OGH 5Ob94/23v

OGH5Ob94/23v19.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin R* F*, vertreten durch die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG * als Antragsgegner, darunter 3. DI S* B*, vertreten durch Dr. Piotr Pyka, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 1 WEG iVm §§ 9, 10 WEG, über den Revisionsrekurs der Drittantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Jänner 2023, GZ 40 R 190/22w‑70, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 11. Juli 2022, GZ 30 MSch 1/13f‑63, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00094.23V.0219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Das Wohnungseigentum wurde 1992 begründet.

[2] Mit dem an die Schlichtungsstelle gerichteten Antrag vom 8. 6. 2011 begehrte die Antragstellerin gegenüber allen damaligen Mit- und Wohnungseigentümern die „Festsetzung der Nutzwerte nach § 9 Abs 2 WEG“ aufgrund baulicher Veränderungen. Mit Baubewilligung vom 19. 12. 2007 habe die Baupolizei die Schaffung von drei neuen Wohnungen auf der ersten und zweiten Dachgeschossebene bewilligt. Die Feststellung der Nutzwerte diene der Begründung von Wohnungseigentum an diesen zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befindlichen Wohnungen. Gemäß dem von der Antragstellerin eingeholten und dem Antrag beigelegten Sachverständigengutachten vom 30. 5. 2011 würde sich der Gesamtnutzwert dadurch von 1.667 auf 2.074 Nutzwerte erhöhen. Die anderenWohnungseigentumsobjekte blieben unverändert.

[3] Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 2. 12. 2011 setzte diese die Nutzwerte antragsgemäß fest. Die im Verfahren vorgelegten Auswechslungspläne für eine gegenüber der Baubewilligung vom 19. 12. 2007 geänderte Bauführung seien nicht von sämtlichen Miteigentümern unterschrieben und könnten daher nicht Grundlage der Nutzwertfestsetzung sein.

[4] Gegen diese Entscheidung riefen die Drittantragsgegnerin und zwei weitere nicht mehr am Verfahren beteiligte ehemalige Wohnungseigentümer das Gericht an. Wegen außergerichtlicher Vergleichsbemühungen ruhte das gerichtliche Verfahren von 24. 9. 2013 bis 15. 12. 2014. Mit Beschluss vom 1. 9. 2015 hielt das Erstgericht mit dem Verfahren für einen Mediationsversuch nach § 29 AußStrG drei Monate inne. Die für den 9. 9. 2016 anberaumte Tagsatzung blieb unbesucht, sodass neuerlich Ruhen des Verfahrens eintrat.

[5] Mit Antrag vom 10. 3. 2022 begehrte die Antragstellerin die Fortsetzung des Verfahrens. Unter einem „stellte“ sie den Antrag „auf den Auswechslungsplan vom 24.4.2017 um“ und begehrte nunmehr die Festsetzung der Nutzwerte auf dieser Grundlage. Die Mit- und Wohnungseigentümer seien mittlerweile in einem streitigen Verfahren rechtskräftig dazu verpflichtet worden, diesen Auswechslungsplan zu unterfertigen. Daher sei dieser nun der Nutzwertfestsetzung zugrunde zu legen.

[6] Die Drittantragsgegnerin beantragte die Abweisung des Sachantrags. Bisherige Antragsgegner seien verstorben odernicht mehr Wohnungseigentümer und somit auch keine Verfahrensparteien mehr. Vor Gericht könne der Antrag nicht auf bisher nicht erfasste Personen ausgedehnt werden. Die inhaltliche Änderung des Antrags sei mangels Identität der Sache unzulässig. Überdies habe die Antragstellerin das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt; allfällige Ansprüche der Antragstellerin seien daher verjährt bzw nach § 9 Abs 2 Z 4 iVm § 10 Abs 2 WEG 2002 verfristet. Die ursprüngliche Baubewilligung vom 19. 12. 2007 sei keine taugliche Grundlage für die Neufestsetzung der Nutzwerte mehr. Zum einen sei sie längst abgelaufen und „existiere nicht mehr“, weil der Ausbau nicht innerhalb von vier Jahren nach Baubeginn vollendet worden sei. Zum anderen sei davon abweichend gebaut worden und die dazu erstellten Auswechslungspläne seien für die Nutzwertneufestsetzung ebenso wenig tauglich, weil sie nicht baubehördlich bewilligt und einer Baubewilligung auch nicht zugänglich seien.

