OGH 7Ob215/23b

OGH7Ob215/23b17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI K* S*, vertreten durch Dr. Florian Knaipp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.932,50 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 29. September 2023, GZ 1 R 49/23t‑25, womit das Teilzwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Februar 2023, GZ 33 Cg 43/22f‑20, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00215.23B.0417.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger hat bei der Beklagten die Versicherung „A* Business Absicherung für Betriebe“ abgeschlossen. Diesem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen der A* Business Absicherung für Sach‑ und Betriebsunterbrechungsrisken (ASBB 2014) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

ABSCHNITT I – SACHVERSICHERUNG

Artikel 1

Versicherte Gefahren und Schäden – Nicht versicherte Schäden

[...]

Teil D – Einbruchdiebstahlversicherung (sofern vereinbart und in der Versicherungsurkunde dokumentiert)

1. Versicherte Gefahren und Schäden

1.1 Versichert sind Sachschäden, die durch einen vollbrachten oder versuchten Einbruchdiebstahl entstehen (Schadenereignis).

Versichert sind auch Sachschäden, die als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten.

1.2  Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn ein Täter in die Versicherungsräumlichkeiten

1.2.1 durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen einbricht;

1.2.2 unter Überwindung erschwerender Hindernisse durch Öffnungen, die nicht zum Eintritt bestimmt sind, einsteigt;

1.2.3 einschleicht und aus den versperrten Versicherungsräumlichkeiten Sachen wegbringt;

1.2.4 durch Öffnen von Schlössern mittels Werkzeugen oder falscher Schlüssel eindringt.

Falsche Schlüssel sind Schlüssel, die widerrechtlich angefertigt werden;

1.2.5 mit richtigen Schlüsseln eindringt, die er durch Einbruchdiebstahl in andere Räumlichkeiten als die Versicherungsräumlichkeiten oder durch Beraubung an sich gebracht hat.

Beraubung ist die Wegnahme oder erzwungene Herausgabe von Sachen unter Anwendung oder Androhung tätlicher Gewalt gegen Personen;

1.2.6 gelangt und während der Anwesenheit von Personen in versperrte Räume gemäß Punkt 1.2.1. bis 1.2.5. einbricht.

[…]“

[2] Der Kläger mietete ab September 2017 ein Atelier in einer ehemaligen Traktorfabrik und ging dort seiner künstlerischen Tätigkeit nach. Am 19. Oktober 2019 brachen Gehilfen der Vermieterin das Schloss zum Atelier des Klägers auf und verbrachten die dort befindlichen Fahrnisse, wie etwa Möbel und Kunstwerke, an einen dem Kläger unbekannten Ort. Der Grund dafür war ein Streit zwischen dem Kläger und der Vermieterin über die Befristung des Mietverhältnisses. Am 18. Februar 2020 erfuhr der Kläger durch den Mieter eines anderen Bestandobjekts zufällig, dass seine Gegenstände in einem Container auf dem Gelände der Traktorfabrik eingelagert waren. Der Kläger erlangte seine Fahrnisse mit einigen Ausnahmen wieder zurück. Die Gehilfen der Vermieterin hatten keinen Vorsatz, sich aus den Kunstwerken und sonstigen Fahrnissen des Klägers zu bereichern.

[3] Der Kläger begehrt 18.932,50 EUR an Kosten für die Instandsetzung der Kunstwerke, die im Zuge der Entwendung beschädigt worden seien, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem Schadensereignis. Es liege ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen vor, weshalb die Beklagte Deckung zu gewähren habe.

[4] Die Beklagtebeantragt Klageabweisung. Es liege weder ein versuchter noch ein vollendeter Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen vor, weil die Täter keinen Bereicherungsvorsatz gehabt hätten, sondern den Kläger lediglich delogieren hätten wollen.

[5] Das Erstgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der Vorfall vom 19. Oktober 2019 sei als Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen zu qualifizieren. Die ASBB 2014 würden inArt I.1.D.1.2 weder auf die strafrechtliche Definition des Diebstahls verweisen, noch über die in den Bedingungen enthaltene Definition hinaus weitere Anforderungen an das Vorliegen eines Einbruchsdiebstahls stellen. Einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer müsse auch der rechtliche Unterschied zwischen einem Diebstahl und einer (dauernden) Sachentziehung nicht bekannt sein. Der Versicherungsfall liege daher bereits dann vor, wenn ein Schaden dadurch entstehe, dass ein Täter das Schloss der Räumlichkeiten des Versicherungsnehmers aufbreche und Sachen aus den versperrten Räumlichkeiten wegbringe.

