European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00122.23X.0131.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Der Rekurs der Drittnebenintervenientin gegen den Aufhebungsbeschluss wird zurückgewiesen.
II. Die Revision der erstbeklagten Partei sowie die Revisionen der Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Parteien werden zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit insgesamt 5.366,70 EUR (darin 894,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte von der in Österreich ansässigen Erstbeklagten (Händlerin) ein Wohnmobil um 72.848 EUR. Die Zweitbeklagte stellt mechanische Komponenten von Dieselmotoren her und liefert diese an Fahrzeughersteller oder deren Konzerngesellschaften. Die erste Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten (eine deutsche GmbH) verkauft Basisfahrzeuge an die (italienische) Herstellerin des Wohnmobil‑Aufbaus, die Zweitnebenintervenientin ist Herstellerin des Basisfahrzeugs der Marke Fiat Ducato; von ihr stammt auch die EG‑Übereinstimmungsbescheinigung (durch das italienische Ministerium für Infrastruktur und Transport, kurz: MIT). Die Drittnebenintervenientin ist Herstellerin des Wohnmobil‑Aufbaus.
[2] Fest steht, dass das Wohnmobil, das der Kläger am 29. April 2019 von der Erstbeklagten kaufte, mit einer – für den Betrieb des Motors technisch nicht notwendigen – „Abgasreduktionsstrategie“ ausgestattet ist, die die Abgasrückführung nach Ende der „Typ 1 – Prüfung“ sowie nach einer Fahr‑ und Betriebszeit des Motors von 22 Minuten unabhängig von der Außen‑ oder Umgebungstemperatur erheblich reduziert oder überhaupt unterbindet. Außerdem wird die Abgasrückführung unter 20 Grad Celsius Umgebungs‑ bzw Außentemperatur massiv reduziert. Sofern es innerhalb von zwei Jahren ab der Übergabe des Fahrzeugs kein Software‑Update zur Herstellung des den Verordnungen entsprechenden Zustands geben sollte, wäre hier von einem Minderwert von 25 bis 30 % bei Kaufvertragsabschluss auszugehen.
[3] Der Kläger begehrte mit seiner am 28. April 2021 eingebrachten Klage Preisminderung sowie die Feststellung der Haftung der beiden Beklagten für sämtliche zukünftigen Schäden. Das Fahrzeug, das er von der Erstbeklagten gekauft habe, sei mangelhaft; die Zweitbeklagte habe eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Der Kläger sei beim Kauf des Wohnmobils davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben; er habe aufgrund der vorliegenden Mängel ein im Verhältnis zum Kaufpreis um 30 % überteuertes Fahrzeug erworben. Eine Verbesserung dieses Mangels sei von den Beklagten nicht angeboten worden.
[4] Die Erstbeklagte wendete Verfristung und Verjährung ein, außerdem sei ihr ein allfälliges arglistiges Handeln des Herstellers nicht zuzurechnen. Es liege kein Mangel vor und es treffe sie kein Verschulden.
[5] Die Zweitbeklagte wendete ein, sie habe nur mechanische Komponenten des Motors hergestellt und geliefert; sie sei nicht Herstellerin des Fahrzeugs und die Übereinstimmungsbescheinigung stamme nicht von ihr.
[6] Die Nebenintervenientinnen wendeten ein, es liege kein Mangel vor; das Wohnmobil verfüge über eine aufrechte Genehmigung, die in Zukunft nicht entzogen werde.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[8] Das Fahrzeug verfüge über eine aufrechte Typengenehmigung und es drohe kein Entzug derselben. Es sei aufgrund der besonderen Marktsituation zu keinem Wertverlust wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung gekommen. Dass das Fahrzeug im realen Fahrbetrieb ein Vielfaches an Stickoxiden ausstoße, sei für den Kläger beim Erwerb des Wohnmobils kein Thema gewesen und Umweltschäden begründeten keinen Nachteil im Vermögen des Klägers.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es gab mit Teilurteil dem Zahlungsbegehren gegen die Erstbeklagte statt, wies das Feststellungsbegehren gegen die Erstbeklagte ab, hob das Urteil hinsichtlich der Zweitbeklagten auf und verwies insoweit die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
[10] Der Kläger habe seine Klage fristgerecht eingebracht und sowohl wegen eines Sachmangels als auch wegen eines Rechtsmangels Ansprüche auf Gewährleistung. In der nach wie vor unzulässigen Abschalteinrichtung liege ein Mangel des Fahrzeugs. Eine Verbesserung (ein geeignetes Software‑Update) hätten die Beklagten nicht angeboten. Daher sei der geltend gemachte Preisminderungsanspruch berechtigt. Der Minderwert infolge des Mangels sei nach den Feststellungen mit 30 % des vereinbarten Kaufpreises anzusetzen. Das Feststellungsbegehren gegen die Erstbeklagte sei hingegen nicht berechtigt, denn die Händlerin treffe selbst kein Verschulden und sie hafte nicht für ein Verschulden des Herstellers.