[7] Die Antragstellerin replizierte, dass nicht der (jetzige) Ist‑Zustand für die Nutzwertfestsetzung maßgeblich sei, sondern die rechtskräftige Baubewilligung vom 19. 12. 2007. Für den Umfang der Anrufung des Gerichts sei strikt auf den Inhalt und Umfang der Entscheidung der Schlichtungsstelle abzustellen. Da die Antragstellerin nach wie vor die Nutzwertneufestsetzung auf Basis der bereits bei der Schlichtungsstelle vorgelegten Unterlagen (insbesondere des Nutzwertgutachtens) begehre, liege keine unzulässige Antragsänderung vor. Der Antragstellerin könne Verfristung oder Verjährung nicht entgegengehalten werden, zumal die Antragsgegner die Nutzwertfestsetzung durch Anrufung des Gerichts selbst beantragt hätten. Zudem liege kein der Verjährung unterliegender Tatbestand iSd § 9 Abs 2 Z 2, Z 3 oder Z 4 WEG 2002 vor. Die Aufzählung in § 9 Abs 2 Z 1 bis 5 WEG 2002 sei vielmehr nur demonstrativ.

[8] Das Erstgericht wies den „(mehrfach modifizierten) Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Nutzwerte hinsichtlich der Wohnungen im Dachgeschoß des Hauses“ ab.

[9] Die gerichtliche Nutzwertfestsetzung könne gemäß § 10 Abs 2 WEG 2002 im Fall des § 9 Abs 2 Z 2 WEG 2002 nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum und in den Fällen des § 9 Abs 2 Z 3 und Z 4 WEG 2002 nur innerhalb eines Jahres ab Vollendung der Bauführung beantragt werden. Die Antragstellerin habe das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt; dadurch seien die in § 10 Abs 2 WEG 2002 genannten Fristen bereits abgelaufen.

[10] Die Aufzählung in § 9 Abs 2 WEG 2002 sei zwar demonstrativ, sodass auch das nachträgliche Hervorkommen des wahren Sachverhalts, der dem Gericht (der Schlichtungsstelle) bei der Nutzwertfestsetzung verborgen geblieben sei, zur Antragstellung auf Neufestsetzung der Nutzwerte berechtige. Dieser Fall einer Nutzwertfestsetzung außerhalb der in § 9 Abs 2 WEG 2002 genannten Tatbestände liege hier aber nicht vor.

[11] Ein Antrag auf Nutzwertfestsetzung müsse dahin präzisiert werden, dass hinreichend erkennbar sei, welche Entscheidung aus welchem Sachverhalt abgeleitet werde. Bei Änderungen des Antrags sei die Wahrung der Identität der Sache zu prüfen. Diese Identität der Sache sei hier ausgehend von den zwischenzeitig eingetretenen Änderungen im Baubestand nicht mehr gegeben. Die Antragstellerin hätte daher ein neues Verfahren bei der Schlichtungsstelle einleiten müssen.

[12] DasRekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge. Es hob den Sachbeschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

[13] Der Anspruch auf Nutzwertneufestsetzung verjähre– mangels einer gegenteiligen Bestimmung – erst nach 30 Jahren. Für die in § 9 Abs 2 Z 2, Z 3 und Z 4 WEG 2002 geregelten Fälle sei gemäß § 10 Abs 2 WEG 2002   allerdings eine Präklusivfrist von einem Jahr normiert, in den übrigen Fällen sei die Antragstellung nicht befristet. Die Aufzählung des § 9 Abs 2 WEG 2002 sei jedoch nicht taxativ. Neben den ausdrücklich genannten Fällen bestünden weitere Tatbestände, die eine Nutzwertneufestsetzung ermöglichten, nämlich zum einen das „Hervorkommen der wahren Sachlage“ und zum anderen die „Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts“ bzw die nachträgliche „Änderung der Verhältnisse“. Unter diese zweite Fallgruppe falle die völlige Neuschaffung von wohnungseigentumstauglichen Objekten, etwa – wie hier – durch Ausbau eines Dachbodens. Diese ungeregelten Fälle unterlägen keiner Präklusivfrist.

[14] Das gegenständliche Bauvorhaben sei zweifellos ein Gesamtprojekt. Wenn dabei auch die im Dachgeschoss bereits ursprünglich vorhandene Wohnung verändert werden solle oder verändert worden sei, könne dies daher nicht losgelöst als selbständiger Tatbestand nach § 9 Abs 2 Z 4 WEG 2002 beurteilt werden, weil jede Veränderung an diesem Objekt zwangsläufig mit dem übrigen Ausbau in Zusammenhang stehe.

[15] Der Dachgeschossausbau sei daher insgesamt ein in § 9 Abs 2 WEG 2002 nicht geregelter Fall, sodass der Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte unbefristet möglich sei. Eine „Verfristung“ wegen nicht gehöriger Verfahrensfortsetzung im Sinn des auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren maßgeblichen § 1497 ABGB habe daher nicht eintreten können. Der Antrag sei also trotz des jahrelangen Ruhens nicht schon wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens verfristet.