[6] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge. Unter Bezugnahme auf Literatur und Judikatur zur deutschen Rechtslage sprach es aus, dass das in Deutschland vorherrschende Begriffsverständnis, wonach der versicherungsrechtliche Begriff des Einbruchsdiebstahls keine Zueignungsabsicht im strafrechtlichen Sinn voraussetze, auch der vergleichbaren österreichischen Bedingungslage zugrunde zu legen sei. Diese Ansicht werde dadurch erhärtet, dass weder in der Definition eines erschwerten Diebstahls noch in der Definition der Beraubung der ASBB 2014 die subjektiven Tatbestandsmerkmale der entsprechenden strafrechtlichen Bestimmungen angeführt seien. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Einbruchsdiebstahlsversicherung habe im Übrigen die berechtigte Erwartung, dass bei Eindringen in die Versicherungsräumlichkeiten in einer der in den Bedingungen genannten Begehungsformen und dabei erfolgter Wegnahme von Sachen ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der ASBB 2014 vorliege. Wie der Täter die mitgenommenen Sachen zu verwenden beabsichtige, sei unerheblich und entziehe sich in der Regel der Kenntnis des Versicherungsnehmers.

[7] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage, ob zum Begriff des Einbruchsdiebstahls im versicherungsrechtlichen Sinn auch der Bereicherungsvorsatz gehöre, vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet worden sei.

[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich die RevisionderBeklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

[9] Der Kläger beantragt in seinerRevisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihrnicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

[11] 1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[12] 2. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (RS0123773 [auch T6]). In Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe sind daher, wenn sie in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung haben, in diesem Sinn auszulegen (RS0123773 [T4]).

[13] 3. Der Oberste Gerichtshof hatte zwar schon mehrfach Bedingungen für Einbruchsdiebstahlsversicherungen zu beurteilen, hat sich jedoch bislang nicht ausdrücklich mit der hier strittigen Frage auseinandergesetzt.

[14] 3.1. In der Entscheidung 7 Ob 179/97t ging es um die Deckungspflicht des Versicherers für Vandalismusschäden. Dort traf das Erstgericht zwar die Feststellung, dass ein Bereicherungsmotiv der Täter beim „Diebstahl“ nicht feststellbar gewesen sei. Allerdings führte der Oberste Gerichtshof dazu aus, dies stehe mit der Tatsache in Widerspruch, dass sich die Täter Sachen der (dortigen) Klägerin im Wert von mehreren hundert Schilling angeeignet hätten. Es sei daher von einer durch die weiteren Feststellungen nicht gedeckten rechtlichen Schlussfolgerung auszugehen. Aber auch wenn man von der Feststellung des Erstgerichts ausgehe, sei für den Versicherer nichts gewonnen, weil der erste Anschein wohl eher für einen sachlichen Zusammenhang von Diebstahls- und Beschädigungsabsicht spreche, und dieser Anschein durch den Versicherer nicht entsprechend entkräftet worden sei.

[15] 3.2. Auch die Entscheidung 7 Ob 269/99f betraf die Frage der Deckungspflicht für Vandalismusschäden. Der Oberste Gerichtshof kam zum Schluss, dass nach den dortigen Versicherungsbedingungen eindeutig nur das Versicherungsrisiko „durch versuchten oder vollbrachten Einbruchdiebstahl, einfachen Diebstahl und Beraubung“ gedeckt sei. Aus dem Gesamtzusammenhang des Bedingungswerks sei es daher nicht statthaft, die Erstattung reiner Vandalismusschäden eines zwar in die versicherte Räumlichkeit eingedrungenen, jedoch dort weder versuchten oder vollbrachten Diebstahl bzw einfachen Diebstahl noch Beraubung zu verantwortenden Täters ebenfalls in die Deckungspflicht des Versicherers einzubeziehen. Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Täter jedoch „aus ganz anderen Motiven“, nämlich um am Kläger persönlich „unter Einsatz von Gewalt Rache zu üben“ und um ihn „durch Todesdrohung in Furcht und Unruhe zu versetzen“, eingedrungen seien, könnten die dabei (mit‑)unterlaufenen Sachschäden nicht als gedeckt im Sinne der maßgeblichen Versicherungsbedingungen angesehen werden.

[16] Dieser Sachverhalt unterscheidet sich vom hier zu beurteilenden Fall insofern, als dort nicht einmal der objektive Anschein eines Diebstahls gegeben war. Damit musste der Oberste Gerichtshof die Frage des Vorliegens eines Zueignungs- und Bereicherungsvorsatzes gar nicht prüfen.

