European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00152.23S.1219.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin und die Beklagte vertreiben Trink- und Weingläser im hochpreisigen Segment.
[2] Kurt Josef Zalto entstammt einer Familie, die seit sechs Generationen Glasmacher hervorbringt, und ist selbst seit über 50 Jahren als Glasmacher und Glasdesigner tätig.
[3] 2006 begründete er die klagende Gesellschaft mit. Seit Kurt Josef Zalto 2009 im Streit bei der Klägerin ausschied, ist diese Inhaberin der inzwischen für Gläser bekannten österreichischen Wortmarke „Zalto“.
[4] Danach entwickelte Kurt Josef Zalto die „Josephine“-Glasserie, ließ sie als Design schützen, gründete 2019 die beklagte GmbH und lizenzierte die Designrechte an die Beklagte.
[5] Seit geraumer Zeit bewirbt die Beklagte Wein- und Trinkgläser mit dem Zusatz „by Kurt Josef Zalto“ oder „von Kurt Josef Zalto“ in Überschriften und Produktbeschreibungen auf ihrer eigenen Website und dem dazugehörigen Online-Shop, diversen anderen Vertriebsplattformen, ihrem Facebook-Profil und Werbeauftritten auf externen Websites. Bei Eingabe von „Zalto“ in der Online-Suchmaschine Google wurden erstgereiht beispielsweise folgende bezahlte Anzeigen der Beklagten angezeigt:
oder überhaupt nur:
[6] Die Klägerin begehrte, der Beklagten zu untersagen, Wein- und Trinkgläser mit dem Zusatz „by/von Kurt Josef Zalto“ zu vertreiben und/oder zu bewerben. Sie berief sich auf eine Markenrechtsverletzung und Irreführung nach § 2 UWG.
[7] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, weil der wahrheitsgemäße Hinweis auf den Designer der Gläser eine nach § 10 Abs 3 Z 2 MSchG zulässige Beschreibung sei. Die Verwendung des vollständigen Namens des Designers inklusive seiner beiden Vornamen und die Beisetzung der Worte „by“ bzw „von“ und der Firma der Beklagten vermeide auch jede Irreführung.
[8] Das Rekursgericht lehnte zwar ein generelles Verbot des Zusatzes „by/von Kurt Josef Zalto“ ebenfalls ab. Es gab dem Rekurs der Klägerin aber teilweise Folge und untersagte der Beklagten mit einstweiliger Verfügung, Wein- und Trinkgläser mit dem Zusatz „by Kurt Josef Zalto“ oder „von Kurt Josef Zalto“ oder einer verwechslungsfähig ähnlichen Bezeichnung, die die Wortmarke „Zalto“ der Klägerin enthält, zu vertreiben und/oder zu bewerben, wenn dabei nicht oder nur schwer erkennbar ist, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten keine wirtschaftliche Verbindung besteht. Die Üblichkeit einer Nennung des Designers bei Trinkgläsern sei nicht bescheinigt, die Familien- und Unternehmensgeschichte der Parteien sei unter den Käufern nicht allgemein bekannt. Zur Vermeidung einer Ruf- und Aufmerksamkeitsausbeutung der bekannten Marke der Klägerin müsse bei Nennung des Produktdesigners deshalb klargestellt werde, dass die Ware nicht aus dem Unternehmen der Klägerin stamme. Dies sei insbesondere bei den vorgelegten Anzeigen in Suchmaschinen durch bloßen Zusatz von „by/von“; dem Firmenschlagwort der Beklagten und/oder der Bezeichnung ihrer Glasserie nicht erreicht worden.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten zielt auf die Abweisung des gesamten Sicherungsantrags ab. Er zeigt aber keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.
[10] 1. Die Beklagte argumentiert, dass sich die Beklagte als juristische Person auf ein Namensrecht ihres Gesellschafters berufen könne. Dazu verweist sie auf die Entscheidung EuGH C‑51/09 , Barbara Becker.
[11] 1.1. § 10 Abs 1 MSchG gewährt dem Markeninhaber das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr 1. ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen gleich sind, für die die Marke eingetragen ist; 2. ein mit der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
[12] Nach § 10 Abs 3 Z 1 MSchG hat der Markeninhaber aber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, den Namen oder die Adresse des Dritten im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn es sich bei diesem um eine natürliche Person handelt, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht.
[13] Die Ausnahmebestimmung – eine Umsetzung des gleich formulierten Art 14 der neu gefassten Markenrechts-Richtline (EU) 2015/2436 – gewährt also einer natürlichen Person das Recht, ihren eigenen Namen in lauterer Form weiterhin zu nutzen.