[16] Das Nutzwertfestsetzungsverfahren sei ein zwar nur über Antrag eingeleitetes, aber jedweder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenes und vom Untersuchungsgrundsatz beherrschtes einheitliches Außerstreitverfahren. Es handle sich dabei um eine sogenannte „Regelungsstreitigkeit“, bei der das Gericht nicht an das Begehren im Antrag gebunden sei. Parteistellung komme gemäß § 52 Abs 2 Z 1 und Z 2 WEG 2002 allen im Grundbuch einverleibten Wohnungseigentümern zu. Es gelte der materielle Parteibegriff, § 234 ZPO sei nicht (auch nicht analog) anwendbar. Deshalb könnten die Parteien während des laufenden Verfahrens bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt „wechseln“. Erfolge die Einverleibung eines neuen Wohnungseigentümers noch während des Verfahrens erster Instanz, erlange der Betreffende damit Parteistellung, umgekehrt gehe diese während des Verfahrens durch Löschung im Grundbuch verloren. Das Gericht habe von Amts wegen die richtigen Parteien beizuziehen, dies auch ohne Rücksicht darauf, ob diese bereits vor der Schlichtungsstelle beigezogen gewesen seien.

[17] Für die Einleitung des Verfahrens sei zwar ein Antrag erforderlich, aufgrund der strengen Offizialmaxime sei das Gericht aber im Übrigen nicht an den Inhalt des Begehrens gebunden und es habe die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen auch ohne entsprechende Anträge der Parteien zu treffen. Der Sachantrag müsse lediglich dahin präzisiert werden, dass hinreichend erkennbar sei, welche Entscheidung aus welchem Sachverhalt abgeleitet werde. Der Nutzwertfestsetzung seien sodann die materielle Sach- und Rechtslage und die von Amts wegen als Vorfrage zu prüfende Widmung aller Liegenschaftsteile zugrunde zu legen. Unter der materiellen Sach- und Rechtslage seien (neben der Widmung) der reale Zustand der Liegenschaft und der darauf errichteten – oder nach den genehmigten Bauplänen zu errichtenden – Baulichkeiten zu verstehen.

[18] Die Antragstellerin habe bei der Schlichtungsstelle unter Verweis auf die rechtskräftige Baubewilligung vom 19. 12. 2007 die Neufestsetzung der Nutzwerte mit der Begründung begehrt, dass das Dachgeschoss ausgebaut werde und dabei drei neue Wohnungen geschaffen würden. Dass bei der Ausführung des Bauvorhabens von dem der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplan abgewichen worden sei, ergebe sich schon aus dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin und den von ihr vorgelegten Urkunden. Wenn deshalb in der Folge mehrere Auswechslungspläne erstellt worden seien, ändere dies aber nichts an der „Identität der Sache“, nämlich der begehrten Nutzwertneufestsetzung aufgrund dieses Bauvorhabens. Der von der Antragstellerin im Verfahren vorgenommenen Modifikation ihres Begehrens, die Nutzwerte nunmehr auf Grundlage des Auswechslungsplans vom 24. 4. 2017 festzusetzen, stehe das Erfordernis der vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle nicht entgegen. Im Gegenteil, da die materielle Sach- und Rechtslage der Entscheidung zugrunde zu legen sei, seien derartige Änderungen während des Verfahrens grundsätzlich zu berücksichtigen, und es sei nicht wegen jeder Abweichung der Ausführung vom bewilligten Einreichplan ein neuer Antrag an die Schlichtungsstelle zu stellen. Es sei (lediglich) zu prüfen, ob eine geänderte Bauführung immer noch der gemeinschaftlichen Widmung der Liegenschaftsteile durch alle Wohnungseigentümer entspreche, ob also auch die Änderung von der vorgenommenen Widmung gedeckt sei. Abzustellen sei dabei auf die Vereinbarung. Je konkreter die Widmung sei, umso eher könne ihr eine konkrete Bauausführung oder gegebenenfalls auch eine angedachte Nutzungsart widersprechen. Allein die Unterfertigung eines Einreichplans durch die übrigen Miteigentümer bedeute nicht, dass damit auch die vereinbarte Widmung auf diese ganz konkrete Bauausführung eingeschränkt worden sei. Wenngleich Abweichungen von einem bewilligten Bauvorhaben baurechtlich die Bewilligung einer Planänderung oder allenfalls sogar eine neue Baubewilligung erfordern könnten, sei dies für die Prüfung der Widmung nicht relevant.