[17] 4. Die Bedingungslage in Deutschland ist in Bezug auf die hier strittige Frage vergleichbar (vgl Abschnitt A § 1.2 AERB 2010).

[18] Nach der dort herrschenden Auffassung setzt ein Diebstahl im versicherungsrechtlichen Sinn (nur) den Bruch des unmittelbaren Besitzes durch Wegnahme von Sachen voraus, nicht jedoch, dass die (sonstigen) Merkmale des Diebstahls im Sinn des Straftatbestands erfüllt sein müssen. Insbesondere sei eine Zueignungsabsicht oder Schuldfähigkeit im strafrechtlichen Sinn nicht erforderlich (Reusch in Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung4 § 4 Rn 21 f; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG31 § 1 AERB 2008 Rn 6; Martin, Sachversicherungsrecht3 D II Rn 15 ff; Rüffler in Beckmann/Matusche‑Beckmann, Versicherungsrechts-HB3 § 33 Rn 9; Schnepp in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht3 AERB 2010 § 1 Rn 6; Looschelders in Looschelders/Pohlmann, VVG4 Teil 3 H. Rn 11; aM Spielmann in MünchKommVVG2 III 200. Sachversicherung Rn 83).

[19] Nach dem Wortlaut der Bedingungen sei nur erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Sache dem Versicherungsnehmer abhandenkomme, also ohne Aussicht auf alsbaldigen Rückgewinn des Besitzes verloren gehe. Ob der Täter die weggenommene Sache verschenken oder vernichten oder lediglich für einige Zeit (und mit der Absicht späterer Rückgabe) in Gebrauch nehmen wolle, spiele versicherungsrechtlich hingegen keine Rolle. Es genüge daher etwa, wenn Vermieter Sachen rechtswidrig entfernen, um sie bis zur Erfüllung wirklicher oder vermeintlicher Forderungen zurückzubehalten (Martin, Sachversicherungsrecht3 D II Rn 15; Reusch in Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung4 § 4 Rn 22).

[20] 5. Der Fachsenat des Obersten Gerichtshofs vertritt folgende Auffassung:

[21] 5.1.1. Nach § 127 StGB macht sich strafbar, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Führt der Täter den Diebstahl auf eine in § 129 Abs 1 Z 1 bis 4 StGB genannte Art und Weise aus, ist einer der Qualifikationstatbestände des § 129 Abs 1 oder Abs 2 Z 1 StGB erfüllt („Diebstahl durch Einbruch“). Dazu ist aber erforderlich, dass er bereits die Einbruchshandlung (§ 129 Abs 1 Z 1 bis 4 StGB) auch mit Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatz (allgemein dazu RS0093488; Stricker in Höpfel/Ratz, WK‑StGB² § 127 Rz 174 ff; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 127 Rz 10 ff) vornimmt, es muss also etwa schon das Eindringen mit dem Vorsatz erfolgen, sich durch die Zueignung einer fremden beweglichen Sache unrechtmäßig zu bereichern (vgl RS0093685 [T1]; Stricker in Höpfel/Ratz, WK‑StGB² § 129 Rz 124).

[22] 5.1.2. § 135 StGB stellt die Sachentziehung ohne Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatz unter Strafe. Erfasst sind aber nur dauernde Entziehungen. Dauernd ist eine Sachentziehung, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (objektiv) die Annahme gerechtfertigt ist, der Berechtigte werde den Gewahrsam der Sache nicht mehr wiedererlangen (13 Os 29/80; 15 Os 73/02; Salimi in Höpfel/Ratz, WK‑StGB² § 135 Rz 29). Die Möglichkeit, die Sache zufällig wieder zu erlangen, schließt dauernde Sachentziehung ebensowenig aus wie die tatsächliche zufällige Wiedererlangung (RS0093628), weil das Delikt mit der durch die Sachentziehung bewirkten Schädigung vollendet ist (15 Os 73/02 mwN). Der Vorsatz des Täters muss (unter anderem) darauf gerichtet sein, dass der Berechtigte die Sache nach dem gewöhnlichem Lauf der Dinge nicht mehr zurückbekommt (Salimi in Höpfel/Ratz, WK‑StGB² § 135 Rz 46; ähnlich Messner in Leukauf/Steininger, StGB4 § 135 Rz 9a; Wach in Hinterhofer, SbgK-StGB § 135 Rz 29).