[11] Die Revision gegen das Teilurteil sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu Fragen der Preisminderung, des Rechtsmangels betreffend die Typengenehmigung und der Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens gegen den Händler noch nicht Stellung genommen habe.
[12] Gegen das Teilurteil richten sich die Revisionen der Erstbeklagten, der ersten und zweiten Nebenintervenientin sowie der dritten Nebenintervenientin, jeweils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, je mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
[13] Der Kläger beantragt in seinen drei Revisionsbeantwortungen jeweils, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revisionen sind mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Soweit sich die – in diesem Punkt als Rekurs zu wertende – Revision der Drittnebenintervenientin gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wendet, ist sie jedenfalls unzulässig.
I. Zum Aufhebungsbeschluss:
[15] Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss ausdrücklich nicht zugelassen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung auch dann nicht zulässig, wenn er mit der Revision gegen den bestätigenden (oder abändernden) Teil der Berufungsentscheidung verbunden wird (vgl RS0043854; 3 Ob 18/22a mwN).
[16] Das insoweit als Rekurs zu wertende Rechtsmittel der Drittnebenintervenientin war daher in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen.
II. Zum Teilurteil:
[17] Die Revisionen sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht mehr zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu den maßgeblichen Rechtsfragen bereits eingehend Stellung genommen hat (vgl RS0112769 [T12]) und im Übrigen keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.
1. Zur Revision der Erstbeklagten:
[18] 1.1 Die Qualifikation der verbauten „Abgasreduktionsstrategie“ als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des – unstrittig anwendbaren – Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EU zieht die Revision nicht mehr in Zweifel, sodass darauf schon deshalb nicht mehr einzugehen ist (RS0043352 [T30]).
[19] 1.2 Der Oberste Gerichtshof hat inzwischen zu ähnlichen Sachverhalten klargestellt, dass die zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs bloß befürchtete mangelnde Rechtsbeständigkeit der EG‑Typengenehmigung, also die nicht konkret drohende Aufhebung der Zulassung, kein Rechtsmangel ist (3 Ob 40/23p = RS0134605; 9 Ob 53/23v).
[20] 1.3 Liegt ein behebbarer Mangel vor, besteht gemäß § 932 Abs 1 ABGB zunächst ein Verbesserungsanspruch. Um diesen zum Erlöschen zu bringen, muss der Übergeber als anspruchsvernichtende Tatsache behaupten und beweisen, dass er den Mangel durch Verbesserung beseitigt hat. Tritt daher nach einem Verbesserungsversuch derselbe Mangel wieder auf, trifft den Übergeber die Beweislast für den Erfolg seines Verbesserungsversuchs (6 Ob 160/22f mwN). Nach ständiger Rechtsprechung kann der Übernehmer schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch nehmen (RS0018722 [T2]; RS0018702 [T9]).
[21] 1.4 Die Erstbeklagte hat hier unstrittig eine Verbesserung in Form eines den Fehler beseitigenden Software‑Updates nicht angeboten. Nun verweist sie in ihrer Revision neuerlich darauf, dass der Kläger das Fahrzeug (ohne technische Probleme) weiterhin uneingeschränkt nutze und dass es auf dem (Gebrauchtwagen‑)Markt nicht weniger wert sei. Entgegen ihrer Rechtsansicht steht dem Kläger aber – ähnlich wie etwa auch in dem der Entscheidung 2 Ob 102/23y zugrunde liegenden Fall – ein Preisminderungsanspruch zu, weil das Fahrzeug schon bei der Übergabe den Mangel der verbotenen Abschalteinrichtung aufwies. Nach den Feststellungen hatte das Fahrzeug deshalb einen Minderwert von 30 % im Vergleich zum vereinbarten Kaufpreis. Wenn die Erstbeklagte in ihrer Revision meint, es sei im konkreten Fall nur eine Preisminderung von 10 % berechtigt, so kann sie dafür keine geeigneten Feststellungen anführen. Auf die für Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller entwickelte Rechtsprechung (vgl etwa 10 Ob 46/23x mwN) ist nicht einzugehen, weil der Kläger von der Erstbeklagten Preisminderung aus denn Titel der Gewährleistung begehrte.