[19] Hier hätten die seinerzeitigen Eigentümer mit der Vereinbarung über den Dachbodenausbau eine Widmung dahin vorgenommen, dass der allgemeine Teil Dachboden in Wohnungseigentumsobjekte umgewandelt werden solle. Mit der Unterfertigung des der Baubewilligung vom 19. 12. 2007 zugrunde liegenden Einreichplans sei diese Widmung dokumentiert und bekräftigt worden. In einem vom Erstgericht geführten streitigen Verfahren seien die dort beklagten Eigentümer (jene, die nicht bereits außergerichtlich zugestimmt hätten) rechtskräftig schuldig erkannt worden, ihre Zustimmung zu der von der seinerzeitigen Baubewilligung abweichenden Bauführung durch Unterfertigung des Auswechslungsplans vom 24. 4. 2017 zu erteilen. Damit sei geklärt, dass die Antragstellerin zu dieser konkreten Bauausführung berechtigt sei, womit sich im Nutzwertfestsetzungsverfahren die Frage, ob diese konkrete Bauführung der Widmung entspreche, nicht mehr stelle. Dass seit der dortigen Klage Eigentümerwechsel stattgefunden hätten, was infolge § 234 ZPO im dortigen Verfahren unberücksichtigt zu bleiben gehabt habe, sei für die Nutzwertfestsetzung nicht von Belang, weil ein Rechtsnachfolger allein nicht in der Lage sei, die gemeinschaftliche Widmung der Rechtsvorgänger außer Kraft zu setzen. Dazu wäre wieder eine von der bisherigen Widmung abweichende Widmung durch alle Eigentümer erforderlich. Die für das Bauverfahren erforderliche Unterfertigung des Auswechslungsplans durch die Rechtsnachfolger sei gegebenenfalls mit Titelergänzungsklage nach § 10 EO zu erwirken.

[20] Das Erfordernis einer rechtskräftigen Baubewilligung sei in diesem Zusammenhang einschränkend zu sehen. Da auch für die Erlangung der baubehördlichen Bewilligung eines Auswechslungsplans zu einem bereits rechtskräftig bewilligten Bauprojekt die Unterfertigung des Ansuchens durch alle Liegenschaftseigentümer erforderlich sei und dies mitunter erst in einem langwierigen Rechtsstreit erreicht werden könne, genüge es, wenn nachgewiesen werde, dass auch die Abweichung grundsätzlich bewilligungsfähig sei. Hier habe die Antragstellerin dies in dem genannten streitigen Verfahren nachgewiesen. Dass der Auswechslungsplan vom 24. 4. 2017 bislang noch nicht baubehördlich bewilligt sei, stehe daher der Nutzwerteneufestsetzung nicht entgegen.

[21] Zusammengefasst sei die „Identität der Sache“ trotz der von der Baubewilligung vom 19. 12. 2007 abweichenden Bauführung und dem Erfordernis, der Nutzwertfestsetzung die tatsächliche Ausführung zugrunde zu legen, gewahrt. Der Antrag sei nicht wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens verfristet. Über den Sachantrag sei daher inhaltlich zu entscheiden. Der Rekurs der Antragstellerin sei aus diesem Grund im Ergebnis mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt.

[22] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht zur Frage Stellung genommen habe, ob die Nutzwerte schon dann neu festgelegt werden können, wenn die Bewilligungsfähigkeit eines Auswechslungsplans nachgewiesen werde, oder ob auch in einem solchen Fall zuerst eine rechtskräftige Bewilligung des Auswechslungsplans vorliegen müsse.

[23] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Drittantragsgegnerin. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

[24] Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[25] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs

[26] 1.1. Für das Verfahren auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung nach § 9 Abs 2 WEG 2002 sieht § 52 Abs 3 WEG 2002 die Anrufung der Schlichtungsstelle als zwingende Verfahrensvoraussetzung vor. Wurde die Schlichtungsstelle mit der „Sache“ nicht befasst, ist der (außerstreitige) Rechtsweg unzulässig (RIS‑Justiz RS0006307 [T8]; RS0070782; RS0116912 [T1]).

[27] 1.2. Für die Identität der „Sache“ kommt es entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird. Zur Klärung dieser Frage ist der herrschende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff heranzuziehen (5 Ob 27/21p; RS0006307 [T11]; RS0070055 [T5]; RS0070068; RS0109931 [T1]). Die Grenzen der Entscheidungsbefugnis werden auch in diesem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren durch den Verfahrensgegenstand, also den Inhalt des Sachantrags und das diesen begründende Tatsachenvorbringen abgesteckt (§ 36 Abs 4 AußStrG; RS0124048 [T2]), nicht hingegen durch die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens. Das Gericht ist daher an die vom Antragsteller vorgenommene rechtliche Qualifikation des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts nicht gebunden (5 Ob 233/22h mwN).