[23] 5.2.1. In Art I.1.D.1.1 ASBB 2014 wird die versicherte Gefahr als Schaden beschrieben, der durch einen vollbrachten oder versuchten Einbruchsdiebstahl entsteht. Da der Rechtsbegriff des Einbruchsdiebstahls in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung hat, wäre er grundsätzlich im Sinn der §§ 127, 129 Abs 1 StGB auszulegen. Allerdings enthält Art I.1.D.1.2 ASBB 2014 eine eigenständige Definition des Begriffs „Einbruchdiebstahl“, die nicht mit jener in §§ 127, 129 Abs 1 StGB übereinstimmt, sodass hier nicht ohne Weiteres auf den strafrechtlichen Begriffsinhalt abgestellt werden kann.

[24] 5.2.2. Art I.1.D.1.2 ASBB 2014 beschreibt abweichend von § 129 Abs 1 StGB in sechs Ziffern, welche Begehungsformen als Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen zu qualifizieren sind, ohne dass ein Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatz des Täters ausdrücklich als Voraussetzung angeführt wäre. Demgegenüber wird etwa in Art I.1.F.1.2 ASBB 2014 der Begriff der „böswilligen Beschädigung“ als jede vorsätzliche Beschädigung oder Zerstörung von versicherten Sachen durch eine oder mehrere Personen definiert (zu deren Berücksichtigung vgl RS0121557 [T3]). Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist daher aus dem Wortlaut der Bedingungen nicht ersichtlich, dass neben den in Art I.1.D.1.2 ASBB 2014 angeführten Begehungsformen ein Handeln des Täters mit Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatz für die Qualifikation als Einbruchsdiebstahl im Sinn der ASBB 2014 erforderlich wäre. Vielmehr geht der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne einen Anhaltspunkt im Wortlaut der Bedingungen davon aus, dass bei Vorliegen einer der in Art I.1.D.1.2 ASBB 2014 genannten Begehungsformen ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Bedingungen vorliegt. Dies umso mehr, als es sich regelmäßig der Kenntnis des Versicherungsnehmers entzieht, ob der Täter mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatzs gehandelt hat.

[25] 5.2.3. Zusammengefasst ist daher das Vorliegen des von §§ 127, 129 Abs 1 StGB geforderten Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatzes nicht Voraussetzung für die Annahme eines Einbruchsdiebstahls im Sinn von Art I.1.D.1.2 ASBB 2014.

[26] 5.3.1. Für das Vorliegen des Versicherungsfalls trifft nach der allgemeinen Risikoumschreibung den Versicherungsnehmer die Beweislast (RS0043438). Der Versicherungsnehmer, der eine Versicherungsleistung behauptet, muss daher die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls beweisen (RS0080003). Nach ständiger Rechtsprechung stehen aber dem Versicherungsnehmer beim Nachweis des Versicherungsfalls in der Schadensversicherung wegen der großen Beweisschwierigkeiten Beweiserleichterungen zu. Es genügt daher, wenn er ein Mindestmaß an Tatsachen beweist, die das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalls bilden (RS0102499). Ein solcher Fall setzt voraus, dass der Kläger zumindest Indizien beweist, die das Vorliegen des Versicherungsfalls nahelegen (7 Ob 161/18d mwN), daher bei einem Einbruchsdiebstahl etwa das Vorliegen von Einbruchsspuren (7 Ob 97/14m). Der Versicherer hat dann die Möglichkeit, Umstände nachzuweisen, die ernsthaft für die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sprechen (vgl RS0102500).

[27] 5.3.2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass aufgrund eines Streits zwischen dem Kläger und seiner Vermieterin über die Befristung des Mietverhältnisses, Gehilfen der Vermieterin das Schloss zum Atelier des Klägers aufgebrochen und die im Atelier befindlichen Fahrnisse an einen dem Kläger unbekannten Ort verbracht haben. Erst rund vier Monate später erfuhr der Kläger zufällig von einem Dritten, dass seine Gegenstände in einem Container auf dem Fabriksgelände eingelagert waren, in dem sich auch sein Bestandobjekt befand. Er erlangte dann seine Fahrnisse mit einigen Ausnahmen wieder zurück.

[28] 5.3.3. Der Kläger hat damit das Vorliegen des Versicherungsfalls nachgewiesen. Ob die Gehilfen der Vermieterin die Sachen des Klägers mit dem Vorsatz mitgenommen haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, ist – wie dargelegt – unerheblich, sodass es auf die vom Kläger in der Berufungsbeantwortung bekämpfte, vom Berufungsgericht aber nicht behandelte Feststellung zum Nichtvorliegen eines Bereicherungsvorsatzes der Gehilfen der Vermieterin, nicht ankommt.

[29] 6. Die Revision der Beklagtenist daher erfolglos.

[30] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 ZPO.

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