7. 6. 2019 teilte der Antragsteller ihr noch einmal schriftlich mit, in die Mietrechte der Geschäftsräumlichkeiten einzutreten, wobei er den Einantwortungsbeschluss vom 27. 5. 2019 – der nach dem Akteninhalt eine Rechtskraftbestätigung vom gleichen Tag aufweist–neuerlich übermittelte. Die Zustellung eines Anhebungsschreibens vor dem 8. 12. 2020 konnte das Erstgericht nicht feststellen.

[12] 2.4. Die – analog anzuwendende – Präklusivfrist von sechs Monaten des § 12a Abs 2 MRG war aufgrund dieser Feststellungenbei Zustellung des Anhebungsschreibens der Vermieter vom 7. 12. 2020 jedenfalls abgelaufen. Eines ausdrücklichen Hinweises des Antragstellers auf die – aus der Urkunde ohnedies ersichtliche – Rechtskraft der Einantwortung in seiner Anzeige bedurfte es nicht.

[13] 3. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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