[28] Identität der „Sache“ liegt demnach dann vor, wenn sowohl der Sachantrag als auch der rechtserzeugende Sachverhalt ident sind (5 Ob 27/21p; RS0039347; RS0124048). Der bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag kann daher bei Gericht nicht mehr geändert oder erweitert werden. Dabei ist nicht nur die Änderung oder Erweiterung des Begehrens selbst, sondern auch eine Änderung oder Erweiterung des vor der Schlichtungsstelle vorgebrachten anspruchsbegründenden Sachverhalts vor Gericht unzulässig (5 Ob 27/21p; RS0006307 [T2, T3, T14]; RS0109931 [T3, T5]).

[29] 1.3. Der Antrag auf Einleitung des Verfahrens auf gerichtliche Festsetzung der Nutzwerte muss dahin präzisiert werden, dass hinreichend erkennbar ist, welche Entscheidung aus welchem Sachverhalt abgeleitet wird. Maßgeblich sind die zur Anspruchsbegründung herangezogenen Behauptungen (§ 9 Abs 1 AußStrG; 5 Ob 164/20h; 5 Ob 72/13v).

[30] Das damit eingeleitete Verfahren auf Nutzwertfestsetzung ist eine Regelungsstreitigkeit, das nicht der Dispositionsmaxime der Parteien unterliegt, sondern in dem strenge Offizialmaxime herrscht (5 Ob 164/20h; RS0082872; RS0083252 [T25]). Ausgangspunkt der Nutzwertberechnung sind die zwingenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die – der Rechtslage entsprechende – Widmung. Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist die privatrechtliche Einigung (der Widmungsakt) der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) maßgeblich (5 Ob 118/22x; RS0083252 [T18]). Diese hat der Außerstreitrichter von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen (RS0083252). Das Gericht ist – wie auch der Sachverständige bei Erstellung seines Gutachtens – an die materielle Sach- und Rechtslage gebunden, es hat der Nutzwertermittlung den realen Zustand der Liegenschaft und der Baulichkeiten zugrunde zu legen und von der konkreten Widmung auszugehen (5 Ob 107/17x; RS0082872).

[31] 1.4. Die Antragstellerin strebte mit ihrem dieses Verfahren einleitenden Antrag an die Schlichtungsstelle die Neufestsetzung der Nutzwerte ob der Liegenschaft an und rechtfertigte dies mit baulichen Vorgängen in Gestalt des (geplanten) Umbaus des Dachbodens in Wohnraum und der Schaffung neuer Wohnungseigentumsobjekte. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, kam es bei der Bauführung zu Abweichungen von der rechtskräftig erteilten Baugenehmigung; insbesondere wurde auch die eine bereits bestehende Wohnung verändert. Die Antragstellerin ließ daraufhin einen entsprechenden Auswechslungsplan erstellen.

[32] Das Erstgericht beurteilte diese während des Verfahrens eingetretenen Änderungen im Baubestand als Änderung des Verfahrensgegenstands. Die Antragstellerin hätte daher ein neues Verfahren bei der Schlichtungsstelle einleiten müssen.

[33] Schon das Rekursgericht hat jedoch zutreffend erkannt, dass die Tatsache der abweichenden Ausführung des Bauvorhabens und die baurechtliche Notwendigkeit der Erstellung eines Auswechslungsplans nichts an der Identität der „Sache“, nämlich dem Begehren auf Nutzwertneufestsetzung aufgrund ein und desselben Bauvorhabens, ändert. Da der Nutzwertfestsetzung stets die materielle Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen ist, sind während des Verfahrens vorgenommene Änderungen in Gestalt (bloßer) Bauabweichungen grundsätzlich zu berücksichtigen, ohne dass der Antrag insoweit geändert oder erweitert werden muss. Anderes könnte (nur) gelten, wenn sich der zur Begründung der Zulässigkeit der gerichtlichen Nutzwertfestsetzung vorgetragene bauliche Vorgang so gravierend ändert, dass nicht mehr von ein und demselben Bauvorhaben ausgegangen werden kann. In diesem Fall änderte sich der die Grenzen der Entscheidungsbefugnis bestimmende Verfahrensgegenstand und käme bei vorgeschalteter Schlichtungsstelle eine dementsprechende Änderung des Antrags erst vor Gericht nicht in Betracht (vgl 5 Ob 164/20h). Beschränkt sich die Änderung des Bauvorhabens, auf die sich der an die Schlichtungsstelle gerichtete Antrag auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung bezog, – wie hier – auf Bauabweichungen bei der Ausführung eben dieses Bauvorhabens, bleiben der anspruchsbegründende Sachverhalt in seinem wesentlichen Kern und der Verfahrensgegenstand hingegen gleich.

[34] Die von der Baubewilligung vom 19. 12. 2007 abweichende Bauführung und das aus der Bindung an die materielle Sach- und Rechtslage abzuleitende Gebot, der Nutzwertfestsetzung diesen realen Zustand der Baulichkeiten zugrunde zu legen, bedeutet daher keine vor Gericht unzulässige Änderung des Antrags.