[22] 1.5 Die – für das Klagebegehren gegen die Erstbeklagte nicht relevante – Feststellung, dass der Kläger „mit dem Wissen von heute“ das Fahrzeug „nicht gekauft“ hätte, lässt sich dem geltend gemachten Preisminderungsanspruch nicht entgegen halten. Auch die tatsächliche Nutzung des Wohnmobils durch den Kläger ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Der von der Erstbeklagten vermissten Feststellung darüber, „ob [überhaupt] ein mängelfreier Zustand durch ein Software‑Update hergestellt werden“ könnte, bedarf es nicht. Für die Höhe der begehrten Preisminderung sind die festgestellten Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses maßgeblich.
[23] 1.6 Insgesamt zeigt die Revision der Erstbeklagten daher keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
2. Zur Revision der ersten und zweiten Nebenintervenientin:
[24] 2.1 Wie bereits erwähnt (oben 1.1), sind Erörterungen zum Rechtsmangel im Zusammenhang mit der befürchteten Aufhebung der EG‑Typengenehmigung für ein Fahrzeug mit einer verbotenen Abschalteinrichtung nicht erforderlich, weil inzwischen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt ist, dass ein solcher Umstand keinen Rechtsmangel darstellt.
[25] 2.2 Soweit die erste und die zweite Nebenintervenientin argumentieren, das Berufungsgericht sei bei der Annahme der Wertminderung in Höhe von 30 % von einem „fiktiven Fall“ ausgegangen, entfernen sie sich vom Sachverhalt, nach dem hier „zum Verkaufszeitpunkt eine Wertminderung von 25 bis 30 %“ vorlag; ein geringerer Minderwert des Fahrzeugs (von bloß rund minus 10 %) wäre nur dann anzusetzen gewesen, wenn ein Software‑Update innerhalb von zwei Jahren (also bis 2021) angeboten worden wäre (Urteil Seite 19). Insoweit ist daher die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T2, T8]).
[26] 2.3 Eine Aktenwidrigkeit einer Rechtsmittelentscheidung wäre nur bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das Rechtsmittelgericht verwirklicht (vgl RS0043284; RS0043397). Einen solchen Widerspruch vermag die Revision jedoch nicht aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat die – in diesem Punkt unbekämpften – Feststellungen des Erstgerichts übernommen und diese haben ihrerseits ihre Grundlage in den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen.
[27] 2.4 Auch diese Revision vermag damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen.
3. Zur Revision der Drittnebenintervenientin:
[28] 3.1 Auf die ständige Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen des Misslingens eines ersten Verbesserungsversuchs (RS0018722 [T2]; RS0018702 [T9]) wurde bereits (oben 1.3) hingewiesen. Entgegen der Rechtsansicht der Drittnebenintervenientin weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts davon nicht ab. Hier blieb unbestritten, dass eine Behebung des Mangels (der unzulässigen Abschalteinrichtung) dem Kläger nicht angeboten wurde. Ergänzende Feststellungen darüber, dass der Kläger „je die primären Gewährleistungsbehelfe geltend gemacht hätte“, sind nicht erforderlich.
[29] 3.2 Entgegen der Rechtsansicht der Drittnebenintervenientin ist die Rechtsprechung deutscher Oberlandesgerichte nicht „auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden“. Über eine (unterbliebene oder doch vorgenommene) „Aufforderung zur Verbesserung“ liegt zwar keine Feststellung vor, die Berechtigung des Begehrens auf Preisminderung folgt aber aus der schon bei Übergabe vorhandenen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs, seines deswegen geringeren Werts im Kaufzeitpunkt und der von der Erstbeklagten bis zuletzt bestrittenen Mangelhaftigkeit.
[30] 3.3 Eine Unschlüssigkeit der Klage ist nicht ersichtlich: Wenngleich der mögliche Entzug der Typengenehmigung kein Rechtsmangel ist, bleibt doch der Sachmangel der unzulässigen Abschalteinrichtung.
[31] 3.4 Auch in dieser Revision wird keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgeworfen.
[32] 4.1 Die Revisionen sind daher ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen.
[33] 4.2 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung im – hier vorliegenden – Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T3]). Der Kläger hat in den Beantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel hingewiesen (RS0112296). Allerdings steht ihm ein Streitgenossenzuschlag für die nur einen Gegner betreffende Beantwortung der Revision der Erstbeklagten im Sinn des § 15 RATG nicht zu (vgl dazu etwa RS0036223; Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 3.25 mwN). Für seine Beantwortung der Revision der ersten und zweiten Nebenintervenientin hat der Kläger hingegen keinen Streitgenossenzuschlag verzeichnet. Bemessungsgrundlage ist jeweils nur die gegen die Erstbeklagte zuerkannte Geldforderung und nicht auch der für das abgewiesene Feststellungsbegehren angesetzte Streitwert. Daher errechnen sich für jede der drei Beantwortungen je 1.788,90 EUR (einschließlich 298,15 EUR USt).
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