OGH 4Ob178/23i

OGH4Ob178/23i25.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat MMag. Matzka und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag.Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. G* GmbH, *, vertreten durch die Raits Dalus Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und ihrer Nebenintervenientin F* GmbH, *, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie 2. S* N.V., *, Niederlande, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 28.039,68 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Juni 2023, GZ 6 R 154/22t‑85, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 29. September 2022, GZ 5 Cg 118/20k‑80, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00178.23I.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 2.166,90 EUR (darin 361,15 EUR 20%ige USt), der zweitbeklagten Partei die mit 1.201,57 EUR (darin 208,54 EUR 21%ige USt), und der Nebenintervenientin die mit 1.191,64 EUR (darin 198,61 EUR 20%ige USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend das primär auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Diesel‑PKW mit unzulässiger Abschalteinrichtung (hilfsweise auf Zahlung von 10.000 EUR und Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden) gerichtete Klagebegehren ab.

[2] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof die Frage der Qualifikation des möglicherweise drohenden Entzugs der EG‑Typgenehmigung auch als Rechtsmangel zuletzt offen gelassen habe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[4] 1.1. Nachdem der Kläger schon in seiner Berufung gegenüber der erstbeklagten Händlerin nur noch Gewährleistungsansprüche ins Treffen geführt hatte, macht die Revision gegen die Berufungsentscheidung, die Sachmängel als verjährt und Rechtsmängel als nicht gegeben qualifiziert hat, nur noch geltend, dass der drohende Entzug der Typengenehmigung als Rechtsmangel anzusehen wäre (während sie der Verjährung von geltend gemachten Sachmängeln nicht mehr entgegentritt).

[5] 1.2. Diese Rechtsfrage ist allerdings in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwischenzeitig geklärt: Eine im für das Vorliegen eines solchen Rechtsmangels maßgebenden Zeitpunkt der Übergabe bloß befürchtete mangelnde Rechtsbeständigkeit der EG‑Typengenehmigung bzw die bloß befürchtete, also nicht konkret drohende Aufhebung der Zulassung ist kein Rechtsmangel (vgl etwa 3 Ob 40/23p Rz 23 ff; 2 Ob 122/23i Rz 19 ff; 8 Ob 70/23m Rz 14).

[6] 1.3. Gegen diese nunmehr ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führt die Revision keine neuen Argumente ins Treffen und zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[7] 2.1. In Ansehung der Zweitbeklagten versucht die Revision zu begründen, dass diese als „Hersteller“ im Sinne der – hier unstrittig anzuwendenden – VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur‑ und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG ) anzusehen wäre.

[8] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits mehrmals darauf verwiesen, dass der EuGH in der Entscheidung C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG, den Schutz der Einzelinteressen des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller bejaht hat. Der Oberste Gerichtshof folgerte aber aus den zugrundeliegenden unionsrechtlichen Vorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass nur derjenigen Person oder Stelle eine Verletzung des Art 5 VO 715/2007/EG zur Last gelegt werden kann, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (vgl etwa 6 Ob 161/22b Rz 20 ff; 3 Ob 40/23p Rz 32 ff; 6 Ob 114/23t; 4 Ob 150/22w Rz 21 ff; 10 Ob 31/23s Rz 40).

[9] 2.3. Die nach den Feststellungen erst nach Entwicklung, Produktion und Typengenehmigung des Fahrzeugs gegründete Zweitbeklagte ist aber weder Herstellerin des Fahrzeugs noch des Motors; Fahrzeughersteller in oben dargelegten relevanten Sinne ist laut dem seinem Inhalt nach unstrittigen (und daher der Entscheidung zugrunde zu legenden: RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]) Genehmigungsdatenbank‑Datenauszug Blg./E eine in den USA ansässige C* LLC (nunmehr F* LLC).

[10] Auf eine Schutzgesetzverletzung kann daher der Kläger seinen Schadenersatzanspruch gegen die Zweitbeklagte nicht gründen.

[11] 3. Soweit der Kläger seine Ansprüche gegen die Zweitbeklagte auch auf § 874 ABGB und eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB stützte (vgl dazu 6 Ob 161/22b; 3 Ob 40/23p; 4 Ob 150/22w Rz 36 ff), steht dem hier entgegen, dass nicht feststellbar war, ob bzw allenfalls wie sie auf die Entwicklung des Antriebs des Fahrzeugs insbesondere im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen Einfluss nahm. Soweit der Kläger hierzu einen rechtlichen Feststellungsmangel moniert, genügt daher der Hinweis, dass die Feststellungsgrundlage nicht mangelhaft ist, wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen (vgl RS0053317 [T1]; vgl RS0043320 [T16, T18]; RS0043480 [T15]).

[12] Auch hier stellt sich somit keine erhebliche Rechtsfrage.

[13] 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

[14] Wie schon das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, steht für die von Zweitbeklagter und Nebenintervenientin gemeinsam ausgeführte Revision die in erster Instanz ausreichend bescheinigte niederländische USt von 21 % nur für anwaltliche Leistungen zu, die für die in den Niederlanden ansässige Zweitbeklagte erbracht wurden. Daher waren die Nettokosten für diesen Schriftsatz (1.986,07 EUR, inklusive 10 % Streitgenossenzuschlag) zu halbieren und der Zweitbeklagten und der Nebenintervenientin diese Hälfte mit der jeweils zutreffenden USt zuzusprechen.

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