2. Befristung des Antrags auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung?

[35] 2.1. Die erstmalige Ermittlung der Nutzwerte erfolgt durch einen dazu qualifizierten Sachverständigen (§ 9 Abs 1 WEG 2002). Auf Antrag sind die Nutzwerte vom Gericht insbesondere dann abweichend von diesem Nutzwertgutachten („neu“) festzusetzen, wenn sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjekts nach Vollendung der Bauführung durch bauliche Vorgänge auf der Liegenschaft wesentlich ändert (§ 9 Abs 2 Z 4 WEG 2002). Dieser Tatbestand erfasst demnach wesentliche Änderungen des Nutzwerts nach Vollendung der ursprünglichen Bauführung durch spätere bauliche Vorgänge auf der Liegenschaft (5 Ob 233/22h).

[36] Nach der Nutzwertänderung aufgrund baulicher Veränderungen iSd § 9 Abs 2 Z 4 WEG 2002 kann die gerichtliche Nutzwertfestsetzung nur innerhalb eines Jahres ab Vollendung der Bauführung beantragt werden (§ 10 Abs 2 WEG 2002). Mit der „Vollendung der Bauführung“ ist nicht die ursprüngliche, sondern die spätere Bauführung gemeint (5 Ob 233/22h; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 10 WEG Rz 6).

[37] 2.2. Die Fälle der gerichtlichen Neufestsetzung der Nutzwerte sind allerdings weder in § 3 Abs 2 WEG 1975 noch in § 9 Abs 2 WEG 2002 taxativ aufgezählt (RS0083159). Der Gesetzgeber des 3. WÄG hat dies durch Einfügung des Wortes „insbesondere“ im ersten Satz des § 3 Abs 2 WEG 1975 klargestellt und jener des WEG 2002 hat dies nochmals ausdrücklich betont (RV 989 BlgNR XXI. GP  43). Damit in Einklang hat die Rechtsprechung neben den ausdrücklich normierten Tatbeständen zwei weitere typische Fallgruppen, nämlich zum einen das „Hervorkommen der wahren Sachlage“, sowie zum anderen „Änderungen der Sachlage“ entwickelt (5 Ob 233/22h; Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, WEG5 § 9 WEG Rz 33).

[38] Nach dieser ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bildet die Verletzung zwingender Grundsätze der Nutzwertberechnung einen an keine Frist für die Geltendmachung gebundenen Grund für die gerichtliche (Neu-)Festsetzung der Nutzwerte, und zwar auch dann, wenn das Abweichen von diesen Grundsätzen durch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse herbeigeführt wurde oder die der Nutzwertfestsetzung widersprechende Sach- und Rechtslage erst nachträglich hervorgekommen ist (5 Ob 233/22h; RS0117709; RS0083169). Im Fall eines Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung konnte und kann die Neufestsetzung dabei ohne zeitliche Begrenzung und ohne Bagatellgrenze geltend gemacht werden (5 Ob 233/22h; RS0083159 [T8]; RS0083169 [T9]; RS0117708 [T2]; RS0107277 [T3]).

[39] Mit § 9 Abs 2  Z 1 WEG 2002 wurde dieses bereits zum WEG 1975 entwickelte Antragsrecht ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben (RS0083159 [T14]; RS0083169 [T8]; nach Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, WEG5 § 9 WEG Rz 33, 69 nur in Bezug auf die Fallgruppe „Hervorkommen der wahren Sachlage“).

[40] 2.3. Eine gerichtliche Festsetzung der Nutzwerte abweichend vom Nutzwertgutachten ist also auch dann möglich, wenn die Liegenschaft von den Mit- und Wohnungseigentümern einvernehmlich so verändert wurde, dass die Nutzwertfestsetzung nicht mehr den zwingenden Berechnungsgrundsätzen entspricht (RS0083159 [T4]; vgl Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, WEG5 § 9 WEG Rz 70); ein darauf gestützter Antrag auf Nutzwertberichtigung ist nicht fristgebunden (5 Ob 233/22h).

[41] Die Antragstellerin hat ihren Antrag auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung mit einer solchen „Änderung der Sachlage“ begründet. Die Verhältnisse hätten sich hier insofern nachträglich geändert, als im Dachgeschoss auf zwei Ebenen drei neue Wohnungen errichtet worden seien oder errichtet werden sollten. Der Umbau des Dachbodens in Wohnraum und die von der privatrechtlichen Einigung der Wohnungseigentümer (der Widmung) getragene Schaffung neuer Wohnungseigentumsobjekte wird zwangsläufig zur Folge haben, dass die bestehende Nutzwertfestsetzung nicht (mehr) den zwingenden Grundsätzen der Nutzwertberechnung entspricht. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Grund für die gerichtliche Festsetzung der Nutzwerte unterliegt daher keiner Präklusion. Eine „Verfristung“ ihres Antrags wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens im Sinn des– auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltenden (5 Ob 4/23h mwN) – § 1497 ABGB kommt hier daher von vornherein nicht in Betracht.