[14] In der Entscheidung 4 Ob 131/22a – Norbert Szigeti, ließ der Oberste Gerichtshof ausdrücklich die Frage offen, ob die Ausnahmebestimmung allenfalls auch für juristische Personen gelten könne (Rz 20), weil die Nennung im vorliegenden Fall ohnedies nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprach.
[15] Dies gilt auch im vorliegenden Fall, weil nicht bescheinigt ist, dass die Nennung des Designers von Wein- und Trinkgläsern überhaupt üblich ist und damit den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht.
[16] 1.2. Aus der von der Beklagten zitierten EntscheidungEuGH C‑51/09 , Barbara Becker, ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil eine ganz andere Sachverhaltskonstellation zu beurteilen war. Es handelte sich um ein Widerspruchsverfahren der Inhaberin der Marke „Becker“ gegen die Eintragung der Marke „Barbara Becker“ für eine natürliche Person dieses Namens.
[17] 2. Die Beklagte rügt außerdem, dass das Rekursgericht bei den für die Entscheidung herangezogenen beteiligten Verkehrskreisen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei. Zum einen habe es nicht ausreichend definiert, wer zu diesen Verkehrskreisen gehöre. Selbst wenn man mit dem Rekursgericht davon ausgehe, dass auch Richter Wein- und Trinkgläser kaufen würden, könne der Rekurssenat nicht einfach sein eigenes Verständnis der Werbeanzeigen zugrunde legen. Immerhin gehöre in diesem Fall auch die Richterin am Erstgericht zu den relevanten Verkehrskreisen und diese habe eine gegenteilige Ansicht zur Irreführung vertreten.
[18] 2.1. Die Beurteilung der Wirkung einer Reklame auf die breite Masse ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist aber immer dann eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (RS0039926 [T28]; vgl auch RS0040657 zur Verwechslungsgefahr und RS0043518 zur Irreführungseignung). Es ist dabei nicht einmal zwingend erforderlich, dass der Richter selbst den Verkehrskreisen angehört (RS0040657; RS0054911).
[19] Da der Kauf auch von hochpreisigen Wein- und Trinkgläsern zu den Erfahrungen des täglichen Lebens gehört, liegt hier eine Rechtsfrage vor. Eine exakte Definition der Verkehrskreise durch Aufzählung aller relevanten Personengruppen ist nicht erforderlich.
[20] 2.2. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts über den Eindruck auf die beteiligten Verkehrskreise kann nicht durch die abweichende Auffassung eines einzelnen weiteren Mitglieds der beteiligten Verkehrskreise widerlegt werden. Eine einhellige Auffassung aller Mitglieder des relevanten Verkehrskreises zu einer Werbemaßnahme oder Marke ist weder Bestandteil oder Folge der Definition von Verkehrskreisen noch entspricht sie der Lebenserfahrung.
[21] Vielmehr geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass die Mitglieder des relevanten Verkehrskreises durchaus unterschiedliche Positionen vertreten (vgl RS0078654 – Irreführungseignung bei Fehlvorstellungen bei einem nicht ganz unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise zu bejahen; RS0078751 – Verkehrsgeltung bei Interpretation eines Zeichens als Herkunftshinweis durch einen nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise).
[22] 3. Schließlich moniert die Beklagte, dass derSpruch offen lasse, welche Anzeigen bzw Passagen vom Unterlassungsgebot betroffen seien. Der Urteilstenor sei damit unbestimmt und mit Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO behaftet.
[23] 3.1. Die Einschränkung des Begehrens um den Einschub, „wenn nicht oder nur schwer erkennbar ist, dass zwischen [den Parteien] keine wirtschaftliche Verbindung besteht“ ist ausreichend klar und wurde sogar bereits in zumindest einer höchstgerichtlichen Entscheidung verwendet (vgl 17 Ob 3/10f).
[24] 3.2. Das Gericht hat in seinem Urteil alle die Hauptsache betreffenden Anträge zu erledigen (§ 404 ZPO). Dabei ist das Klagebegehren (nur) im berechtigten Ausmaß zuzusprechen, also hat erforderlichenfalls ein Teilzuspruch (Minus) zu erfolgen. Dies gilt auch bei Unterlassungsbegehren (vgl RS0037485 [T14]) und gemäß § 78 EO auch im Sicherungsverfahren.
[25] Schon die zweite, ganz kurze Werbeanzeige auf Google rechtfertigt die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung als Minus zum Sicherungsantrag. Einer weiteren Analyse sämtlicher von der Klägerin zur Bescheinigung vorgelegten Werbemaßnahmen bedarf es nicht, weil es nicht die Aufgabe der Gerichte ist, für die Verfahrensparteien lauterkeits- und immaterialgüterrechtlich unbedenkliche Werbestrategien zu entwickeln oder auch nur zu identifizieren.
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