3. Zur Aufhebung und aufgetragenen Verfahrensergänzung

[42] 3.1. Die vom Erstgericht genannten Gründe, dieNotwendigkeit der Änderung des Antrags und deren Unzulässigkeit erst im Verfahren bei Gericht sowie der Ablauf der in § 10 Abs 2 WEG 2002 normierten Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Neufestsetzung der Nutzwerte nach § 9 Abs 2 Z 4 WEG 2002, tragen die Abweisung des Antrags nicht.

[43] 3.2. Die Drittantragsgegnerin hat mit der Behauptung, der Dachgeschossausbau in der konkreten Bauausführung der Antragstellerin sei weder von der privatrechtlichen Einigung der Wohnungseigentümer gedeckt noch baubehördlich bewilligt oder auch nur bewilligungsfähig, weitere Einwände gegen die Zulässigkeit einer gerichtlichen Nutzwertfestsetzung erhoben. Das Rekursgericht hat in seinem Aufhebungsbeschluss auch dazu Stellung genommen.

[44] 3.3. Richtig ist, dassbauliche Veränderungen nur dann zu einer Änderung der Nutzwerte und einer Nutzwert‑(neu‑)festsetzung führen, wenn diese Veränderungen auf einer privatrechtlichen Einigung der Wohnungseigentümer beruhen oder auf einer gerichtlichen Genehmigung, weil sich andernfalls die dafür maßgebliche Widmung nicht geändert hat. Eine der materiellen Rechtslage widersprechende, also bloß faktische Veränderung rechtfertigt die Neufestsetzung der Nutzwerte nicht (5 Ob 233/22h mwN; Ofner in GeKo Wohnrecht II § 9 WEG Rz 27; Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, WEG5 § 9 WEG Rz 60).

[45] Das Rekursgericht hat aber zutreffend ausgesprochen, dass diese Frage hier angesichts der ursprünglichen Vereinbarung der seinerzeitigen Wohnungseigentümer, der Unterfertigung des der Baubewilligung vom 19. 12. 2007 zugrunde liegenden Einreichplans und der mit Urteil auferlegten Verpflichtung zur Zustimmung zu der von dieser Baubewilligung abweichenden Bauführung durch Unterfertigung des Auswechslungsplans vom 24. 4. 2017 bereits geklärt ist und der Dachgeschossausbau in der konkreten Bauausführung rechtmäßig, also der Widmung entspricht(§ 71 Abs 3 AußStrG).

[46] 3.4. Dem Rekursgericht ist auch darin zuzustimmen, dass eine gerichtliche Nutzwertfestsetzung wegen realer baulicher Veränderungen jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht voraussetzt, dass die dafür allenfalls erforderliche baubehördliche Bewilligung bereits rechtskräftig erteilt ist.

[47] Den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des WEG 2002 ist ein solches Erfordernis nicht zu entnehmen. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass selbst bei der Begründung des Wohnungseigentums das Fehlen einer Baubewilligung (lediglich) indirekt ein Hindernis für die Einverleibung des Wohnungseigentums bilden kann, weil für die Berechnung der Nutzflächen nach § 7 WEG 2002 und im Fall der Begründung des Wohnungseigentums vor der Errichtung des Gebäudes für die Bescheinigung der Baubehörde oder das Gutachten eines Sachverständigen über den Bestand wohnungseigentumstauglicher Objekte nach § 6 WEG 2002 ein behördlich bewilligter Bauplan vorliegen muss (5 Ob 435/97z; 5 Ob 31/99s; 5 Ob 55/19b; vgl auch 3 Ob 26/09h).

[48] In Bezug auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung aufgrund baulicher Vorgänge nach Vollendung der (ursprünglichen) Bauführung iSd § 9 Abs 2 Z 4 WEG 2002 ist aus den Materialien – im Gegenteil – abzuleiten, dass der Gesetzgeber bewusst auf das Erfordernis einer baubehördlichen Bewilligung verzichtet und eine einheitliche Regelung für alle Bauvorgänge unabhängig von deren öffentlich-rechtlichen Implikationen vorgesehen hat (RV 989 BlgNR XXI GP  43; 5 Ob 233/22h). Die in § 10 Abs 2 WEG 2002 normierte Frist zur Antragstellung beginnt daher mit der Beendigung des eigentlichen baulichen Vorgangs, das allfällige baurechtliche Erfordernis einer Baubewilligung oder Bauanzeige hat auf den Lauf dieser Frist keinen Einfluss (5 Ob 233/22h; RS0134478; vgl Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, WEG5 § 10 WEG Rz 20).

[49] Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung zur Genehmigungsfähigkeit einer Änderung des Wohnungseigentumsobjekts nach § 16 WEG 2002. Die Frage, ob eine baubehördliche Bewilligung einer Änderung erforderlich und zu erlangen ist, spielt in dem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 solange keine Rolle, als nicht von vornherein feststeht, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde keinesfalls zu rechnen ist (RS0083330 [T1]). Die Wohnungseigentümer sind nur dann nicht zu verhalten, einem Bauvorhaben zuzustimmen, wenn diesem von vornherein Vorschriften der Bauordnung entgegenstehen (RS0083364). Es genügt daher, dass der die Änderung anstrebende Wohnungseigentümer die baurechtlichen Voraussetzungen für sich hat, die Änderungen also baubehördlich voraussichtlich zulässig sind (5 Ob 180/20m).

[50] Diese Rechtsprechungsgrundsätze hat der Fachsenat auch schon bei der Beurteilung der Frage angewandt, ob Wohnungseigentümer zur Zustimmung zu einer von der rechtskräftigen Baugenehmigung abweichenden Bauführung verpflichtet sind (5 Ob 180/20m). Diese Entscheidung erging in dem den vorliegenden Rechtsstreit betreffenden Verfahren, in dem die Antragstellerin (dort Klägerin) begehrte, die übrigen Miteigentümer zur Zustimmung zur abweichenden Bauführung gegenüber der zuständigen Baubehörde durch Unterfertigung des Auswechslungsplans vom 24. 4. 2017 zu verpflichten.Die die Zustimmung der Beklagten begehrende Klägerin hatte darzutun, dass der Auswechslungsplan bewilligt werden könne. Dies war ihr gelungen, weil feststand, dass der von ihr zuletzt vorgelegte Plan ausreichend und geeignet sei, bei der Baubehörde eingereicht zu werden und zu einem Baukonsens zu führen. Die Entscheidung über die Baubewilligung selbst und die Überwachung der bewilligungsgemäßen Bauausführung (darunter fällt auch die Frage, ob der tatsächlich errichtete Dachbodenausbau den nunmehr eingereichten Plänen entspricht), kommt nur der Baubehörde zu. Nur diese hat zu prüfen, ob das errichtete Bauwerk dem Auswechslungsplan entspricht. Den Beklagten bleibt es unbenommen, ihre öffentlich-rechtlichen Einwendungen im Bauverfahren zu erheben (5 Ob 180/20m).

[51] Das Rekursgericht hat diese Rechtsprechungsgrundsätze zu Recht auf die Beurteilung der Voraussetzungen der gerichtlichen Nutzwertfestsetzung übertragen. Mit Blick auf die Funktion der die Mindestanteile bestimmenden Nutzwerte im Wohnungseigentum und das daraus abzuleitende Interesse der Wohnungseigentümer an einer richtigen, also der wahren Sach- und Rechtslage entsprechenden Nutzwertfestsetzung würde es dem Zweck der Möglichkeit der Änderung der Nutzwerte nach den §§ 9, 10 WEG 2002 zuwiderlaufen, diese an das allfällige Erfordernis einer rechtskräftigen Baubewilligung zu knüpfen. Sind die aufdem privatrechtlichen Konsens der Wohnungseigentümer (oder der diesen substituierenden gerichtlichen Entscheidung) beruhenden Änderungen baurechtlich voraussichtlich zulässig und ist nicht ersichtlich, weshalb dennoch nicht mit einer Baubewilligung zu rechnen ist, rechtfertigt auch eine noch nicht baubehördlich bewilligte Bauführung die gerichtliche Nutzwertfestsetzung.

[52] 3.5. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts lässt sich auf Basis der vom Erstgericht getroffen Feststellungen allerdings noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung der voraussichtlichen baurechtlichenBewilligungsfähigkeit hier tatsächlich gegeben ist. Schließlich entfaltet das in dem genannten streitigen Verfahren ergangene Urteil in Bezug auf diese dort auch nur im Verhältnis zwischen einzelnen Wohnungseigentümern (vgl RS0041572; RS0108828) geklärte Vorfrage keine Bindungswirkung (RS0041180; RS0041342; RS0042554; RS0127052).

4. Ergebnis

[53] 4.1. Das Rekursgericht hat den Sachbeschluss des Erstgerichts zu Recht aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Dem Revisionsrekurs war somit nicht Folge zu geben.

[54] 4.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002. Die danach gebotenen Billigkeitserwägungen können erst in dem die Sache erledigenden Sachbeschluss angestellt werden (RS0123011 [T1]).

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